Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.182/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_182/2009

Urteil vom 13. Mai 2009
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Widmer.

Parteien
A.E.________,
B.E.________,
Beschwerdeführer,

gegen

1. F.H.________,
2. Erbengemeinschaft des G.H.________,
bestehend aus:

2.1 F.H.________,

2.2 J.K.-H.________,
Beschwerdegegnerinnen,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Joachim Breining.

Gegenstand
Ausweisung und Kündigung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des
Kantons Schaffhausen vom 9. April 2009.

Sachverhalt:

A.
Am 31. Oktober 2008 beantragten F.H.________ und J.K.-H.________
(Beschwerdegegnerinnen) dem Kantonsgericht Schaffhausen, es seien A.E.________
und B.E.________ (Beschwerdeführer) aus der Liegenschaft X.________
auszuweisen. Mit Verfügung vom 7. November 2008 überwies der Präsident der
kantonalen Schlichtungsstelle für Mietsachen das dort am 16. September 2008
anhängig gemachte Verfahren betreffend Kündigungsanfechtung an die für das
Ausweisungsbegehren zuständige Einzelrichterin des Kantonsgerichts
Schaffhausen. Mit Verfügung vom 22. Januar 2009 wies die Einzelrichterin die
Kündigungsanfechtung ab und befahl den Beschwerdeführern unter Androhung des
polizeilichen Zwangsvollzugs, die von ihnen bewohnte 3 1/2 Zimmer-Wohnung im
Dachgeschoss der Liegenschaft X.________ unverzüglich zu räumen, in
ordnungsgemässem Zustand zu verlassen und sämtliche zugehörigen Schlüssel
herauszugeben.

B.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer beim Obergericht des Kantons Schaffhausen
Rekurs und beantragten im Wesentlichen, die Begehren der Beschwerdegegnerinnen
vollumfänglich abzuweisen. Es sei festzustellen, dass die Kündigung vom 16.
September 2008 nichtig sei und demzufolge keine Rechtswirkung entfalte.
Eventualiter sei die Kündigung als ungültig aufzuheben, wobei festzustellen
sei:
dass den Beschwerdeführern gegenüber den Beschwerdegegnerinnen aus
Malerarbeiten am Mietobjekt eine Forderung zusteht, welche die Mietzinse für
die Monate November 2007 bis und mit Juli 2008 à Fr. 800.--, d.h. total Fr.
7'200.-- übersteigt;
dass die Beschwerdeführer zur Tilgung der Mietzinse für die Zeit von November
2007 bis und mit Juli 2008 frist- und formgerecht die Verrechnungseinrede
erhoben haben;
sich die Beschwerdeführer demgemäss bezüglich der Leistung der von den
Beschwerdegegnerinnen abgemahnten Mietzinse nicht in Verzug befinden.
Subeventualiter sei die Kündigung in Anwendung von Art. 271/271a Abs. 1 lit. a
OR als ungültig aufzuheben. Sub-subeventualiter sei das Mietverhältnis in
Anwendung von Art. 272 OR für die Dauer von vier Jahren zu erstrecken.
Mit Verfügung vom 29. Januar 2009 wies der Präsident des Obergerichts das
Gesuch der Beschwerdeführer, dem Rekurs die aufschiebende Wirkung zu erteilen
und ihnen eine Nachfrist für eine Ergänzung der Rekursbegründung anzusetzen,
ab. Auf eine dagegen erhobene Beschwerde in Zivilsachen trat das Bundesgericht
mit Urteil vom 12. März 2009 nicht ein (4A_64/2009).
Am 9. April 2009 wies das Obergericht den Rekurs ab.

C.
Die Beschwerdeführer beantragen mit Beschwerde in Zivilsachen, diesen Entscheid
des Obergerichts vollumfänglich aufzuheben, das Ausweisungsbegehren
vollumfänglich abzuweisen und die angefochtene Wohnungskündigung als ungültig
aufzuheben. Ausserdem erneuern sie als "Unteranträge" ihre im obergerichtlichen
Verfahren gestellten Feststellungsbegehren.
Mit Eingabe vom 5. Mai 2009 ersuchen die Beschwerdeführer zudem um
unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren.
Die Beschwerdegegnerinnen schliessen auf Abweisung der Beschwerde, sofern auf
sie einzutreten sei. Die Vorinstanz verzichtete auf eine Vernehmlassung.

