Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Subsidiäre Verfassungsbeschwerde 2D.6/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2D_6/2009

Urteil vom 23. Januar 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Karlen, Zünd,
Gerichtsschreiber Feller.

Parteien
X.________,
Y.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Andreas Baumann,

gegen

Schulpflege Brittnau, Postfach 253, 4805 Brittnau,
Regierungsrat des Kantons Aargau, Staatskanzlei, 5000 Aarau.

Gegenstand
Freiwillige Wiederholung der 5. Klasse der Primarschule,

Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons
Aargau, 4. Kammer, vom 3. Dezember 2008.

Erwägungen:

1.
Die Schulpflege Brittnau lehnte am 22. April 2008 ein Gesuch von X.________ und
Y.________ ab, ihrer Tochter A.________ die freiwillige Wiederholung der 5.
Klasse der Primarschule zu gestatten. Beschwerden an den Schulrat des Bezirks
Zofingen und an den Regierungsrat des Kantons Aargau blieben erfolglos. Am 29.
September 2008 fochten die Eltern von A.________ den Beschwerdeentscheid des
Regierungsrats vom 10. September 2008 beim Verwaltungsgericht des Kantons
Aargau an. Dieses trat mit Urteil vom 3. Dezember 2008 auf die Beschwerde nicht
ein. Es begründete dies damit, dass Entscheide der Schulpflege über die
Zuweisung von Schülern in Stufen beim Schulrat des Bezirks und dessen
Entscheide beim Regierungsrat angefochten werden können (§§ 73 Abs. 2, 75 und
78 des kantonalen Schulgesetzes vom 17. März 1981 [SchulG; Systematische
Sammlung des Aargauischen Rechts SAR 401.100]), wobei dieser letztinstanzlich
entscheide, da eine materiellrechtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts
nach den §§ 51 und 52 des kantonalen Gesetzes vom 9. Juli 1968 über die
Verwaltungsrechtspflege (Verwaltungsrechtspflegegesetz, aVRPG [SAR 271.100])
nicht vorgesehen sei; beim Verwaltungsgericht könnten nur Rügen im Sinne von §
53 aVRPG (insbesondere Rechtsverweigerung, Rechtsverzögerung, Verletzung
wesentlicher Verfahrensvorschriften) erhoben werden; solche Rügen würden nicht
erhoben.

Mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde (die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten dürfte gemäss Art. 83 lit. t des Bundesgerichtsgesetzes vom 17.
Juni 2005 [BGG; SR 173.110] unzulässig sein; die Frage kann vorliegend offen
bleiben) vom 19. Januar 2009 stellen X.________ und Y.________ dem
Bundesgericht die Anträge, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei
vollumfänglich aufzuheben und es sei ihrer Tochter A.________ das Recht
einzuräumen, die fünfte Klasse der Primarschule zu wiederholen bzw. in der
Bezirksschule Brittnau zu bleiben.

Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen
angeordnet worden. Mit dem vorliegenden Urteil wird das Gesuch um aufschiebende
Wirkung gegenstandslos.

2.
2.1 Die Beschwerdeführer beantragen allein die Aufhebung des Urteils des
Verwaltungsgerichts; nicht (mit) angefochten (was Art. 100 Abs. 6 BGG -
allenfalls - erlaubte) wird der Entscheid des Regierungsrats, der als letzte
kantonale Instanz eine materiellrechtliche Prüfung der Angelegenheit
vorgenommen hat. Da es sich beim angefochtenen Urteil um einen
Nichteintretensentscheid handelt, kann auf die Beschwerde nur insoweit
eingetreten werden, als die Beschwerdeführer sich mit der Frage der
Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts befassen; von vornherein nicht zu hören
sind mithin die auf S. 6 unten bis S. 10 der Beschwerdeschrift erhobenen Rügen
(Ziff. II.5 und II.6).

