Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.310/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_310/2009

Urteil vom 19. März 2010
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Eusebio,
Gerichtsschreiber Störi.

1. Verfahrensbeteiligte
X.________, vertreten durch
Rechtsanwalt Y.________,
2. Y.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft Basel-Stadt,
Abteilung Wirtschaftsdelikte, Binningerstrasse 21, Postfach, 4001 Basel.

Gegenstand
Strafverfahren,

Beschwerden gegen den Entscheid vom 14. Juli 2009 des Strafgerichts
Basel-Stadt, Rekurskammer.
Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt führt gegen X.________ ein Strafverfahren
wegen Versicherungsbetrugs. Mit Eingabe vom 8. Dezember 2008 teilte der Zürcher
Rechtsanwalt Y.________ der Staatsanwaltschaft mit, er habe die Verteidigung
von X.________ übernommen. Er ersuche um Zustellung der Akten und um eine
Verschiebung der auf Januar 2009 angesetzten Einvernahmetermine.
Die zuständige Staatsanwältin teilte Rechtsanwalt Y.________ am 10. Dezember
2008 mit, sie würde ihm die Akten eines hängigen Verfahrens nicht zustellen,
hingegen könne er diese jederzeit nach Absprache einsehen. Da geplant sei, die
Ermittlungen im Januar 2009 abzuschliessen und der Aktenumfang gering sei,
würden die bereits für den Januar 2009 geplanten Einvernahmen nicht verschoben.
Mit Eingabe vom 16. Dezember 2008 ersuchte Rechtsanwalt Y.________ die
Staatsanwaltschaft erneut, ihm die Akten zur Einsicht zuzustellen und die
Januar-Termine zu verschieben oder eine anfechtbare Verfügung zu erlassen.

B.
B.a Mit Verfügung vom 17. Dezember 2008 wies die Staatsanwaltschaft die Anträge
auf Verschiebung der Einvernahmetermine und um Zustellung der Akten ab.
Diesen Entscheid fochten X.________ und Rechtsanwalt Y.________ beim Ersten
Staatsanwalt an. Dieser wies die Einsprachen am 23. Dezember 2008 ab.
Mit Eingabe vom 5. Januar 2009 rekurrierten X.________ und Rechtsanwalt
Y.________ gegen diesen Einspracheentscheid an die Rekurskammer des
Strafgerichts.
B.b Am 6. Januar 2009 wurde X.________ im Beisein von Rechtsanwalt Y.________
einvernommen. Am Morgen des 7. Januars 2009 teilte Rechtsanwalt Y.________ dem
zuständigen Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft mit, er sei krank und könne
deshalb nicht an der auf den Nachmittag angesetzten Einvernahme seines
Mandanten teilnehmen. Diese wurde trotz der krankheitsbedingten Abwesenheit des
Verteidigers wie vorgesehen durchgeführt.
Mit Eingabe vom 20. Januar 2009 beantragte X.________, es seien sämtliche
Protokolle der Einvernahmen vom 6. und 7. Januar 2009 aus den Akten zu
entfernen.
Am 23. Januar 2009 wies die zuständige Staatsanwältin das Gesuch ab, die
umstrittenen Protokolle aus den Akten zu entfernen. X.________ erhob dagegen
Einsprache, welche vom Ersten Staatsanwalt am 5. Februar 2009 abgewiesen wurde.
X.________ rekurrierte gegen diesen Entscheid an die Rekurskammer des
Strafgerichts.
B.c Die Rekurskammer des Strafgerichts vereinigte beide Verfahren. In ihrem
Entscheid vom 14. Juli 2009 erwog sie, die Modalitäten der Akteneinsicht im
Vorverfahren stünden in der Kompetenz der Staatsanwaltschaft, weshalb auf das
Begehren von Rechtsanwalt Y.________ um Herausgabe der Akten ausserhalb der
Räumlichkeiten der Staatsanwaltschaft nicht einzutreten sei. Die Durchführung
der Einvernahme vom 6. Januar 2009 sei nicht zu beanstanden, hingegen hätte
diejenige vom 7. Januar 2009 wegen der Krankheit von Rechtsanwalt Y.________
verschoben werden müssen. Sie hiess dementsprechend den Rekurs von X.________
teilweise gut und wies die Staatsanwaltschaft an, die Einvernahme vom 7. Januar
2009 zu wiederholen.

