Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Subsidiäre Verfassungsbeschwerde 2D.3/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2D_3/2009

Urteil vom 27. März 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Zünd,
Gerichtsschreiber Zähndler.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Steueramt des Kantons Aargau.

Gegenstand
Kantons- und Gemeindesteuern 2004, 2005 und 2006,

Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Steuerrekursgerichts des Kantons
Aargau vom 2. Dezember 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Schreiben vom 15. März 2007 und vom 5. Mai 2007 ersuchte X.________ bei der
Finanzverwaltung E.________ um Erlass der Kantons- und Gemeindesteuern für die
Jahre 2004 bis 2006. Mit Entscheid vom 18. Februar 2008 wies der Gemeinderat
E.________ das Gesuch ab.

B.
Hiergegen rekurrierte X.________ beim Steuerrekursgericht des Kantons Aargau.
Er beantragte nebst der Gutheissung seines Steuererlassgesuches auch die
unentgeltliche Rechtspflege und die Bestellung des ihn vertretenden
Rechtsanwaltes als unentgeltlichen Rechtsbeistand. Das Steuerrekursgericht
hiess den Rekurs zwar in der Sache teilweise gut, wies jedoch das Gesuch um
unentgeltliche Rechtsverbeiständung ab.

C.
Mit Eingabe vom 9. Januar 2009 wendet sich X.________ mit einem nicht näher
bezeichneten Begehren an das Bundesgericht. Mit diesem ersucht er sinngemäss
darum, ihm in Abänderung des vorinstanzlichen Entscheids die unentgeltliche
Verbeiständung für das Verfahren vor dem Steuerrekursgericht zu bewilligen.
Das Steuerrekursgericht des Kantons Aargau beantragt in seiner Vernehmlassung,
es sei auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen.
Das Steueramt des Kantons Aargau schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit
darauf eingetreten werden könne.

Erwägungen:

1.
1.1 Gegenstand des vorinstanzlichen Entscheides war der Erlass von Abgaben,
weswegen die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss Art.
83 lit. m BGG ausgeschlossen ist. Als bundesrechtliches Rechtsmittel kommt
daher nur die subsidiäre Verfassungsbeschwerde in Betracht, mit welcher
ausschliesslich die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden kann
(Art. 116 BGG). Aufgrund des im aargauischen Steuergesetz nicht vorgesehenen
Rechtsanspruchs auf Steuererlass ist der Beschwerdeführer zwar grundsätzlich
auch hierzu nicht legitimiert, da ihm das erforderliche rechtlich geschützte
Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids fehlt (Art. 115 lit. b
BGG). Indes ist es trotz fehlender Legitimation in der Sache gegebenenfalls
zulässig, mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde die Verletzung von
Parteirechten zu rügen, deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung
hinausläuft ("Star-Praxis"; vgl. BGE 133 I 185 E. 6.2 S. 198). Im vorliegenden
Fall richtet sich die eingereichte Beschwerde gegen die Verweigerung der
unentgeltlichen Verbeiständung im vorinstanzlichen Verfahren, weswegen sich die
subsidiäre Verfassungsbeschwerde als zulässig erweist.

1.2 Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG hat die Rechtsschrift die Begehren und deren
Begründung zu enthalten; In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen,
inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die
Vorbringen müssen sachbezogen sein, damit aus der Beschwerdeschrift ersichtlich
ist, in welchen Punkten und weshalb der angefochtene Entscheid beanstandet
wird. Dies setzt voraus, dass sich der Beschwerdeführer wenigstens kurz mit den
Erwägungen des angefochtenen Entscheides auseinandersetzt (BGE 134 II 244).
Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von
Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht
prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise
vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E.
1.4.2 S. 254).
Der Beschwerdeführer rügt nicht ausdrücklich die Verletzung des
verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege und
-verbeiständung. Er bringt jedoch klar zum Ausdruck, dass er das
vorinstanzliche Verfahren als kompliziert erachtet habe und aufgrund
unzureichender Kenntnisse der deutschen Sprache nicht in der Lage gewesen sei,
dieses ohne anwaltliche Vertretung zu bestreiten; er ersucht diesbezüglich um
"Kostenübernahme". Aus der von einem juristischen Laien abgefassten Beschwerde
geht damit hinreichend klar hervor, dass der Beschwerdeführer die Verweigerung
der unentgeltlichen Verbeiständung beanstandet bzw. den entsprechenden
Verfassungsanspruch als verletzt erachtet. Auf die im übrigen form- und
fristgerecht eingereichte Beschwerde kann daher eingetreten werden.

2.
2.1 Streitig ist vorliegend einzig, ob dem Beschwerdeführer im vorinstanzlichen
Verfahren ein Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung durch einen
Rechtsanwalt zukam, bzw. ob die dadurch entstandenen Kosten von der Vorinstanz
zu übernehmen sind.

