Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.385/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_385/2009

Urteil vom 20. Januar 2010
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Reeb, Raselli,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Parteien
X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokatin Catherine Fürst,

gegen

Bezirksstatthalteramt Arlesheim, Kirchgasse 5,
4144 Arlesheim,
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, Bahnhofplatz 3A, 4410 Liestal,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Haftverlängerungsverfügung,

Beschwerde gegen die Haftverlängerungsverfügung
vom 17. Dezember 2009 des Verfahrensgerichts in Strafsachen des Kantons
Basel-Landschaft, Präsidium.
Sachverhalt:

A.
Am 31. Oktober 1996 hatte A.________ beim Bezirksgericht Arlesheim eine
Scheidungsklage gegen ihren damaligen Ehemann B.________ eingereicht. Mit
Verfügung vom 13. November 1996 wurden die beiden gemeinsamen Kinder,
C.________ und D.________ vorläufig unter die Obhut der Mutter gestellt. Mit
Verfügung vom 28. April 1997 änderte das Bezirksgericht Arlesheim die
Obhutsregelung und stellte die beiden Kinder mit Wirkung vom 1. Juni 1997 für
die Dauer des Verfahrens unter die Obhut des Vaters. Am 28. Mai 1997 zog
A.________ ihre Scheidungsklage zurück, worauf B.________ am 29. Mai 1997
seinerseits eine Scheidungsklage einreichte. Mit Beschluss vom 29. Mai 1997
stellte das Bezirksgericht Arlesheim die beiden Kinder für die Dauer des
Verfahrens unter die Obhut von B.________. Die Ehe wurde am 16. Dezember 1997
geschieden und die Kinder unter die elterliche Gewalt von B.________ gestellt.
Seit dem 29. Mai 1997 hatte B.________ keine Nachricht mehr von A.________ und
den Kindern und wusste nicht, wo sich diese aufhielten. Die Ermittlungsbehörden
gehen davon aus, dass A.________ am 29. Mai 1997, mit Hilfe ihrer Schwester
X.________ und ihres Schwagers E.________, zusammen mit den Kindern nach
Venezuela ausgereist ist.
Am 1. Juni 1997 erstattete B.________ Anzeige gegen A.________ wegen Entziehens
von Unmündigen (Art. 220 StGB). Das Bezirksstatthalteramt leitete ein
Strafverfahren ein, das auf den Tatbestand der qualifizierten Entführung (Art.
183 Ziff. 2 i.V.m. Art. 184 StGB) ausgedehnt wurde. Ende 2004/Anfang 2005 wurde
ein Mediationsverfahren zwischen A.________ und B.________ eingeleitet, in dem
die gegenseitig erhobene Strafanträge zurückgezogen wurden.
Mit Schlussbericht vom 8. Juni 2006 beantragte das Bezirksstatthalteramt die
Einstellung des Strafverfahrens gegen A.________ wegen qualifizierter
Entführung und Entziehung Unmündiger und den Erlass eines Strafbefehls wegen
Urkundenfälschung. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft schloss
sich dieser Auffassung nicht an, sondern wies mit Schreiben vom 1. Juli 2007
die Akten an das Bezirksstatthalteramt zur Vornahme weiterer Ermittlungen und
zur Ausschreibung A.________s zur Verhaftung zurück.

B.
Am 18. November 2009 wurden A.________ und ihre Schwester X.________ in
Niedergösgen angehalten und dem Kanton Basel-Landschaft zugeführt. Die Kinder
wurden in eine Institution im Kanton Bern verbracht, wo sie stationär
begutachtet werden.
Am 19. November 2009 ordnete das Präsidium des Verfahrensgerichts in
Strafsachen Untersuchungshaft für X.________ an, befristet bis zum 17. Dezember
2009. Auch A.________ befindet sich seit dem 19. November 2009 in
Untersuchungshaft.

