Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.181/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_181/2009

Urteil vom 20. Juli 2009
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Corboz,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Gerichtsschreiber Luczak.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Steiner,

gegen

Y.________ AG,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Metzger.

Gegenstand
Vertragseintritt,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Graubünden vom 21.
Oktober 2008.

Sachverhalt:

A.
Die Y.________ AG (Beschwerdegegnerin) ist Eigentümerin mehrerer Liegenschaften
in einer Überbauung in A.________. Zu deren Betreuung stellte sie ab 2003 über
eine Immobilienverwaltung einen vollamtlichen Hauswart an. Im Jahre 2004 erwarb
X.________ (Beschwerdeführer) zwei Wohnhäuser dieser Überbauung. Am 12. Mai
2005 stellte die von der Beschwerdegegnerin eingesetzte Immobilienverwaltung
dem Beschwerdeführer anteilsmässig Rechnung für die Hauswartdienste. Am 16.
Dezember 2005 stellte sie eine weitere Rechnung und mahnte wegen des
ausstehenden ersten Rechnungsbetrages. Mit Schreiben vom 7. Juni 2006 mahnte
sie den Beschwerdeführer erneut und machte einen Ausstand bis Ende 2005 von Fr.
22'416.50 geltend. In der Folge anerkannte der Beschwerdeführer diesen Ausstand
und versprach Zahlung bis Ende des Monats. Am 8. Juni 2006 setzte die
Beschwerdegegnerin diesen Betrag in Betreibung und erhielt provisorische
Rechtsöffnung.

B.
Der Beschwerdeführer erhob Aberkennungsklage während die Beschwerdegegnerin
widerklageweise Fr. 11'202.75 nebst Zins verlangte. Am 5. März 2008 wies das
Bezirksgericht Maloja die Aberkennungsklage ab und hiess die Widerklage gut.
Die gegen dieses Urteil erhobene kantonale Berufung wies das Kantonsgericht von
Graubünden am 21. Oktober 2008 ab, wobei es unter Hinweis auf die einschlägigen
Bestimmungen des BGG festhielt, gegen diese einen Streitwert von mindestens Fr.
30'000.-- betreffende Entscheidung könne Beschwerde in Zivilsachen beim
Bundesgericht geführt werden.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Beschwerdeführer dem Bundesgericht,
das Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben, die Forderung der Beschwerdegegnerin
abzuerkennen, festzustellen, dass keine Forderung der Beschwerdegegnerin aus
einem Hauswartvertrag bestehe, und die Widerklage abzuweisen. Die
Beschwerdegegnerin beantragt, unter Kostenfolge auf die Beschwerde nicht
einzutreten, oder eventuell, diese abzuweisen. Das Kantonsgericht hat unter
Hinweis auf die angefochtene Entscheidung auf Gegenbemerkungen verzichtet.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, der für die Zulässigkeit der
Beschwerde in Zivilsachen notwendige Streitwert werde nicht erreicht, da der
Betrag einer Widerklage nicht mit demjenigen der Hauptklage zusammengerechnet
wird (Art. 53 Abs. 1 BGG).

1.1 Das Bundesgericht hat bereits unter der Geltung des
Bundesrechtspflegegesetzes zu Art. 47 OG, dem die heute geltenden Art. 52 und
Art. 53 BGG entsprechen, erkannt, dass eine wörtliche Anwendung der
Bestimmungen zur Festsetzung des Streitwerts bei negativen Feststellungsklagen
zu Ergebnissen führen würde, die mit dem Zweck der Regelung nicht vereinbar
wären (BGE 102 II 394 E. 1 S. 395 f.). Für die Frage, ob bei der Berechnung des
Streitwerts verschiedene Begehren zusammenzurechnen sind (Art. 52 und Art. 53
BGG), ist entgegen dem Wortlaut nicht massgebend, welche Partei formell als
Klagpartei auftritt beziehungsweise die Begehren stellt, sondern welche
Ansprüche die eine Partei gegenüber der anderen erhebt (vgl. BGE 102 II 394 E.
1 S. 395 f. mit Hinweisen). Sind in einem Verfahren mehrere Ansprüche derselben
Partei (oder von Streitgenossen) streitig, die sich nicht gegenseitig
ausschliessen, werden sie zusammengerechnet (Art. 52 BGG). Sind demgegenüber
sowohl Ansprüche der beschwerdeführenden als auch der Gegenpartei streitig,
liegt der Fall vor, den der Gesetzgeber bei der Regelung der Widerklage vor
Augen hatte, und erfolgt keine Zusammenrechnung (Art. 53 Abs. 1 BGG).
Demgegenüber ist unbeachtlich, ob der Anspruchsberechtigte die Rolle des
Klägers oder des Beklagten innehat (vgl. BGE 102 II 394 E. 1 S. 395).

