Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.108/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_108/2009

Urteil vom 9. Juni 2009
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Corboz, Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Hurni.

Parteien
X.________ Kft,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Florian Baumann,

gegen

Y.________ AG,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwälte Daniel Hochstrasser und Andrea Boog.

Gegenstand
Internationales Schiedsgericht;
Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG,

Beschwerde gegen den Schiedsentscheid des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in
Zürich vom 29. Januar 2009.

Sachverhalt:

A.
A.a Die X.________ Kft mit Sitz in Ungarn (Beschwerdeführerin) und die
Y.________ AG mit Sitz in Schaffhausen (Beschwerdegegnerin) schlossen am 1.
Oktober 2005 einen Werkvertrag über die Modernisierung des Elektrostahlwerkes
der Beschwerdeführerin in Ungarn. Die Beschwerdegegnerin verpflichtete sich
darin gegen Bezahlung eines Werklohnes von EUR 4'100'000.--, ein sogenanntes
COSS-Chargiersystem zu liefern und im Elektrostahlwerk zu installieren. Der
Gesamtpreis sollte durch zwei Anzahlungen von je EUR 205'000.-- und durch 37
monatliche Raten beglichen werden. Nach Art. 4.2.2 des Vertrages ist die erste
Rate auf Ende des Monats zu überweisen, der auf die Inbetriebnahme gemäss Art.
16 des Vertrages folgt. Art. 16.3 lautet wie folgt:
"Die Abnahme wird durch ein von beiden PARTEIEN unterzeichnetes
Abnahmezertifikat bestätigt. In jedem der folgenden Fälle gilt die Abnahme als
erfolgt: (...)
- [Lemma 4] der Inbetriebnahmezeitraum laut Artikel 16.1 ist abgelaufen, wobei
der AUFTRAGNEHMER nicht die Möglichkeit hatte, die Leistungstests laut Annex
III durchzuführen oder zu wiederholen, oder wenn aus Gründen, für die der
AUFTRAGNEHMER nicht verantwortlich ist, die Leistungstests bis zum Ende der
geplanten Inbetriebnahme oder innerhalb von 3 Monaten nach Inkrafttreten dieses
Vertrages nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnten, je nachdem, was
früher eintritt, (...)"
Weiter enthält der Vertrag folgende Bestimmungen (Art. 32 - "Beendigung"):
"[Abs. 1] Jede PARTEI kann diesen Vertrag nur im Falle von
- wesentlichen Vertragsverletzungen durch die andere PARTEI, die trotz
schriftlicher Aufforderungen nicht zeitgerecht wiedergutgemacht wurden, oder
- Konkurs oder Insolvenz der anderen PARTEI
beenden.(...)
[Abs. 7] Vor einer gerechtfertigten Beendigung aufgrund wesentlicher
Nichterfüllung der Leistungsgarantien, haben der AUFTRAGGEBER und der
AUFTRAGNEHMER eine eventuelle weitere Entschädigung für die Nichterreichung der
Leistungsgarantien zu vereinbaren, die über die vereinbarte Konventionalstrafe
hinausgeht, wobei die aktuellen Ergebnisse des letzten Leistungstests zu
berücksichtigen sind"
Art. 33 Abs. 1 lautet sodann wie folgt:
"Der AUFTRAGGEBER kann gegen den AUFTRAGNEHMER keine Forderungen erheben,
ausser den in diesem Vertrag ausdrücklich geregelten."
A.b Die beiden Anzahlungen wurden von der Beschwerdeführerin vertragsgemäss
geleistet. Die Beschwerdegegnerin lieferte das COSS-Chargiersystem und
installierte es im Elektrostahlwerk der Beschwerdeführerin. Ein erster Versuch
der Inbetriebnahme scheiterte jedoch, worauf im Juli 2006 ein zweiter
Inbetriebnahmeversuch erfolgte.
Am 18. Dezember 2006 beglich die Beschwerdeführerin eine erste monatliche Rate
von EUR 100'000.--. Im Januar 2007 wurde schliesslich ein dritter
Inbetriebnahmeversuch unternommen. Über den Erfolg des zweiten und dritten
Versuches sind sich die Parteien nicht einig.
A.c Anlässlich einer Besprechung am 9. Februar 2007 teilte die
Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin mit, sie wolle den Vertrag nicht mehr
aufrecht erhalten. Mit Schreiben vom 16. April 2007 erklärte sie die Beendigung
des Vertrages, verlangte die Rückzahlung der geleisteten Raten des
Gesamtvertragspreises und lud die Beschwerdegegnerin ein, das bereits
demontierte COSS-Chargiersystem abzuholen. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin
hat das System wegen grundlegender konzeptioneller Mängel nie funktioniert.

