Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.286/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_286/2009

Urteil vom 14. Januar 2010
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Dold.

Parteien
Verein X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Bezirksamt Zofingen, Untere Grabenstrasse 30, Postfach 1475, 4800 Zofingen.

Gegenstand
Strafverfahren,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 4. September 2009 des Obergerichts des
Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen.
Sachverhalt:

A.
Am 9. Juni 2009 erstattete der Verein X.________ gegen Y.________ Strafanzeige
wegen Tierquälerei im Sinne von Art. 26 Abs. 1 lit. a des Tierschutzgesetzes
vom 16. Dezember 2005 (TSchG; SR 455). Mit Schreiben vom 27. Juni 2009 an das
Bezirksamt Zofingen beantragte der Verein X.________, sein Präsident,
Z.________, sei rechtshilfeweise als Zeuge einzuvernehmen. Das Bezirksamt
Zofingen lehnte dieses Begehren ab. Daraufhin ersuchte der Verein X.________
mit Eingabe vom 11. Juli 2009 das Obergericht des Kantons Aargau, als
Aufsichtsbehörde das Bezirksamt Zofingen anzuweisen, den Präsidenten des
Vereins X.________ rechtshilfeweise einvernehmen zu lassen.
Mit einem Antwortschreiben vom 13. Juli 2009 teilte das Obergericht dem
Beschwerdeführer mit, nicht es sei Aufsichtsbehörde über das Bezirksamt als
Strafverfolgungsbehörde, sondern das Departement Volkswirtschaft und Inneres,
Abteilung Strafrecht, weshalb die Unterlagen zur Entlastung zurückgeschickt
würden. Mit Schreiben vom 16. Juli 2009 an den Präsidenten der Beschwerdekammer
in Strafsachen des Obergerichts erklärte der Verein X.________ indessen, seine
Eingabe vom 11. Juli 2009 sei irrtümlich retourniert worden. Es gehe nicht um
einen administrativen, sondern um einen juristisch-prozessualen Aufsichtsfall
betreffend die Beweiserhebung in einer konkreten Strafuntersuchung. Dafür sei
das Obergericht zuständig.
Mit Entscheid vom 4. September 2009 erwog das Obergericht, die Eingabe vom 11.
Juli 2009 sei als Beschwerde gemäss § 213 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons
Aargau vom 11. November 1958 über die Strafrechtspflege (StPO/AG; SAR 251.100)
entgegen zu nehmen. Gemäss § 206 Abs. 1 StPO/AG sei indessen die Person, welche
Strafanzeige erstattet habe und nicht privatrechtliche Ansprüche aus der
strafbaren Handlung geltend mache, nicht zur Beschwerde legitimiert, weshalb
auf das Rechtsmittel nicht einzutreten sei. Ergänzend wies es darauf hin, dass
gestützt auf § 141 Abs. 1 StPO/AG der private Anzeiger im Falle der Einstellung
des Verfahrens Beschwerde führen und eine ungenügende Beweiserhebung geltend
machen könne. Im Übrigen stehe ihm kein Rechtsmittel zur Verfügung.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht vom 5. Oktober 2009
beantragt der Verein X.________, der Entscheid des Obergerichts vom 4.
September 2009 sei aufzuheben.
Das Obergericht des Kantons Aargau verzichtete auf eine Stellungnahme. Das
Bezirksamt Zofingen liess sich nicht vernehmen.

Erwägungen:

1.
1.1 Gegenstand der Beschwerde bildet ein Rechtsmittelentscheid über eine
prozessleitende Zwischenverfügung (betreffend die Ablehnung einer
Zeugeneinvernahme) im Rahmen eines hängigen Strafverfahrens. Die Verfügung
betrifft den Beschwerdeführer, der in diesem Strafverfahren jedoch nicht die
Stellung einer Partei besitzt. Daraus folgt, dass der angefochtene Entscheid
für ihn die Bedeutung eines Endentscheids hat (Art. 90 BGG; Urteil 1B_205/2009
vom 30. September 2009 E. 1.1 mit Hinweis). Der Beschwerdeführer hat vor der
Vorinstanz am Verfahren teilgenommen. Er macht geltend, das Obergericht habe
seine Aufsichtsanzeige zu Unrecht als Beschwerde im Sinne der §§ 213 ff. StPO/
AG entgegengenommen und einen Nichteintretensentscheid mit ihn belastenden
Kostenfolgen getroffen. In dieser Hinsicht greift der angefochtene Entscheid in
seine rechtlich geschützten Interessen ein, weshalb er zur Beschwerde befugt
ist (Art. 81 Abs. 1 BGG; BGE 129 II 297 E. 2.2 S. 300; Urteil 2C_700/2008 vom
18. Juni 2009 E. 1.5; je mit Hinweisen; NIKLAUS SCHMID, Die
Strafrechtsbeschwerde nach dem Bundesgesetz über das Bundesgericht - eine erste
Auslegeordnung, ZStrR 124/2006 S. 187). Auf die Beschwerde ist unter Vorbehalt
der nachfolgenden Erwägungen einzutreten.