C.
Am 9. Dezember 2009 stellte das Bezirksstatthalteramt Arlesheim Antrag auf
Haftverlängerung um 6 Monate wegen Kollusions-, Flucht- und Fortsetzungsgefahr.
Am 17. Dezember 2009 führte das Präsidium des Verfahrensgerichts in Strafsachen
eine mündliche Anhörung durch und verlängerte anschliessend die
Untersuchungshaft um 8 Wochen bis zum 11. Februar 2010. Es bejahte in seiner
einseitigen handschriftlichen Begründung den dringenden Tatverdacht der
Beihilfe zur mindestens eventualvorsätzlich begangenen Entführung von
Minderjährigen sowie den Haftgrund der Kollusionsgefahr.

D.
Gegen die Haftverlängerungsverfügung hat X.________ am 29. Dezember 2009
Beschwerde ans Bundesgericht erhoben. Sie beantragt, die angefochtene Verfügung
sei aufzuheben und die Behörden des Kantons Basel-Landschaft seien anzuweisen,
sie unverzüglich aus der Haft zu entlassen. Überdies sei ihr die unentgeltliche
Rechtspflege zu gewähren und ein Replikrecht einzuräumen.

E.
Das Bezirksstatthalteramt Arlesheim beantragt Abweisung der Beschwerde. Auch
das Verfahrensgericht in Strafsachen Basel-Landschaft schliesst auf
Beschwerdeabweisung. Es begründet in seiner achtseitigen Vernehmlassung,
weshalb der dringende Tatverdacht der Gehilfenschaft zur qualifizierten
Entführung von Minderjährigen vorliege und Kollusionsgefahr bestehe.

F.
In ihrer Replik vom 18. Januar 2010 hält die Beschwerdeführerin an ihren
Anträgen fest und macht ergänzende Ausführungen zum Verfahrensstand.
Erwägungen:

1.
Gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden gegen
Entscheide in Strafsachen; dazu gehört auch der vorliegende
Haftverlängerungsentscheid. Gegen diesen steht kein kantonales Rechtsmittel zur
Verfügung (Art. 80 i.V.m. Art. 130 Abs. 1 BGG). Da auch alle übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

2.
Gemäss Art. 112 Abs. 1 BGG müssen Entscheide, die der Beschwerde an das
Bundesgericht unterliegen, unter anderem die massgebenden Gründe tatsächlicher
und rechtlicher Art enthalten (lit. b). Das Bundesgericht kann nach Art. 112
Abs. 3 BGG einen Entscheid, der den Anforderungen von Absatz 1 nicht genügt, an
die kantonale Behörde zur Verbesserung zurückweisen oder aufheben (vgl. Urteil
1B_61/2008 vom 3. April 2008 E. 2.2 mit Hinweisen).
Es ist fraglich, ob der angefochtene Entscheid diesen Erfordernissen genügt.
Nachdem jedoch bereits ein Schriftenwechsel durchgeführt worden ist, in welchem
das Verfahrensgericht ausführlich die massgebenden Gründe tatsächlicher und
rechtlicher Art dargelegt und die Beschwerdeführerin in ihrer Replik dazu
Stellung genommen hat, wobei sie einen Entscheid des Bundesgerichts in der
Sache verlangt, rechtfertigt es sich, zur Wahrung des Beschleunigungsgebots von
einer Rückweisung abzusehen.

