Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Revision 2F.5/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2F_5/2009

Urteil vom 3. Juli 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen,
Gerichtsschreiber Wyssmann.

Verfahrensbeteiligte
X.________ AG,
Gesuchstellerin, vertreten durch Fürsprecher
Diego Clavadetscher,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung,

Gegenstand
Revision des bundesgerichtlichen Urteils 2C_229/2008 vom13. Oktober 2008
betreffend Mehrwertsteuer
(Kürzung des Vorsteuerabzugs)

Sachverhalt:
Mit Eingabe vom 1. April 2009 ersucht die X.________ AG (Gesuchstellerin) um
Revision des Urteils 2C_229/2008 des Bundesgerichts vom 13. Oktober 2008
betreffend Mehrwertsteuer. In der Sache ging es um die Kürzung des
Vorsteuerabzugs für Unterrichtsleistungen, die ohne Anspruch auf Vorsteuerabzug
von der Mehrwertsteuer ausgenommen sind und welche die Gesuchstellerin
(damalige Beschwerdeführerin) nach Ansicht der Eidgenössischen Steuerverwaltung
als Leistungserbringerin in eigenem Namen erbracht hatte (sog. gemischte
Verwendung, vgl. Art. 32 der hier noch anwendbaren Mehrwertsteuerverordnung vom
22. Juni 1994, AS 1994 1464). Das Bundesgericht wies in diesem Punkt die
Beschwerde ab. Hinsichtlich der Kostenbeiträge, welche die Gesuchstellerin von
der Y.________ AG erhalten hatte und für welche die Eidgenössische
Steuerverwaltung den Vorsteuerabzug ebenfalls gekürzt hatte, hiess das
Bundesgericht die Beschwerde gut. Das Bundesgericht wies die Angelegenheit zu
neuem Entscheid an die Eidgenössische Steuerverwaltung und zur Neubeurteilung
der Kosten- und Entschädigungsfolgen an die Vorinstanz
(Bundesverwaltungsgericht) zurück.
Die Gesuchstellerin beantragt, das Urteil 2C_229/2008 des Bundesgerichts sei
hinsichtlich der Frage der Vorsteuerkürzung für die ihr zugerechneten
Unterrichtsleistungen (Golfunterricht) aufzuheben und diesbezüglich die
Vorsteuerkürzung für die Abrechnungsperioden 1/1995 bis 4/1996 gerichtlich
festzusetzen, eventualiter sei die Sache zur korrekten Festsetzung des Betrags
an die Eidgenössische Steuerverwaltung zurückzuweisen.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragt Abweisung des Revisionsgesuchs.
Das Bundesverwaltungsgericht verzichtete auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Gesuchsstellerin beruft sich auf die Revisionsgründe von Art. 121 lit. c
und d BGG. Die Revision eines bundesgerichtlichen Urteils kann nach Art. 121
BGG u.a. verlangt werden, wenn einzelne Anträge unbeurteilt geblieben sind
(lit. c) oder wenn das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen nicht
berücksichtigt hat (lit. d). Es geht bei diesen beiden Revisionsgründen um die
Verletzung "anderer Verfahrensvorschriften" im Sinne von Art. 124 Abs. 1 lit. b
in Verbindung mit Art. 121 BGG, für deren Geltendmachung mit einem
Revisionsgesuch die Frist von 30 Tagen ab der Eröffnung der vollständigen
Ausfertigung des Entscheids beachtet werden muss. Mit der vorliegenden Eingabe
wurde diese Frist gewahrt. Als teilweise unterliegende Partei im
vorinstanzlichen Verfahren ist die Gesuchstellerin zum Gesuch legitimiert.

2.
Die Gesuchstellerin macht geltend, das Bundesgericht habe ihren Antrag auf
Festsetzung der Vorsteuerabzugskürzung in einer bundesrechtskonformen Höhe
nicht beurteilt (vgl. Revisionsgesuch, S. 2 Ziff. 400 u. 403). Diese Annahme
leitet sie aus dem folgenden Satz in der Erwägung 4.6 des Urteils ab:
"In betragsmässiger Hinsicht ist die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung
vorgenommene und von der Vorinstanz bestätigte Kürzung des Vorsteuerabzuges
nicht umstritten."
Aufgrund dieser Aussage müsse davon ausgegangen werden, dass das Bundesgericht
den Antrag in der Beschwerde bezüglich Festsetzung der Vorsteuerabzugskürzung
in einer bundesrechtskonformen Höhe nicht beurteilt habe und somit der
Revisionsgrund von Art. 121 lit. c BGG gegeben sei. Das Bundesgericht habe
übersehen, dass die Frage der Höhe der Kürzung des Vorsteuerabzugs gemäss
Beschwerde (insbesondere Ziff. 254-267) umstritten gewesen sei. Indem das
Gericht die auf diesen Antrag bezogenen Ausführungen in der Beschwerde
übersehen habe, liege subsidiär ebenfalls der Revisionsgrund von Art. 121 lit.
d BGB vor.

