Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.379/2009
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2009
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2009


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_379/2009

Urteil vom 19. Januar 2010
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Reeb, Raselli,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Parteien
X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Prof. Dr. Niklaus
Ruckstuhl,

gegen

Bezirksstatthalteramt Arlesheim, Kirchgasse 5,
4144 Arlesheim,
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, Bahnhofplatz 3A, 4410 Liestal,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Haftverlängerungsverfügung,

Beschwerde gegen die Haftverlängerungsverfügung
vom 17. Dezember 2009 des Verfahrensgerichts in Strafsachen des Kantons
Basel-Landschaft, Präsidium.
Sachverhalt:

A.
Am 31. Oktober 1996 hatte X.________ beim Bezirksgericht Arlesheim eine
Scheidungsklage gegen ihren damaligen Ehemann A.________ eingereicht. Mit
Verfügung vom 13. November 1996 wurden die beiden gemeinsamen Kinder,
B.________ und C.________ vorläufig unter die Obhut der Mutter gestellt. Mit
Verfügung vom 28. April 1997 änderte das Bezirksgericht Arlesheim die
Obhutsregelung und stellte die beiden Kinder mit Wirkung vom 1. Juni 1997 für
die Dauer des Verfahrens unter die Obhut des Vaters. Am 28. Mai 1997 zog
X.________ ihre Scheidungsklage zurück, worauf A.________ am 29. Mai 1997
seinerseits eine Scheidungsklage einreichte. Mit Beschluss vom 29. Mai 1997
stellte das Bezirksgericht Arlesheim die beiden Kinder für die Dauer des
Verfahrens unter die Obhut von A.________. Die Ehe wurde am 16. Dezember 1997
geschieden und die Kinder wurden unter die elterliche Gewalt von A.________
gestellt.
Seit dem 29. Mai 1997 hatte A.________ keine Nachricht mehr von X.________ und
den Kindern und wusste nicht, wo sich diese aufhielten. Die Ermittlungsbehörden
gehen davon aus, dass X.________ am 29. Mai 1997, mit Hilfe ihrer Schwester
D.________ und ihres Schwagers E.________, zusammen mit den Kindern nach
Venezuela ausgereist ist.
Am 1. Juni 1997 erstattete A.________ Anzeige gegen X.________ wegen Entziehens
von Unmündigen (Art. 220 StGB). Das Bezirksstatthalteramt Arlesheim leitete ein
Strafverfahren ein, das auf den Tatbestand der qualifizierten Entführung (Art.
183 Ziff. 2 i.V.m. Art. 184 StGB) ausgedehnt wurde. Ende 2004 wurde ein
Mediationsverfahren zwischen X.________ und A.________ eingeleitet, in dem die
gegenseitig erhobenen Strafanträge zurückgezogen wurden.
Mit Schlussbericht vom 8. Juni 2006 beantragte das Bezirksstatthalteramt die
Einstellung des Strafverfahrens gegen X.________ wegen qualifizierter
Entführung und Entziehung Unmündiger und den Erlass eines Strafbefehls wegen
Urkundenfälschung. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft schloss
sich dieser Auffassung nicht an, sondern wies mit Schreiben vom 1. Juli 2007
die Akten an das Bezirksstatthalteramt zur Vornahme weiterer Ermittlungen und
zur Ausschreibung X.________s zur Verhaftung zurück.

B.
Am 18. November 2009 wurden X.________ und ihre Schwester D.________ in
Niedergösgen angehalten und dem Kanton Basel-Landschaft zugeführt. Die Kinder
wurden in eine Institution im Kanton Bern verbracht, wo sie stationär
begutachtet werden.
Am 19. November 2009 ordnete das Präsidium des Verfahrensgerichts in
Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft Untersuchungshaft an, befristet bis
zum 17. Dezember 2009. Auch D.________ befindet sich seit dem 19. November 2009
in Untersuchungshaft.