3.
Die Untersuchungshaft schränkt die in Art. 10 Abs. 2 und Art. 31 BV sowie Art.
5 Ziff. 1 EMRK garantierte persönliche Freiheit der Beschwerdeführerin ein. Ein
Eingriff in dieses Grundrecht ist zulässig, wenn er auf einer gesetzlichen
Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist;
zudem darf er den Kerngehalt des Grundrechts nicht beeinträchtigen (Art. 36 BV;
BGE 128 I 184 E. 2.1 S. 186 mit Hinweisen).
Im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs prüft das Bundesgericht die Auslegung
und Anwendung des entsprechenden kantonalen Rechts frei. Soweit reine
Sachverhaltsfeststellungen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen
sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen
der kantonalen Instanz willkürlich sind (BGE 128 I 184 E. 2.1 S. 186 mit
Hinweisen).
Voraussetzung für die Anordnung und Fortdauer von Untersuchungshaft ist nach §
77 Abs. 1 der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Land vom 3. Juni 1999 (StPO
/BL), dass die verhaftete Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend
verdächtigt wird, deshalb gegen sie ein Strafverfahren eröffnet worden ist, und
aufgrund konkreter Indizien ernsthaft zu befürchten ist, sie werde die Freiheit
benützen zur Flucht (lit. a), zur Erschwerung oder Vereitelung der
Untersuchung, namentlich durch die Beeinflussung anderer Personen oder durch
Beseitigung von Beweismitteln (lit. b) oder zur Fortsetzung der deliktischen
Tätigkeit, sofern diese eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben, Freiheit oder
Eigentum anderer Personen darstellt (lit. c). Untersuchungshaft darf nicht
angeordnet werden oder muss unverzüglich aufgehoben werden, wenn sie
unverhältnismässig wäre oder geworden ist, insbesondere wenn Ersatzmassnahmen
nach § 79 StPO/BL möglich und ausreichend sind oder sie die Dauer einer zu
erwartenden Freiheitsstrafe erreicht (§ 78 StPO/BL).

4.
Das Verfahrensgericht bejaht den dringenden Tatverdacht der Gehilfenschaft zur
qualifizierten Entführung (Art. 183 Ziff. 2 i.V.m. Art. 184 StGB).

4.1 Die Beschwerdeführerin macht zum einen geltend, dass schon der Tatbestand
der Kindesentführung nicht erfüllt sei, weil A.________ im Zeitpunkt ihrer
Abreise mit den Kindern am 29. Mai 1997 mindestens Mitinhaberin der elterlichen
Gewalt gewesen sei. Als solche habe sie keine Entführung i.S.v. Art. 183 Ziff.
2 StGB begehen können (BGE 126 IV 221 E. 1b S. 223).
Im Entscheid BGE 126 IV 221 E. 1b S. 223 legte das Bundesgericht dar, dass das
Verbringen eines Kindes unter sechzehn Jahren an einen anderen Aufenthaltsort
durch einen Elternteil, der die elterliche Sorge innehabe, nicht unter Art. 183
Ziff. 2 StGB falle, auch wenn die Ortsveränderung nicht dem Wohl des Kindes
entspreche, weil die elterliche Sorge auch das Recht umfasse, den
Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen. Anders sei die Rechtslage dagegen, wenn
die Obhut über das Kind - beispielsweise durch vorläufige Massnahmen im
Scheidungsverfahren - ausschliesslich einem Elternteil zugeteilt worden sei. In
diesem Fall erlösche das Recht des anderen Elternteils, den Aufenthaltsort des
Kindes zu bestimmen. Wenn der nicht obhutsberechtigte Elternteil den
Aufenthaltsort des Kindes einseitig verlege, könne er somit eine
Kindesentführung i.S.v. Art. 183 Ziff. 2 StGB begehen.
A.________ hat am 29. Mai 1997 mit den beiden Kindern die Schweiz verlassen,
vermutlich in Richtung Venezuela. Objektiv war bereits an diesem Tag die Obhut
über die Kinder dem Vater zugeteilt worden (vorsorgliche Verfügung vom 29. Mai
1997). Auch wenn A.________ die Verfügung vom 29. Mai 1997 noch nicht kannte,
liegt der Verdacht nahe, dass die Ausreise erfolgte, um einer Scheidungsklage
des Ehemanns und einer Zuteilung der Kinder an diesen zuvorzukommen. Dafür
sprechen das ferne Reiseziel (Venezuela) und die Geheimhaltung der Abreise,
sowie der zeitliche Zusammenhang mit der Verfügung vom 28. April 1997, mit der
erstmals dem Vater die Obhut über die Kinder zugeteilt worden war. Nahm
A.________ in Kauf, die Kinder auch gegen den Willen des - zwischenzeitlich
möglicherweise allein obhutsberechtigt gewordenen - Vaters ins Ausland zu
verbringen, so handelte sie eventualvorsätzlich.
Im Übrigen dürfte A.________ nachträglich, durch ihre Schwester oder ihren
Schwager, über die vorsorgliche Verfügung vom 29. Mai 1997 und das
Scheidungsurteil informiert worden sein. Spätestens Ende 2004/Anfang 2005, bei
Einleitung des Mediationsverfahrens, musste sie wissen, dass die elterliche
Sorge über die Kinder B.________ zugeteilt worden war. Dennoch hielt sie die
Kinder weiter versteckt, womit der rechtswidrige Zustand aufrecht erhalten
wurde (vgl. BGE 119 IV 216 E. 2f S. 221), und nahm weitere Aufenthaltswechsel
vor, die den Verdacht vorsätzlicher Entführungshandlungen begründen (vgl. Vera
Delnon/Bernhard Rüdy, in: Basler Kommentar zum StGB, Bd. 2, 2. Aufl., Art. 183
Rn. 29).
Insgesamt besteht daher gegen A.________ der dringende Tatverdacht einer
Entführung Minderjähriger. Aufgrund der Dauer der Trennung vom Vater ist vom
qualifizierten Tatbestand gemäss Art. 184 Abs. 4 StGB auszugehen.