2.2 Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, dass der angefochtene
Nichteintretensentscheid auf verfassungswidriger Anwendung des kantonalen
Rechts, insbesondere von § 53 aVRPG beruhe. Hingegen berufen sie sich auf Art.
29a BV und behaupten, dass die Beschwerde an das Verwaltungsgericht unmittelbar
gestützt auf dieses verfassungsmässige Recht hätte zugelassen werden müssen.
Dabei verweisen sie auf das neue Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 4. Dezember
2007 (nVRPG [SAR 271.200]), welches der Kanton Aargau auf den 1. Januar 2009 in
Kraft gesetzt hat (Regierungsratsbeschluss vom 21. Mai 2008 [Aargauische
Gesetzessammlung AGS 2008 376]) und dessen § 54 nunmehr in Schulsachen wie der
vorliegenden mangels Ausschlussgrundes die Beschwerde ans Verwaltungsgericht
zulasse. Ihre Rüge, das Verwaltungsgericht habe ihren verfassungsmässigen
Anspruch auf eine materielle gerichtliche Überprüfung des
Regierungsratsentscheids vom 10. September 2008 missachtet, ist offensichtlich
unbegründet (Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG):

Richtig ist, dass Art. 29a BV den Ausschluss der Beschwerde an eine
gerichtliche Instanz nur in begrenzten und gesetzlich zu umschreibenden
Ausnahmefällen zulässt. Diese Verfassungsnorm ist zwar am 1. Januar 2007 in
Kraft getreten. Sie hat(te) - auch - Auswirkungen auf die Neuregelung der
Bundesrechtspflege; insbesondere musste die verfassungsmässige
Rechtsweggarantie in Bezug auf die Vorinstanzen des Bundesgerichts umgesetzt
werden (Art. 86 Abs. 2 BGG). Der Gesetzgeber ist dieser Aufgabe mit dem
Bundesgesetz vom 23. Juni 2006 über die Bereinigung und Aktualisierung der
Totalrevision der Bundesrechtspflege (AS 2006 4213) nachgekommen. Durch dessen
Ziff. I/1 wurde das Bundesgerichtsgesetz geändert. Art. 130 Abs. 3 BGG lautet:
"Innert zwei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen die Kantone
Ausführungsbestimmungen über die Zuständigkeit, die Organisation und das
Verfahren der Vorinstanzen im Sinne der Artikel 86 Absätze 2 und 3 und 88
Absatz 2, einschliesslich der Bestimmungen, die zur Gewährleistung der
Rechtsweggarantie nach Artikel 29a der Bundesverfassung erforderlich sind." Die
Übergangsregelung betrifft damit ausdrücklich auch Art. 29a BV selber (s. dazu
Botschaft des Bundesrats vom 1. März 2006 zum Bereinigungsgesetz BBl 2006 S.
3067 ff., S. 3075/76 und 3078). Das Bundesgerichtsgesetz ist am 1. Januar 2007
in Kraft getreten; die Kantone mussten spätestens auf den 1. Januar 2009 ihre
Verfahrenserlasse anpassen; dieser Pflicht wird durch Inkraftsetzung der neuen
Regeln auf dieses Datum hin Genüge getan. Bis Ende 2008 durften kantonale
Instanzen noch nach der bisher massgeblichen Verfahrensordnung vorgehen, sofern
diese nicht vorher zugunsten der neuen Regelung ausser Kraft gesetzt worden
war. Da der Kanton Aargau das neue Verwaltungsverfahrensgesetz erst auf den 1.
Januar 2009 in Kraft gesetzt hat, durfte das Verwaltungsgericht, ohne Art. 29a
BV zu verletzen, vorliegend noch die restriktive Regelung von §§ 51 ff. aVRPG
anwenden.

2.3 Nach dem Gesagten ist die Beschwerde im vereinfachten Verfahren gemäss Art.
109 BGG abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

2.4 Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten (Art. 65 BGG)
den Beschwerdeführern zu gleichen Teilen unter solidarischer Haftung
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern je zur Hälfte
unter solidarischer Haftung auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Schulpflege Brittnau sowie dem
Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht (4. Kammer) des Kantons Aargau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. Januar 2009
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Feller