D.
Mit Verfügung vom 20. April 2009 wurde der Beschwerde superprovisorisch die
aufschiebende Wirkung erteilt.

Erwägungen:

1.
Mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache selbst wird das Gesuch um
aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

2.
Der angefochtene Entscheid des Obergerichts ist ein verfahrensabschliessender
Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 Abs. 1
BGG). Sodann übersteigt der Streitwert bei einem monatlichen Mietzins von Fr.
800.-- die Grenze nach Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG (vgl. Art. 271a Abs. 1 lit. e
OR und Urteil 4A_148/2008 vom 18. April 2008 E. 1; BGE 111 II 384 E. 1, je mit
Hinweisen). Auf die Beschwerde kann grundsätzlich eingetreten werden. Dies gilt
allerdings von vornherein nicht bezüglich der Feststellungsbegehren, da
dieselben lediglich die Feststellung von Vorfragen zum Gegenstand haben, die im
Rahmen der Beurteilung der Gültigkeit der Kündigung zu prüfen sind und keinen
selbständigen Charakter haben.

3.
Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG
gerügt werden. Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, andernfalls wird
darauf nicht eingetreten. In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG).
Unbeachtlich sind blosse Verweise auf die Akten; inwiefern das angefochtene
Urteil Bundesrecht verletzt, ist in der Beschwerdeschrift selber darzulegen
(vgl. BGE 133 II 396 E. 3.1 S. 400; 126 III 198 E. 1d; 116 II 92 E. 2; 115 II
83 E. 3 S. 85). Soweit die Beschwerdeführer auf die Ausführungen in ihren
kantonalen Rechtsschriften verweisen, kann darauf von vornherein nicht
eingegangen werden.

4.
Ist der Mieter nach der Übernahme der Sache mit der Zahlung fälliger Mietzinse
oder Nebenkosten im Rückstand, so kann ihm der Vermieter nach Art. 257d Abs. 1
OR schriftlich eine Zahlungsfrist setzen und ihm androhen, dass bei unbenütztem
Ablauf der Frist das Mietverhältnis gekündigt werde. Diese Frist beträgt bei
Wohn- und Geschäftsräumen mindestens 30 Tage. Bezahlt der Mieter innert der
gesetzten Frist nicht, so kann der Vermieter fristlos, bei Wohn- und
Geschäftsräumen mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende eines Monats
kündigen (Art. 257d Abs. 2 OR).

4.1 Die Vorinstanz (wie schon die Erstinstanz) hat den Zahlungsrückstand der
Beschwerdeführer bejaht und demzufolge die Kündigung für gültig und die
Ausweisung für berechtigt beurteilt. Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung
von Art. 297 Ziff. 1 ZPO/SH, Art. 274g OR i.V.m. Art. 49 Abs. 1 BV, Art. 253
OR, Art. 257d OR, Art. 29 BV, Art. 9 BV und Art. 6 EMRK. Die geltend gemachten
Rechtsverletzungen erblicken sie darin, dass die Vorinstanz die "Einrede der
Tilgung der abgemahnten Mietzinse zufolge Verrechnung mit einer Ersatzforderung
für geleistete Unterhaltsarbeiten bzw. Mängelbehebung ignoriert" habe.
Insbesondere rügen sie eine willkürliche antizipierte Beweiswürdigung bzw. eine
den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Zurückweisung von angebotenen
Beweisen.

4.2 Die Vorinstanz hielt den Bestand der von den Beschwerdeführern zur
Verrechnung gebrachten Forderung für nicht erstellt. Sie vermisste bereits eine
hinreichende Substantiierung. So hätten die Beschwerdeführer lediglich pauschal
geltend gemacht, dass sie "umfassende Malerarbeiten" ausgeführt hätten und dass
F.H.________ mit der Restaurierung aller Decken einverstanden gewesen sei. Da
aus den Vorbringen der Beschwerdeführer sowie aus den Akten nicht hervorgehe,
welche Arbeiten sie konkret ausgeführt haben wollen, könnte darüber zum
Vornherein kein Beweis abgenommen werden.
Diese Begründung fechten die Beschwerdeführer nicht an. Im Gegenteil führen sie
in ihrer Beschwerde - missverständlich - aus, nach zutreffender Auffassung der
Vorinstanzen hätten die Beschwerdeführer die Verrechnungseinrede rechtzeitig
und hinlänglich substantiiert erhoben. Sie übergehen den Vorwurf der mangelnden
Substantiierung und lassen ihn unangefochten. Fehlt es aber an hinreichend
substantiierten Behauptungen, kann nicht Beweis geführt werden und der Vorwurf
der Nichtabnahme angebotener Beweise stösst ins Leere (vgl. BGE 129 III 25 E.
2.6; 127 III 365 E. 2b).

