Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.84/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_84/2009

Urteil vom 22. März 2010
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Eusebio,
Gerichtsschreiber Härri.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Martin Pestalozzi,

gegen

Y.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Marino Di Rocco,

Untersuchungsrichter des Bezirks Hinwil, Gemeindehausstrasse 2, 8340 Hinwil.

Gegenstand
Ehrverletzungsverfahren,

Beschwerde gegen den Beschluss vom 10. Februar 2009 des Obergerichts des
Kantons Zürich, III. Strafkammer.

Sachverhalt:

A.
Am 14. Juni 2008 erhob Y.________ gegen X.________ Anklage wegen Ehrverletzung.

Mit Verfügung vom 18. Juli 2008 trat der Untersuchungsrichter des Bezirkes
Hinwil darauf nicht ein. Er befand, die Weisung des Friedensrichteramtes sei
verspätet eingereicht worden. Bei Erhebung der Anklage sei die
Strafantragsfrist von drei Monaten nach Art. 31 StGB im Übrigen bereits
abgelaufen gewesen.

Den von Y.________ dagegen erhobenen Rekurs hiess das Obergericht des Kantons
Zürich (III. Strafkammer) mit Beschluss vom 10. Februar 2009 gut. Es hob die
Verfügung des Untersuchungsrichters auf und wies die Akten an diesen zurück.
Das Obergericht kam zum Schluss, entgegen der Auffassung des
Untersuchungsrichters sei die Frist zur Einreichung der friedensrichterlichen
Weisung gewahrt worden (E. 3.1). Es erwog sodann, aufgrund der Akten sei nicht
erstellt, wann Y.________ die an der Sühneverhandlung vom 17. März 2008 geltend
gemachte, auf der Weisung aufgeführte und damit beim Bezirksgericht zur Anklage
gebrachte angebliche Äusserung von X.________, er - Y.________ - sei ein
"Psychopath", bekannt geworden sei. Damit erweise sich die Alternativbegründung
des Untersuchungsrichters zumindest als verfrüht. Dieser werde zur Prüfung der
Rechtzeitigkeit des Strafantrags abzuklären haben, wann Y.________ von der
genannten Äusserung von X.________ Kenntnis erhalten habe (E. 3.2).

B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, der Beschluss des
Obergerichts sei aufzuheben und der Nichteintretensentscheid des
Untersuchungsrichters zu bestätigen.

C.
Das Obergericht und der Untersuchungsrichter haben auf Gegenbemerkungen
verzichtet.

Y.________ hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, die Beschwerde sei
abzuweisen und der Beschluss des Obergerichts zu bestätigen.

D.
X.________ hat eine Replik eingereicht. Er hält an seinen Anträgen fest.

Erwägungen:

1.
1.1 Gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG ist gegen den angefochtenen Entscheid die
Beschwerde in Strafsachen gegeben.

1.2 Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die kantonale
Nichtigkeitsbeschwerde ist ausgeschlossen, da die Vorinstanz als
Rechtsmittelinstanz entschieden hat (§ 428 der Strafprozessordnung vom 4. Mai
1919 des Kantons Zürich [StPO; LS 321]).
1.3
1.3.1 Mit dem angefochtenen Entscheid hat die Vorinstanz den
Nichteintretensentscheid des Untersuchungsrichters aufgehoben und die Sache an
diesen zur Vornahme weiterer Abklärungen zurückgewiesen. Es handelt sich um
einen Zwischenentscheid nach Art. 93 BGG.

Gemäss Absatz 1 dieser Bestimmung ist gegen einen solchen Zwischenentscheid die
Beschwerde zulässig, a) wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil
bewirken kann, oder b) wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen
Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder
Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
1.3.2 Zu Recht beruft sich der Beschwerdeführer nicht auf Art. 93 Abs. 1 lit. a
BGG. Der Umstand, dass jemand sich einem Strafverfahren stellen und die damit
verbundenen Unannehmlichkeiten hinnehmen muss, stellt nach der Rechtsprechung
keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur im Sinne dieser
Bestimmung dar (BGE 133 IV 288 E. 3.1 S. 291; Urteil 6B_23/2007 vom 2. April
2007 E. 1.1.2).
1.3.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, es liege ein nach Art. 93 Abs. 1 lit.
b BGG anfechtbarer Zwischenentscheid vor.

