Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.205/2009
Zurück zum Index I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2009
Retour à l'indice I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2009


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_205/2009

Urteil vom 12. Oktober 2009
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Corboz,
Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Hurni.

1. Parteien
X.________ Corp.,
2. Y.________ AG,
Beschwerdeführerinnen,
beide vertreten durch Rechtsanwälte Ursula In-Albon und Jürg Müller,

gegen

Z.________ & Co.,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Ueli Grüter.

Gegenstand
Marken- und Lauterkeitsrecht; sachliche Zuständigkeit

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Luzern, I. Kammer als Rekursinstanz,
vom 17. März 2009.
Sachverhalt:

A.
Die X.________ Corp. mit Sitz in Taipei (Beschwerdeführerin 1) vertreibt
spezielle kleine und leichte Notebooks. Für diese hinterlegte sie in
verschiedenen Ländern und in der EU die Marke "A.________". Zudem liess sie die
Domainnamen "www.A.________.com", "www.A.________.biz", "www.A.________.info"
und "www.A.________.de" registrieren. Die Y.________ AG mit Sitz in Bern
(Beschwerdeführerin 2) ist für den Vertrieb der Notebooks der
Beschwerdeführerin 1 in der Schweiz zuständig. Die Z.________ & Co.
(Beschwerdegegnerin) ist eine in Luzern ansässige Design-Firma. Sie liess die
Marke "A.________" in der Schweiz für verschiedene Waren hinterlegen und den
Domainnamen "www.A.________.ch" registrieren.