1.2 Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Dies setzt voraus,
dass sich der Beschwerdeführer wenigstens kurz mit den Erwägungen des
angefochtenen Entscheids auseinandersetzt. Zwar wendet das Bundesgericht das
Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Das setzt aber
voraus, dass auf die Beschwerde überhaupt eingetreten werden kann, diese also
wenigstens die Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG erfüllt.
Strengere Anforderungen gelten, wenn die Verletzung von Grundrechten
(einschliesslich der willkürlichen Anwendung von kantonalem Recht und Willkür
bei der Sachverhaltsfeststellung) geltend gemacht wird. Dies prüft das
Bundesgericht nicht von Amtes wegen, sondern nur insoweit, als eine solche Rüge
in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).
Die Beschwerdeschrift muss die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste
Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche
Rechtssätze inwiefern durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt
worden sind. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und,
soweit möglich, belegte Rügen. Wird eine Verletzung des Willkürverbots geltend
gemacht, muss anhand der angefochtenen Subsumtion im Einzelnen dargelegt
werden, inwiefern der Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen
Mangel leidet (BGE 135 III 127 E. 1.6 S. 130; 134 II 244 E. 2.1 und 2.2 S. 245
f.; je mit Hinweisen).
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 10 EMRK und Art. 33 BV, ohne
darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid gegen diese Bestimmungen
verstösst. Darauf ist nicht einzutreten.

2.
2.1 Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, die Vorinstanz habe seine
Aufsichtsanzeige in willkürlicher Weise (Art. 9 BV) als Beschwerde nach §§ 213
ff. StPO/AG interpretiert und ihn mit einem kostenpflichtigen Entscheid
abgestraft. Er habe jedoch mit seiner Wortwahl deutlich zum Ausdruck gebracht,
dass es sich nicht um ein Rechtsmittel handle.

2.2 Nach der ständigen Praxis des Bundesgerichts liegt Willkür in der
Rechtsanwendung dann vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich
unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht,
eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in
stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht
hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern
auch das Ergebnis unhaltbar ist; dass eine andere Lösung ebenfalls als
vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 134 II 124 E. 4.1
S. 133 mit Hinweisen).
Mit Schreiben vom 11. Juli 2009 ersuchte der Beschwerdeführer das Obergericht
"als Aufsichtsbehörde für die Bezirksämter", das Bezirksamt Zofingen
anzuweisen, den Präsidenten des Vereins X.________ rechtshilfeweise
einvernehmen zu lassen. Mit Schreiben vom 13. Juli 2009 teilte das Obergericht
dem Beschwerdeführer mit, nicht es sei Aufsichtsbehörde über das Bezirksamt als
Strafverfolgungsbehörde, sondern das Departement Volkswirtschaft und Inneres,
Abteilung Strafrecht. Damit hatte es dem Beschwerdeführer ohne Kostenfolgen
mitgeteilt, dass es nicht Aufsichtsbehörde und zur Behandlung einer
Aufsichtsanzeige nicht zuständig sei. Indessen beharrte der Beschwerdeführer
mit Schreiben vom 16. Juli 2009 auf der Zuständigkeit des Obergerichts, da es
sich "nicht um einen administrativen, sondern um einen juristisch-prozessualen
Aufsichtsfall" handle. Das Obergericht handelte keineswegs willkürlich, wenn es
hierauf die Eingabe des Beschwerdeführers im Rahmen seiner gesetzlichen
Zuständigkeit (§ 10 i.V.m. § 213 StPO/AG) als Beschwerde entgegennahm und
erledigte. Die Rüge der Verletzung des Willkürverbots ist unbegründet.

3.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf
eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der
Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat keinen
Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bezirksamt Zofingen und dem
Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 14. Januar 2010
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Dold