Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.82/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_82/2009

Urteil vom 7. April 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Raselli,
Gerichtsschreiber Kappeler.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Buff,

gegen

Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, Gewaltdelikte, Molkenstrasse 15/17,
Postfach,
8026 Zürich.

Gegenstand
Sicherheitshaft,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 12. März 2009 des Bezirksgerichts
Winterthur, Haftrichterin.
Sachverhalt:

A.
X.________ wurde 1967 geboren und ist türkischer Staatsbürger. Am 26. Februar
2009 hat die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich gegen ihn beim
Bezirksgericht Winterthur Anklage wegen mehrfach versuchter Vergewaltigung und
weiterer Delikte erhoben. In der Folge wurde er am 5. März 2009 in
Sicherheitshaft gesetzt. Am 6. März 2009 stellte X.________ ein
Haftentlassungsgesuch, das mit Verfügung der Haftrichterin des Bezirksgerichts
Winterthur vom 12. März 2009 abgewiesen wurde.

B.
Gegen diesen Entscheid erhebt X.________ mit Eingabe vom 23. März 2009 beim
Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt die Aufhebung des
angefochtenen Entscheids und die sofortige Haftentlassung. Zudem ersucht er für
das bundesgerichtliche Verfahren um Bewilligung der unentgeltlichen
Rechtspflege und Verbeiständung. Er rügt, die Fortsetzung der Haft stelle eine
Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) und des
Willkürverbots (Art. 9 BV) dar.

C.
Die Staatsanwaltschaft beantragt in ihrer Vernehmlassung Abweisung der
Beschwerde. Das Bezirksgericht verzichtet auf eine Vernehmlassung. Der
Beschwerdeführer hat von der Gelegenheit eine Replik einzureichen Gebrauch
gemacht. Mit seiner Eingabe vom 2. April 2009 hält er an seinen bisherigen
Ausführungen und Anträgen fest.

Erwägungen:

1.
Ein kantonales Rechtsmittel ist gegen den angefochtenen Entscheid nicht
gegeben, weshalb die Beschwerde nach Art. 80 i.V.m. Art. 130 Abs. 1 BGG
zulässig ist. Die übrigen Eintretenserfordernisse nach Art. 78 ff. BGG geben zu
keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.
2.1 Sicherheitshaft muss als schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht der
persönlichen Freiheit auf einer klaren gesetzlichen Grundlage in einem Gesetz
beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein (Art. 10
Abs. 2 i.V.m. Art. 31 Abs. 1 und Art. 36 BV).
Im Kanton Zürich kann Sicherheitshaft (u.a.) angeordnet und fortgesetzt werden,
wenn gegen den Angeschuldigten Anklage erhoben worden ist, er dringend eines
Verbrechens oder Vergehens verdächtigt wird und ausserdem aufgrund bestimmter
Anhaltspunkte ernsthaft befürchtet werden muss, er werde sich der
Strafverfolgung oder der zu erwartenden Strafe durch Flucht entziehen oder er
werde Spuren oder Beweismittel beseitigen, Dritte zu falschen Aussagen zu
verleiten suchen oder die Abklärung des Sachverhaltes auf andere Weise
gefährden (§ 67 in Verbindung mit § 58 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 der
Strafprozessordnung [des Kantons Zürich] vom 4. Mai 1919 [StPO/ZH; LS 321]).

Im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs prüft das Bundesgericht die Auslegung
und Anwendung des entsprechenden kantonalen Rechts frei. Soweit jedoch reine
Sachverhaltsfeststellungen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen
sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen
der kantonalen Instanz willkürlich sind (BGE 132 I 21 E. 3.2.3 S. 24 mit
Hinweisen).

