Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Revision 1F.17/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1F_17/2009

Urteil vom 4. November 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Raselli,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Parteien
X.________, vertreten durch
Rechtsanwalt Y.________,
Y.________,
Gesuchsteller,

gegen

Bezirksamt Baden, Ländliweg 2, 5400 Baden,
Obergericht des Kantons Aargau, Präsidium der Beschwerdekammer, Obere Vorstadt
40, 5000 Aarau.

Gegenstand
Revisionsgesuch gegen das bundesgerichtliche Urteil vom 30. Juni 2009 1B_166/
2009.
Sachverhalt:

A.
Am 30. Juni 2009 hiess das Bundesgericht eine Beschwerde in Strafsachen von
X.________ gut (1B_166/2009). Der Beschwerdeführer wurde von Rechtsanwalt
Y.________, Zürich, vertreten und hatte um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege und Verbeiständung ersucht. Das Bundesgericht erhob keine Kosten
(Disp.-Ziff. 2) und verpflichtete den Kanton Aargau, den Beschwerdeführer für
das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen (Disp.-Ziff.
3). Es ging davon aus, dass der Antrag auf unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung damit gegenstandslos geworden sei (E. 7).

B.
Nach dem bundesgerichtlichen Urteil teilte X.________ seinem Anwalt mit, dass
das Obergericht des Kantons Aargau offene Forderungen gegen ihn habe und
bereits in einem früheren Verfahren die ihm zugesprochene Parteientschädigung
mit solchen Forderungen verrechnet habe. Daraufhin wandte sich Rechtsanwalt
Y.________ am 8. Juli 2009 ans Obergericht Aargau und bat, auf die Verrechnung
zu verzichten. Am 18. August 2009 teilte die Obergerichtskasse dem Anwalt mit,
dass das Obergericht die Verrechnung angeordnet habe.

C.
Am 18. August 2009 haben X.________ und Y.________ ein Revisionsgesuch beim
Bundesgericht eingereicht. Sie beantragen, es sei die Revision von Ziff. 3 des
Dispositivs des Urteils 1B_166/2009 vom 30. Juni 2009 zuzulassen; diese Ziffer
sei aufzuheben und der Kanton Aargau sei zu verpflichten, Rechtsanwalt
Y.________ für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu
entschädigen. Eventualiter sei das Verfahren insoweit wieder aufzunehmen, als
über die Fragen der unentgeltlichen Verbeiständung und die Höhe der
Entschädigung von Rechtsanwalt Y.________ als unentgeltlicher Rechtsbeistand
entschieden werde.

Erwägungen:

1.
Die Gesuchsteller ersuchen um Revision des bundesgerichtlichen Urteils. Ein
Revisionsgrund liegt jedoch offensichtlich nicht vor: Der Antrag auf
unentgeltliche Rechtspflege wurde vom Bundesgericht behandelt und als
gegenstandslos erachtet, weshalb kein Revisionsgrund nach Art. 121 Abs. 1 lit.
c BGG vorliegt. Die Verrechnungserklärung des Kantons erfolgte nach dem
bundesgerichtlichen Urteil vom 30. Juni 2009 und stellt schon deshalb keinen
Revisionsgrund i.S.v. Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG dar (sofern diese Bestimmung
auf Beschwerden in Strafsachen überhaupt anwendbar ist).
Nach der bundesgerichtlichen Praxis besteht jedoch die Möglichkeit, auf Gesuch
nachträglich über die unentgeltliche Verbeiständung zu entscheiden und die aus
der Bundesgerichtskasse zu entrichtende Entschädigung festzusetzen, sofern sich
die Parteientschädigung als uneinbringlich erweist und daher nicht zur
Bezahlung des Anwalts verwendet werden kann (Urteile 1P.411/1998 vom 7. August
1998; 9C_516/2007 vom 4. August 2008 E. 2; Thomas Geiser, Basler Kommentar zum
BGG, Art. 64 N 38). Das Revisionsgesuch ist als solches Gesuch entgegen zu
nehmen.

2.
Der Gesuchsteller 1 hatte bereits im Hauptverfahren ein Gesuch um
unentgeltliche Verbeiständung gestellt. Die Voraussetzungen für die
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gemäss Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG
lagen schon damals vor. Das Bundesgericht ging allerdings davon aus, dass der
Anwalt der unentgeltlich verbeiständeten Partei aus der zugesprochenen
Parteientschädigung entschädigt werden würde.

Gemäss Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BGG steht dem Anwalt ein Anspruch auf eine
angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse zu, soweit der Aufwand für die
Vertretung nicht aus der zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden
kann. Dieser Fall tritt nicht nur ein, wenn sich die Parteientschädigung als
uneinbringlich erweist, sondern auch, wenn die Gegenpartei die von ihr
geschuldete Parteientschädigung mit eigenen Forderungen gegen die unentgeltlich
verbeiständete Partei verrechnet. In beiden Fällen hat der Anwalt der
bedürftigen Partei kein Honorar erhalten, weshalb sein Anspruch gegenüber der
Gerichtskasse bestehen bleibt. Wurde die Entschädigung bereits im
Hauptverfahren festgesetzt, kann der Anwalt deren Auszahlung verlangen (so z.B.
geschehen in den Fällen 4A_423/2008 und 4A_122/2008); ansonsten hat er die
Möglichkeit, deren nachträgliche Festsetzung zu verlangen.

3.
Nach dem Gesagten ist das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung gutzuheissen
und dem Gesuchsteller 2 eine angemessene Entschädigung aus der
Bundesgerichtskasse für das Hauptverfahren zuzusprechen.
Eine Entschädigung für das nachträgliche Verfahren rechtfertigt sich nicht, da
dieses Verfahren hätte vermieden werden können, wenn die Gesuchsteller schon im
Hauptverfahren auf die mögliche Verrechnung hingewiesen und die Festsetzung
einer Entschädigung für diesen Fall beantragt hätten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Revisionsgesuch wird als Gesuch um nachträglichen Entscheid über die
unentgeltliche Verbeiständung entgegengenommen.

In Gutheissung dieses Gesuchs wird X.________ im Verfahren 1B_166/2009 die
unentgeltliche Verbeiständung gewährt. Rechtsanwalt Y.________, Zürich, wird
als amtlicher Vertreter des Beschwerdeführers in diesem Verfahren bestellt, und
es wird ihm aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 2'000.--
ausgerichtet.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Gesuchstellern, dem Bezirksamt Baden und dem Obergericht
des Kantons Aargau, Präsidium der Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. November 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Féraud Gerber