Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.302/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_302/2009

Urteil vom 11. Mai 2010
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Raselli,
Gerichtsschreiber Forster.

1. Verfahrensbeteiligte
X.________,
2. Y.________,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Armin Stöckli,

gegen

Z.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Karl Mathis,

Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, I. Abteilung,
An der Aa 4, Postfach 1356, 6301 Zug.

Gegenstand
Strafverfahren; Hausdurchsuchung, Beschlagnahme, Siegelung,

Beschwerde gegen das Urteil vom 16. September 2009 des Obergerichtes des
Kantons Zug, Justizkommission, Strafrechtliche Kammer.
Sachverhalt:

A.
Am 31. März 2009 erhob Z.________ Privatstrafklage gegen X.________ und
Y.________. Diese werden verdächtigt, sie hätten sich in strafbarer Weise Weine
bzw. Spirituosen angeeignet, die ihnen vom Privatstrafkläger zur Aufbewahrung
überlassen worden seien. Am 21. April 2009 liess die Staatsanwaltschaft des
Kantons Zug eine Hausdurchsuchung in der Liegenschaft der Angeschuldigten
durchführen, bei der nach Eigentumsgegenständen des Privatstrafklägers gesucht
wurde. Im Anschluss daran wurde der Weinkeller der Angeschuldigten
beschlagnahmt und versiegelt. Die von ihnen gegen die Eröffnung der
Strafuntersuchung sowie die Hausdurchsuchung, Beschlagnahme und Siegelung
erhobenen Beschwerden wies das Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission,
Strafrechtliche Kammer, mit Urteil vom 16. September 2009 ab, soweit es darauf
eintrat.

B.
Gegen das Urteil des Obergerichtes gelangten X.________ und Y.________ mit
Beschwerde vom 19. Oktober 2009 an das Bundesgericht. Sie beantragen die
Aufhebung des angefochtenen Entscheides bzw. der Siegelung.
Mit Verfügung vom 30. November 2009 wies das Bundesgericht das Gesuch um
aufschiebende Wirkung der Beschwerde ab. Die Staatsanwaltschaft, das
Obergericht und der private Beschwerdegegner beantragen je die Abweisung der
Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Die Beschwerdeführer replizierten am
14. Januar 2010. Das Obergericht und der private Beschwerdegegner liessen sich
(je am 20. Januar 2010) dazu vernehmen.

Erwägungen:

1.
Die Eintretensvoraussetzungen von Art. 79 ff. BGG geben zu keinen Bemerkungen
Anlass.
Mit der Beschwerde gegen den angefochtenen strafprozessualen Zwischenentscheid
kann die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 und Art.
106 Abs. 2 BGG).

2.
Im angefochtenen Entscheid wird im Folgendes erwogen:

2.1 Der Privatkläger und private Beschwerdegegner mache geltend, er habe die
betroffene Liegenschaft gemäss Kaufvertrag vom 26. Januar 2007 an die
Beschwerdeführer verkauft. Es sei vereinbart worden, dass die in seinem
Eigentum befindlichen und noch im Keller der verkauften Liegenschaft gelagerten
ca. 500 Flaschen Wein sowie ca. 100 Flaschen Spirituosen so lange dort
deponiert bleiben sollten, bis der Beschwerdegegner seinen eigenen Weinkeller
in seinem neuen Haus fertiggestellt haben würde. Mit Brief vom 12. November
2008 habe er den Beschwerdeführern drei Termine vorgeschlagen, an denen er die
hinterlegte Ware habe abholen lassen wollen. Darauf habe er keine Antwort
erhalten. In einem weiteren Brief vom 13. Januar 2009 habe er sein Anliegen
wiederholt. In ihrem Schreiben vom 19. Januar 2009 hätten die Beschwerdeführer
die genannten Briefe ignoriert und stattdessen von angeblichen Schäden an der
verkauften Liegenschaft gesprochen, die zu beheben seien. In einem weiteren
Schreiben vom 26. Februar 2009 habe er, der Beschwerdegegner, die
Beschwerdeführer aufgefordert, ihm am 13. März (oder ersatzweise am 20. März)
2009 den Abtransport seines Eigentums zu ermöglichen. Mit Brief vom 11. März
2009 hätten sie erstmals behauptet, die Ware sei bereits am 12. Oktober 2007
von einem Mitarbeiter des Beschwerdegegners abgeholt worden. Diese Darstellung
treffe indessen (immer nach den Darlegungen des Beschwerdegegners) nicht zu.
Der fragliche Mitarbeiter habe am 12. Oktober 2007 lediglich zwei Kisten Wein
abgeholt und im Übrigen einen immer noch vollen Weinkeller hinterlassen (vgl.
angefochtener Entscheid, Sachv.-E. 1).