C.
Am 9. Dezember 2009 stellte das Bezirksstatthalteramt Arlesheim Antrag auf
Haftverlängerung wegen Kollusions-, Flucht- und Fortsetzungsgefahr um 6 Monate.
Am 17. Dezember 2009 führte das Präsidium des Verfahrensgerichts in Strafsachen
eine mündliche Anhörung durch und verlängerte anschliessend die
Untersuchungshaft um 8 Wochen bis zum 11. Februar 2010. Es bejahte in seiner
einseitigen handschriftlichen Begründung den dringenden Tatverdacht der
mindestens eventualvorsätzlich begangenen Entführung von Minderjährigen sowie
den Haftgrund der Kollusionsgefahr. Dagegen sei im Moment keine Fortsetzungs-
und Fluchtgefahr gegeben, da sich die Kinder in einer geschlossenen Abteilung
befänden.

D.
Gegen die Haftverlängerungsverfügung hat X.________ am 22. Dezember 2009
Beschwerde ans Bundesgericht erhoben. Sie beantragt, die angefochtene Verfügung
sei aufzuheben und die Behörden des Kantons Basel-Landschaft seien anzuweisen,
sie unverzüglich aus der Haft zu entlassen. Überdies sei ihr die unentgeltliche
Rechtspflege zu gewähren und ein Replikrecht einzuräumen.

E.
Das Bezirksstatthalteramt Arlesheim beantragt Abweisung der Beschwerde. Es ist
der Auffassung, dass zusätzlich zum dringenden Tatverdacht der qualifizierten
Entführung (Art. 183 Ziff. 2 StGB i.V.m. Art. 184 Abs. 4 und 5 StGB),
dringender Tatverdacht auch in Bezug auf die Tatbestände der Verletzung der
Fürsorge- und Erziehungspflicht (Art. 219 Abs. 1 StGB), der Urkundenfälschung
(Art. 251 Ziff. 1 StGB) sowie des Vergehens gegen das Bundesgesetz über die
Alters- und Hinterlassenenversicherung (Art. 87 Abs. 2 AHVG; SR 831.10)
vorliege. Es hält daran fest, dass neben Kollusionsgefahr auch Flucht- und
Fortsetzungsgefahr bestehen.
Auch das Verfahrensgericht in Strafsachen Basel-Landschaft beantragt
Beschwerdeabweisung. Es legt in seiner siebenseitigen Vernehmlassung dar,
weshalb der dringende Tatverdacht der qualifizierten Entführung von
Minderjährigen und Kollusionsgefahr vorliegen.

F.
In ihrer Replik vom 11. Januar 2010 hält die Beschwerdeführerin an ihren
Anträgen fest und macht ergänzende Ausführungen zum Verfahrensstand.

G.
Mit Schreiben vom 12. Januar 2010 reichte die Beschwerdeführerin eine
Wohnsitzbescheinigung der Gemeinde Niedergösgen ein.

Erwägungen:

1.
Gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden gegen
Entscheide in Strafsachen; dazu gehört auch der vorliegende
Haftverlängerungsentscheid. Gegen diesen steht kein kantonales Rechtsmittel zur
Verfügung (Art. 80 i.V.m. Art. 130 Abs. 1 BGG). Da auch alle übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

2.
Gemäss Art. 112 Abs. 1 BGG müssen Entscheide, die der Beschwerde an das
Bundesgericht unterliegen, unter anderem die massgebenden Gründe tatsächlicher
und rechtlicher Art enthalten (lit. b). Das Bundesgericht kann nach Art. 112
Abs. 3 BGG einen Entscheid, der den Anforderungen von Absatz 1 nicht genügt, an
die kantonale Behörde zur Verbesserung zurückweisen oder aufheben.
Im vorliegenden Fall genügt der angefochtene Entscheid diesen Erfordernissen
offensichtlich nicht, enthält er doch weder den massgeblichen Sachverhalt noch
eine verständliche Begründung für die Annahme des dringenden Tatverdachts und
der Kollusionsgefahr. Grundsätzlich wäre der Entscheid daher gemäss Art. 112
Abs. 3 BGG aufzuheben und die Angelegenheit zur Verbesserung der Begründung an
die kantonale Behörde zurückzuweisen (Urteil 1B_61/2008 vom 3. April 2008 E.
2.2 mit Hinweisen).
Nachdem jedoch bereits ein Schriftenwechsel durchgeführt worden ist, in welchem
das Verfahrensgericht die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art
nachgeschoben hat, und die Beschwerdeführerin in ihrer Replik dazu Stellung
genommen hat, wobei sie einen Entscheid des Bundesgerichts in der Sache
verlangt, rechtfertigt es sich zur Wahrung des Beschleunigungsgebots von einer
Rückweisung abzusehen. Immerhin ist festzuhalten, dass das Bundesgericht
Entscheide der vorliegenden Art künftig aufheben wird.