Diese Bestimmung übernimmt die Regel von Art. 50 Abs. 1 des früheren
Bundesrechtspflegegesetzes, der die zivilrechtliche Berufung betraf. Sie ist
somit vor allem in Zivilsachen anwendbar. Nach der Rechtsprechung stellt die
Öffnung des Rechtsmittelwegs gegen Zwischenentscheide aus prozessökonomischen
Gründen eine Ausnahme dar und muss restriktiv gehandhabt werden. Besonders
restriktiv ist Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG im Strafrecht anzuwenden (BGE 133 IV
288 E. 3.2 S. 292 mit Hinweisen). Sie stellt dort einen Fremdkörper dar und
kommt kaum je zur Anwendung (Urteil 6B_782/2008 vom 12. Mai 2009 E. 1.4, in:
Pra 2009 Nr. 115 S. 787).

Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, die besonders restriktive
Rechtsprechung im Bereich des Strafrechts könne hier nicht massgebend sein, da
im Kanton Zürich bei Ehrverletzungen das Privatstrafklageverfahren zur
Anwendung komme und dieses wesentliche Elemente des Zivilverfahrens aufweise.
Wie es sich damit verhält, kann dahingestellt bleiben. Auf die Beschwerde
könnte selbst dann nicht eingetreten werden, wenn hier Art. 93 Abs. 1 lit. b
BGG "nur" restriktiv und nicht - wie im Strafrecht - besonders restriktiv
gehandhabt würde.

Zwar könnte das Bundesgericht mit der Gutheissung der Beschwerde und damit der
Bestätigung des untersuchungsrichterlichen Nichteintretensentscheids sofort
einen Endentscheid herbeiführen. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass damit
ein bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren erspart werden könnte. Entgegen den Vorbringen des
Beschwerdeführers handelt es sich um keinen komplexen Fall. Dass er den
Beschwerdegegner als "Psychopath" bezeichnet hat, gibt er zu (Beschwerde S. 6
Ziff. 13). Es stellt sich die Frage der Rechtzeitigkeit des Strafantrags nach
Art. 31 StGB. Die Vorinstanz hat die Sache insoweit an den Untersuchungsrichter
zurückgewiesen zur Abklärung, wann der Beschwerdegegner von der genannten
Äusserung des Beschwerdeführers Kenntnis erhalten hat (angefochtener Entscheid
S. 6). Diese Äusserung ist wiedergegeben in einer Telefonnotiz der
Staatsanwaltschaft See/Oberland in einem anderen Verfahren (act. 13). Wie die
Vorinstanz darlegt, bringt der Beschwerdegegner vor, er habe diese Telefonnotiz
bei der Behörde eingeholt (angefochtener Entscheid S. 3 und 6). Es dürfte
vergleichsweise einfach zu ermitteln sein, wann die Behörde dem
Beschwerdegegner die Telefonnotiz übergeben hat. Die Staatsanwaltschaft See/
Oberland untersteht dabei entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht
dem Amtsgeheimnis, soweit sie vom Untersuchungsrichter zur entsprechenden
Information aufgefordert wird. Vielmehr ist sie insoweit zur Rechtshilfe
verpflichtet (vgl. Niklaus Oberholzer, in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 2.
Aufl. 2007, N. 9 zu Art. 320 StGB). Sollte von der Rechtzeitigkeit des
Strafantrags auszugehen sein, kann nicht angenommen werden, dass noch ein
erheblicher Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren
erforderlich sein sollte, nachdem die Bezeichnung des Beschwerdegegners als
"Psychopath" unbestritten ist. Der vorliegende Fall betrifft lediglich zwei
Personen sowie einen einfachen und klar umrissenen Sachverhalt. Im Lichte der
dargelegten restriktiven Rechtsprechung ist der vorinstanzliche Entscheid daher
auch nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG nicht anfechtbar (vgl. Urteil 6B_23/2007
vom 2. April 2007 E. 1.2.2).

2.
Nach dem Gesagten kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art.
66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Er hat dem Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren eine
Entschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat dem Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Untersuchungsrichter des Bezirks Hinwil
und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 22. März 2010
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Härri