B.
B.a Am 20. April 2007 leitete die Beschwerdegegnerin ein Schiedsverfahren vor
dem Internationalen Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer (ICC)
ein. Auf Vorschlag der Parteien wurden A.________ und B.________ als
Schiedsrichter bestätigt, als Vorsitzender wurde C.________ eingesetzt. In
ihrer Schiedsklage beantragte die Beschwerdegegnerin, die Beschwerdeführerin
sei zur Zahlung der verbleibenden Raten in der Höhe von insgesamt EUR
3'590'000.-- zu verurteilen. Eventualiter sei festzustellen, dass die
Beschwerdeführerin verpflichtet sei, ihr die noch nicht fälligen Raten jeweils
nach deren monatlichen Fälligkeit zu begleichen.
B.b Mit der Antwort auf die Schiedsklage erhob die Beschwerdeführerin am 26.
Juni 2007 Widerklage. Sie beantragte, die Schiedsklage sei abzuweisen und die
Beschwerdegegnerin sei zu verpflichten, ihr den Betrag von EUR 2'743'639.-- zu
bezahlen. Dieser setzt sich aus den geleisteten Anzahlungen von EUR 410'000.--,
der bezahlten ersten Rate von EUR 100'000.-- und Schadenersatz aus dem
Dahinfallen des Vertrages von EUR 2'233'639.-- zusammen. Später erhöhte die
Beschwerdeführerin den geforderten Gesamtbetrag auf EUR 3'257'052.--.
B.c Mit Endschiedsspruch vom 29. Januar 2009 verurteilte das Schiedsgericht die
Beschwerdeführerin zur Zahlung von EUR 1'900'000.--; im übersteigenden Betrag
wies es die Leistungsklage ab (Dispositiv-Ziff. 1). Das Schiedsgericht stellte
ferner fest, die Beschwerdeführerin sei verpflichtet, der Beschwerdegegnerin
die noch nicht fälligen Raten jeweils Ende Monat zu bezahlen (Dispositiv-Ziff.
2). Die Widerklage wies es ab (Dispositiv-Ziff. 3).
Das Schiedsgericht kam in Auslegung von Art. 33 Abs. 1 des Vertrages zum
Schluss, das von den Parteien in Art. 32 vereinbarte Beendigungssystem sei
abschliessend und könne nicht durch die in Art. 107 ff. und Art. 366 ff. OR
vorgesehenen Beendigungsgründe ergänzt werden. Ein Rücktritt komme nach Art. 32
Abs. 1 des Vertrags somit nur wegen wesentlicher Vertragsverletzung in Frage,
da die Parteien weder in Konkurs geraten noch zahlungsunfähig seien. Nach Art.
32 Abs. 7 des Vertrags setze ein Rücktritt wegen wesentlicher
Vertragsverletzungen aber voraus, dass die Parteien vorher formale
Leistungstests durchgeführt und diese ergeben hätten, dass die Anlage den
Anforderungen von Annex III nicht genüge. Solche Leistungstests hätten die
Parteien nicht durchgeführt, weshalb keine wesentliche Vertragsverletzung der
Beschwerdegegnerin vorläge, welche die Beschwerdeführerin zum Rücktritt
berechtigt hätte.
Das Schiedsgericht führte ferner aus, dass selbst wenn sich die
Beschwerdeführerin grundsätzlich auf gesetzliche Beendigungsgründe stützen
könnte, die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Vertrag nicht erfüllt
wären. Ein Rücktrittsrecht gemäss Art. 366 Abs. 1 OR entfalle, weil die
Beschwerdegegnerin den vereinbarten Zeitplan eingehalten habe. Da die
Beschwerdeführerin den Rücktritt vom Vertrag nicht unverzüglich erklärt habe,
falle ein solcher auch gestützt auf Art. 366 Abs. 2 i.V.m. Art. 107 ff. OR
ausser Betracht.
Bei der Bestimmung der Fälligkeit der ersten Rate kam das Schiedsgericht zum
Schluss, diese trete mit Abnahme der Anlage ein. Die Abnahme werde in Art. 16.3
des Vertrages geregelt. Mit dem ungerechtfertigt erklärten Vertragsrücktritt im
April 2007 habe die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin die Möglichkeit
genommen, Leistungstests vorzunehmen und damit die Abnahme zu bewirken. Gemäss
Art. 16.3 Lemma 4 des Vertrages gelte die Anlage somit als im Zeitpunkt der
Rücktrittserklärung abgenommen. Die erste Rate sei nach Art. 4.2.2 des
Vertrages Ende Mai 2007 fällig geworden. Da die Beschwerdeführerin die erste
Rate bereits bezahlt habe, sei sie erstmals Ende Juni 2007 in Verzug geraten.
Damit waren bis im Urteilszeitpunkt 19 Raten in der Höhe von EUR 100'000.--
verfallen, was den Gesamtbetrag von 1'900'000.-- ergibt.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin dem
Bundesgericht, der Endschiedsspruch vom 29. Januar 2009 sei aufzuheben und die
Schiedssache sei zu erneuter Entscheidung an das Schiedsgericht zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin schliesst in ihrer Vernehmlassung auf Abweisung der
Beschwerde. Das Schiedsgericht liess sich nicht vernehmen.
Mit Präsidialverfügung vom 3. April 2009 wurde der Beschwerde aufschiebende
Wirkung gewährt.