3.
Die Untersuchungshaft schränkt die in Art. 10 Abs. 2 und Art. 31 BV sowie Art.
5 Ziff. 1 EMRK garantierte persönliche Freiheit der Beschwerdeführerin ein. Ein
Eingriff in dieses Grundrecht ist zulässig, wenn er auf einer gesetzlichen
Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist;
zudem darf er den Kerngehalt des Grundrechts nicht beeinträchtigen (Art. 36 BV;
BGE 128 I 184 E. 2.1 S. 186 mit Hinweisen).
Im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs prüft das Bundesgericht die Auslegung
und Anwendung des entsprechenden kantonalen Rechts frei. Soweit reine
Sachverhaltsfeststellungen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen
sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen
der kantonalen Instanz willkürlich sind (BGE 128 I 184 E. 2.1 S. 186 mit
Hinweisen).
Voraussetzung für die Anordnung und Fortdauer von Untersuchungshaft ist nach §
77 Abs. 1 der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Land vom 3. Juni 1999 (StPO
/BL), dass die verhaftete Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend
verdächtigt wird, deshalb gegen sie ein Strafverfahren eröffnet worden ist, und
aufgrund konkreter Indizien ernsthaft zu befürchten ist, sie werde die Freiheit
benützen zur Flucht (lit. a), zur Erschwerung oder Vereitelung der
Untersuchung, namentlich durch die Beeinflussung anderer Personen oder durch
Beseitigung von Beweismitteln (lit. b) oder zur Fortsetzung der deliktischen
Tätigkeit, sofern diese eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben, Freiheit oder
Eigentum anderer Personen darstellt (lit. c). Untersuchungshaft darf nicht
angeordnet werden oder muss unverzüglich aufgehoben werden, wenn sie
unverhältnismässig wäre oder geworden ist, insbesondere wenn Ersatzmassnahmen
nach § 79 StPO/BL möglich und ausreichend sind oder sie die Dauer einer zu
erwartenden Freiheitsstrafe erreicht (§ 78 StPO/BL).

4.
Das Verfahrensgericht bejaht (nur) den dringenden Tatverdacht der
qualifizierten Entführung (Art. 183 Ziff. 2 i.V.m. Art. 184 StGB). Nur dieser
Straftatbestand ist daher im Folgenden zu prüfen.

4.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass sie im Zeitpunkt der Abreise mit
den Kindern am 29. Mai 1997 wenn nicht Alleininhaberin, so doch mindestens
Mitinhaberin der elterlichen Gewalt gewesen sei. Als solche habe sie keine
Entführung i.S.v. Art. 183 Ziff. 2 StGB begehen können. Sie beruft sich hierfür
auf BGE 126 IV 221 E. 1b S. 223.

4.2 Das Verfahrensgericht macht dagegen geltend, mit vorsorglicher Verfügung
vom 29. Mai 1997 sei die Obhut über die beiden Kinder allein dem Vater
zugeteilt worden; diesem sei sodann mit Scheidungsurteil vom 16. Dezember 1997
die elterliche Gewalt zugesprochen worden. Auch wenn die Beschwerdeführerin im
Zeitpunkt der Abreise noch keine Kenntnis von der vorsorglichen Verfügung
gehabt habe, so habe sie doch mit einer solchen Verfügung gerechnet. Dafür
spreche der Umstand, dass sie kurz nach ihrer Abreise ihre Schwester und ihren
Schwager mit der Wahrung ihrer rechtlichen und finanziellen Angelegenheiten
bevollmächtigt habe (Schreiben vom 30. Mai 1997). Insofern sei Eventualvorsatz
zu bejahen. Zudem habe die Beschwerdeführerin auch nach 1997, als ihr das
Scheidungsurteil bekannt gewesen sein musste, den Aufenthaltsort der Kinder
mehrfach verschoben. Dies sei als vorsätzliche qualifizierte Entführung zu
qualifizieren.