4.2 Die Beschwerdeführerin bestreitet ferner den Tatverdacht der Gehilfenschaft
zur Kindesentführung. Es sei nicht ersichtlich, welche Unterstützungshandlungen
ihr vorgeworfen würden. In der mündlichen Verhandlung habe der Präsident der
Verfahrenskammer Gehilfenschaft wegen der auf sie ausgestellten Vollmacht
bejaht, und darauf abgestellt, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer
Reinigungsfirma A.________ ein Einkommen ermöglicht habe. Beides sei jedoch
strafrechtlich nicht relevant und habe mit dem vorgeworfenen Delikt der
Kindesentführung nichts zu tun.
In seiner Vernehmlassung legt das Verfahrensgericht dar, dass die
Beschwerdeführerin ihre Schwester A.________ physisch und psychisch unterstützt
habe. Der rege Kontakt zwischen beiden Schwestern vor deren Abreise und die
verfügten Vollmachten wiesen darauf hin, dass die Beschwerdeführerin mindestens
unterstützend bei der Planung der Entführung vom 29. Mai 1997 mitgewirkt habe.
Zudem habe die Beschwerdeführerin A.________ am 26. Mai 1997, kurz vor ihrer
Abreise, eine Unterschriftenkarte für ihre Konto bei der PostFinance ausstellen
lassen. Auch in der Folge habe die Beschwerdeführerin ihrer Schwester
materielle und affektiv-emotionale Hilfe geleistet (Verschaffung einer
Arbeitsstelle, Gastrecht, Unterstützung bei der Kinderbetreuung und
-unterrichtung, Besuche im Ausland) und habe damit wesentlich zur
Aufrechterhaltung des Dauerdelikts der Entführung beigetragen.
Es ist unstreitig, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann 1997 in engem
Kontakt zu A.________ standen. Inzwischen hat sich der Verdacht der
Ermittlungsbehörden, wonach A.________ bei der Ausreise nach Venezuela von
ihrem Schwager E.________ begleitet wurde, erhärtet (vgl. Einvernahme von
A.________ vom 21. Dezember 2009 S. 4). Die Beschwerdeführerin kümmerte sich
ihrerseits um die Angelegenheiten ihrer Schwester in der Schweiz und besuchte
diese auch einmal in Südamerika. Nach ihrer Rückkehr aus Südamerika
unterstützte die Beschwerdeführerin ihre Schwester A.________ in vielfältiger
Weise und übernahm teilweise auch die Betreuung der Kinder. Ohne die Hilfe
ihrer Schwester und ihres Schwagers hätte A.________ die Kinder vermutlich
nicht so lange versteckt und von ihrem Vater fernhalten können.
Insofern liegt auch ein dringender Tatverdacht gegen die Beschwerdeführerin als
mutmassliche Gehilfin vor.