2.2 Das Obergericht erwägt weiter, Hausdurchsuchungen seien gegen den Willen
der Hausberechtigten nur zulässig, wenn wahrscheinlich ist, dass sich die
angeschuldigte Person oder deliktsrelevante Spuren bzw. Gegenstände dort
befinden. Die Beschwerdeführer hätten eingeräumt, dass eine entsprechende
Vereinbarung (betreffend Aufbewahrung von Alkoholika) mündlich abgeschlossen
worden sei. Zwar gebe es gewisse Widersprüche in den (mündlichen und
schriftlichen) Angaben des Beschwerdegegners. So treffe es zu, dass er in
seinen diversen Schreiben an die Beschwerdeführer (zwischen 12. November 2008
und 26. Februar 2009) von eingelagertem Wein bzw. von "Weinkeller" gesprochen
habe und erst in seiner Strafklage vom 31. März 2009 noch zusätzlich und
explizit von Spirituosen. Auch habe er in der Strafklage geltend gemacht, sein
Mitarbeiter habe am 12. Oktober 2007 "zwei Kisten Wein" abgeholt, bei der
polizeilichen Befragung vom 17. April 2009 hingegen, es habe sich dabei um
"zwei Holzkisten und drei Kartonkisten Rotwein" gehandelt. Dies lasse die
Sachdarstellung des Beschwerdegegners jedoch nicht zum Vornherein als
unglaubhaft erscheinen (vgl. angefochtener Entscheid, E. 4.3-4.4.2).

2.3 Anderseits sei zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführer auf das
genannte Schreiben des Beschwerdegegners vom 12. November 2008 nicht reagiert
hätten. Auf sein weiteres Schreiben vom 13. Januar 2009 betreffend Abholung
eingelagerter Waren seien sie nicht eingegangen. Stattdessen hätten sie
geantwortet, sie würden erst wieder mit dem Beschwerdegegner in Kontakt treten,
wenn angebliche Schäden an der Liegenschaft behoben wären. Erst auf dessen
Androhung einer richterlichen Räumung des Weinkellers (mit Schreiben vom 26.
Februar 2009) hin hätten sie erstmals behauptet, die bei ihnen eingelagerten
Alkoholika seien bereits am 12. Oktober 2007 von einem Mitarbeiter des
Beschwerdegegners abgeholt worden. Bei dieser Sachlage sei es denkbar, dass die
Beschwerdeführer (zum Ausgleich der von ihnen geltend gemachten Schäden) über
das ihnen anvertraute Eigentum des Beschwerdegegners verfügt haben könnten. Der
betreffende Anfangs-Tatverdacht eines möglichen Vermögensdeliktes sei zu
bejahen (angefochtener Entscheid, E. 4.4.3).

2.4 Das Gebot der Verhältnismässigkeit verlange, dass strafprozessuale
Zwangsmassnahmen nicht einschneidender ausfallen, als zu Verfahrenszwecken
nötig. Im vorliegenden Fall habe bei einer blossen Editionsverfügung an die
Beschwerdeführer die Gefahr bestanden, dass die Angeschuldigten die gesuchten
Vermögenswerte bzw. Beweismittel hätten beiseite schaffen können. Das
beschlagnahmte Wein- und Spirituosenlager sei erst versiegelt worden, nachdem
den Beschwerdeführern zuvor Gelegenheit gegeben worden sei, das von ihnen
beanspruchte und ihnen eindeutig zurechenbare Eigentum an sich zu nehmen. Die
Staatsanwaltschaft habe ca. 300 Flaschen Wein und 40 Flaschen Spirituosen
sichergestellt. Da der versiegelte Weinkeller klimatisiert sei, bestehe kein
Risiko von Schäden infolge unsachgemässer Lagerung. Die Beschlagnahme des
Weinkellers lasse sich allerdings nur aufrechterhalten, falls sich der
Tatverdacht im Verlauf der weiteren Ermittlungen "substantiell erhärtet" (vgl.
angefochtener Entscheid, E. 4.5.1-4.6).

