Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.265/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 1/2}
1B_265/2009

Urteil vom 25. Januar 2010
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb, Raselli, Fonjallaz,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Verfahrensbeteiligte
Bundesanwaltschaft, Taubenstrasse 16, 3003 Bern,
Beschwerdeführerin,

gegen

1. Marco Walter Tinner, vertreten durch Rechtsanwalt
Peter Volkart,
2. Urs Tinner, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Roman Bögli,
3. Friedrich Tinner, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Jakob Rhyner,
4. Max Schmid,
Beschwerdegegner,
Eidgenössisches Untersuchungsrichteramt, Taubenstrasse 16, 3003 Bern,
Schweizerischer Bundesrat, Bundeskanzlei,
3003 Bern.

Gegenstand
Entsiegelung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 24. August 2009 des Bundesstrafgerichts, I.
Beschwerdekammer.
Sachverhalt:

A.
Die Bundesanwaltschaft eröffnete am 13. Oktober 2004 ein gerichtspolizeiliches
Ermittlungsverfahren gegen Urs und Marco Tinner wegen des Verdachts der
Widerhandlungen gegen die eidgenössische Güterkontroll- und
Kriegsmaterialgesetzgebung (Lieferung von proliferationsrelevantem Material
bzw. von Gasultrazentrifugen-Technologie für das libysche
Nuklearwaffenprogramm). Am 18. August 2005 dehnte sie das Verfahren auf den
Vater Friedrich Tinner und den Vorwurf der Geldwäscherei aus.
Die Bundesanwaltschaft beschlagnahmte bei der Familie Tinner eine grosse Menge
elektronischer Daten. Darunter befanden sich auch Pläne für den Bau von
Kernwaffen. Am 27. Oktober 2006 wurde eine erneute Hausdurchsuchung
durchgeführt, um sämtliches proliferationsrelevante Material, insbesondere
Baupläne für Kernwaffen, sicherzustellen.
Im Oktober 2006 ersuchte die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) über
die Schweizer Mission in Wien die Bundesanwaltschaft um Einsicht in
proliferationsrelevante Informationen aus dem Aktenbestand des Verfahrens i.S.
Tinner. Auf Antrag des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD)
stimmte der Bundesrat diesem Gesuch zu und entschied, die Zusammenarbeit mit
der IAEO auf Art. 184 Abs. 3 BV abzustützen.
US-amerikanische Behörden traten mit den schweizerischen Behörden in Kontakt
und wiesen darauf hin, dass die Tinners auch für die USA gearbeitet hätten. Die
amerikanischen Behörden wollten vermeiden, dass diese Zusammenarbeit im Verlauf
des Strafverfahrens aufgedeckt und verfolgt würde. Am 29. August 2007 lehnte es
der Bundesrat gestützt auf Art. 105 BStP ab, die Ermächtigung zur
Strafverfolgung der mutmasslichen Angehörigen der amerikanischen
Nachrichtendienste in Bezug auf Artikel 271 StGB (verbotene Handlungen für
einen fremden Staat) und der Tinners in Bezug auf Artikel 301 StGB
(Nachrichtendienst für einen fremden Staat) zu erteilen.
Am 14. November 2007 beschloss der Bundesrat auf Antrag des EJPD, sämtliche bei
der Familie Tinner beschlagnahmten Akten unter Aufsicht der IAEO zu vernichten.
Der Besitz dieser Akten stelle ein schwerwiegendes Problem für die
Eidgenossenschaft dar: Die Informationen würden ein Proliferationsrisiko
bergen. Die USA drängten auf die Übergabe der Akten an sie selbst oder aber auf
deren vollständige Vernichtung. Das EJPD verwies in seinem Antrag auf die
ausserordentliche Brisanz und Gefährlichkeit der Informationen, die
völkerrechtlichen Verpflichtungen sowie die aussenpolitische Tragweite. Es mass
den dadurch betroffenen Interessen gegenüber dem Interesse an der Durchführung
eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens überwiegende Bedeutung zu.

B.
Der Eidgenössische Untersuchungsrichter eröffnete am 7. März 2008 die
Voruntersuchung gegen Max Schmid, Marco Tinner, Urs Tinner und Friedrich Tinner
wegen Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz vom 13. Dezember 1996 über das
Kriegsmaterial (KMG; SR 514.51) und das Bundesgesetz vom 13. Dezember 1996 über
die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer
militärischer Güter (GKG; SR 946.202) und Geldwäscherei (Art. 305bis StGB).
Gemäss dem Vernichtungskonzept, welches die Vorsteherin des EJPD am 14. Februar
2008 genehmigt hatte, konnte die IAEO bis zum 22. Februar 2008 Akten anfordern,
um sie bis zu deren Zerstörung Ende Mai 2008 zu studieren. Diese Akten wurden
auch dem Eidgenössischen Untersuchungsrichter zur Einsicht zur Verfügung
gestellt. Im April 2008 konsultierte dieser den Inhalt der zwanzig Bundesordner
mehrmals, wobei ihm einzig erlaubt wurde, handschriftliche Notizen zu machen.
Der Eidgenössische Untersuchungsrichter meldete in der Folge am 25. April 2008
der Vorsteherin des EJPD, dass er die zur Verfügung gestellten Unterlagen für
seine Untersuchung nicht mehr benötige. Die letzten Unterlagen wurden am 6.
Juni 2008 vernichtet.