5.
Das Verfahrensgericht bejahte den Haftgrund der Kollusionsgefahr.

5.1 Kollusion bedeutet insbesondere, dass sich der Angeschuldigte mit Zeugen,
Auskunftspersonen, Sachverständigen oder Mitangeschuldigten ins Einvernehmen
setzt oder sie zu wahrheitswidrigen Aussagen veranlasst, oder dass er Spuren
und Beweismittel beseitigt. Die strafprozessuale Haft wegen Kollusionsgefahr
soll verhindern, dass der Angeschuldigte die Freiheit dazu missbraucht, die
wahrheitsgetreue Abklärung des Sachverhalts zu vereiteln oder zu gefährden.
Gemäss § 77 Abs. 1 StPO/BL genügt indessen die theoretische Möglichkeit, dass
der Angeschuldigte in Freiheit kolludieren könnte, nicht, um die Fortsetzung
der Haft unter diesem Titel zu rechtfertigen; es müssen vielmehr konkrete
Indizien für die Annahme von Verdunkelungsgefahr sprechen. Dies entspricht auch
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Kollusionsgefahr (BGE 123 I 31 E. 3c
S. 35; 117 Ia 257 E. 4c S. 261).
Je weiter das Strafverfahren vorangeschritten ist und je präziser der
Sachverhalt bereits abgeklärt werden konnte, desto höhere Anforderungen sind an
den Nachweis von Verdunkelungsgefahr zu stellen (BGE 132 I 21 E. 3.2.2 S. 24
mit Hinweisen).

5.2 Das Verfahrensgericht begründet in der Beschwerdevernehmlassung die
Kollusionsgefahr im Hinblick auf die weiteren Einvernahmen von Opfern (Kinder),
Mittätern und Auskunftspersonen und die noch ausstehenden Ermittlungen. Da es
sich bei den Einzuvernehmenden überwiegend um Familienangehörige der
Beschwerdeführerin handle, bestehe die Möglichkeit und auch ein konkretes
Interesse der Beschwerdeführerin, auf deren Aussagen Einfluss zu nehmen. Zudem
bestehe Kollusionsgefahr im Hinblick auf die mittels Rechtshilfe in Frankreich
angeordnete Hausdurchsuchung im Haus der Beschwerdeführerin in Dessevet.
Insbesondere könne die Beschwerdeführerin mit Hilfe ihres Ehemanns, der sich
vermutlich in Dessevet aufhält, allfällige, für das Verfahren wichtige Beweise
vernichten.

5.3 Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe bereits in mehreren
Befragungen und handschriftlichen Aufzeichnungen detailliert Auskunft gegeben
und dabei eingeräumt, dass sie in den letzten Jahren oft mit ihrer Schwester
und deren Kinder Kontakt gehabt habe. Zudem sei die Geschichte der letzten 12
Jahre bereits durch die bei der Hausdurchsuchung in Niedergösgen
beschlagnahmten Datenträger, die Aussagen von A.________ und der Kinder in
allen Details bekannt. Insofern bestehe kein Spielraum mehr für
Kollusionshandlungen. So seien der Beschwerdeführerin in der letzten
Einvernahme vom 15. Januar 2010 keinerlei belastenden Aussagen mehr im
Zusammenhang mit der Kindesentführung vorgelegt worden, sondern es sei nur noch
um allfällige AHV-Vergehen gegangen.
Im Übrigen hätten sich die Beschuldigten bereits in den zurückliegenden Jahren
intensiv mit dem Strafverfahren beschäftigt und viel Zeit zusammen verbracht.
Falls sie sich also hätten absprechen wollen, so hätten sie dies längst schon
getan.

