Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.369/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_369/2009

Urteil vom 4. Januar 2010
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiberin Schoder.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft See/Oberland, Weiherallee 15, Postfach, 8610 Uster.

Gegenstand
Haftentlassung aus der Sicherheitshaft,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 10. Dezember 2009 des Bezirksgerichts
Meilen, Haftrichterin.
Sachverhalt:

A.
Gegen X.________ erhob die Staatsanwaltschaft See/Oberland am 12. Juni 2009
beim Bezirksgericht Meilen Anklage wegen mehrfachen (teilweise versuchten)
Diebstahls, mehrfacher Sachbeschädigung, mehrfachen Hausfriedensbruchs und
Hinderung einer Amtshandlung. Dem Angeklagten werden 12 Einbruchdiebstähle und
ein Ladendiebstahl vorgeworfen. Der mutmassliche Gesamtdeliktsbetrag beträgt
circa CHF 69'677.70, der mutmassliche Gesamtschaden circa CHF 45'179.15.
Am 30. November 2009 wurde von der Staatsanwaltschaft See/Oberland gegen
X.________ Zusatzanklage wegen Diebstahls etc. erhoben. X.________ wird
dringend verdächtigt, in der Nacht vom 27. auf den 28. September 2009 zum
Nachteil der Firma Golfpark Nuolen AG einen Einbruchdiebstahl im Restaurant
Golfpark in der Liegenschaft Rütihof in 8855 Wangen begangen zu haben, wobei
der Angeklagte in flagranti verhaftet werde konnte.
Mit Verfügung vom 10. Dezember 2009 wies die Haftrichterin des Bezirksgerichts
Meilen das Gesuch um Aufhebung der Sicherheitshaft wegen Wiederholungsgefahr
ab.
Die Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Meilen ist auf den 16. Februar 2010
angesetzt.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________ zur Hauptsache die Aufhebung
der Verfügung der Haftrichterin vom 10. Dezember 2009 und seine unverzügliche
Haftentlassung. Ferner ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege im Verfahren
vor Bundesgericht.

C.
Die Haftrichterin des Bezirksgerichts Meilen und die Staatsanwaltschaft See/
Oberland haben auf Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen:

1.
Die Sachurteilsvoraussetzungen (Art. 78 ff. BGG) sind grundsätzlich erfüllt,
soweit es um den Antrag auf Aufhebung der Haftverfügung und auf Haftentlassung
geht. Insoweit ist auf die Beschwerde einzutreten.
Nicht zu prüfen sind aber die diversen, den Streitgegenstand, d. h. die
Fortsetzung der Sicherheitshaft nicht direkt betreffenden Anträge des
Beschwerdeführers (Einstellung des Strafverfahrens, Dokumentation der
durchgeführten Überwachungsmassnahmen der letzten Jahre, Aushändigung
kriminaltechnischer Untersuchungen dem zuständigen Gericht, Beizug von Akten
betreffend einen Einbruch in Arosa im Jahr 2001, Offenlegung von Ergebnissen
der verdeckten, rund 10 Jahre dauernden Ermittlungen).
Ebenfalls nicht einzutreten ist auf die Beschwerde, als eine angebliche
Doppelfunktion der Staatsanwaltschaft beanstandet wird. In diesem Punkt ist die
Beschwerde nicht nachvollziehbar.

2.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der persönlichen Freiheit. Er
bestreitet sowohl den allgemeinen Haftgrund des Tatverdachts als auch den
besonderen Haftgrund der Wiederholungsgefahr.

3.
Gemäss § 58 Abs. 1 Ziff. 3 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich vom 4.
Mai 1919 (StPO/ZH) ist die Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft unter
anderem zulässig, wenn der Angeschuldigte eines Verbrechens oder Vergehens
dringend verdächtigt wird und aufgrund bestimmter Anhaltspunkte ernsthaft zu
befürchten ist, er werde, nachdem er bereits zahlreiche Verbrechen oder
erhebliche Vergehen verübt hat, erneut solche Straftaten begehen. Die
Untersuchungshaft ist durch mildere Massnahmen zu ersetzen, sofern sich der
Haftzweck auch auf diese Weise erreichen lässt (§ 58 Abs. 4 i.V.m. § 72 f. StPO
/ZH). Unter den gleichen Voraussetzungen ist die Anordnung und
Aufrechterhaltung der Sicherheitshaft zulässig (§ 67 Abs. 2 Satz 1 StPO/ZH).
Sind die Voraussetzungen von § 58 StPO/ZH erfüllt, steht der Anordnung und
Aufrechterhaltung strafprozessualer Haft (Untersuchungs- und Sicherheitshaft)
auch unter dem Blickwinkel der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2, Art. 31
Abs. 1 BV, Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK) nichts entgegen.

4.
4.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum allgemeinen Haftgrund des
dringenden Tatverdachts reicht es zur Anordnung strafprozessualer Haft aus,
wenn konkrete Verdachtsmomente vorhanden sind, wonach das inkriminierte
Verhalten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die fraglichen Tatbestandsmerkmale
erfüllen könnte. Bei dieser Prüfung kann es nicht Sache des Bundesgerichts
sein, dem Sachrichter vorgreifend eine erschöpfende Abwägung sämtlicher
belastender und entlastender Umstände vorzunehmen. Es genügt, wenn gewisse
Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beschwerdeführer eine Straftat begangen
hat und die kantonalen Behörden somit das Bestehen eines dringenden
Tatverdachts mit vertretbaren Gründen bejahen durften (BGE 116 Ia 143 E. 3c S.
146).
Ist gegen einen in Haft befindlichen Angeschuldigten Anklage erhoben worden, so
kann der Haftrichter in der Regel davon ausgehen, der dringende Tatverdacht sei
gegeben (Urteil des Bundesgerichts 1P.72/2002 vom 27. Februar 2002 E. 2.3).