B.
B.a Am 3. Juni 2008 reichten die Beschwerdeführerinnen beim Amtsgericht
Luzern-Stadt gegen die Beschwerdegegnerin Klage ein mit folgenden
Rechtsbegehren:
"1. Es sei festzustellen, dass die CH-Marke Nr. 536 520 A.________ für
'Datenverarbeitungsgeräte und Computer' (Klasse 9) nichtig ist.
2. Es sei der Beklagten unter Androhung der Straffolgen von Art. 292 StGB zu
verbieten, die Bezeichnung A.________ für Datenverarbeitungsgeräte und Computer
sowie Computerzubehör, insbesondere Notebook-Halter zu verwenden.
3. Es sei die Beklagte unter Androhung der Straffolgen von Art. 292 StGB zu
verurteilen, den Domainnamen www.A.________.ch innert 20 Tagen auf die Klägerin
2 zu übertragen.
4. Eventualiter: Es sei der Beklagten unter Androhung der Straffolgen von Art.
292 StGB zu verbieten, unter der Webadresse www.A.________.ch
Datenverarbeitungsgeräte und Computer sowie Computerzubehör, insbesondere
Notebook-Halter anzubieten."
Mit Entscheid vom 12. November 2008 trat das Amtsgericht Luzern-Stadt auf die
Klage mangels sachlicher Zuständigkeit nicht ein und überwies das Verfahren an
das Obergericht des Kantons Luzern.
B.b Gegen diesen Entscheid rekurrierten die Beschwerdeführerinnen an das
Obergericht des Kantons Luzern mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei
aufzuheben und das Amtsgericht Luzern-Stadt sei anzuweisen, auf die Klage
einzutreten. Mit Entscheid vom 17. März 2009 hob das Obergericht den
angefochtenen Entscheid auf und wies die Sache zur neuen Beurteilung im Sinne
der Erwägungen an das Amtsgericht Luzern-Stadt zurück.
B.c In seinen Erwägungen hielt das Obergericht fest, dass das Bundesrecht für
Zivilstreitigkeiten betreffend Immaterialgüterrechte für das ganze
Kantonsgebiet die Beurteilung durch eine einzige Instanz vorschreibe und im
Kanton Luzern dafür das Obergericht sachlich zuständig sei. Für Streitigkeiten
betreffend unlauteren Wettbewerb seien dagegen die ordentlichen Gerichte
sachlich zuständig. Art. 12 Abs. 2 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren
Wettbewerb (UWG; SR 241) ermögliche dabei der klagenden Partei, auch
lauterkeitsrechtliche Ansprüche bei dem für die immaterialgüterrechtlichen
Ansprüche zuständigen Gericht geltend zu machen, sofern die gehäuften Ansprüche
in einem Zusammenhang stünden.
Nach Ansicht des Obergerichts machen die Beschwerdeführerinnen im
Rechtsbegehren Ziff. 1 einen Anspruch markenrechtlicher Natur geltend, da die
Löschung einer Marke weder gestützt auf das UWG noch auf das
Persönlichkeitsrecht vorgenommen werden könne, sondern nur gemäss Art. 52 des
Bundesgesetzes über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (MSchG; SR
232.11). Den Beschwerdeführerinnen gehe es jedoch ungeachtet des Klageantrags
Ziff. 1 einzig um die Beurteilung, ob ein Behinderungswettbewerb vorliege, und
nicht darum, ob die Marke der Beschwerdegegnerin infolge eines absoluten oder
relativen Ausschlussgrundes von Anfang an nichtig und deshalb aus dem
Markenregister zu löschen sei. Darauf seien sie zu behaften. Erfolge eine
Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts lediglich unter dem Blickwinkel des
unlauteren Wettbewerbs, sei das Amtsgericht sachlich zuständig. Dieses werde
daher im Rahmen seiner sachlichen Zuständigkeit darüber zu befinden haben, ob
der Klageantrag Ziff. 1 abzuweisen oder ob darauf nicht einzutreten sein werde.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 4. Mai 2009 beantragen die
Beschwerdeführerinnen dem Bundesgericht, es sei der Entscheid des Obergerichts
aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung zurückzuweisen. Dabei sei das
Obergericht anzuweisen, in den Erwägungen des neu zu fällenden Entscheids keine
Vorgaben an das Amtsgericht Luzern-Stadt zu machen oder Rechtsauffassungen zu
äussern, wie das Klagebegehren Ziff. 1 vom 3. Juni 2008 lauterkeitsrechtlich
und prozessual zu beurteilen sei. Eventualiter beantragen die
Beschwerdeführerinnen, das Obergericht sei anzuweisen, jene Erwägungen nicht
mehr in den neu zu fällenden Entscheid aufzunehmen, die sich zur rechtlichen
Beurteilung von Ziff. 1 des Klagebegehrens äussern, bzw. die Wendung der
Rückweisung "im Sinne der Erwägungen" in Dispositiv-Ziff. 1 zu streichen.
Die Beschwerdegegnerin schliesst in ihrer Vernehmlassung auf Abweisung der
Beschwerde und beantragt, das Obergericht sei anzuweisen, die Sache als einzige
kantonale Instanz materiell zu beurteilen, bzw. es sei das Obergericht als
einzige kantonale Instanz für sachlich zuständig zu erklären. Das Obergericht
schliesst in seiner Vernehmlassung ebenfalls auf Abweisung der Beschwerde und
bekräftigt im Übrigen seine Auffassung, dass es dem Amtsgericht verwehrt sei,
die Klage gestützt auf Markenrecht zu beurteilen.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (BGE 134 III 115 E. 1 S. 117, 379 E. 1 S. 381).

1.1 Nach Art. 90 BGG steht die Beschwerde an das Bundesgericht offen gegen
Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Endentscheide). Angefochten ist
hier ein Rückweisungsentscheid. Rückweisungsentscheide sind grundsätzlich
Zwischenentscheide, gegen die nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 oder 93
BGG beim Bundesgericht Beschwerde erhoben werden kann, selbst wenn damit über
materielle Teilaspekte der Streitsache entschieden wird (vgl. BGE 134 II 123 E.
1.3 S. 127; 133 V 477 E. 4.2 und 4.3 S. 481 f.; 132 III 785 E. 3.2 S. 790).

