Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.99/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_99/2009

Urteil vom 15. Mai 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Fonjallaz, Eusebio,
Gerichtsschreiber Pfäffli.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Bezirksamt Laufenburg, Verwaltungsgebäude Roter Löwe, Marktplatz, 5080
Laufenburg.

Gegenstand
Haftentlassungsgesuch,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 30. März 2009
des Obergerichts des Kantons Aargau,
Präsidium der Beschwerdekammer.
Erwägungen:

1.
Das Bezirksamt Laufenburg führt gegen X.________ eine Strafuntersuchung wegen
mehrfachen Diebstahls und Hausfriedensbruchs. X.________ befindet sich seit dem
6. Januar 2009 in Untersuchungshaft, welche mit Verfügung des Präsidiums der
Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Aargau vom 19. Januar 2009 bis
zum Eingang der Anklage beim Gericht verlängert wurde.
Das Präsidium der Beschwerdekammer des Obergerichts wies mit Verfügung vom 19.
Januar 2009 ein erstes Haftentlassungsgesuch ab. Eine dagegen von X.________
erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil vom 9. Februar 2009 ab,
soweit es darauf eintrat (Verfahren 1B_31/2009). Am 28. Januar 2009 wies das
Präsidium ein zweites und am 12. März 2009 ein drittes Haftentlassungsgesuch
ab. Eine gegen den dritten Haftentscheid erhobene Beschwerde wies das
Bundesgericht mit Urteil vom 23. März 2009 ab, soweit es darauf eintrat
(Verfahren 1B_81/2009).

2.
Mit einer am 27. März 2009 beim Obergericht eingetroffenen Eingabe ersuchte
X.________ erneut um Haftentlassung. Das Präsidium der Beschwerdekammer des
Obergerichts des Kantons Aargau wies mit Verfügung vom 30. März 2009 das
Haftentlassungsgesuch ab. Es bejahte den dringenden Tatverdacht wie auch das
Vorliegen des besonderen Haftgrundes der Fortsetzungsgefahr gemäss § 67 Abs. 2
StPO/AG.

3.
X.________ führt mit Eingabe vom 22. April 2009 (Postaufgabe 24. April 2009)
Beschwerde in Strafsachen gegen die Verfügung des Präsidiums der
Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Aargau vom 30. März 2009.
Das Präsidium der Beschwerdekammer beantragt Abweisung der Beschwerde. Das
Bezirksamt Laufenburg hat sich nicht vernehmen lassen. Am 14. Mai 2009 ging die
Replik des Beschwerdeführers ein.

4.
Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht nicht. Er stellt in
seiner Beschwerde einzig den besonderen Haftgrund der Fortsetzungsgefahr (§ 67
Abs. 2 StPO/AG) in Abrede, da er die ihm vorgeworfenen Delikte für geringfügig
hält.

4.1 Gemäss § 67 Abs. 1 und 2 der kantonalen Strafprozessordnung kann
Untersuchungshaft u.a. angeordnet werden, wenn der Beschuldigte einer mit
Freiheitsstrafe bedrohten Handlung dringend verdächtigt ist und eine
Fortsetzung der strafbaren Tätigkeit zu befürchten ist.