3.
In der Beschwerdeschrift wird im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

3.1 Die Beschwerdeführer hätten sich bereit erklärt, die Alkoholika des
Beschwerdegegners für eine beschränkte Zeit in ihrem klimatisierten Weinkeller
zu verwahren. Da die Parteien sich gut gekannt hätten, sei kein Inventar der
dem Beschwerdegegner gehörenden Waren aufgenommen geworden. Seine Strafklage
habe er nur erhoben, weil sie, die Beschwerdeführer, ihn ab Sommer 2007 auf
Mängel der von ihm verkauften Liegenschaft aufmerksam gemacht hätten. Seine
Alkoholika habe er bereits im August 2007 bzw. am 12. Oktober 2007 durch einen
Angestellten (restlos) abtransportieren lassen. Dem Schreiben des
Beschwerdegegners vom 12. November 2008, in dem er einen Termin für die
Abholung seiner Weine und Spirituosen habe vereinbaren wollen, hätten sie keine
Bedeutung beigemessen, zumal er seinerseits auf ihre Reklamationen wegen
Bauschäden nicht angemessen reagiert habe.

3.2 Eine Hausdurchsuchung sei nur gerechtfertigt, wenn wahrscheinlich ist, dass
sich in den durchsuchten Räumlichkeiten deliktsrelevante Spuren und Gegenstände
befinden. Dies treffe nicht zu. Die Behauptungen des Beschwerdegegners, wonach
die Beschwerdeführer ihm seine Vermögenswerte vorenthalten bzw. entwendet
hätten, seien unbelegt. Eine Aussortierung bzw. Identifikation der im
Weinkeller befindlichen Flaschen sei nicht möglich gewesen. Entgegen dem
Wortlaut der Hausdurchsuchungsbefehle sei ihnen, den Beschwerdeführern, nur
erlaubt worden, ca. 15 Flaschen Wein zum Eigengebrauch aus dem Lager
mitzunehmen. Die Strafverfolgungsbehörden hätten es ihnen hingegen nicht
ermöglicht, ihr gesamtes Eigentum aus dem Weinkeller zu entfernen. Die
Hausdurchsuchungsbefehle seien ausserdem zu wenig substanziiert. Im
vorliegenden Beschwerdeverfahren stelle sich die Frage, wer der Eigentümer der
eingelagerten Alkoholika sei (bzw. gewesen sei). Flaschen mit Wein und
Spirituosen seien aber "nicht individuell bestimmbar". Das Eigentum daran lasse
sich daher zum Vornherein nicht abklären. Zivilrechtlich gelte grundsätzlich
die Vermutung, dass der Besitzer auch der Eigentümer sei. Gewisse Aussagen des
Beschwerdegegners seien unglaubwürdig. Die streitigen Zwangsmassnahmen
verletzten das Hausrecht der Beschwerdeführer bzw. das
Verhältnismässigkeitsverbot (Art. 8 Ziff. 1 EMRK; § 9 KV/ZG).

4.
Strafprozessuale Zwangsmassnahmen erfordern einen hinreichenden, objektiv
begründeten konkreten Tatverdacht (BGE 124 IV 313 E. 4 S. 316). Einschränkungen
der Freiheitsrechte, etwa der Privatsphäre (Art. 13 Abs. 1 BV, Art. 8 Ziff. 1
EMRK), müssen ausserdem auf gesetzlicher Grundlage beruhen und verhältnismässig
sein (Art. 36 Abs. 1 und 3 BV, Art. 8 Ziff. 2 EMRK). Gemäss der
Kantonsverfassung des Kantons Zug ist das Hausrecht "unverletzlich" (§ 9 Abs. 1
KV/ZG). Zur Hausdurchsuchung bedarf es entweder der Einwilligung des
Wohnungsinhabers oder der Ermächtigung durch einen zuständigen Beamten, welch
letzterer den Zweck und die Ausdehnung dieser Massregel genau bezeichnen soll
(§ 9 Abs. 2 KV/ZG). Ausnahmen von dieser Regel sind nur gestattet, wenn Gefahr
im Verzuge ist (§ 9 Abs. 3 KV/ZG).

