Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.145/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_145/2009

Urteil vom 16. Juni 2009
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Corboz, Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiberin Feldmann.

Parteien
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Louis H. Falck,

gegen

B.D.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Willy Blättler.

Gegenstand
Darlehensvertrag,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Luzern, I. Kammer als Revisionsinstanz nach ZPO, vom 23. Februar
2009.

Sachverhalt:

A.
Mit Klage vom 5. Oktober 2007 verlangte A.________ (Beschwerdeführer) von
B.D.________ (Beschwerdegegnerin) als Erstbeklagte und C.D.________ als
Zweitbeklagtem unter solidarischer Haftbarkeit Fr. 100'000.-- nebst Zins aus
einem Darlehen von Fr. 140'000.--, das er ihnen am 20. August 2003 ausgerichtet
und am 15. März 2007 per 1. Mai 2007 gekündigt habe. Darauf hätten die
Beklagten am 6. September 2007 eine Teilzahlung von Fr. 40'000.-- geleistet.
Am 12. Dezember 2007 anerkannte der Ehemann der Beschwerdegegnerin die Klage
vollumfänglich, weshalb das Amtsgericht Luzern-Land das Verfahren gegen ihn am
18. Januar 2008 durch Erledigungsentscheid beendete. Gleichzeitig wies es die
Klage gegen die Beschwerdegegnerin ab, da es nicht als bewiesen erachtete, dass
sie Darlehensnehmerin sei. Mit Urteil vom 18. Juni 2008 wies das Obergericht
des Kantons Luzern die dagegen erhobene Appellation des Beschwerdeführers ab.
Dieses Urteil blieb unangefochten.
Am 6. Oktober 2008 reichte der Beschwerdeführer beim Obergericht ein
Revisionsgesuch ein und beantragte im Wesentlichen, das Urteil vom 18. Juni
2008 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihm Fr. 100'000.--
nebst Zins zu bezahlen. Er begründete sein Gesuch damit, er habe erst
nachträglich von einer Neuregelung der vermögensrechtlichen Verhältnisse der
Eheleute D.________ erfahren und nicht gewusst, dass das Konto, worauf er den
Darlehensbetrag überwiesen habe, auf die Beschwerdegegnerin übertragen worden
sei. Das Obergericht trat auf das Gesuch mit Entscheid vom 23. Februar 2009
nicht ein.

B.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 25. März 2009 beantragt der Beschwerdeführer
dem Bundesgericht sinngemäss, den Entscheid des Obergerichts vom 23. Februar
2009 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihm Fr. 100'000.--
nebst Zins zu bezahlen; eventualiter sei die Sache zu neuer Beurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin verzichtet unter Hinweis auf den angefochtenen Entscheid
auf eine Vernehmlassung. Die Vorinstanz schliesst auf Abweisung der Beschwerde,
soweit darauf einzutreten sei.
Erwägungen:

1.
Die Vorinstanz erwog, Streitgegenstand des früheren Verfahrens habe die Frage
gebildet, ob die Beschwerdegegnerin neben ihrem Ehemann Partei des
Darlehensvertrags gewesen sei und daher für die Rückzahlung des noch offenen
Darlehensbetrags einzustehen habe. Demgegenüber nehme der Beschwerdeführer im
Revisionsgesuch einen völlig neuen Standpunkt ein. Er behaupte nicht mehr,
(auch) der Beschwerdegegnerin ein Darlehen in der fraglichen Höhe gewährt zu
haben, sondern dass sie von ihm grundlos Geld erhalten habe. Der
Beschwerdeführer stütze seinen Rückerstattungsanspruch auf einen neuen
Lebenssachverhalt, indem er ein neues Sachverhaltselement einführe, das den
ursprünglichen Sachverhaltskomplex verändere. Grundlage sei nicht mehr ein
Darlehensvertrag, sondern die grundlose Geldüberweisung und die daraus
resultierende ungerechtfertigte Bereicherung der Beschwerdegegnerin. Die
Vorinstanz kam zum Schluss, damit liege eine Klageänderung vor, die nach § 98
des Gesetzes des Kantons Luzern vom 27. Juni 1994 über die Zivilprozessordnung
(ZPO; SRL 260a) nicht zulässig sei und trat auf das Revisionsgesuch nicht ein.

