Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.148/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_148/2009

Urteil vom 25. Juni 2009
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Hurni.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Jörg Roth,

gegen

Y.________ GmbH,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Mark Sollberger.

Gegenstand
Arbeitsrechtliche Streitigkeit,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern,
Appellationshof, 1. Zivilkammer, vom 13. Februar 2009.

Sachverhalt:

A.
X.________ (Beschwerdeführerin) reichte in einer arbeitsrechtlichen
Streitigkeit gegen die Y.________ GmbH (Beschwerdegegnerin) beim
Gerichtspräsidenten 4 des Gerichtskreises X Thun Klage auf Zahlung eines
Betrages von rund Fr. 27'000.-- ein. Dieser hiess die Klage mit Urteil vom 12.
August 2008 teilweise gut.

B.
Dagegen appellierten beide Parteien an den Appellationshof des Kantons Bern,
wobei die Beschwerdeführerin an ihren erstinstanzlich gestellten Rechtsbegehren
festhielt. In der Folge zogen beide Parteien ihre Appellationen mit Eingaben
vom 6. bzw. 9. Februar 2009 zurück und beantragten, die Kosten seien unter
Berücksichtigung des der Beschwerdeführerin gewährten Rechts zur
unentgeltlichen Prozessführung gemäss den einschlägigen Bestimmungen der
Zivilprozessordnung zu verlegen. Zur Verlegung der Parteikosten äusserte sich
die Beschwerdeführerin nicht. Die Beschwerdegegnerin machte demgegenüber
geltend, ihre Parteikosten seien von der Beschwerdeführerin zu übernehmen.
Mit Beschluss vom 13. Februar 2009 schrieb der Appellationshof das Verfahren
als erledigt ab (Dispositiv-Ziff. 2) und verurteilte die Beschwerdeführerin,
der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung von Fr. 5'587.15 auszurichten
(Dispositiv-Ziff. 3).

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 26. März 2009 beantragt die
Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, es sei der Beschluss des Appellationshofs
des Kantons Bern aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung unter Gewährung
des rechtlichen Gehörs an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner sei ihr für das
bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
Eventualiter sei Dispositiv-Ziff. 3 aufzuheben und festzustellen, dass
Dispositiv-Ziff. 1, 2, 4 und 5 des Beschlusses der Vorinstanz in Rechtskraft
erwachsen seien.
Die Beschwerdegegnerin schliesst in ihrer Vernehmlassung auf Nichteintreten,
eventualiter auf Abweisung der Beschwerde, subeventualiter auf Feststellung,
dass Dispositiv-Ziff. 1, 2, 4 und 5 des Beschlusses der Vorinstanz in
Rechtskraft erwachsen seien und die Beschwerdeführerin zu verurteilen sei, der
Beschwerdegegnerin für das oberinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung
von Fr. 5'587.15 auszurichten.
Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Mit Präsidialverfügung vom 17. April 2009 wurde dem Gesuch um aufschiebende
Wirkung stattgegeben.

Erwägungen:

1.
1.1 In arbeitsrechtlichen Fällen ist die Beschwerde in Zivilsachen zulässig,
wenn der Streitwert mindestens Fr. 15'000.-- beträgt (Art. 74 Abs. 1 lit. a
BGG).
1.1.1 Der Streitwert bestimmt sich bei Beschwerden gegen Endentscheide nach den
Begehren, die vor der Vorinstanz streitig geblieben waren (Art. 51 Abs. 1 lit.
a BGG). Für die Schätzung des Streitwertes ist auf den Zeitpunkt der Begründung
der Rechtshängigkeit abzustellen; später eingetretene Wertänderungen sind
unbeachtlich (vgl. BGE 116 II 431 E. 1 S. 433). Demgegenüber sind Änderungen
des Klageumfanges, z.B. durch teilweise Anerkennung oder teilweisen Abstand,
bis unmittelbar vor der Entscheidung der letzten kantonalen Instanz zu
berücksichtigen (BGE 116 II 431 E. 1 S. 433; Beat Rudin, in: Basler Kommentar,
BGG, 2008, N. 34 und 49 zu Art. 51 BGG; Andreas Güngerich, in:
Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2007, N. 22 zu Art. 51 BGG). Massgebend sind die
Anträge, die Gegenstand des Urteils sein sollen und bei Gutheissung an dessen
Rechtskraft teilnehmen (JeanMaurice Frésard, in: Commentaire de la LTF [Loi sur
le Tribunal fédéral], 2009, N. 18 zu Art. 51 BGG; Beat Rudin, in: Basler
Kommentar, BGG, 2008, N. 25 zu Art. 51 BGG).
1.1.2 Vorliegend haben beide Parteien ihre Appellationen zurückgezogen und der
Vorinstanz nur noch den Entscheid über die Kostenverlegung überlassen. Über die
ursprünglichen Anträge in der Sache hatte die Vorinstanz nicht zu befinden,
weshalb diese für die Berechnung des Streitwerts nicht zu berücksichtigen sind.
Damit wird die Streitwertgrenze von Fr. 15'000.-- nicht erreicht. Die
Beschwerde in Zivilsachen ist unzulässig.