1.2 Die Beschwerde hat ein Rechtsbegehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG). Da
die Beschwerde an das Bundesgericht ein reformatorisches Rechtsmittel ist (Art.
107 Abs. 2 BGG), dürfen sich die Beschwerdeführerinnen grundsätzlich nicht
darauf beschränken, die Aufhebung des angefochtenen Entscheids zu beantragen,
sondern müssen einen Antrag in der Sache stellen. Die Beschwerdeführerinnen
müssen demnach angeben, welche Teile des Entscheiddispositivs angefochten und
welche Abänderungen beantragt werden. Grundsätzlich ist ein materieller Antrag
erforderlich; Anträge auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur neuen
Entscheidung oder blosse Aufhebungsanträge genügen nicht und machen die
Beschwerde unzulässig. Ein blosser Rückweisungsantrag reicht ausnahmsweise aus,
wenn das Bundesgericht im Falle der Gutheissung in der Sache nicht selbst
entscheiden könnte, weil die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen der
Vorinstanz fehlen (BGE 134 III 379 E. 1.3 S. 383; 133 III 489 E. 3.1 S. 489
f.).

1.3 Die Beschwerdeführerinnen haben der Vorinstanz beantragt, den
Nichteintretensentscheid des Amtsgerichts Luzern-Stadt aufzuheben und dieses
anzuweisen, auf die Klage einzutreten. Dabei handelte es sich sinngemäss um den
Antrag, das Amtsgericht Luzern-Stadt zur Beurteilung der gesamten Streitsache,
also namentlich auch des Klagebegehrens Nr. 1 für sachlich zuständig zu
erklären. Den Nichteintretensentscheid des Amtsgerichts hob die Vorinstanz in
der Folge zwar auf und wies die Sache zur Neubeurteilung durch das Amtsgericht
zurück. Dabei wies es die erste Instanz in seinen Erwägungen jedoch an, auf das
Klagebegehren Nr. 1 entweder nicht einzutreten oder dieses abzuweisen.
1.3.1 Es erscheint fraglich, ob das Obergericht zur sachlichen Zuständigkeit
des Amtsgerichts überhaupt verbindlich Stellung genommen hat, wenn es auch die
Möglichkeit der Abweisung des Klagebegehrens Nr. 1 erwähnt. Allerdings wurde
das Klagebegehren Nr. 1 dem Obergericht gar nicht zur materiellen Beurteilung
unterbreitet und war somit in dieser Hinsicht auch gar nicht Teil des
Streitgegenstands. Ausserhalb des Streitgegenstands stehende Erwägungen haben
lediglich die Funktion von obiter dicta, die als nicht entscheidtragende
Äusserungen keine die Vorinstanz bindende Wirkung entfalten. Damit handelt es
sich beim angefochtenen Entscheid in der Sache um einen Zwischenentscheid
betreffend die Zuständigkeit. Dagegen ist die Beschwerde gemäss Art. 92 BGG
zulässig.
1.3.2 Ob die Anträge der Beschwerdeführerinnen vor Bundesgericht den
Anforderungen an einen reformatorischen Antrag genügen, ist indessen fraglich.
Die Beschwerdeführerinnen unterbreiten dem Bundesgericht nämlich hinsichtlich
der Zuständigkeitsfrage lediglich Anträge auf Kassation des angefochtenen
Entscheids. Zwar beantragen sie dem Bundesgericht auch, der Vorinstanz
Anweisungen betreffend die Neubeurteilung sowie die Redaktion der Motive bzw.
des Dispositivs zu erteilen. Dies macht die Anträge aber noch nicht zu
reformatorischen, denn solche müssten Begehren auf Abänderung des
Entscheiddispositivs - und nicht der Erwägungen - enthalten.
Allerdings äussert sich auch das Dispositiv des angefochtenen Entscheids nicht
ausdrücklich zur Zuständigkeit, obwohl die Beschwerdeführerinnen der Vorinstanz
sinngemäss den Antrag gestellt haben, das Amtsgericht Luzern-Stadt zur
Beurteilung der gesamten Streitsache für sachlich zuständig zu erklären. Ob
unter diesen Umständen den Beschwerdeführerinnen trotzdem anzulasten ist, dem
Bundesgericht keinen reformatorischen Antrag gestellt zu haben, kann jedoch
offen bleiben. Denn selbst wenn das Begehren der Beschwerdeführerinnen
sinngemäss als reformatorischer Antrag entgegenzunehmen wäre, das Amtsgericht
sei vollumfänglich für sachlich zuständig zu erklären, wäre die Beschwerde
jedenfalls in der Sache unbegründet.