1.1 Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine willkürliche Anwendung von §
98 Abs. 2 ZPO/LU vor. Er macht geltend, diese Bestimmung schliesse eine
Klageänderung vor zweiter Instanz zwar aus, setze aber ein rechtshängiges
Zivilrechtsverfahren voraus. Da das fragliche Zivilrechtsverfahren im
Zeitpunkt, als er sein Revisionsgesuch eingereicht habe, jedoch bereits
abgeschlossen gewesen sei, könne nicht gesagt werden, der Klagegrund sei in
einem hängigen Verfahren geändert worden. Die Revision bezwecke die
Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens. Es stehe nicht
die Kontrolle einer Rechtsauffassung im Vordergrund, sondern die
Wiedergutmachung eines Rechtsnachteils. Daraus folge zwingend, dass das Verbot
der Klageänderung nach § 98 Abs. 2 ZPO/LU bei der Revision nicht zur Anwendung
gelangen könne, zumal die Revision kein devolutives Rechtsmittel sei und mithin
nicht von einer zweiten Instanz im Sinne der fraglichen kantonalen Bestimmung
gesprochen werden könne. § 275 lit. a ZPO/LU beschränke das Vorbringen neuer
Tatsachen nicht auf solche, die nur im Rahmen der Identität des
Streitgegenstands geltend gemacht werden könnten. Vielmehr seien alle neuen
Tatsachen zugelassen, die geeignet seien, eine Streitsache neu beurteilen zu
lassen, ansonsten würde die Revision als Rechtsmittel zur Wiedergutmachung
eines Rechtsnachteils massiv eingeschränkt. Schliesslich macht der
Beschwerdeführer geltend, der - der Überweisung zugrunde liegende -
Lebensvorgang bestehe nach wie vor darin, dass der Beschwerdeführer der
Beschwerdegegnerin Geld überwiesen habe, das von ihm zurückverlangt werde, da
kein gültiger Rechtstitel dafür bestehe, dass sie es behalten dürfe. Er habe
lediglich in materiell-rechtlicher Hinsicht eine andere causa, nämlich
ungerechtfertigte Bereicherung anstatt eine vertragliche Grundlage, angerufen.

1.2 Das Bundesgericht kann die Verletzung kantonalen Prozessrechts nur insofern
prüfen, als darin ein Verstoss gegen Bundesrecht, namentlich das Willkürverbot
zu erblicken ist (vgl. Art. 95 BGG), und eine klare und detaillierte Rüge
erhoben wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246; 133 III 439 E.
3.2 S. 444). Nach der ständigen Praxis des Bundesgerichts liegt Willkür in der
Rechtsanwendung dann vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich
unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht,
eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in
stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht
hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern
auch das Ergebnis unhaltbar ist; dass eine andere Lösung ebenfalls als
vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 134 II 124 E. 4.1
S. 133 mit Hinweisen).

