Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.33/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_33/2009

Urteil vom 4. März 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Steinmann.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat
Dr. Andreas Noll,

gegen

Haftrichterin des Strafgerichts Basel-Stadt, Schützenmattstrasse 20, 4003
Basel.

Gegenstand
Verlängerung der Untersuchungshaft,

Beschwerde gegen das Urteil vom 18. Dezember 2008
der Appellationsgerichtspräsidentin des
Kantons Basel-Stadt.
Sachverhalt:

A.
X.________ wurde am 21. August 2008 wegen des Verdachts, in grossem Ausmass mit
Kokain gehandelt zu haben, in Basel festgenommen und anschliessend wegen
Kollusionsgefahr in Untersuchungshaft gesetzt. Am 18. September 2008 wurde die
Haft wegen Kollusions- und Fluchtgefahr verlängert. Mit Verfügung vom 12.
November 2008 verlängerte die Haftrichterin Basel-Stadt die Haft bis zum 9.
Januar 2009.
In der Folge wies die Appellationsgerichtspräsidentin Basel-Stadt eine
Beschwerde von X.________ am 18. Dezember 2008 ab. Sie bejahte das Vorliegen
eines dringenden Tatverdachts sowie von Kollusions- und Fluchtgefahr und
erachtete die Aufrechterhaltung der Haft als verhältnismässig.

B.
Gegen diesen Haftentscheid hat X.________ beim Bundesgericht am 28. Januar 2009
Beschwerde in Strafsachen erhoben. Er beantragt die Aufhebung der
Haftentscheidungen vom 18. Dezember und 12. November 2008 und die sofortige
Haftentlassung, eventualiter die Rückweisung zwecks Entlassung aus der Haft
unter Anordnung sachgerechter Ersatzmassnahmen; ferner ersucht er um Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege. Er rügt Verletzungen der persönlichen
Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) sowie von zahlreichen weiteren Grundrechten und
macht eine unzureichende Sachverhaltsermittlung geltend.
Das Strafgericht und die Appellationsgerichtspräsidentin beantragen mit ihren
Vernehmlassungen die Abweisung der Beschwerde.
X.________ hat keine Replik eingereicht.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG ist zulässig. Der am 5.
Januar 2009 in Empfang genommene Entscheid der Appellationsgerichtspräsidentin
ist rechtzeitig angefochten. Der Beschwerdeführer ist nach wie vor in Haft und
daher zur Beschwerde legitimiert, obwohl die zugrunde liegende Haftanordnung am
9. Januar 2009 ausgelaufen ist.
Mit der Beschwerde kann Bundesrecht (insbes. Bundesverfassungsrecht) und
Völkerrecht als verletzt gerügt werden (Art. 95 BGG). In der
Beschwerdebegründung ist darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht
verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Verletzung von Grundrechten und von
kantonalem Recht prüft das Bundesgericht nur insofern, als solche Rügen
vorgebracht und begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Verletzung von
kantonalem Strafprozessrecht wird angesichts der Schwere von Untersuchungshaft
frei geprüft (BGE 132 I 21 E. 3.2.3 S. 24). Es wird im einzelnen
Sachzusammenhang zu prüfen sein, inwiefern die Beschwerdeschrift diesen
Anforderungen genügt.

2.
Gemäss § 69 der Basler Strafprozessordnung (StPO/BS) ist die Anordnung oder
Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft zulässig, wenn der Beschuldigte einer
mit Freiheitsstrafe bedrohten Tat dringend verdächtigt wird und überdies
Flucht-, Kollusions- oder Fortsetzungsgefahr besteht. Die Haftdauer darf das
voraussichtliche Strafmass nach § 72 Abs. 1 StPO/BS nicht übersteigen.
Im angefochtenen Entscheid werden sowohl der dringende Tatverdacht wie auch
Flucht- und Kollusionsgefahr bejaht. Der Beschwerdeführer bestreitet das
Vorliegen all dieser Haftgründe. Hierfür macht er geltend, der Sachverhalt sei
ungenügend und unter Verletzung von Verfahrensrechten erstellt worden. Zudem
erachtet er die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft aus grundsätzlichen
Gründen als verfassungswidrig.