4.2 Nach der Praxis des Bundesgerichtes kann die Anordnung von Haft wegen
Fortsetzungsgefahr dem strafprozessualen Ziel der Beschleunigung dienen, indem
verhindert wird, dass sich das Verfahren durch immer neue Delikte kompliziert
und in die Länge zieht. Auch die Wahrung des Interesses an der Verhütung
weiterer Delikte ist nicht verfassungs- und grundrechtswidrig. Vielmehr
anerkennt Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK ausdrücklich die Notwendigkeit,
Angeschuldigte an der Begehung strafbarer Handlungen zu hindern, somit
Spezialprävention, als Haftgrund (BGE 135 I 71 E. 2.2 S. 72 mit Hinweisen).
Bei der Annahme, dass der Angeschuldigte weitere Verbrechen oder erhebliche
Vergehen begehen könnte, ist allerdings Zurückhaltung geboten. Da Präventivhaft
einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht der persönlichen Freiheit
darstellt, muss sie auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage beruhen, im
öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. Die Aufrechterhaltung
von strafprozessualer Haft wegen Fortsetzungsgefahr ist verhältnismässig, wenn
einerseits die Rückfallprognose sehr ungünstig und anderseits die zu
befürchtenden Delikte von schwerer Natur sind. Die rein hypothetische
Möglichkeit der Verübung weiterer Delikte sowie die Wahrscheinlichkeit, dass
nur geringfügige Straftaten verübt werden, reichen dagegen nicht aus, um eine
Präventivhaft zu begründen. Schliesslich gilt auch bei der Präventivhaft - wie
bei den übrigen Haftarten - dass sie nur als "ultima ratio" angeordnet oder
aufrecht erhalten werden darf. Wo sie durch mildere Massnahmen ersetzt werden
kann, muss von der Anordnung oder Fortdauer der Haft abgesehen und an ihrer
Stelle eine dieser Ersatzmassnahmen verfügt werden (BGE 135 I 71 E. 2.3 S. 73
mit Hinweisen).

4.3 Der Beschwerdeführer wurde bereits am 27. März 2003 vom Jugendgericht u.a.
wegen bandenmässigen Diebstahls zu einer Einschliessungsstrafe von sieben
Monaten verurteilt. Am 11. November 2005 wurde er wegen gewerbsmässigen
Diebstahls und anderen Delikten zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt. Am 6. April
2006 erfolgte eine Verurteilung von 20 Monaten Gefängnis wegen gewerbs- und
bandenmässigen Diebstahls, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs u.a. Am 20.
September 2007 erfolgte eine weitere Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von
zwei Jahren und sechs Monaten wegen weitgehend gleichartiger Delikte.
Am 24. Dezember 2008 ist der Beschwerdeführer bedingt aus dem Strafvollzug
entlassen worden. Der nicht verbüsste Strafrest der Freiheitsstrafe betrug 419
Tage. Dem Beschwerdeführer wird bereits in der Schlussphase des Strafvollzuges
am 30. November 2008 (offenbar in einem Urlaub) erneut ein Einbruchdiebstahl
vorgeworfen. Weiter wird ihm vorgeworfen, am Vortag der Entlassung aus dem
Strafvollzug erneut einschlägig delinquiert zu haben, des Weiteren am 2. Januar
2009 und am 5. Januar 2009. Nach der Verhaftung am 6. Januar 2009 hat er einen
Aufenthalt in der Psychiatrischen Klinik Königsfelden am 15./16. Februar 2009
zur Entweichung und zur Begehung eines Einbruchdiebstahls genutzt. Die
einzelnen Delikte werden von der Beschwerdekammer als verhältnismässig
geringfügig beurteilt. Die Art und Weise der Begehung lasse jedoch auf eine
Gewerbsmässigkeit schliessen. In diesem Sinne sei die Vermögensdelinquenz nicht
mehr derart leicht zu gewichten.

4.4 Es trifft wohl zu, dass die einzelnen dem Beschwerdeführer vorgeworfenen
Delikte aufgrund des deliktischen Erlöses als verhältnismässig geringfügig
beurteilt werden können. Es besteht indessen der Verdacht, dass der
Beschwerdeführer die deliktische Tätigkeit bei jeder sich bietenden Gelegenheit
verübte, was auf Gewerbsmässigkeit schliessen lässt und es sich deshalb nicht
mehr um geringfügige Delinquenz handeln kann. Es bestehen somit ausreichend
konkrete Anhaltspunkte für die Befürchtung, dass der Beschwerdeführer nach
einer Haftentlassung trotz Sozialhilfeleistung erneut einschlägig delinquieren
könnte. Hinzu kommt, dass die genannten Vorstrafen bereits für sich allein
keineswegs als leicht zu beurteilen sind. Die Beschwerdekammer durfte deshalb
ohne Verfassungsverletzung davon ausgehen, dass eine Fortsetzungsgefahr
besteht.

5.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen. Auf eine Kostenauflage kann verzichtet
werden (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bezirksamt Laufenburg und dem
Obergericht des Kantons Aargau, Präsidium der Beschwerdekammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 15. Mai 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Pfäffli