1.2 Mit der Aberkennungsklage macht der Beschwerdeführer keine eigenen
Ansprüche geltend. Er will vielmehr feststellen lassen, dass die von der
Beschwerdegegnerin behaupteten und in Betreibung gesetzten Ansprüche über Fr.
22'416.50 nicht bestehen. Mit der Widerklage macht die Beschwerdegegnerin im
selben Prozess zusätzlich eine Forderung von Fr. 11'202.75 geltend. Damit waren
vor Vorinstanz ausschliesslich Forderungen der Beschwerdegegnerin streitig.
Mithin standen mehrere Ansprüche derselben Partei zur Beurteilung, welche sich
nicht gegenseitig ausschliessen, weshalb sie bei der Berechnung des Streitwerts
zusammenzurechnen sind (Art. 52 BGG) und der für eine Beschwerde in Zivilsachen
notwendige Streitwert erreicht wird. Materielle Ansprüche des Beschwerdeführers
gegenüber der Beschwerdegegnerin waren demgegenüber nicht zu beurteilen, so
dass Art. 53 BGG nicht zur Anwendung gelangt.

2.
Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer beantragt
festzustellen, es bestehe keine Forderung der Beschwerdegegnerin aus einem
Hauswartvertrag. Dieses Begehren geht über die blosse Aberkennung der Forderung
und Abweisung der Widerklage hinaus. Weder ergibt sich aus dem angefochtenen
Entscheid noch zeigt der Beschwerdeführer auf, dass ein entsprechendes Begehren
bereits im kantonalen Verfahren prozesskonform gestellt wurde. Damit erweist es
sich als neu und ist deshalb unzulässig (Art. 99 Abs. 2 BGG).

3.
Nach den Feststellungen der Vorinstanz ist unbestritten, dass die
Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers die Hauswartdienste durch die
Beschwerdegegnerin respektive durch deren Immobilienverwaltung erledigen
liessen. Ferner erachtete die Vorinstanz als erwiesen, dass der
Liegenschaftsverwalter des Beschwerdeführers am 15. Dezember 2004 auch die
Unterlagen betreffend Hauswartung erhalten hatte. In Würdigung der Beweise kam
sie zum Schluss, der Hauswart habe Leistungen für den Beschwerdeführer
erbracht. Insbesondere gestützt auf die Schuldanerkennung über Fr. 22'416.50
erachtete sie den Beweis, dass zwischen der Beschwerdegegnerin und dem
Beschwerdeführer konkludent ein Vertrag abgeschlossen wurde, für erbracht. Den
Einwand, der Beschwerdeführer habe sich bei Unterzeichnung der
Schuldanerkennung in einem Irrtum befunden, qualifizierte die Vorinstanz als
Schutzbehauptung.

3.1 Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, die Vorinstanz habe den Begriff
des konkludenten Verhaltens als Willensäusserung falsch ausgelegt. Es sei weder
ein konkludentes Angebot noch eine konkludente Annahme erfolgt. Zudem wirft er
der Vorinstanz vor, sie habe die Beweise auf unhaltbare Weise gewürdigt und
damit gegen Art. 8 ZGB und Art. 29 BV verstossen. Namentlich auf die Aussage
des Hauswartes hätte nicht abgestellt werden dürfen. Dieser habe vorgängig eine
von der Beschwerdegegnerin vorbereitete schriftliche Bestätigung verfasst, auf
welche nicht abgestellt werden dürfe, da dies - wie auch die Vorinstanz
festhalte - eine Umgehung des Zeugenbeweises darstelle. Die Vorinstanz habe die
Bestätigung aber dennoch zugelassen, da sie dem Hauswart bei der
Zeugeneinvernahme vorgelegt worden sei. Werde dem Zeugen aber seine Erklärung
vorgelegt, sei nicht anzunehmen, dass er von der schriftlichen Bestätigung
abweichen werde. Daher sei auch die Zeugenaussage nicht verwertbar. Damit sei
aber nicht nachgewiesen, dass der Hauswart für den Beschwerdeführer andere
Leistungen erbracht habe als solche, für die er gesondert entschädigt worden
sei. Der Schluss auf eine konkludente Annahme einer allfälligen Offerte der
Beschwerdegegnerin sei nicht zulässig.

3.2 Ziel der Vertragsauslegung ist es, in erster Linie den übereinstimmenden
wirklichen Willen der Parteien festzustellen (vgl. Art. 18 Abs. 1 OR). Diese
subjektive Vertragsauslegung beruht auf Beweiswürdigung, die vorbehältlich der
Ausnahmen von Art. 97 und 105 BGG der bundesgerichtlichen Überprüfung entzogen
ist. Steht eine tatsächliche Willensübereinstimmung fest, bleibt für eine
Auslegung nach dem Vertrauensgrundsatz kein Raum. Erst wenn eine tatsächliche
Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen
Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so
auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten
Umständen verstanden werden durften und mussten. Das Bundesgericht überprüft
diese objektivierte Auslegung von Willenserklärungen als Rechtsfrage, wobei es
an Feststellungen des kantonalen Richters über die äusseren Umstände sowie das
Wissen und Wollen der Beteiligten grundsätzlich gebunden ist (Art. 105 Abs. 1
BGG). Massgebend ist dabei der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.
Nachträgliches Parteiverhalten ist bei der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip
nicht von Bedeutung; es kann höchstens - im Rahmen der Beweiswürdigung - auf
einen tatsächlichen Willen der Parteien schliessen lassen (BGE 132 III 626 E.
3.1 S. 632 mit Hinweisen).