1.1.3 Demgegenüber kann die von der Beschwerdeführerin erhobene Rüge der
Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gemäss Art. 116 BGG mit subsidiärer
Verfassungsbeschwerde vorgebracht werden. Die unrichtige Bezeichnung des
Rechtsmittels schadet nicht, wenn bezüglich des statthaften Rechtsmittels
sämtliche formellen Voraussetzungen erfüllt sind und daher eine Konversion
möglich ist (vgl. BGE 1C_39/2009 E. 1.1). Es steht vorliegend nichts entgegen,
die Eingabe vom 26. März 2009 als subsidiäre Verfassungsbeschwerde
entgegenzunehmen.

1.2 Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist nur gegen Entscheide letzter
kantonaler Instanzen zulässig (Art. 114 i.V.m. Art. 75 Abs. 1 BGG). Der
Beschluss der 1. Zivilkammer des Appellationshofs kann mit kantonaler
Nichtigkeitsklage beim Plenum des Appellationshofs angefochten werden (Art. 359
i.V.m. Art. 7 ZPO/BE). Er ist daher insoweit nicht kantonal letztinstanzlich,
als er von diesem überprüft werden kann. Dies ist namentlich der Fall, wenn
einer Partei das vollständige rechtliche Gehör verweigert wurde (Art. 359 Ziff.
3 ZPO/BE), wobei sich dessen Mindestumfang nach Art. 29 Abs. 2 BV richtet
(LEUCH ET AL., Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5. Aufl. 2000, N.
6a zu Art. 359 ZPO/BE). Das angefochtene Urteil stellt daher insoweit keinen
kantonal letztinstanzlichen Entscheid dar, als geltend gemacht wird, die
Zivilkammer des Appellationshofs habe den Anspruch der Beschwerdeführerin auf
rechtliches Gehör verletzt. Soweit diese dagegen andere Verletzungen von
verfassungsmässigen Rechten rügt, ist das Urteil der Zivilkammer als
letztinstanzlicher Entscheid anfechtbar.

2.
Die Beschwerdeführerin rügt eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts. Die
Vorinstanz sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich die Beschwerdeführerin
nicht zur Regelung der Parteikosten geäussert habe. Vielmehr habe die
Beschwerdeführerin unter dem Vorbehalt, dass auch die Gegenpartei ihre
Appellation zurückziehe, eine Rückzugserklärung abgegeben, die keinen Raum für
erneute Anträge lasse. Damit sei erstellt, dass die Beschwerdeführerin davon
ausgegangen war, die Beschwerdegegnerin werde keine neuen Anträge auf
Parteikostenersatz stellen.
Die Vorinstanz hat in ihrem Beschluss festgestellt, dass sich die
Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom 6. Februar 2009 nicht zur
Kostenverlegung geäussert habe. Diese Feststellung ist korrekt. Dass die
Vorinstanz in Willkür verfallen sein soll, indem sie es unterlassen hat, zu
diesem Punkt weitere Sachverhaltsfeststellungen zu treffen, rügt die
Beschwerdeführerin nicht und ist auch nicht ersichtlich. Die Rüge der
unrichtigen Sachverhaltsfeststellung ist demnach unbegründet.

3.
Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz weiter eine Verletzung ihres
Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) und auf ein faires
Verfahren (Art. 6 Ziff. 1 EMRK) vor, da sie ihr die Stellungnahme der
Beschwerdegegnerin nicht zur Kenntnis gebracht und ihr damit die Möglichkeit
genommen habe, dazu ihrerseits Stellung zu nehmen. Zudem habe die Vorinstanz
das eigentliche Kernstück des rechtlichen Gehörs verletzt, indem sie den
Parteiwillen qualifiziert falsch gewürdigt habe.
Auf diese Rüge ist nicht einzutreten, da der kantonale Instanzenzug
diesbezüglich nicht ausgeschöpft ist. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs
hätte der Kläger mit kantonaler Nichtigkeitsklage an das Plenum des
Appellationshofes des Kantons Bern rügen können (Art. 359 Ziff. 3 ZPO/BE). Dies
gilt auch bezüglich der vorliegend als verletzt gerügten Teilgehalte von Art. 6
Ziff. 1 EMRK, die nicht über Art. 29 Abs. 2 BV hinausgehen.

4.
Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Vertrauensgrundsatzes rügt,
macht sie eine Verletzung von einfachem Bundesrecht geltend (Art. 18 OR). Diese
Rügen sind im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde unzulässig.

5.
Die Begehren der Beschwerdeführerin erschienen von vornherein aussichtslos,
weshalb dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht entsprochen werden kann
(Art. 64 Abs. 1 BGG). Da nach dem Gesagten auch die Beschwerde abzuweisen ist,
soweit darauf eingetreten werden kann, wird die Beschwerdeführerin kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

2.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Appellationshof, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. Juni 2009

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Klett Hurni