4.3 Die Vorinstanz hat in einer Eventualbegründung erwogen, selbst wenn die
allfälligen Leistungen der Beschwerdeführer zum Beweis verstellt werden
müssten, wäre aufgrund einer antizipierten Beweiswürdigung anzunehmen, dass den
Beschwerdeführern der Beweis nicht gelingen würde. So sei die offerierte
persönliche Befragung der Beschwerdeführer unzulässig bzw. jedenfalls von
geringem Beweiswert, da absehbar sei, dass sie zu ihren eigenen Gunsten
aussagen würden. Auch der Beweiswert der Aussagen der als Zeugen angerufenen
C.E.________ und D.E.________ wäre angesichts deren Nähe zu den
Beschwerdeführern gering. Ebenso könne auf die persönliche Befragung der
Beschwerdegegnerinnen verzichtet werden, da auch bei ihnen absehbar wäre, dass
sie nicht zu ihren eigenen Ungunsten aussagen würden. Sodann vermöchten weder
der offerierte Kostenvoranschlag oder eine gerichtliche Expertise noch ein
Augenschein zu beweisen, welche Leistungen die Beschwerdeführer im Jahr 2004
erbracht hätten. Insbesondere könne auch aus der ins Recht gelegten Offerte des
Malergeschäftes L.________ vom 12. Januar 2009 nicht herausgelesen werden,
welche Arbeiten die Beschwerdeführer zuvor selber durchgeführt haben sollten.
Hingegen lasse gerade diese Offerte erhebliche Zweifel an der Qualität und
damit am Wert der selbst ausgeführten Arbeiten aufkommen, wenn schon nach fünf
Jahren seit den geltend gemachten Eigenleistungen derart umfassende
Malerarbeiten, wie offeriert, als nötig erachtet würden.
Die Beschwerdeführer vermögen diese plausiblen Erwägungen nicht als willkürlich
auszuweisen, indem sie lediglich auf ihrem Standpunkt beharren, die offerierten
Beweise seien geeignet und könnten den erforderlichen Beweis erbringen.
Wie dargelegt (Erwägung 4.2) scheitert die geltend gemachte
Verrechnungsforderung ohnehin bereits an der mangelnden Substantiierung. Die
Vorinstanz hat daher die Verrechnungseinrede zu Recht verworfen. Weitere
Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Kündigung erheben die Beschwerdeführer
nicht mehr. Die Vorinstanz hat somit die Kündigung wegen Zahlungsrückstandes
ohne Bundesrechtsverletzung als gültig beurteilt.

5.
Die Beschwerdeführer bleiben auch vor Bundesgericht bei ihrem Standpunkt, das
Ausweisungsbegehren hätte mangels Aktivlegitimation der das Gesuch stellenden
Erbengemeinschaft des G.H.________, bestehend aus F.H.________ und
J.K.-H.________, abgewiesen werden müssen. Gemäss Grundbuchauszug stehe die
Liegenschaft X.________ je zur Hälfte im Miteigentum von F.H.________ und
G.H.________. Die Erbengemeinschaft des G.H.________ sei demnach nur zur Hälfte
am Mietobjekt berechtigt. Das nur die Erbengemeinschaft nennende
Ausweisungsbegehren sei demnach nicht von der legitimen Vermieterschaft
gestellt worden und hätte wegen Fehlens einer Partei der notwendigen
Streitgenossenschaft abgewiesen werden müssen. Die Annahme einer irrigen
Parteibezeichnung sei willkürlich.
Da die Erbengemeinschaft des G.H.________ nicht alleinige Eigentümerin der
Liegenschaft X.________ ist, hätte das Ausweisungsgesuch an sich auch im Namen
der Miteigentümerin F.H.________ gestellt werden müssen. Dies hat die
Vorinstanz zutreffend festgehalten. Es ist ihr aber auch darin zu folgen, dass
bei der vorliegenden Konstellation dennoch nicht von einer fehlenden
Aktivlegitimation ausgegangen werden musste, sondern von einer irrigen
Bezeichnung der Parteien, die korrigiert werden durfte. Dies im Hinblick auf
die bestehende Personalunion, die annehmen lässt, dass F.H.________ sowohl in
ihrer Eigenschaft als Miteigentümerin des hälftigen Anteils als auch als
Mitglied der Erbengemeinschaft des G.H.________, welcher der andere hälftige
Mitgeigentumsanteil zusteht, auftrat, so dass jedenfalls alle Streitgenossen am
Prozess beteiligt waren. Eine Bundesrechtsverletzung liegt nicht vor.

6.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die von den Beschwerdeführern
im bundesgerichtlichen Verfahren gestellten Rechtsbegehren von Beginn an keinen
Erfolg haben konnten. Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann deshalb
nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 129 I 129 E. 2.3.1).
Die Gerichtskosten sind damit von den unterliegenden Beschwerdeführern zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Sie haben die anwaltlich vertretenen
Beschwerdegegnerinnen überdies für das bundesgerichtliche Verfahren zu
entschädigen (Art. 68 Abs. 2 und 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

2.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern (unter
solidarischer Haftbarkeit und intern zu gleichen Teilen) auferlegt.

4.
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegnerinnen für das bundesgerichtliche
Verfahren (unter solidarischer Haftbarkeit und intern zu gleichen Teilen) mit
insgesamt Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Mai 2009
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Klett Widmer