4.2 Bezüglich des in der Zusatzanklage vom 30. November 2009 vorgeworfenen
Einbruchdiebstahls stützt sich die Haftrichterin zur Begründung des
Tatverdachts auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer das Gebäude, in dem
eingebrochen worden war, am 28. September 2009 morgens um 5 Uhr verliess und
von der alarmierten Polizei dort verhaftet werden konnte, sowie darauf, dass
der Beschwerdeführer keine glaubwürdige Erklärung dafür vorbringen konnte,
weshalb er sich zur gegebenen Zeit am Tatort befand. Bezüglich der weiteren in
der Anklageschrift vom 12. Juni 2009 vorgeworfenen Delikte begründet die
Haftrichterin den Tatverdacht mit vorgefundenen Spuren (DNA-Spuren,
Schuhabdruck), Zugeständnissen und wenig glaubwürdigen Erklärungsversuchen des
Beschwerdeführers. Dieser Standpunkt ist nachvollziehbar. Wie gesagt ist es
nicht Sache des Bundesgerichts, dem Strafrichter vorzugreifen und eine
Beweiswürdigung in der Sache vorzunehmen. Die diesbezüglichen Ausführungen des
Beschwerdeführers greifen ins Leere. Die Haftvoraussetzung des dringenden
Tatverdachts kann demnach ohne Verfassungsverletzung bejaht werden.

5.
5.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Verhältnismässigkeit der
Einschränkung der persönlichen Freiheit ist bei der Annahme, dass der
Angeschuldigte weitere Verbrechen oder Vergehen begehen könnte, Zurückhaltung
geboten. Die Aufrechterhaltung von strafprozessualer Haft wegen Fortsetzungs-
resp. Wiederholungsgefahr ist verhältnismässig, wenn einerseits die
Rückfallprognose sehr ungünstig und anderseits die zu befürchtenden Delikte von
schwerer Natur sind. Dagegen reichen die rein hypothetische Möglichkeit der
Verübung weiterer Delikte sowie die Wahrscheinlichkeit, dass nur relativ
geringfügige Straftaten verübt werden, nicht aus, um Präventivhaft zu begründen
(BGE 133 I 270 E. 2.2 S. 276).

5.2 Die Haftrichterin begründet den Haftgrund der Wiederholungsgefahr damit,
dass der Beschwerdeführer bereits mehrfach einschlägig vorbestraft sei
(Diebstahl, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch), ihm im vorliegenden Verfahren
erneut mehrfacher Diebstahl, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch (begangen
zwischen 2001 und 2007) sowie Einbruchdiebstahl am 27./28. September 2009
vorgeworfen würden, der Zeitraum des kriminellen Verhaltens sich über 20 Jahre
erstrecke, es sich bei den vorgeworfenen Straftaten nicht um Bagatelldelikte
handle und der Beschwerdeführer sich trotz des laufenden Strafverfahrens
(Anklageerhebung am 12. Juni 2009) nicht von der Begehung weiterer Straftaten
(Einbruchdiebstahl am 27./28. September 2009) habe abhalten lassen.
Gestützt auf diese Sachlage durfte die Haftrichterin ohne Weiteres von einer
negativen Rückfallprognose ausgehen. Bei den zu befürchtenden Straftaten
handelt es sich um Delikte schwerer Natur im Sinne der Rechtsprechung (vgl. die
Urteile 1B_344/2008 vom 20. Januar 2009 E. 2.12; 1B_340/2009 vom 14. Dezember
2009 E. 2.3). Die Voraussetzungen zur Bejahung von Wiederholungsgefahr sind
damit erfüllt. An diesem Ergebnis ändert nichts, dass der Beschwerdeführer
geltend macht, seine Familie leide unter der Trennung. Die privaten Interessen
des Beschwerdeführers an seiner Freilassung vermögen das öffentliche Interesse
an der Durchführung des Strafverfahrens nicht zu überwiegen.
Inwiefern der Beschwerdeführer mit einer milderen Massnahme von weiterem
Delinquieren abgehalten werden könnte, ist weder dargetan noch ersichtlich. Die
Fortsetzung der Sicherheitshaft ist damit verfassungskonform.

6.
Ebenso wenig ist ein Verstoss gegen eine andere Verfassungsgarantie
auszumachen. Dies gilt zum einen für die Rüge des verweigerten rechtlichen
Gehörs, zeigt doch der Beschwerdeführer nicht auf, dass ein entsprechendes
Gesuch überhaupt je gestellt worden wäre. Zum andern betrifft dies das
Beschleunigungsgebot und das Verbot der Überhaft. Der Beschwerdeführer hat mit
einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Angesichts dessen ist die seit
dem 28. September 2009 andauernde Haft verhältnismässig.

7.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist
demzufolge abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Dem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege kann wegen Aussichtslosigkeit der Vorbringen nicht
entsprochen werden (vgl. Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Umständehalber wird aber
auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft See/Oberland,
dem Bezirksgericht Meilen, Haftrichterin, sowie Rechtsanwältin Brigitta
Sonnenmoser als amtlicher Verteidigerin schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. Januar 2010
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Féraud Schoder