4.3 Das Bezirksstatthalteramt geht davon aus, dass die Beschwerdeführerin am
29. Mai 1997 zusammen mit ihrem Schwager E.________ und den Kindern zunächst
nach Italien gereist sei und erst später, vermutlich am 2. Juni 1997, nach
Venezuela ausgereist sei. Es sei daher anzunehmen, dass sie zu diesem Zeitpunkt
bereits Kenntnis von der vorsorglichen Verfügung hatte, die von ihrer
Schwester, D.________, am 30. Mai 1997 auf der Post als eingeschriebene Sendung
abgeholt worden sei.

4.4 Im Entscheid BGE 126 IV 221 E. 1b S. 223 legte das Bundesgericht dar, dass
das Verbringen eines Kindes unter sechzehn Jahren an einen anderen
Aufenthaltsort durch einen Elternteil, der die elterliche Sorge innehabe, nicht
unter Art. 183 Ziff. 2 StGB falle, auch wenn die Ortsveränderung nicht dem Wohl
des Kindes entspreche, weil die elterliche Sorge auch das Recht umfasse, den
Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen. Anders sei die Rechtslage dagegen, wenn
die Obhut über das Kind - beispielsweise durch vorläufige Massnahmen im
Scheidungsverfahren - ausschliesslich einem Elternteil zugeteilt worden sei. In
diesem Fall erlösche das Recht des anderen Elternteils, den Aufenthaltsort des
Kindes zu bestimmen. Wenn der nicht obhutsberechtigte Elternteil den
Aufenthaltsort des Kindes einseitig verlege, könne er somit eine
Kindesentführung i.S.v. Art. 183 Ziff. 2 StGB begehen.
Die Beschwerdeführerin räumt in ihrer Replik ein, dass sie am 29. Mai 1997 mit
den beiden Kindern, in Begleitung ihres Schwagers, die Schweiz verlassen hat
und nach Venezuela ausgereist ist. Objektiv war bereits an diesem Tag die Obhut
über die Kinder dem Vater zugeteilt worden. Auch wenn die Beschwerdeführerin
die Verfügung vom 29. Mai 1997 noch nicht kannte, liegt der Verdacht nahe, dass
die Ausreise erfolgte, um einer Scheidungsklage des Ehemanns und einer
Zuteilung der Kinder an diesen zuvorzukommen. Dafür sprechen das ferne
Reiseziel (Venezuela) und die Geheimhaltung der Abreise, sowie der zeitliche
Zusammenhang mit der Verfügung vom 28. April 1997, mit der erstmals dem Vater
die Obhut über die Kinder zugeteilt worden war. Nahm die Beschwerdeführerin in
Kauf, die Kinder auch gegen den Willen des - zwischenzeitlich möglicherweise
allein obhutsberechtigt gewordenen - Vaters ins Ausland zu verbringen, so
handelte sie eventualvorsätzlich.
Im Übrigen dürfte die Beschwerdeführerin nachträglich, durch ihre Schwester
oder ihren Schwager, über die vorsorgliche Verfügung vom 29. Mai 1997 und das
Scheidungsurteil informiert worden sein. Spätestens Ende 2004/Anfang 2005, bei
Einleitung des Mediationsverfahrens, musste die Beschwerdeführerin wissen, dass
die elterliche Sorge über die Kinder A.________ zugeteilt worden war. Dennoch
hielt sie die Kinder weiter versteckt, womit der rechtswidrige Zustand aufrecht
erhalten wurde (vgl. BGE 119 IV 216 E. 2f S. 221), und nahm weitere
Aufenthaltswechsel vor, die den Verdacht vorsätzlicher Entführungshandlungen
begründen (vgl. Vera Delnon/Bernhard Rüdy, in: Basler Kommentar zum StGB, Bd.
2, 2. Aufl., Art. 183 Rn. 29).
Insgesamt erscheint daher der dringende Tatverdacht einer Entführung
Minderjähriger gegeben. Aufgrund der Dauer der Trennung vom Vater ist vom
qualifizierten Tatbestand gemäss Art. 184 Abs. 4 StGB auszugehen.

5.
Das Verfahrensgericht verneinte (zurzeit) das Vorliegen von Flucht- und
Fortsetzungsgefahr. Im Folgenden ist daher nur zu prüfen, ob Kollusionsgefahr
vorliegt.

