Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.39/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_39/2009

Entscheid vom 23. März 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Aemisegger, als Einzelrichter,
Gerichtsschreiberin Scherrer.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, Gewaltdelikte, Molkenstrasse 15/17,
Postfach 2251, 8026 Zürich.

Gegenstand
Haftentlassung,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 28. Januar 2009 des Bezirksgerichts Zürich,
Haftrichter.
Erwägungen:

1.
X.________ ist geständig, am 31. Mai 2008 an der Hardturmstrasse in Zürich im
Rahmen einer verbalen und tätlichen Auseinandersetzung zwei Beteiligte mit
einem einhändig bedienbaren Stellmesser (mit automatischer Öffnungsvorrichtung)
verletzt zu haben. Es besteht darum der dringende Tatverdacht der mehrfachen
versuchten vorsätzlichen Tötung und des Vergehens gegen das Waffengesetz. Die
am 2. Juni 2008 angeordnete Untersuchungshaft wurde vom Haftrichter mit
Kollusionsgefahr begründet.
Mit Verfügungen vom 3. September 2008 und 28. November 2008 wurde jeweils die
Fortsetzung der Untersuchungshaft bewilligt.

2.
Am 20. Januar 2009 stellte der Beschuldigte Antrag auf Haftentlassung. Dieses
Gesuch wies der Haftrichter unter Hinweis auf die mögliche Verhandlung vor dem
Geschworenengericht und die anhaltende Kollusionsgefahr am 28. Januar 2009 ab.

3.
Mit Eingabe vom 5. Februar 2009 erhebt X.________ beim Bundesgericht Beschwerde
in Strafsachen und beantragt die Aufhebung der haftrichterlichen Verfügung vom
28. Januar 2009 sowie die Entlassung aus der Untersuchungshaft. Eventualiter
sei die angefochtene Verfügung aufzuheben und der Haftrichter anzuhalten, dem
Beschwerdeführer bei einer mündlichen Anhörung das rechtliche Gehör zu
gewähren. In verfahrensrechtlicher Hinsicht stellt der Beschwerdeführer den
Antrag auf unentgeltliche Prozessführung und ersucht um die Bestellung von
Rechtsanwalt Heinz Birchler als unentgeltlichem Rechtsvertreter, da er sich mit
seinem amtlichen Verteidiger nicht verstehe.

4.
Die Staatsanwaltschaft erhob am 23. Februar 2009 Anklage gegen den
Beschwerdeführer wegen mehrfacher versuchter vorsätzlicher Tötung und eines
Vergehens gegen das Waffengesetz. Am 27. Februar 2009 führte die Präsidentin
der Anklagekammer des Obergerichts eine Anhörung durch, in deren Anschluss sie
die Haftentlassung des Beschwerdeführers verfügte.

5.
Das Verfahren vor Bundesgericht ist damit gegenstandslos geworden. Der
Instruktionsrichter entscheidet als Einzelrichter über die Abschreibung (Art.
32 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht forderte die Parteien darum auf, sich zur
Frage der Gegenstandslosigkeit und zur Kostenregelung zu äussern. Der
Beschwerdeführer stellt Antrag, dem Kanton die Verfahrenskosten aufzuerlegen,
während der Haftrichter ausdrücklich auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die
Staatsanwaltschaft hat sich nicht zur Angelegenheit geäussert.

6.
Wird ein Rechtsstreit gegenstandslos oder fällt er mangels rechtlichen
Interesses dahin, entscheidet das Bundesgericht mit summarischer Begründung
über die Prozesskosten aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrunds
(Art. 71 BGG in Verbindung mit Art. 72 BZP). Dabei wird in erster Linie auf den
mutmasslichen Prozessausgang abgestellt. Lässt sich dieser nicht bestimmen,
gehen die Kosten zulasten jener Partei, die das gegenstandslos gewordene
Verfahren veranlasst hat oder bei der die Gründe eingetreten sind, die zur
Gegenstandslosigkeit des Prozesses geführt haben (BGE 118 Ia 488 E. 4a S. 494).
Die Regelung bezweckt, denjenigen, der in guten Treuen Beschwerde erhoben hat,
nicht im Kostenpunkt zu bestrafen, dass die Beschwerde infolge nachträglicher
Änderung der Umstände abzuschreiben ist, ohne dass ihm dies anzulasten wäre.