1.3 Nach § 273 ZPO/LU ist die Revision zulässig gegen Endentscheide, die
formell und materiell rechtskräftig sind. Das Rechtsmittel der Revision
charakterisiert sich darin, dass es die Rechtskraft zu zerstören vermag (PETER
H. KORNICKER, Die zivilprozessuale Revision im Spannungsverhältnis zwischen
Rechtsfrieden und Rechtsverwirklichung, 1995, S. 11 f.; BALZ RUST, Die Revision
im Zürcher Zivilprozess, 1981, S. 14 ff.). Der Umfang des von der materiellen
Rechtskraft betroffenen Anspruchs beantwortet die Frage, wann einer neuen Klage
die Einrede der "res iudicata" entgegensteht. Davon hängt ab, wann aufgrund
neuer Tatsachen eine Revision möglich ist, oder wann aufgrund der gleichen
neuen Tatsachen eine neue Klage erhoben werden kann (BALZ RUST, a.a.O., S. 41
f.). Eine abgeurteilte Sache liegt vor, wenn der streitige Anspruch mit einem
schon rechtskräftig beurteilten identisch ist. Dies trifft zu, falls der
Anspruch dem Richter aus demselben Rechtsgrund und gestützt auf denselben
Sachverhalt erneut zur Beurteilung unterbreitet wird. In anspruchsbezogene
materielle Rechtskraft erwächst demzufolge allein das Sachurteil. Ein solches
ist nur gegeben, wenn und soweit das Gericht die Sachverhaltsvorbringen der
Parteien materiellrechtlich würdigt, das heisst den geltend gemachten Anspruch
inhaltlich beurteilt (BGE 123 III 16 E. 2a S. 18; 121 III 474 E. 4a S. 477).
Der Beschwerdeführer berief sich im früheren Verfahren auf einen
Darlehensvertrag und machte geltend, sowohl die Beschwerdegegnerin als auch ihr
Ehemann hätten den Restbetrag des Darlehens zurückzuerstatten. Im
Revisionsgesuch behauptete er hingegen, er sei dazu angehalten worden, die
Überweisung des Darlehensbetrags auf ein Konto vorzunehmen, das wenige Monate
zuvor ehevertraglich der Beschwerdegegnerin zu Alleineigentum übertragen worden
sei. Diese und ihr Ehemann hätten bewusst zusammengewirkt, um den
Beschwerdeführer um sein Geld zu bringen. Sei mit der Beschwerdegegnerin kein
Darlehensvertrag zustande gekommen, habe der Beschwerdeführer die
Darlehenssumme grundlos auf ihr Konto überwiesen, obwohl sie keinen Anspruch
darauf gehabt habe, so dass das Geld zurückzuerstatten sei. Das Obergericht
hatte im ursprünglichen Urteil nicht für erwiesen erachtet, dass die
Beschwerdegegnerin Partei des Darlehensvertrags und somit zur Rückzahlung des
Darlehens verpflichtet sei. Es wies die Klage insoweit mangels
Passivlegitimation ab. Ob bei der Abwicklung des Darlehensvertrags mit dem
Ehemann eine Bereicherung der Beschwerdegegnerin erfolgte, wurde nicht geprüft.
Da dem vom Beschwerdeführer mit den neuen Tatsachen geltend gemachten
Bereicherungsanspruch die Rechtskraft des Urteils des Obergerichts vom 18. Juni
2008 nicht entgegensteht, ist es nicht offensichtlich unhaltbar, wenn die
Vorinstanz die Revision, deren Charakteristikum darin liegt, dass sie die
Rechtskraft beseitigt, nicht zuliess und darauf nicht eintrat. Wenn die
Vorinstanz insoweit eine Klageänderung nach § 98 Abs. 2 ZPO/LU im
Revisionsverfahren nicht zulässt, verfällt sie damit nicht in Willkür.
Im Übrigen sind die Vorbringen des Beschwerdeführers schwer nachvollziehbar.
Eine ungerechtfertigte Bereicherung bei der Beschwerdegegnerin aus dem Vermögen
des Beschwerdeführers würde nur dann entstehen, wenn die Überweisung auf ihr
Konto keine gültige Auszahlung des Darlehens bedeutete. Dies wäre nur der Fall,
wenn die Auszahlung der Darlehenssumme nicht auf das vom Darlehensnehmer
gewollte Konto erfolgt wäre, unabhängig davon, auf welchen Namen es lautete.
Dies behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht. Damit ist die neue Tatsache
nicht erheblich im Sinne von § 275 lit. a ZPO/LU und begründet daher keinen
Revisionsgrund. Somit ist der angefochtene Entscheid im Ergebnis ohnehin nicht
willkürlich.

2.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen. Dem Ausgang des
Verfahrens entsprechend wird der Beschwerdeführer kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 BGG). Der
Beschwerdegegnerin steht nur eine reduzierte Parteientschädigung zu. Sie hat
sich lediglich zum Gesuch um aufschiebende Wirkung geäussert, aber unter
Hinweis auf den vorinstanzlichen Entscheid auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht erkennt:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, I.
Kammer als Revisionsinstanz, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. Juni 2009

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Die Gerichtsschreiberin:

Klett Feldmann