5.4 Das vorliegende Verfahren weist die Besonderheit auf, dass die
Angeschuldigten schon vor ihrer Verhaftung in engem Kontakt untereinander und
mit den Opfern (den Kindern) standen. Das Strafverfahren wurde bereits 1997
eingeleitet. Schon vor ihrer Verhaftung waren A.________, die
Beschwerdeführerin und E.________ polizeilich als Angeschuldigte einvernommen
worden, wobei A.________ freies Geleit zugesichert worden war (vgl.
Einvernahmen A.________s vom 28. Februar 2005, vom 17. März 2006 und vom 20.
September 2007; X.________ und E.________ wurden am 24. Juni 1997 als
Angeschuldigte befragt). Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Aussagen im
Strafverfahren schon vor der Verhaftung abgesprochen worden sind.
Zwar ist dem Verfahrensgericht einzuräumen, dass nicht alle Einzelheiten im
Voraus abgesprochen werden konnten. Nach ihrer Verhaftung wurden die
Beschwerdeführerin und ihre Schwester A.________ intensiver befragt und
erstmals mit Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden konfrontiert (z.B. Befunden
der Hausdurchsuchung oder von Telefonabhörungen), hinsichtlich derer noch keine
Absprachen getroffen worden waren. Zudem war erstmals eine Befragung der Kinder
als wichtigste Auskunftspersonen erfolgt.
Zwar lag die Videobefragung der Kinder zum Zeitpunkt der
Haftverlängerungsverfügung bereits vor; sie musste jedoch A.________ und der
Beschwerdeführerin noch vorgehalten werden. Der Verteidigung ist einzuräumen,
dass zu diesem Zeitpunkt keine Kollusionsgefahr mehr gegenüber den Kindern
bestand, die sich ohnehin in einer geschlossenen Anstalt befanden. Dagegen
bestand ein berechtigtes Interesse der Ermittlungsbehörden, die Aussagen der
Kinder A.________ einerseits und der Beschwerdeführerin andererseits
vorzuhalten, ohne dass diese beiden miteinander Kontakt aufnehmen und ihre
Reaktion auf die Videoeinvernahme absprechen konnten. Dieses Interesse
rechtfertigte allerdings nur eine Verlängerung der Haft um wenige Tage: Die
Videobefragung der Kinder wurde A.________ am 21. Dezember 2009 vorgehalten;
daraufhin machte diese erstmals ausführliche Angaben zu ihrer Ausreise und zu
ihren Aufenthaltsorten in Südamerika. Diese Aussagen wiederum wurden am 22.
Dezember 2009 auszugsweise der Beschwerdeführerin vorgehalten.
Im Hinblick auf die rechtshilfeweise vorzunehmende Hausdurchsuchung in
Frankreich erscheint die Kollusionsgefahr bei einer Freilassung der
Beschwerdeführerin gering: Sofern E.________ - der selbst zur Verhaftung
ausgeschrieben ist - sich im Haus in Dessevet befindet (wovon die
Ermittlungsbehörden ausgehen), hatte dieser bereits die Möglichkeit, allfällige
Beweismittel zu beseitigen.
Der äussere Ablauf des Geschehens (Ausreise, Aufenthaltsorte,
Unterstützungshandlungen von X.________ und E.________) ist zwischenzeitlich
weitgehend erstellt, weshalb die Verdunkelungsgefahr bei einer Freilassung der
Beschwerdeführerin gering erscheint. Nachdem zwischenzeitlich die
Haftbeschwerde von A.________ als Hauptverdächtige gutgeheissen und ihre
Entlassung aus der Untersuchungshaft angeordnet worden ist (Entscheid 1B_379/
2009 vom 19. Januar 2010), rechtfertigt es sich nicht, die Beschwerdeführerin,
die nur der Gehilfenschaft verdächtigt wird, länger in Haft zu belassen.

6.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen und die Beschwerdeführerin
aus der Haft zu entlassen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4
BGG). Der Kanton Basel-Landschaft muss jedoch die Beschwerdeführerin für die
Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens entschädigen. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass aufgrund der knappen Begründung des
Haftverlängerungsentscheids eine ausführliche Beschwerde und Replik verfasst
werden mussten.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird damit gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Haftverlängerungsverfügung des
Präsidiums des Verfahrensgerichts in Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft
vom 17. Dezember 2009 wird aufgehoben. Die Beschwerdeführerin ist unverzüglich
aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des erstinstanzlichen Haftverfahrens
an das Präsidium des Verfahrensgerichts in Strafsachen des Kantons
Basel-Landschaft zurückgewiesen.

4.
Der Kanton Basel-Landschaft hat die Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'500-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verfahrensgericht in Strafsachen des
Kantons Basel-Landschaft, Präsidium, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Januar 2010
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Féraud Gerber