Erwägungen:

1.
1.1 Im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ist die Beschwerde in
Zivilsachen unter den Voraussetzungen der Art. 190-192 IPRG gegen
Schiedsentscheide zulässig (Art. 77 Abs. 1 BGG). Der Sitz des Schiedsgerichts
befindet sich vorliegend in Zürich. Die Beschwerdeführerin hatte beim Abschluss
der Schiedsvereinbarung ihren Sitz in Ungarn. Da die Parteien die Bestimmungen
des 12. Kapitels des IPRG zudem nicht schriftlich ausgeschlossen haben,
gelangen diese zur Anwendung (Art. 176 Abs. 1 und 2 IPRG).

1.2 Das Schiedsgericht hat einen Endentscheid gefällt, der vor Bundesgericht
aus allen in Art. 190 Abs. 2 IPRG genannten Gründen angefochten werden kann.
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Entscheid direkt berührt.
Sie hat damit ein rechtlich geschütztes Interesse an dessen Aufhebung (Art. 76
Abs. 1 BGG). Die Beschwerde ist form- und fristgerecht (Art. 42 Abs. 1 BGG;
Art. 100 Abs. 1 BGG) eingegangen, weshalb darauf einzutreten ist.

2.
Die Beschwerdeführerin rügt, das Schiedsgericht habe den Grundsatz des
rechtlichen Gehörs (Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG) verletzt, indem es
überraschend nicht plädierte Vertragsbestimmungen und Rechtsregeln angewendet
habe. Konkret handle es sich um die Vertragsbestimmungen Art. 16.3 Lemma 4 und
Art. 32 Abs. 7 und um das Unverzüglichkeitserfordernis beim Rücktritt gestützt
auf Art. 366 Abs. 2 i.V.m. Art. 107 ff. OR.
Demgegenüber macht die Beschwerdegegnerin in ihrer Vernehmlassung geltend, sie
habe die entsprechenden Vertragsklauseln immer wieder angesprochen.

2.1 Gemäss Art. 182 Abs. 3 IPRG muss das Schiedsgericht den Anspruch der
Parteien auf rechtliches Gehör wahren. Dieser entspricht - mit Ausnahme des
Anspruchs auf Begründung - dem in Art. 29 Abs. 2 BV gewährleisteten
Verfassungsrecht (BGE 130 III 35 E. 5 S. 37 f.; 128 III 234 E. 4b; 127 III 576
E. 2c). Die Rechtsprechung leitet daraus insbesondere das Recht der Parteien
ab, sich über alle für das Urteil wesentlichen Tatsachen zu äussern, ihren
Rechtsstandpunkt zu vertreten, ihre entscheidwesentlichen Sachvorbringen mit
tauglichen sowie rechtzeitig und formrichtig offerierten Mitteln zu beweisen,
sich an den Verhandlungen zu beteiligen und in die Akten Einsicht zu nehmen
(BGE 130 III 35 E. 5 S. 38; 127 III 576 E. 2c, je mit Hinweisen). Nach
bundesgerichtlicher Rechtsprechung besteht kein verfassungsrechtlicher Anspruch
der Parteien, zur rechtlichen Würdigung der durch sie in den Prozess
eingeführten Tatsachen noch besonders angehört zu werden. Eine Ausnahme besteht
namentlich dann, wenn ein Gericht seinen Entscheid mit einem Rechtsgrund zu
begründen beabsichtigt, auf den sich die beteiligten Parteien nicht berufen
haben und mit dessen Erheblichkeit sie vernünftigerweise nicht rechnen mussten
(BGE 130 III 35 E. 5 S. 39; 126 I 19 E. 2c/aa S. 22; 124 I 49 E. 3c S. 52; 123
I 63 E. 2d S. 69; 115 Ia 94 E. 1b S. 96 f.).