2.2 Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen
Mittel verfügt und deren Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint, Anspruch
auf unentgeltliche Rechtspflege. Falls es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig
ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. Im
vorliegenden Fall wird nicht eingewendet, dass sich aus dem aargauischen
Verfassungs- und Verfahrensrecht ein weitergehender Anspruch ergebe. Massgebend
ist daher allein die bundesrechtliche Minimalgarantie. Die Mittellosigkeit des
Beschwerdeführers sowie die fehlende Aussichtslosigkeit des von ihm
eingereichten (und teilweise gutgeheissenen) Rekurses werden von der Vorinstanz
nicht in Abrede gestellt. Nachfolgend zu prüfen verbleibt demnach nur, ob die
Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung bestanden hat.

2.3 Das Steuerrekursgericht hat die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu dieser
Frage zutreffend wiedergegeben. Anders als der Beschwerdeführer ist es aber
davon ausgegangen, dass das Rekursverfahren keine schwierigen tatsächlichen
oder rechtlichen Fragestellungen geboten habe, weshalb der Beizug einer
anwaltlichen Vertretung nicht notwendig gewesen sei. Das Steuerrekursgericht
hat dabei insbesondere hervorgehoben, dass im Steuererlassverfahren die
Untersuchungsmaxime gelte, weswegen an die sachliche Notwendigkeit einer
anwaltlichen Vertretung ein strengerer Massstab anzulegen sei. Zudem sei es im
vorliegenden Fall zwar um einen für den Beschwerdeführer zweifelsohne
erheblichen Geldbetrag gegangen, dennoch seien nur finanzielle Interessen und
keine höherwertigen Schutzgüter betroffen gewesen. Auch allenfalls mangelhafte
Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers seien nicht von entscheidender
Bedeutung, zumal dieser in jedem Fall über hinreichende Sprachkompetenzen
verfüge, um verstehen zu können, welche Unterlagen er gemäss den Vorgaben des
Erlassformulars sowie der richterlichen Schreiben einzureichen habe.

2.4 Die Ausführungen des Steuerrekursgerichtes erscheinen grundsätzlich
zutreffend. Dennoch ist festzustellen, dass im vorinstanzlichen
Steuererlassverfahren eine Berechnung des Existenzminimums durchgeführt werden
musste, bei welcher mehrere Faktoren streitig waren. Dies führte dazu, dass es
einer systematischen Auf- und Gegenüberstellung der jeweiligen
Berechnungsvarianten durch das Steuerrekursgericht bedurfte, um das
Erlassgesuch bzw. den Rekurs des Beschwerdeführers materiell zu prüfen. Dass
dies nicht gänzlich unproblematisch, sondern im Gegenteil recht
anforderungsreich war, zeigen Umfang und Dichte der entsprechenden Ausführungen
im angefochtenen Entscheid, der nicht weniger als 18 Seiten umfasst. Das
Steuerrekursgericht bringt diesbezüglich in seiner Vernehmlassung zwar vor,
seine Ausführungen seien überwiegend der Präsentation des vom
Steuerrekursgericht in Befolgung des Untersuchungsgrundsatzes erhobenen
Zahlenmaterials und der Würdigung unter betreibungsrechtlichen Gesichtspunkten
gewidmet gewesen. Dies und die Anwendbarkeit des Untersuchungsgrundsatzes im
Rekursverfahren vermögen jedoch nichts daran zu ändern, dass sich der
Beschwerdeführer zur Begründung seines Rekurses mit den verschiedenen
streitigen Faktoren der Existenzminimumsberechnung und der jeweiligen
Argumentation des Gemeinderates von E.________ auseinandersetzen und
diesbezüglich geeignete Argumente vortragen musste. Dieser prozessualen
Obliegenheit vermochte der Beschwerdeführer, ein juristischer Laie mit
unvollständigen Deutschkenntnissen, ohne fachkundige Unterstützung kaum
nachzukommen. Aufgrund der Gesamtheit der Umstände ist daher im vorliegenden
Fall von der Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung auszugehen, ohne dass
damit jedoch eine grundsätzliche Beanstandung der Praxis des
Steuerrekursgerichts verbunden wäre.

3.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die subsidiäre Verfassungsbeschwerde
gutzuheissen und das Urteil des Steuerrekursgerichts vom 12. Dezember 2008 im
angefochtenen Umfang (Ziff. 2 des vorinstanzlichen Entscheids) aufzuheben ist.
Die Angelegenheit ist zur Bestimmung und Honorierung des unentgeltlichen
Rechtsbeistands im vorinstanzlichen Verfahren an das Steuerrekursgericht
zurückzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Gerichtskosten zu
erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Beschwerdeführer ist im Verfahren vor
Bundesgericht nicht anwaltlich vertreten, weshalb ihm keine Parteientschädigung
zuzusprechen ist. Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Verfahren
vor Bundesgericht wird bei diesem Ergebnis gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegen genommen und
gutgeheissen, und Ziff. 2 des Urteils des Steuerrekursgerichts des Kantons
Aargau vom 2. Dezember 2008 wird aufgehoben.

2.
Die Angelegenheit wird zur Beiordnung und Honorierung eines unentgeltlichen
Rechtsbeistands im vorinstanzlichen Verfahren an das Steuerrekursgericht
zurückgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Steuerrekursgericht des Kantons Aargau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. März 2009

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Zähndler