3.
Nach der genannten StPO-Bestimmung kann Untersuchungshaft bei entsprechendem
dringenden Tatverdacht angeordnet und aufrechterhalten werden. Damit wird nicht
zum Ausdruck gebracht, der Betroffene habe sich tatsächlich einer Straftat
schuldig gemacht. Nach der Praxis und der Lehre ist daher Untersuchungshaft mit
der Unschuldsvermutung gemäss Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK
vereinbar. Dem Aspekt der Unschuldsvermutung wird Rechnung getragen durch den
Anspruch auf ein rasches Verfahren gemäss Art. 31 Abs. 3 BV und Art. 5 Ziff. 3
EMRK, worauf unten unter dem Gesichtswinkel der Verhältnissmässigkeit
einzugehen ist (vgl. zum Ganzen ESTHER TOPHINKE, Das Grundrecht der
Unschuldsvermutung, Bern 2000, S. 367 ff.). Demnach ist im Folgenden zu prüfen,
ob die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der
Haft gegeben sind.

4.
Primäre Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist das
Vorliegen eines dringenden Tatverdachts.

4.1 Im Gegensatz zum erkennenden Sachrichter hat das Bundesgericht bei der
Überprüfung des dringenden Tatverdachtes keine erschöpfende Abwägung sämtlicher
belastender und entlastender Beweisergebnisse vorzunehmen. Macht ein
Inhaftierter geltend, er befinde sich ohne ausreichenden Tatverdacht in
strafprozessualer Haft, ist vielmehr zu prüfen, ob aufgrund der bisherigen
Untersuchungsergebnisse genügend konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat und
eine Beteiligung des Beschwerdeführers daran vorliegen, die Justizbehörden
somit das Bestehen eines dringenden Tatverdachts mit vertretbaren Gründen
bejahen durften. Im Haftprüfungsverfahren genügt dabei der Nachweis von
konkreten Verdachtsmomenten, wonach das inkriminierte Verhalten mit erheblicher
Wahrscheinlichkeit die fraglichen Tatbestandsmerkmale erfüllen könnte (BGE 116
la 143 E. 3c S. 146). Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen lässt dabei nur
wenig Raum für ausgedehnte Beweismassnahmen. Zur Frage des dringenden
Tatverdachtes bzw. zur Schuldfrage hat der Haftrichter weder ein eigentliches
Beweisverfahren durchzuführen, noch dem erkennenden Strafrichter vorzugreifen
(BGE 124 l 208 E. 3 S. 210 mit Hinweisen).