3.
3.1 Die Revision nach Art. 121 lit. c und d BGG setzt voraus, dass einzelne
Anträge unbeurteilt geblieben sind oder das Gericht in den Akten liegende
erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat. Die Revisionsgründe
in Art. 121 lit. c und d BGG wurden unverändert aus dem Bundesgesetz über die
Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG) übernommen (vgl.
Art. 136 lit. c und d OG). Damit behält die bisherige Rechtsprechung ihre
Bedeutung bei.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 136 lit. c und d OG stellt
die Begründung eines Begehrens keinen Antrag im Sinne von Art. 136 lit. c OG
dar und ist eine Rüge keine Tatsache im Sinne von Art. 136 lit. d OG (Urteil
2P.110/2003 vom 22. Mai 2003 E. 3.2, in: Pra 2003, Nr. 200, S. 1093; ferner
Urteil B 26/94 vom 17. August 1994 E. 2b; JEAN-FRANÇOIS POUDRET, Commentaire de
la loi fédérale d'organisation juidiciaire, Bd. 5, 1992, N. 4 zu Art. 136 lit.
c OG S. 16 f.). Das Übergehen einer prozesskonform vorgetragenen Rüge bildet
somit keinen Revisionsgrund. Daran ist auch für Art. 121 lit. c und d BGG
festzuhalten (Urteil 4F_1/2007 vom 13. März 2007 E. 5.1).

3.2 Die Gesuchstellerin (damalige Beschwerdeführerin) stellte in der Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten den Antrag, das vorinstanzliche
Urteil sei aufzuheben, soweit es ihre Begehren nicht gutheisse, und die
allenfalls zuviel bezahlte Mehrwertsteuer sei samt Zins zurückzuerstatten.
Eventualiter sei die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht wies in Bezug auf die Leistungen aus Golfunterricht die
Beschwerde ab und damit auch den Antrag der Beschwerdeführerin, das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts sei hinsichtlich der Kürzung des Vorsteuerabzugs für
Unterrichtsleistungen aufzuheben. (Die teilweise Gutheissung der Beschwerde
betrifft die Beiträge der Y.________ AG [Schwestergesellschaft] an die
Beschwerdeführerin, welche wie Gesellschaftereinlagen zu behandeln sind und die
nicht zu einer verhältnismässigen Kürzung des Vorsteuerabzugs führen; vgl.
angefochtenes Urteil E. 5.5.) Das Bundesgericht wies zudem die Sache zu neuem
Entscheid an die Eidgenössische Steuerverwaltung und zur Neubeurteilung der
Kosten- und Entschädigungsfolgen an die Vorinstanz zurück. Damit ist über alle
Anträge der damaligen Beschwerdeführerin entschieden worden. Es sind keine
Anträge unbeurteilt geblieben, wie die Gesuchstellerin behauptet. Bei den
Ausführungen in der Beschwerde zur Frage der Höhe der Vorsteuerabzugskürzung
handelt es sich um Teile der Beschwerdebegründung, nicht um einen Antrag.