3.3 Die Vorinstanz hat als massgebliches Indiz für das Bestehen eines Vertrages
die Schuldanerkennung des Beschwerdeführers gewertet. Die Ausführungen des
Beschwerdeführers, die Schuldanerkennung sei zwei Jahre nach dem behaupteten
Akzept einer Realofferte erfolgt und könne daher keine konkludente Annahme
einer Offerte darstellen, gehen an der Sache vorbei. Die Vorinstanz hat, wie
der Beschwerdeführer selbst erkennt, in der Schuldanerkennung keine Annahme
gesehen, sondern aus dem nachträglichen Parteiverhalten, der Anerkennung der
Schuld durch den Beschwerdeführer, darauf geschlossen, dass sich die Parteien
tatsächlich über die Beteiligung des Beschwerdeführers an den Hauswartkosten
einig waren. Konnte die Vorinstanz den tatsächlichen Willen der Parteien
feststellen, bleibt für die Auslegung nach dem Vertrauensprinzip kein Raum (BGE
132 III 626 E. 3.1 S. 632 mit Hinweis). Daher ist nicht massgeblich, ob der
Beschwerdeführer nach Treu und Glauben im Verhalten des Hauswarts eine Offerte
erkennen musste und ob die Beschwerdegegnerin das Verhalten des
Beschwerdeführers nach dem Vertrauensprinzip als Annahme deuten durfte. Geht
aus dem nachträglichen Verhalten der Parteien hervor, dass sie sich tatsächlich
geeinigt haben, ist nicht massgeblich wie diese Einigung zustande kam.

3.4 Nach dem Gesagten könnte der Beschwerde nur Erfolg beschieden sein, wenn
der Beschwerdeführer den aus der Schuldanerkennung von der Vorinstanz in
tatsächlicher Hinsicht gezogenen Schluss, die Parteien seien sich über die
Beteiligung des Beschwerdeführers an den Hauswartskosten einig gewesen, als
offensichtlich unrichtig und damit willkürlich ausweisen könnte (Art. 97 Abs. 1
und 105 Abs. 2 BGG). Ansonsten bindet die Beweiswürdigung der Vorinstanz das
Bundesgericht (Art. 105 Abs. 1 BGG). Den diesbezüglich geltenden strengen
Begründungsanforderungen (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254
f. mit Hinweisen) genügt die Beschwerde in keiner Weise. Der Beschwerdeführer
behauptet lediglich, er habe das Zahlungsversprechen irrtümlich abgegeben,
nämlich in der Meinung, es sei eine andere Liegenschaft betroffen. Mit der
Argumentation der Vorinstanz, welche diese Behauptung in einlässlicher
Würdigung der Umstände als Schutzbehauptung qualifizierte, setzt er sich aber
nicht auseinander. Damit gelingt es ihm nicht, den Schluss, die Parteien seien
sich tatsächlich einig gewesen, als offensichtlich unhaltbar auszuweisen. Unter
dieser Voraussetzung hat die Vorinstanz die Ansprüche der Beschwerdegegnerin
bundesrechtskonform für ausgewiesen erachtet, zumal sie vom Beschwerdeführer im
Quantitativ nicht beanstandet werden. Ob unabhängig vom tatsächlichen Willen
aus der Entgegennahme der Arbeiten nach dem Vertrauensprinzip auf einen
Vertragsschluss geschlossen werden kann, wie die Vorinstanz annimmt, braucht
nicht geklärt zu werden.

3.5 Der Aussage des Hauswarts kommt nach dem Gesagten keine massgebende
Bedeutung zu, so dass insoweit nicht auf die Beschwerde einzutreten ist.
Abgesehen davon genügen die Vorbringen des Beschwerdeführers auch diesbezüglich
nicht, um die Beweiswürdigung der Vorinstanz als offensichtlich unhaltbar
auszuweisen. Die Vorinstanz hat die Tatsache, dass der Hauswart vor seiner
Einvernahme als Zeuge eine von der Beschwerdegegnerin verfasste Bestätigung
unterzeichnet hatte, berücksichtigt und die Zeugenaussage vor diesem
Hintergrund gewürdigt. Von Willkür kann keine Rede sein.

4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird der Beschwerdeführer kosten- und
entschädigungspflichtig.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Graubünden
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Juli 2009

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Klett Luczak