2.2 Die Beschwerdeführerin rügt die überraschende Anwendung von Art. 16.3 Lemma
4 des Vertrags. Das Schiedsgericht hat gestützt auf diese Bestimmung
ausgeführt, mit der Rücktrittserklärung der Beschwerdeführerin gelte die Anlage
als abgenommen, da der Beschwerdegegnerin damit die Möglichkeit der
Durchführung von Leistungstests genommen worden sei.
2.2.1 Die Beschwerdegegnerin bringt demgegenüber vor, sie habe sich zu dieser
Frage in ihrer Schiedswiderklageantwort in Rz. 27 wie folgt geäussert:
"(...) sodass innert dem für die Inbetriebnahme vertraglich vorgesehenen
Zeitraum - dieser betrug gemäss Ziff. 16.1 resp. Annex II des Vertrags einen
Monat - aus Gründen, welche nicht die Klägerin, sondern allein die Beklagte zu
verantworten hatte, keine weiteren Leistungstests mehr durchgeführt werden
konnten. Damit gilt die Anlage gemäss Ziff. 16.3 des Vertrags definitiv als
abgenommen."
Diese Ausführungen hat das Schiedsgericht bei der Zusammenfassung der
Parteivorbringen im Schiedsentscheid übernommen. Weiter verweist die
Beschwerdegegnerin auf Rz. 155.2 ihrer Widerklageduplik:
"Zu einem weiteren Test kam es jedoch nicht, weil die Beklagte die Anlage
einfach abgebaut hat. Dass auch damit die vertraglichen Pflichten der Klägerin
als erfüllt gelten müssen, ist klar."
In Rz. 100 Lemma 3 der Stellungnahme vom 11. Juli 2008 zum Beweisergebnis habe
sie sich schliesslich folgendermassen geäussert:
"Das Erreichen der vertraglichen Leistungsparameter (und damit die Abnahme des
Werkes) hätte in einem Testlauf demonstriert werden müssen; zu einem solchen
kam es nicht, weil die Beklagte vom Vertrag zurücktrat. Spätestens durch diesen
Rücktritt hat die Anlage, die an sich schon durch die Übernahme während der
Inbetriebnahme abgenommen wurde, als abgenommen zu gelten."
2.2.2 Aus diesen Zitaten ergibt sich, dass die Beschwerdegegnerin jedenfalls
eventualiter mehrmals vorbrachte, die Beschwerdeführerin habe die Durchführung
von Leistungstests verhindert, woraus folge, dass die Anlage als abgenommen
gelte. Die Beschwerdegegnerin hat dabei explizit auf Art. 16.3 des Vertrages
verwiesen. Die Beschwerdeführerin hätte im Schiedsverfahren mehrmals die
Gelegenheit gehabt, sich dazu zu äussern. Ihre Rüge, Art. 16.3 Lemma 4 des
Vertrages sei überraschend angewendet worden, erweist sich damit als
unbegründet.

