Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Revision 1F.30/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1F_30/2009

Urteil vom 15. April 2010
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Raselli,
Gerichtsschreiber Forster.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Gesuchsteller, vertreten durch Rechtsanwältin Inge Mokry,

gegen

Staatsanwaltschaft See/Oberland, Weiherallee 15, Postfach, 8610 Uster.

Gegenstand
Unentgeltliche Rechtsverbeiständung,

Revisionsgesuch gegen das Urteil vom 8. April 2009
des Schweizerischen Bundesgerichtes 1B_85/2009.
Sachverhalt:

A.
Mit Urteil 1B_85/2009 vom 8. April 2009 hiess das Bundesgericht eine Beschwerde
von X.________ teilweise gut. Es hob die Verfügung vom 16. März 2009 des
Präsidenten der I. Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Zürich betreffend
Sicherheitshaft auf und wies die Streitsache zur neuen Prüfung an die
Vorinstanz zurück. Das Haftentlassungsgesuch wurde abgewiesen. Gerichtskosten
wurden nicht erhoben. Dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer sprach das
Bundesgericht (zulasten der Kasse des Obergerichtes) antragsgemäss eine
Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- zu.

B.
Mit Gesuch vom 16. Dezember 2009 beantragt X.________ die Revision des Urteils
1B_85/2009 vom 8. April 2009 bzw. die nachträgliche Bewilligung der
unentgeltlichen Rechtsverbeiständung, da das Obergericht die
Parteientschädigung mit Gerichtsschulden des Gesuchstellers verrechne.

Erwägungen:

1.
In seiner Beschwerde vom 25. März 2009 (im Verfahren 1B_85/2009) hatte der
anwaltlich vertretene Gesuchsteller ausdrücklich das Rechtsbegehren um
Zusprechung einer Parteientschädigung gestellt ("alles unter Kosten- und
Entschädigungsfolge zulasten des Kantons Zürich", Rechtsbegehren Ziff. 3). Die
Zusprechung einer allfälligen Parteientschädigung direkt an die
Rechtsvertreterin (anstatt an den Beschwerdeführer) wurde nicht beantragt.
Ebenso wenig wurden drohende Verrechnungsansprüche des Kantons Zürich erwähnt.
Für den Fall des Unterliegens hatte der Beschwerdeführer ein Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege gestellt (Rechtsbegehren Ziff. 2). Die Beschwerde
wurde teilweise gutgeheissen (Rückweisung zur Neuprüfung), das
Haftentlassungsgesuch wurde abgewiesen. Antragsgemäss wurde dem
Beschwerdeführer (gestützt auf Art. 68 BGG) eine pauschale Parteientschädigung
von Fr. 1'500.-- zulasten des Kantons Zürich zugesprochen. Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtsverbeiständung wurde damit hinfällig (Urteil 1B_85/2009
vom 8. April 2009).

2.
Der Gesuchsteller legt dar, dass die ihm zugesprochene Parteientschädigung mit
seinen offenen Gerichtsschulden beim Obergericht verrechnet werde, weshalb das
Obergericht die Auszahlung der Parteientschädigung an seine Rechtsvertreterin
verweigere. Nach bundesgerichtlicher Praxis ist in Fällen wie dem vorliegenden
das Revisionsbegehren als Gesuch um nachträglichen Entscheid über die
unentgeltliche Rechtsverbeiständung entgegenzunehmen (Urteile 1F_17/2009 vom 4.
November 2009; 1P.411/1998 vom 7. August 1998; 9C_516/2007 vom 4. August 2008
E. 2; vgl. auch Thomas Geiser, in: Basler Kommentar BGG, Basel 2008, Art. 64 N.
38).

3.
Der Gesuchsteller hatte bereits im Hauptverfahren ein Gesuch um unentgeltliche
Rechtsverbeiständung gestellt. Die gesetzlichen Voraussetzungen von Art. 64 BGG
waren schon damals erfüllt. Das Bundesgericht musste im Urteil 1B_85/2009
allerdings davon ausgehen, dass die Rechtsvertreterin aus der zugesprochenen
Parteientschädigung entschädigt werden würde.
Gemäss Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BGG steht dem Anwalt oder der Anwältin ein
Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse zu, soweit
der Aufwand für die Vertretung nicht aus der zugesprochenen Parteientschädigung
gedeckt werden kann. Dieser Fall tritt nicht nur ein, wenn sich die
Parteientschädigung als uneinbringlich erweist, sondern auch, wenn die
Gegenpartei die von ihr geschuldete Parteientschädigung mit eigenen Forderungen
gegen die unentgeltlich verbeiständete Partei verrechnet. In beiden Fällen hat
die Rechtsvertretung der bedürftigen Partei kein Honorar erhalten, weshalb ihr
Anspruch gegenüber der Gerichtskasse bestehen bleibt (bzw. wieder auflebt).
Wurde die Entschädigung bereits im Hauptverfahren festgesetzt, kann der Anwalt
deren Auszahlung verlangen; ansonsten hat er die Möglichkeit, deren
nachträgliche Festsetzung zu beantragen (Urteil 1F_17/2009 vom 4. November 2009
E. 2).

4.
Nach dem Gesagten ist das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung gutzuheissen
und dem Gesuchsteller eine angemessene Entschädigung aus der
Bundesgerichtskasse für das Hauptverfahren zuzusprechen.
Eine Entschädigung für das nachträgliche Verfahren rechtfertigt sich
praxisgemäss nicht, da dieses Verfahren hätte vermieden werden können, wenn der
anwaltlich vertretene Gesuchsteller schon im Hauptverfahren auf die mögliche
Verrechnung hingewiesen und (im Hinblick darauf) die Zusprechung einer
Entschädigung an die Rechtsvertreterin (gestützt auf Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BGG)
beantragt hätte (vgl. Urteil 1F_17/2009 vom 4. November 2009 E. 3).
Gerichtskosten sind nicht zu erheben.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Revisionsbegehren wird als Gesuch um nachträglichen Entscheid über die
unentgeltliche Rechtsverbeiständung entgegengenommen.

2.
In Gutheissung dieses Gesuchs wird dem Beschwerdeführer im Verfahren 1B_85/2009
die unentgeltliche Verbeiständung gewährt. Rechtsanwältin Inge Mokry wird als
amtliche Vertreterin des Beschwerdeführers im genannten Verfahren bestellt, und
es wird ihr aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 1'500.--
ausgerichtet.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Gesuchsteller, der Staatsanwaltschaft See/ Oberland und
dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. April 2010
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Forster