5.1 Kollusion bedeutet insbesondere, dass sich der Angeschuldigte mit Zeugen,
Auskunftspersonen, Sachverständigen oder Mitangeschuldigten ins Einvernehmen
setzt oder sie zu wahrheitswidrigen Aussagen veranlasst, oder dass er Spuren
und Beweismittel beseitigt. Die strafprozessuale Haft wegen Kollusionsgefahr
soll verhindern, dass der Angeschuldigte die Freiheit dazu missbraucht, die
wahrheitsgetreue Abklärung des Sachverhalts zu vereiteln oder zu gefährden.
Gemäss § 77 Abs. 1 StPO/BL genügt indessen die theoretische Möglichkeit, dass
der Angeschuldigte in Freiheit kolludieren könnte, nicht, um die Fortsetzung
der Haft unter diesem Titel zu rechtfertigen; es müssen vielmehr konkrete
Indizien für die Annahme von Verdunkelungsgefahr sprechen. Dies entspricht auch
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Kollusionsgefahr (BGE 123 I 31 E. 3c
S. 35; 117 Ia 257 E. 4c S. 261).
Je weiter das Strafverfahren vorangeschritten ist und je präziser der
Sachverhalt bereits abgeklärt werden konnte, desto höhere Anforderungen sind an
den Nachweis von Verdunkelungsgefahr zu stellen (BGE 132 I 21 E. 3.2.2 S. 24
mit Hinweisen).

5.2 Das Verfahrensgericht begründet in der Beschwerdevernehmlassung die
Kollusionsgefahr im Hinblick auf die weiteren Einvernahmen von Opfern (Kinder),
Mittätern und Auskunftspersonen. Da es sich überwiegend um Familienangehörige
handle, bestehe die Möglichkeit und auch ein konkretes Interesse der
Beschwerdeführerin, auf deren Aussagen Einfluss zu nehmen. Die
Beschwerdeführerin habe ihre Kollusionsbereitschaft bewiesen, indem sie sich
schon über Jahre hinweg mit ihren mutmasslichen Mittätern, D.________ und
E.________, kollusiv abgesprochen habe. Zudem sei Kollusionsgefahr im Hinblick
auf die im Wege der Rechtshilfe in Frankreich angeordnete Hausdurchsuchung in
Dessevet möglich, wo die Beschwerdeführerin und die Kinder sich längere Zeit
aufgehalten hätten. Es bestehe die Gefahr, dass die Beschwerdeführerin mit
Hilfe von E.________, der sich vermutlich in Dessevet aufhalte, allfällige, für
das Verfahren wichtige Beweise vernichten könnte.

5.3 Der Anwalt der Beschwerdeführerin bringt in erster Linie vor, dass aufgrund
der langen Dauer des Verfahrens allfällige Kollusionshandlungen schon längst
erfolgt seien.
Inzwischen seien überdies die vorgesehenen Einvernahmen durchgeführt worden;
insbesondere seien die Kinder der Beschwerdeführerin bereits am Vormittag des
17. Dezember, noch vor der Haftverlängerung, einvernommen worden. Die letzte
Befragung der Beschwerdeführerin sei am 6. Januar 2010 erfolgt; weitere
Befragungen seien nicht vorgesehen. Die Beschwerdeführerin sei hinsichtlich des
relevanten Sachverhalts geständig.
Die angeblich rechtshilfeweise beantragte Hausdurchsuchung in Frankreich hätte
in den letzten zwei Monaten schon durchgeführt werden können und müssen. Die
Untätigkeit der Behörden dürfe nicht dazu führen, dass beschuldigte Personen
länger in Haft bleiben müssten. Im Übrigen halte sich E.________ vermutlich in
Devesset auf, nach dem ebenfalls gefahndet werde. Insofern müsse damit
gerechnet werden, dass dieser belastendes Material bereits im eigenen Interesse
vernichtet habe.