7.
Der Beschwerdeführer stellt in seiner Beschwerde die Kollusionsgefahr in
Abrede. Die Staatsanwaltschaft und der Haftrichter begründeten die
Kollusionsgefahr unter anderem mit dem Umstand, dass das Hauptverfahren
allenfalls vor dem Geschworenengericht stattfinden könnte, vor welchem das
Unmittelbarkeitsprinzip gelte. Dies würde zur Folge haben, dass die Zeugen
nochmals einzuvernehmen wären. Grund zu dieser Annahme hatten die kantonalen
Behörden ihrer Meinung nach, weil der Beschwerdeführer zwar in Bezug auf die
eigentliche Tat geständig war, sich aber auf Notwehr berief. Gemäss § 198a
Ziff. 3 lit. a StPO/ZH hat der Angeklagte die Wahl zwischen Geschworenengericht
oder Obergericht, wenn er lediglich die rechtliche Würdigung des anerkannten
eingeklagten Sachverhaltes bestreitet.
Die Präsidentin der Anklagekammer hält dazu in ihrem Entscheid fest, der
Beschwerdeführer anerkenne den Eventualvorsatz, habe aber am 23. Dezember 2008
daran festgehalten, dass er in rechtfertigender oder zumindest entschuldigender
Notwehr gehandelt habe. Am 17. Februar 2009 habe er wiederum den
Eventualvorsatz eingeräumt und angefügt, er habe sich verteidigen wollen. Die
nun vorliegende Anklageschrift entspreche, was den Sachverhalt betreffe, den
Zugeständnissen des Beschwerdeführers. Der amtliche Verteidiger habe in der
Anhörung vom 27. Februar 2009 in Aussicht gestellt, der Beschwerdeführer werde
neben dem Anklagesachverhalt auch die rechtliche Würdigung anerkennen. Er sei
nicht an einem Verfahren vor Geschworenengericht interessiert. Die Präsidentin
der Anklagekammer zieht ergänzend in Erwägung, selbst wenn der Beschwerdeführer
anstelle einer entschuldbaren wieder eine schuldausschliessende oder
rechtfertigende Notwehrsituation geltend machen sollte, läge darin eine blosse
Bestreitung der rechtlichen Würdigung. Dies stehe einem Verfahren vor
Obergericht nicht im Wege. Es bestehe darum keine Kollusionsgefahr mehr, zumal
der Angeklagte allein gehandelt habe und keine Mittäter vorhanden seien, die
ein eigenes Interesse haben könnten, sich mit ihm abzusprechen.

8.
Aus diesen Ausführungen der Präsidentin der Anklagekammer wird deutlich, dass
die Umstände, welche zur Gegenstandslosigkeit des Haftprüfungsverfahrens vor
Bundesgericht geführt haben, nicht dem Beschwerdeführer anzulasten sind. In
Anwendung von Art. 66 Abs. 4 BGG ist darum von einer Kostenerhebung abzusehen.

Der Beschwerdeführer war im bundesgerichtlichen Verfahren nicht anwaltlich
vertreten, weshalb ihm keine Entschädigung zuzusprechen ist.
Demnach verfügt der Instruktionsrichter:

1.
Die Beschwerde wird als gegenstandslos abgeschrieben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Diese Verfügung wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft IV des
Kantons Zürich und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 23. März 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Einzelrichter: Die Gerichtsschreiberin:

Aemisegger Scherrer