4.2 Der Beschwerdeführer wirft den Strafbehörden rechtsfehlerhafte Erhebung des
rechtserheblichen Sachverhalts vor.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen oder auf Beschwerde hin berichtigen oder ergänzen, soweit sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht (Art. 105
Abs. 1 und 2 sowie Art. 97 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer macht in
verschiedener Hinsicht geltend, die Sachverhaltsermittlung beruhe in diesem
Sinne auf Verfahrensfehlern.
Er wirft der Appellationsgerichtspräsidentin vor, in ihrem Entscheid vom 18.
Dezember 2008 die Gerichtsberichterstattung in der Basler Zeitung vom 17.
Dezember 2008 zu einem Parallelverfahren nicht berücksichtigt und den Bericht
bzw. die Ergebnisse dieses Verfahrens nicht zu den Akten genommen zu haben. Er
erblickt darin eine rechtsfehlerhafte Sachverhaltsfeststellung und eine
Verletzung des rechtlichen Gehörs. Davon kann indes keine Rede sein. Das
Gericht verletzt weder den Untersuchungsgrundsatz noch das rechtliche Gehör,
wenn es nicht weiter belegte Gerichtsberichterstattungen unberücksichtigt
lässt. Wie in der Vernehmlassung zu Recht festgehalten, wäre vielmehr ein
Abstellen auf einen Zeitungsbericht zulasten des Beschwerdeführers geeignet,
dessen rechtliches Gehörs zu verletzen. Die Appellationsgerichtspräsidentin war
vielmehr gehalten, auf die in das Verfahren eingebrachten Vorbringen
abzustellen. Sie brauchte auch die Ausfertigung des entsprechenden Protokolls
der Gerichtsverhandlung nicht bis zu ihrem Entscheid abzuwarten.
Keine Verfahrensverletzung stellt ferner der Umstand dar, dass
Konfrontationseinvernahmen zwischen dem Beschwerdeführer und den Zeugen, die zu
dessen Ungunsten ausgesagt hatten, im Laufe des Untersuchungsverfahrens bisher
nicht stattgefunden haben. Wie dargelegt, erlaubt das Haftprüfungsverfahren
keine ausgedehnten Beweismassnahmen, wie sie der Sachrichter vorzunehmen hat.
Es genügt vielmehr der Nachweis von konkreten Verdachtsmomenten.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann auch nicht gesagt werden,
die Appellationsgerichtspräsidentin habe dadurch dessen rechtliches Gehör
verletzt, als sie auf die in der Beschwerde vorgetragenen Argumente
hinsichtlich der Geldflüsse auf dem Konto der Kantonalbank nicht eingegangen
sei. Der Beschwerdeführer hatte in seiner Beschwerde ans Appellationsgericht
nicht näher begründet, welches die Kontenbewegungen von rund 3'000 bis 4'000
Franken aus dem Handel mit Autoschrott seien. Demgegenüber wird im
angefochtenen Entscheid ausgeführt, der Beschwerdeführer habe einen Tag vor
seiner Verhaftung 13'000 Franken von der Bank bezogen und ein Hotelzimmer
reserviert, das er nicht selber benützte.
Bei dieser Sachlage kann nicht gesagt werden, dass die Feststellung des
Sachverhalts auf einem Rechtsfehler beruht.

4.3 Damit ist zu prüfen, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt offensichtlich
unrichtig festgestellt ist. Dies ist zu verneinen.
Im angefochtenen Urteil wird auf den Entscheid der Haftrichterin und namentlich
auf die folgenden Sachverhaltselemente abgestellt: Aussagen von A.________,
Telefongespräche zwischen A.________ und dem Beschwerdeführer, Aussagen von
B.________, Zuordnung einer Telefonnummer, Aussagen der Ehefrau des
Beschwerdeführers zu den ihr vorgehaltenen Aufzeichnungen von
Telefongesprächen, ein SMS-Schreiben, die Erwähnung des Namens C.________,
unter dem der Beschwerdeführer auch bekannt ist, sowie eine spezifische
Kontenbewegung. All diese Sachverhaltselemente ergeben sich aus den Akten. Der
Beschwerdeführer zieht sie letztlich nicht in Frage. Er legt nicht dar, dass
die Sachverhaltsfeststellung in dieser Hinsicht offensichtlich unzutreffend
sei. Dass er sie anders als die Strafverfolgungsbehörden bewertet und andere
Schlüsse daraus zieht, betrifft nicht die Sachverhaltsfeststellung, sondern die
Frage, ob aufgrund der Erhebungen ein dingender Tatverdacht abgeleitet werden
kann.

4.4 Die Appellationsgerichtspräsidentin hat diese Beweise im Einzelnen
gewürdigt und ist zum Schluss gekommen, dass am dringenden Tatverdacht nicht
gezweifelt werden könne, selbst dann, wenn das eine oder andere Beweisergebnis
wegen angeblich suggestiv geführter Einvernahmen und noch nicht durchgeführter
Konfrontation mit Zurückhaltung gewürdigt werde.
Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, lässt - soweit er in dieser
Hinsicht den Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG überhaupt genügt
- keinen Verfassungsverstoss erkennen. Er setzt sich mit den oben angeführten
Darlegungen im angefochtenen Entscheid nicht näher auseinander. Er beschränkt
sich auf die Behauptung, A.________ würde seine Aussagen nicht mehr bestätigen
oder sie explizit widerrufen und die Vorwürfe von B.________ würden sich als
haltlos erweisen. Damit aber werden die zutreffenden Erwägungen der
Appellationsgerichtspräsidentin nicht in Frage gestellt.
Demnach kann ein dringender Tatverdacht bejaht werden. Die Beschwerde erweist
sich in diesem Punkte als unbegründet.