C.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragen X.________ und Rechtsanwalt
Y.________, den Entscheid der Rekurskammer abzuändern und die
Staatsanwaltschaft anzuweisen, die Einvernahmeprotokolle vom 7. Januar 2009 aus
dem Recht zu weisen. Die Rekurskammer sei zu verpflichten, auf das Begehren
hinsichtlich Aktenherausgabe einzutreten und die Staatsanwaltschaft anzuweisen,
die Verfahrensakten Rechtsanwalt Y.________ zuzustellen sowie die
Einvernahmetermine vom 6. und vom 12. Januar 2009 zu wiederholen und die
Protokolle aus den Akten zu weisen. Die Kosten des angefochtenen Entscheids
seien auf die Staatskasse zu nehmen, und es sei ihnen eine Parteientschädigung
zuzusprechen. X.________ ersucht ausserdem um unentgeltliche Rechtspflege.

D.
Die Rekurskammer des Strafgerichts beantragt in ihrer Vernehmlassung, die
Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Staatsanwaltschaft
verzichtet auf Vernehmlassung.
X.________ und Y.________ halten in ihrer Replik an den Beschwerden fest.

Erwägungen:

1.
Mit dem angefochtenen Entscheid ist die Rekurskammer auf den Rekurs des
Beschwerdeführers 2 gegen die Weigerung der Staatsanwaltschaft, ihm die Akten
zuzustellen, nicht eingetreten (angefochtener Entscheid S. 6). Das
Urteilsdispositiv bezieht sich zwar ausdrücklich und ausschliesslich auf den
Rekurs des Beschwerdeführers 1. Dabei handelt es sich indessen offensichtlich
um ein Versehen, sowohl - wie sich aus ihrer Vernehmlassung ergibt - die
Rekurskammer als auch der Beschwerdeführer 2 gehen davon aus, dass im
angefochtenen Entscheid beide Rekurse beurteilt wurden. Somit ist auch in
diesem Verfahren davon auszugehen, dass die Rekurskammer im angefochtenen
Entscheid auf den Rekurs des Beschwerdeführers 2 nicht eingetreten ist.
Als Entscheid über die Zustellung von Akten in einem Strafverfahren handelt es
sich um einen Entscheid in Strafsachen im Sinn von Art. 78 Abs. 1 BGG, der der
Beschwerde in Strafsachen unterliegt. Der Beschwerdeführer 2 ist durch die
verweigerte Aktenzustellung in seinen rechtlich geschützten Interessen
betroffen und damit befugt, Beschwerde zu erheben (Art. 81 lit. b BGG).
Allerdings muss in der Beschwerdeschrift dargelegt werden, inwiefern der
angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Das ist vorliegend nicht
der Fall. Der Beschwerdeführer 2 legt einzig dar, dass und weshalb die
Weigerung der Staatsanwaltschaft, ihm die Akten zuzustellen, rechtswidrig sei.
Die Rekurskammer hat dies im angefochtenen Entscheid indessen gar nicht
beurteilt, sondern ist auf seinen Rekurs mangels Beschwer nicht eingetreten,
hat mithin keinen Sachentscheid gefällt. Dies kritisiert der Beschwerdeführer 2
nicht und legt mit keinem Wort dar, inwiefern die Rekurskammer mit ihrem
Nichteintretensentscheid Recht verletzt haben soll. Auf die Beschwerde des
Beschwerdeführers 2 ist nicht einzutreten.

2.
Mit dem angefochtenen Rekursentscheid hat es die Rekurskammer abgelehnt, die
Protokolle verschiedener Einvernahmen des Beschwerdeführers 1 aus dem Recht zu
weisen und sie zu wiederholen. Er schliesst das hängige Strafverfahren nicht
ab, ist mithin ein Zwischenentscheid im Sinn von Art. 93 Abs. 1 BGG. Als
solcher ist er nur anfechtbar, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden
Nachteil bewirken könnte (lit. a), oder wenn die Gutheissung der Beschwerde
sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an
Zeit und Kosten ersparen würde (lit. b). Beide Voraussetzungen sind
offensichtlich nicht gegeben: Die Gutheissung der Beschwerde würde nicht sofort
einen Endentscheid herbeiführen, und der Beschwerdeführer 1 kann seine Einwände
gegen die Verwertbarkeit der umstrittenen Einvernahmeprotokolle ebenso wie die
von ihm geltend gemachten Verletzungen seiner verfassungs- und
konventionsrechtlichen Verteidigungsrechte im Strafverfahren dem Strafrichter
vorbringen, der angefochtene Entscheid kann somit keinen Nachteil bewirken, der
nicht mit einem günstigen Urteil behoben werden könnte. Auf die Beschwerde des
Beschwerdeführers 1 ist nicht einzutreten.

3.
Auf beide Beschwerden ist somit nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang werden
die Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer
1 hat allerdings ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt, welches
indessen abzuweisen ist, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerden wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers 1 um unentgeltliche Rechtspflege wird
abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern sowie der Staatsanwaltschaft und dem
Strafgericht Basel-Stadt, Rekurskammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. März 2010
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Störi