2.3 Die Beschwerdeführerin rügt weiter die überraschende Anwendung von Art. 32
Abs. 7 des Vertrages. Nach Auffassung des Schiedsgerichts ergibt sich aus
dieser Bestimmung, dass ein Rücktritt wegen wesentlicher Vertragsverletzungen
die vorgängige Durchführung von Leistungstests erfordere. Da diese nicht
durchgeführt worden seien, habe die Beschwerdeführerin nicht vom Vertrag
zurücktreten können.
2.3.1 Demgegenüber verweist die Beschwerdegegnerin in ihrer Vernehmlassung auf
verschiedene Aussagen, die sie in Rz. 16 ihrer Stellungnahme zum Beweisergebnis
vom 11. Juli 2008 gemacht habe:
"Unter diesen Umständen hätte demnach die Beklagte der Klägerin eine
angemessene Nachfrist zur Durchführung eines Testlaufes ansetzen müssen, was
sie in krasser Verletzung der vertraglichen Rechte der Klägerin nicht getan
hat, weshalb der Rücktritt vom Werkvertrag rechtlich nicht zu schützen ist."
Sodann in Rz. 79:
"(...) sodass es ohne Verschulden der Klägerin, welche ihren vertraglichen
Pflichten stets vollumfänglich nachgekommen war, nie zum Fahren eines
Leistungstests kommen konnte, bevor die Beklagte den Vertrag für die Klägerin
völlig unerwartet urplötzlich einseitig beendet hat."
Und in Rz. 100, Lemma 7 f.:
"Die Ansetzung einer Nachfrist wäre demnach zwingend nötig gewesen - dies geht
auch klar aus Artikel 32 Abs. 1 des Vertrags hervor. Auch Art. 16 des
Vertrages, der Inbetriebnahme, Leistungstest und Abnahme regelt, hätte der
Klägerin als Auftragnehmerin das Recht gegeben, die vertragsgemässe Erfüllung
im Rahmen von mehreren und wiederholten Leistungstests zu belegen. Die
Durchführung dieser Tests wurde von der Beklagten, bevor sie vom Vertrag
zurücktrat, weder je angeboten, noch gefordert. (...)
Mit dem einseitigen Rücktritt (und dem bereits vorgängigen Abbau des COSS) hat
die Beklagte der Klägerin die Möglichkeit abgeschnitten, die vertragsgemässe
Funktionstüchtigkeit des Werks in einem Testlauf zu beweisen (...). Mit dem
Abbau des COSS hat die Beklagte auch für dieses Verfahren Fakten geschaffen;
sie hat es der Klägerin verunmöglicht, die Funktionstauglichkeit der Anlage
unter Beizug eines gerichtlichen Experten im Verfahren zu beweisen."
2.3.2 Die Parteien haben eine Beendigung des Vertrages vertraglich vorgesehen
und in Art. 32 geregelt. Im Schiedsverfahren war insbesondere streitig, ob die
Beschwerdeführerin vom Vertrag hatte zurücktreten dürfen. Diese musste somit
davon ausgehen, dass das Schiedsgericht sämtliche vertraglichen Voraussetzungen
für einen Rücktritt prüfen würde. Mit solchen Voraussetzungen befasst sich in
Art. 32 nur Abs. 7. Die Beschwerdeführerin musste somit mit der Anwendung
dieser Vertragsbestimmung rechnen, zumal sie sich durch erfahrene
Wirtschaftsanwälte verbeiständen liess. Selbst wenn die Parteien Abs. 7 von
Art. 32 des Vertrages nicht explizit angerufen haben, ist dessen Anwendung
somit nicht überraschend. Die Rüge der Beschwerdeführerin geht auch in diesem
Punkt fehl.

2.4 Schliesslich rügt die Beschwerdeführerin die überraschende Anwendung des
Unverzüglichkeitserfordernisses beim Rücktritt gestützt auf Art. 366 Abs. 2
i.V.m. Art. 107 ff. OR.
2.4.1 Das Schiedsgericht kam zum Schluss, das vertraglich vereinbarte
Beendigungssystem sei abschliessend und könne nicht durch die in Art. 107 ff.
und Art. 366 ff. OR vorgesehenen Beendigungsgründe ergänzt werden. Im Sinne
einer Eventualbegründung fügte es hinzu, dass selbst wenn sich die
Beschwerdeführerin auf vertragliche Beendigungsgründe berufen könnte, die
Voraussetzungen dazu nicht gegeben wären, weil sie den Vertragsrücktritt nach
Art. 366 Abs. 2 i.V.m. 107 Abs. 2 OR nicht unverzüglich erklärt habe.
2.4.2 Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung schliesst das in Art. 366 Abs. 2
OR vorgesehene Recht auf Ersatzvornahme weitere Rechtsbehelfe gemäss Art. 107
Abs. 2 OR nicht aus (BGE 126 III 230 E. 7a/bb S. 233 ff.). Ein Rücktritt vom
Vertrag gestützt auf Art. 366 Abs. 2 i.V.m. Art. 107 Abs. 2 OR ist
grundsätzlich nur zulässig, wenn dem Unternehmer eine angemessene Nachfrist
gesetzt wurde. Die Ansetzung einer Nachfrist kann aber unterbleiben, wenn sie
sich zum vornherein als unnütz erweist (vgl. Art. 108 Ziff. 1 OR). Gemäss
bundesgerichtlicher Rechtsprechung hat der Gläubiger den Rücktritt diesfalls
unverzüglich zu erklären (Urteil 4C.58/2004 vom 23. Juni 2004 E. 3.3; vgl. auch
BGE 69 II 243 E. 4 und 5).
Die Beschwerdeführerin selbst hat sich auf Art. 366 OR und sinngemäss auch auf
dessen Abs. 2 berufen. Sie musste daher mit der Anwendung des
Unverzüglichkeitserfordernisses vernünftigerweise rechnen. Eine überraschende
Rechtsanwendung liegt nicht vor.

3.
Aus den genannten Gründen ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig
(Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 30'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 35'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Juni 2009
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Klett Hurni