5.
Der Beschwerdeführer bestreitet ferner das Vorliegen von Kollusionsund
Fluchtgefahr.
Die Kollusionsgefahr kann ohne Weiteres angenommen werden. Dem Beschwerdeführer
wird Drogenhandel in grossem Ausmass und in Verbindung mit einem grösseren Ring
von weiteren Personen vorgeworfen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der
Beschwerdeführer in Freiheit mit all diesen Personen zu kolludieren versuchen
könnte. Verdunkelungsgefahr ist auch gegenüber B.________ zu befürchten. Allein
der Umstand, dass D.________ in Haft ist und der Beschwerdeführer A.________
nicht kennen soll, vermag die Kollusionsgefahr nicht auszuschliessen.

Ferner kann der Appellationsgerichtspräsidentin kein Verfassungsverstoss
vorgehalten werden, wenn sie auch das Vorliegen von Fluchtgefahr bejahte. Es
kann davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle eines
Schuldspruchs eine massive Freiheitsstrafe zu erwarten hätte. Er stellt nicht
in Frage, dass er enge und intensive Kontakte mit Personen und Verwandten im
Ausland unterhält und zudem über Geschäftsbeziehungen in Nigeria verfügt. Der
wenig rentable Geschäftsbetrieb ist nicht geeignet, den Beschwerdeführer in der
Schweiz zurückzuhalten. Eine eigentliche Integration am Wohnort wird vom
Beschwerdeführer nicht behauptet. Wie es sich mit der Ehe mit E.________
verhält, braucht nicht näher abgeklärt zu werden. Auch unter
Mitberücksichtigung der ehelichen Verhältnisse darf gesamthaft Fluchtgefahr
angenommen werden. Damit erweist sich die Beschwerde auch in dieser Hinsicht
als unbegründet.

6.
Damit verbleibt, die Verhältnismässigkeit der Haft zu prüfen.
Die Angemessenheit der Haftdauer beurteilt sich nach Art. 31 Abs. 3 BV und Art.
5 Ziff. 3 EMRK sowie den dazu ergangenen Kriterien mit Blick auf die konkreten
Verhältnisse (BGE 133 1 270 E. 3.4.2 S. 281). Unter diesem Gesichtswinkel ist
zu beachten, dass dem Beschwerdeführer schwere Verstösse gegen das
Betäubungsmittelgesetz vorgehalten werden. In diesem Lichte kann die Dauer der
Haft von vier Monaten, berechnet ab der Verhaftung bis zum Zeitpunkt des
angefochtenen Entscheides, nicht als übermässig betrachtet werden. Zudem kann
den Strafverfolgungsbehörden nicht vorgehalten werden, die Untersuchung nicht
hinreichend beschleunigt zu führen.
In Anbetracht der konkreten Umstände fallen auch Ersatzmassnahmen nicht in
Betracht. Die Bejahung von Kollusionsgefahr schliesst Ersatzmassnahmen von
vornherein aus. Solche sind überdies nicht geeignet, den Beschwerdeführer an
einer Flucht zu hindern.
Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkte als unbegründet.

7.
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Der Beschwerdeführer ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und
Beiordnung eines Rechtsvertreters im Sinne von Art. 64 BGG. Die Mittellosigkeit
kann - trotz des Geschäftsbetriebes - angenommen werden. Hingegen erweist sich
die dem Bundesgericht eingereichte weitschweifige Beschwerde von vornherein als
aussichtslos. Demnach ist das Gesuch abzuweisen. Es rechtfertigt sich indes,
von einer Kostenerhebung abzusehen (Art. 62 Abs. 1 Satz 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Haftrichterin des Strafgerichts
sowie der Appellationsgerichtspräsidentin des Kantons Basel-Stadt schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 4. März 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Steinmann