4.1 Wie sich aus den Akten und den Feststellungen der Vorinstanz ergibt, hatten
die Beschwerdeführer sich aus Gefälligkeit mündlich bereit erklärt, dass der
private Beschwerdegegner seine Alkoholika noch eine gewisse Zeit lang in ihrem
Weinkeller lagern durfte. Unbestrittenermassen wurde diesbezüglich weder ein
schriftlicher Vertrag abgeschlossen, noch ein Wareninventar erstellt.
Unbestritten ist auch, dass der Beschwerdegegner (jedenfalls im Oktober 2007)
zumindest einen Teil seiner Alkoholika abtransportieren liess. Auch über diesen
Abtransport liess er nicht Buch führen. Er machte dazu nur vage (teilweise
widersprüchliche) Angaben. In dieser Situation lag das Risiko, dass es zu
Verwechslungen oder Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der Lagerbestände kommen
könnte, primär beim Beschwerdegegner. Dies umso mehr, als grundsätzlich von der
Vermutung auszugehen ist, dass der Besitzer von beweglichen Sachen auch deren
Eigentümer sei (vgl. Art. 930 Abs. 1 ZGB). Nach den Feststellungen der
Vorinstanz steht die Strafklage im Übrigen vor dem Hintergrund zivilrechtlicher
Auseinandersetzungen betreffend Sachgewährleistung an der verkauften
Liegenschaft. Die zeitliche Konnexität zwischen der Strafklage und den
gegenseitigen Vorwürfen ist jedenfalls unübersehbar.

4.2 Der konkrete Tatverdacht eines Vermögensdeliktes wird im angefochtenen
Entscheid nur vage begründet. Wie dargelegt, hat es zunächst der
Beschwerdegegner zu verantworten, dass Unklarheiten über die
Eigentumsverhältnisse an den gelagerten Alkoholika bestehen. Weder im
kantonalen Verfahren noch vor Bundesgericht hat er Lieferscheine, Quittungen
oder andere Unterlagen eingereicht, die ihn liquide als Eigentümer ausweisen
würden. Beweiserhebungen der Staatsanwaltschaft, etwa Zeugenbefragungen, welche
die Eigentümerschaft klären könnten, liegen nicht bei den Akten. Die
Hausdurchsuchung und Beschlagnahme stützte sich auf die nur kursorisch
substanziierte Sachdarstellung des Beschwerdegegners. Der Weinkeller und
Hobbyraum der Beschwerdeführer ist seit mehr als einem Jahr versiegelt und
nicht benutzbar. Beschlagnahmt wurden laut angefochtenem Entscheid ca. 300
Flaschen Wein und 40 Flaschen Spirituosen. Über diese Alkoholika konnte ein
Beschlagnahmeverzeichnis erstellt werden. Es ist nicht ersichtlich und wird
auch von den kantonalen Behörden nicht dargelegt, inwiefern der Weinkeller und
Hobbyraum der Beschwerdeführer zu Untersuchungszwecken weiterhin versiegelt
bleiben müsste.

4.3 Bei Würdigung sämtlicher Umstände liegt kein ausreichend konkreter
Tatverdacht vor, der die Weiterdauer der streitigen Zwangsmassnahmen als
verhältnismässig erscheinen liesse.

5.
Die Beschwerde ist gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben.
Dem Verfahrensausgang entsprechend, sind die Gerichtskosten dem privaten
Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat den anwaltlich
vertretenen Beschwerdeführern ausserdem eine angemessene Parteientschädigung zu
entrichten (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, und das Urteil vom 16. September 2009 des
Obergerichtes des Kantons Zug, Justizkommission, Strafrechtliche Kammer, wird
aufgehoben.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem privaten Beschwerdegegner
auferlegt.

3.
Der private Beschwerdegegner hat den Beschwerdeführern eine Parteientschädigung
von Fr. 2'000.-- zu entrichten.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien sowie der Staatsanwaltschaft und dem
Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission, Strafrechtliche Kammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Mai 2010
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Forster