2.2 Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass gegen ihn der allgemeine
Haftgrund des dringenden Tatverdachts gegeben ist. Zu prüfen bleibt daher, ob
auch ein besonderer Haftgrund vorliegt.
2.3
2.3.1 Kollusion bedeutet nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
insbesondere, dass sich der Angeschuldigte mit Zeugen, Auskunftspersonen,
Sachverständigen oder Mitangeschuldigten ins Einvernehmen setzt oder sie zu
wahrheitswidrigen Aussagen veranlasst, oder dass er Spuren und Beweismittel
beseitigt. Die Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft wegen Kollusionsgefahr soll
verhindern, dass der Angeschuldigte die Freiheit oder einen Urlaub dazu
missbrauchen würde, die wahrheitsgetreue Abklärung des Sachverhaltes zu
vereiteln oder zu gefährden. Die theoretische Möglichkeit, dass der
Angeschuldigte in Freiheit kolludieren könnte, genügt indessen nicht, um die
Fortsetzung der Haft oder die Nichtgewährung von Urlauben unter diesem Titel zu
rechtfertigen. Es müssen vielmehr konkrete Indizien für die Annahme von
Verdunkelungsgefahr sprechen. Das Vorliegen des Haftgrundes ist nach Massgabe
der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu prüfen (BGE 132 I 21 E. 3.2 S. 23
mit Hinweisen).
Konkrete Anhaltspunkte für Kollusionsgefahr können sich nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichts namentlich ergeben aus dem bisherigen Verhalten des
Angeschuldigten im Strafprozess, aus seinen persönlichen Merkmalen, aus seiner
Stellung und seinen Tatbeiträgen im Rahmen des untersuchten Sachverhaltes sowie
aus den persönlichen Beziehungen zwischen ihm und den ihn belastenden Personen.
Bei der Frage, ob im konkreten Fall eine massgebliche Beeinträchtigung des
Strafverfahrens wegen Verdunkelung droht, ist auch der Art und Bedeutung der
von Beeinflussung bedrohten Aussagen bzw. Beweismittel, der Schwere der
untersuchten Straftaten sowie dem Stand des Verfahrens Rechnung zu tragen (BGE
132 I 21 E. 3.2.1 S. 23 f. mit Hinweisen). Je weiter das Strafverfahren
vorangeschritten ist und je präziser der Sachverhalt bereits abgeklärt werden
konnte, desto höhere Anforderungen sind an den Nachweis von Verdunkelungsgefahr
zu stellen (BGE 132 I 21 E. 3.2.2 S. 24 mit Hinweisen).
2.3.2 Die Vorinstanz führt aus, die Zeugenaussagen der Stieftochter und des
Sohnes des Beschwerdeführers seien in diesem Verfahren von grosser Bedeutung,
in dem es um gravierende, im engsten Familienkreis und unter Anwendung von
Gewalt ausgeübte Delikte gegen Leib und Leben bzw. die sexuelle Integrität
gehe. Auch wenn die Kinder mittlerweile fremdplatziert seien, bestünden
angesichts der engen verwandtschaftlichen und persönlichen Beziehungen aller
Beteiligten entsprechende emotionale Abhängigkeiten. Es sei deshalb davon
auszugehen, dass persönliche Kontakte zwischen Angeklagtem und Geschädigten
einen Einfluss auf das Strafverfahren hätten, was es zu vermeiden gelte. Bei
dieser Konstellation sei Kollusionsgefahr trotz abgeschlossener Untersuchung
weiterhin zu bejahen.
2.3.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, es stünden keine weiteren
Zeugeneinvernahmen aus. Die Staatsanwaltschaft habe von sich aus, mit
Zustimmung der Verteidigung, auf eine Einvernahme der Stieftochter und des
Sohnes verzichtet. Der Grund hierfür sei, dass deren Aussagen zur
Sachverhaltsfeststellung nicht notwendig gewesen seien und an der Beweislage
nichts ändern würden. Der Beschwerdeführer verweist auf sein Geständnis und
darauf, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe aufgrund seiner eigenen Aussagen
wie auch derjenigen seiner Ehefrau beweismässig unantastbar seien. Der
massgebliche Sachverhalt sei in allen Teilen erstellt und es bestehe daher auch
kein Interesse an Falschaussagen des Sohnes oder der Stieftochter. Eine
Vereitelung der Sachverhaltsfeststellung sei unter diesen Umständen
ausgeschlossen.
2.3.4 Es ist festzuhalten, dass die Stieftochter und der Sohn des
Beschwerdeführers zu den diesem vorgeworfenen Straftaten bislang nicht
untersuchungsrichterlich einvernommen worden sind. Angesichts der engen
verwandtschaftlichen und persönlichen Beziehungen wie auch des Umstandes, dass
der Beschwerdeführer in der Vergangenheit bereits wiederholt gegenüber seinem
Sohn Gewalt angewendet und ihn bedroht hat, besteht eine erhebliche Gefahr,
dass er in Freiheit versucht sein könnte, seine Kinder unter Androhung von
physischer und psychischer Gewalt zu falschen Aussagen zu verleiten. Auch im
psychiatrischen Gutachten der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich vom 2.
Dezember 2008 wird festgehalten, es sei zu erwarten, dass sich der
Beschwerdeführer im Rahmen der "Erziehung" seiner Söhne zu neuerlichen
körperlichen Züchtigungen und Drohungen bereit finden wird (S. 51). Der Schluss
der Vorinstanz, beim Beschwerdeführer seien ausreichend konkrete Anhaltspunkte
für das Bestehen von Kollusionsgefahr gegeben, hält deshalb vor der Verfassung
stand.

2.3.5 Da Untersuchungshaft bereits beim Vorliegen eines Haftgrundes zulässig
ist, muss nicht geprüft werden, ob vorliegend auch weitere besondere Haftgründe
(Flucht- oder Wiederholungsgefahr) erfüllt sind.

2.3.6 Hinsichtlich der Anordnung von Ersatzmassnahmen im Sinne von §§ 72 ff.
StPO/ZH ist nicht ersichtlich, mit welchen milderen Massnahmen als der
Aufrechterhaltung der Haft der Kollusionsgefahr ausreichend begegnet werden
könnte.

3.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Da die
gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG), ist dem
Begehren stattzugeben. Es sind daher keine Gerichtskosten zu erheben und dem
Rechtsvertreter ist eine angemessene Entschädigung auszurichten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen.

2.1 Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

2.2 Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Daniel Buff, wird aus der
Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- ausgerichtet.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft IV des Kantons
Zürich und dem Bezirksgericht Winterthur, Haftrichterin, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 7. April 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Kappeler