3.3 Zu den in den Akten liegenden Tatsachen im Sinne von Art. 121 lit. d BGG
gehören auch Rechtsschriften und deren Inhalt. Unkenntnis des Inhalts eines bei
den Akten liegenden Schriftstücks kann Anlass zur Revision geben (André Grisel,
Traité de droit administratif, Band II, 1984, S. 944; Poudret, a.a.O., N. 5.2
zu Art. 136 lit. d OG; s. auch Pierre Ferrari, in: Commentaire de la LTF, 2009,
N. 17 zu Art. 121 BGG, mit Hinweis auf BGE 115 II 399 E. 2a). Die Feststellung
des Bundesgerichts, etwas sei unbestritten geblieben, während es tatsächlich
bestritten war, könnte daher als Revisionsgrund gelten. Hingegen kann die -
selbst falsche - Würdigung des Inhalts eines Schriftstücks niemals einen Grund
für eine Revision abgeben, wie auch die rechtliche Würdigung oder eine falsche
Würdigung von Tatsachen keinen Anspruch auf Revision verschafft (BGE 122 II 17
E. 3).
Die Gesuchstellerin macht geltend, in Tat und Wahrheit sei die
Vorsteuerabzugskürzung bestritten geblieben. Das Bundesgericht habe dies mit
dem vorletzten Satz der Erwägung 4.1 übersehen.
Die vollständige Erwägung 4.6 des Urteils mit dem von der Beschwerdeführern
angerufenen Satz hat folgenden Wortlaut:
"4.6 Die Golfunterrichtsleistungen wurden daher von der Beschwerdeführerin in
eigenem Namen erbracht und sind ihr zuzurechnen. Das führt zur Kürzung des
Vorsteuerabzugs im Verhältnis der von der Steuer ausgenommenen Umsätze zum
Gesamtumsatz. In betragsmässiger Hinsicht ist die von der Eidgenössischen
Steuerverwaltung vorgenommene und von der Vorinstanz bestätigte Kürzung des
Vorsteuerabzuges nicht umstritten. Die Beschwerde ist in diesem Punkt
abzuweisen."
Das Bundesgericht entschied damit über die Methode der Vorsteuerabzugskürzung
in dem Sinn, dass die Vorsteuer im Verhältnis der steuerbefreiten Umsätze zum
Gesamtumsatz zu kürzen sei (Art. 32 Abs. 1 MWSTV 1994). Das entsprach der von
der Eidgenössischen Steuerverwaltung angewandten Methode, wobei die Kürzung des
Vorsteuerabzuges aufgrund der veränderten Situation (Gutheissung der Beschwerde
hinsichtlich der von der Y.________ AG geleisteten Kostenbeiträge) neu zu
berechnen war.
Hingegen waren die Beträge soweit ersichtlich im ganzen Verfahren, jedenfalls
aber vor Bundesgericht, nicht umstritten (s. auch Ziff. 250 der Beschwerde).
Auch in der Beschwerde (Ziff. 241 ff., besonders Ziff. 254-267) ging es um die
Methode der Kürzung des Vorsteuerabzugs. Die damalige Beschwerdeführerin
bestritt bereits im vorinstanzlichen Verfahren und dann auch vor Bundesgericht,
dass sie Erbringerin der Unterrichtsleistungen gewesen sei. Sie anerkannte die
Konstruktion mit zwei Umsätzen aus indirekter Stellvertretung (Art. 10 Abs. 2
MWSTV 1994) nie ausdrücklich (vgl. etwa Beschwerde Ziff. 239 und 240).
Letztlich ging es der Beschwerdeführerin um die Frage, ob bei der Kürzung des
Vorsteuerabzugs "dem Innenverhältnis (steuerbares Entgelt von 5 % der Einnahmen
der Golfschule als Abgeltung für das Inkasso und die Nutzung der Infrastruktur)
oder dem Aussenverhältnis (Zuordnung des gesamten von der Steuer ausgenommenen
Unterrichtsentgelts der Golfplatzbetreiberin) Priorität zu geben ist"
(Beschwerde Ziff. 238). Als sachgerechter Anknüpfungspunkt für die Kürzung des
Vorsteuerabzugs betrachtete die Beschwerdeführerin die Berücksichtigung der
gegenüber der Golfschule einbehaltenen Provisionen (Beschwerde Ziffer 57 f.).
Dieser Auffassung konnte offensichtlich nicht gefolgt werden. Die
Beschwerdeführerin verkannte, dass ihr aufgrund der hier anwendbaren
Stellvertretungsregelung (Art. 10 Abs. 2 MWSTV 1994) die gesamten aus dem
Golfunterricht erwirtschafteten Umsätze zuzurechnen sind. Nichts anderes ergibt
sich aus dem Urteil. Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern das
Bundesgericht in der Beschwerde enthaltene Tatsachen übersehen haben könnte.

4.
Das Gesuch um Revision erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet und ist
abzuweisen. Die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) sind der Gesuchstellerin
aufzuerlegen, da sie unterliegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung
ist nicht zuzusprechen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden der Gesuchstellerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Gesuchstellerin, der Eidgenössischen Steuerverwaltung
und dem Bundesverwaltungsgericht schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Juli 2009

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Wyssmann