2.
2.1 Die Beschwerdeführerinnen - wie im Übrigen auch die Vorinstanz - verkennen,
dass eine Klage, welche die Nichtigkeit einer Marke zum Gegenstand hat, stets
eine Klage im Sinne von Art. 58 Abs. 3 MSchG ist, für die das Bundesrecht die
sachliche Zuständigkeit einer einzigen kantonalen Instanz vorschreibt. Dabei
spielt keine Rolle, ob die Nichtigkeit marken-, namens- oder eben
lauterkeitsrechtlich begründet wird (LUCAS DAVID, Basler Kommentar, N. 14 zu
Art. 58 MSchG). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz kann nämlich die
Nichtigkeit einer Marke mit einer (negativen) Feststellungsklage i.S. von Art.
52 MSchG geltend gemacht werden, wenn sich die Markenhinterlegung als unlauter
im Sinne der Art. 2 ff. UWG herausstellt (in diesem Sinne das Urteil 4C.82/2007
vom 30. Mai 2008 E. 2.1.4, publ. in: sic! 10/2008 S. 732; sodann BGE 129 III
353 E. 3.3., 3.4 S. 357 ff. sowie das Urteil 4C.62/1988 vom 22. November 1988,
publ. in: SMI 1989, S. 266 ff.). Dem entspricht, dass auch die voraussichtlich
per 1. Januar 2011 in Kraft tretende Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19.
Dezember 2008 (BBl 2009 S. 21) in Art. 5 Abs. 1 lit. a für "Streitigkeiten im
Zusammenhang mit geistigem Eigentum einschliesslich der Streitigkeiten
betreffend Nichtigkeit (...) solcher Rechte" die (sachliche) Zuständigkeit
einer einzigen kantonalen Instanz vorsieht, ohne nach der Herkunft des
Rechtssatzes zu differenzieren, aus dem sich die Nichtigkeit des umstrittenen
Immaterialgüterrechts ergibt.

2.2 Unter den Parteien ist unbestritten, dass gemäss § 11 ZPO/LU das Luzerner
Obergericht alle Streitigkeiten entscheidet, die nach Bundesrecht einer
einzigen kantonalen Instanz vorbehalten sind. Nach dem Gesagten ergibt sich
damit, dass das Obergericht des Kantons Luzern und nicht das Amtsgericht
Luzern-Stadt zur Beurteilung des Klagebegehrens Nr. 1 sachlich zuständig ist.
Insoweit die Beschwerdeführerinnen sinngemäss beantragen, das Amtsgericht sei
sachlich zuständig zu erklären, erweist sich ihre Beschwerde als unbegründet.

3.
Unter dem BGG gibt es keine Anschlussbeschwerde (vgl. BGE 134 III 33 E 2.5 S.
335). Die Beschwerdegegnerin hat innert der Frist von 30 Tagen (Art. 100 Abs. 1
BGG) nicht selbst Beschwerde eingereicht. Das Bundesgericht ist folglich an das
Verbot der reformatio in peius gebunden und kann nur über die von den
Beschwerdeführerinnen gestellten Anträge entscheiden. Auf den Antrag der
Beschwerdegegnerin, die Vorinstanz sei anzuweisen, die Sache als einzige
kantonale Instanz materiell zu beurteilen, bzw. es sei das Obergericht als
einzige kantonale Instanz für sachlich zuständig zu erklären, kann damit nicht
eingetreten werden.

4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten
wird. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend werden die Beschwerdeführerinnen
kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen (unter
solidarischer Haftung und intern zu gleichen Teilen) auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerinnen haben die Beschwerdegegnerin für das
bundesgerichtliche Verfahren (unter solidarischer Haftung und intern zu
gleichen Teilen) mit Fr. 3'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, I.
Kammer als Rekursinstanz, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Oktober 2009
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Klett Hurni