5.4 Das vorliegende Verfahren weist die Besonderheit auf, dass die
Angeschuldigten schon vor ihrer Verhaftung in engem Kontakt untereinander und
mit den Opfern (den Kindern) standen, und wussten, dass gegen sie ein
Strafverfahren wegen Kindesentführung geführt wurde. Schon vor ihrer Verhaftung
waren die Beschwerdeführerin polizeilich als Angeschuldigte einvernommen
worden, wobei ihr freies Geleit zugesichert worden war (vgl. Einvernahmen vom
28. Februar 2005; vom 17. März 2006 und vom 20. September 2007); D.________ und
E.________ wurden bereits am 24. Juni 1997 angehalten und als Angeschuldigte
befragt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Aussagen im Strafverfahren
schon vor der Verhaftung abgesprochen worden sind.
Allerdings ist dem Verfahrensgericht einzuräumen, dass nicht alle Einzelheiten
im Voraus abgesprochen werden konnten. Nach ihrer Verhaftung wurden die
Beschwerdeführerin und ihre Schwester D.________ intensiver befragt und
erstmals mit Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden konfrontiert (z.B. Befunden
der Hausdurchsuchung oder von Telefonabhörungen), hinsichtlich derer noch keine
Absprachen getroffen worden waren. Zudem war erstmals eine Befragung der Kinder
als wichtigste Auskunftspersonen erfolgt.
Zwar lag die Videobefragung der Kinder zum Zeitpunkt der
Haftverlängerungsverfügung bereits vor; sie musste jedoch der
Beschwerdeführerin und der Mitangeschuldigten D.________ noch vorgehalten
werden. Der Verteidigung ist einzuräumen, dass zu diesem Zeitpunkt keine
Kollusionsgefahr mehr gegenüber den Kindern bestand, die sich ohnehin in einer
geschlossenen Anstalt befanden. Dagegen bestand ein berechtigtes Interesse der
Ermittlungsbehörden, die Aussagen der Kinder der Beschwerdeführerin einerseits
und D.________ andererseits vorzuhalten, ohne dass diese beiden miteinander
Kontakt aufnehmen und ihre Reaktion auf die Videoeinvernahme absprechen
konnten. Dieses Interesse rechtfertigte allerdings nur eine Verlängerung der
Haft um wenige Tage: Die Videobefragung der Kinder wurde der Beschwerdeführerin
am 21. Dezember 2009 vorgehalten; daraufhin machte sie erstmals Angaben zu
ihren Aufenthaltsorten in Südamerika. Diese Aussagen wiederum wurden am 22.
Dezember 2009 auszugsweise D.________ vorgehalten. Die letzte Befragung der
Beschwerdeführerin - in der es im Wesentlichen nur noch um ihre Einkünfte im
Hinblick auf AHV-Vergehen ging - erfolgte am 6. Januar 2010.
Im Hinblick auf die rechtshilfeweise vorzunehmende Hausdurchsuchung in
Frankreich erscheint die Kollusionsgefahr bei einer Freilassung der
Beschwerdeführerin gering: Sofern E.________ sich im Haus in Dessevet befindet
(wovon die Ermittlungsbehörden anscheinend ausgehen), der selbst zur Verhaftung
ausgeschrieben ist, hatte dieser bereits die Möglichkeit, allfällige
Beweismittel zu beseitigen.
Der äussere Ablauf des Geschehens (Ausreise, Aufenthaltsorte) ist
zwischenzeitlich weitgehend erstellt und wird von der Beschwerdeführerin auch
nicht mehr bestritten. Insgesamt erscheint aufgrund der weit fortgeschrittenen
Ermittlungen der Behörden die Verdunkelungsgefahr bei einer Freilassung der
Beschwerdeführerin nicht so gross, als dass sie deren weitere Inhaftierung
rechtfertigen würde. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass
die andauernde Inhaftierung der Mutter eine schwere Belastung für die Kinder
(als Opfer der Straftat) bedeutet.

6.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen und die Beschwerdeführerin
aus der Haft zu entlassen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4
BGG). Der Kanton Basel-Landschaft muss jedoch die Beschwerdeführerin für die
Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens entschädigen. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass aufgrund der Mängel des Haftverlängerungsentscheids eine
ausführliche Beschwerde und Replik verfasst werden mussten.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird damit gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Haftverlängerungsverfügung des
Präsidiums des Verfahrensgerichts in Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft
vom 17. Dezember 2009 wird aufgehoben. Die Beschwerdeführerin ist unverzüglich
aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des erstinstanzlichen Haftverfahrens
an das Präsidium des Verfahrensgerichts in Strafsachen des Kantons
Basel-Landschaft zurückgewiesen.

4.
Der Kanton Basel-Landschaft hat die Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 4'000.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verfahrensgericht in Strafsachen des
Kantons Basel-Landschaft, Präsidium, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Januar 2010
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Féraud Gerber