C.
Die Bundesanwaltschaft stellte im Dezember 2008 fest, dass sich in ihrem Archiv
Aktenkopien aus dem Verfahren Tinner befinden, über welche sie gemäss Beschluss
des Bundesrates vom 14. November 2007 nicht mehr hätte verfügen dürfen.
Der Bundesrat beschloss am 11. Februar 2009, diese Unterlagen von Spezialisten
der IAEO im Beisein von Vertretern der Bundesanwaltschaft, des Bundesamtes für
Polizei und des Bundesamtes für Justiz begutachten und eine Triage vornehmen zu
lassen. Dies geschah vom 18. bis 20. März 2009. Die proliferationsrelevanten
Akten wurden identifiziert und markiert und befinden sich seither in der Obhut
des Bundesrates. Die übrigen Aktenkopien wurden dem Eidgenössischen
Untersuchungsrichteramt (URA) übergeben und stehen für das Strafverfahren
uneingeschränkt zur Verfügung.
Am 24. Juni 2009 beschloss der Bundesrat, dass die das Atombombendesign
betreffenden 103 Seiten aus den Akten zu entfernen und durch Platzhalter zu
ersetzen seien. Auf den Platzhaltern sei soweit möglich kurz die Natur der
entfernten Seiten zu beschreiben. Danach seien diese 103 Aktenseiten vom EJPD
zu vernichten. Die die Urananreicherung betreffenden Akten seien vom EJPD
sicher aufzubewahren und zusammen mit den erwähnten Platzhaltern den
Strafverfolgungsbehörden in geeigneter Form zugänglich zu machen. Dabei dürften
die Strafverfolgungsbehörden, die Angeschuldigten und deren Anwälte sowie die
urteilenden Gerichte diese Akten nur konsultieren und davon Handnotizen
erstellen, die Akten aber nicht kopieren. Die die Urananreicherung betreffenden
Akten sowie die erwähnten Platzhalter seien nach Abschluss des Strafverfahrens
vom EJPD zu vernichten. Dieser Beschluss wurde in Form einer Medienmitteilung
des EJPD vom 24. Juni 2009 bekannt gemacht.

D.
Die Bundesanwaltschaft verfügte am 2. Juli 2009 die Beschlagnahme der sich in
der Obhut des Bundesrates befindlichen Aktenkopien: Diese seien dem URA
herauszugeben oder jederzeit zugänglich zu machen.
Mit Schreiben vom 6. Juli 2009 teilte der Bundesrat mit, der Beschluss vom 24.
Juni 2009 stütze sich auf das verfassungsunmittelbare Verordnungs- und
Verfügungsrecht des Bundesrates gemäss den Art. 184 und 185 BV. Dagegen stehe
kein Rechtsmittel zur Verfügung. Der Beschluss sei endgültig. Die
Beschlagnahmeanordnung des URA stosse daher ins Leere.

E.
Das URA leitete das Schreiben des Bundesrates am 7. Juli 2009 an die I.
Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts weiter, da es sich seines Erachtens um
eine Beschwerde nach Art. 214 ff. BStP handeln könnte.
Mit Entscheid vom 8. Juli 2009 erkannte die I. Beschwerdekammer, dass die
Eingabe des Bundesrates nicht als Beschwerde entgegen genommen werden könne,
weil die vorinstanzliche Verfügung nicht als Beschlagnahmeanordnung, sondern
als Herausgabeaufforderung zu betrachten sei. Gegen diese sei lediglich eine
Einsprache im Sinne von Art. 69 Abs. 3 BStP zulässig. Die Beschwerdekammer
hielt das URA an, sich die Unterlagen nötigenfalls mit Zwangsmitteln zu
beschaffen, soweit sich der Bundesrat weiterhin einer Herausgabe widersetzen
sollte. Den vom Bundesrat geltend gemachten Geheimhaltungsinteressen sei durch
Siegelung der Unterlagen Rechnung zu tragen.

F.
In der Folge führte das URA am 9. Juli 2009 in den Räumlichkeiten der
Bundeskriminalpolizei und des Bundessicherheitsdienstes eine Hausdurchsuchung
durch. Dem URA wurde hierbei der Zugang zu den Räumen, in denen die Aktenkopien
lagern, von Vertretern des Bundesamtes für Polizei verwehrt. Daraufhin stellte
das URA den Tresor sicher, in dem die Schlüssel zu den Archivräumen und den
Aktenschränken verwahrt werden, und versiegelte diesen.
Mit Entsiegelungsbegehren vom 13. Juli 2009 an die I. Beschwerdekammer des
Bundesstrafgerichts beantragte das URA, es sei die Durchsuchung des am 9. Juli
2009 beschlagnahmten und versiegelten Tresors zu gestatten, es sei die
Durchsuchung der Räumlichkeiten und Behältnisse zu gestatten, die sich mit den
im Tresor befindlichen Schlüsseln öffnen lassen, und es sei die Durchsuchung
der sich in diesen Räumlichkeiten und Behältnissen befindlichen Akten zu
gestatten, so-weit sie dem Strafverfahren gegen die Beschuldigten zugeordnet
werden können.
Der Bundesrat nahm zu diesem Gesuch nicht Stellung. Die Bundesanwaltschaft
verzichtete ebenfalls auf eine Stellungnahme. Friedrich Tinner schloss auf
kostenfällige Abweisung des Gesuchs des URA. Marco Tinner vertrat die
Auffassung, dass schon aufgrund der Vernichtung der Originalakten im Herbst
2007 ein faires Strafverfahren nicht mehr möglich sei. In die laufende
Diskussion wolle sich die Verteidigung nicht einmischen, da ihr ein Abwägen
zwischen den im Konflikt stehenden Rechtsgütern nicht möglich sei. Sollte
jedoch der Antrag des URA auf Entsiegelung gutgeheissen werden, so sei auch der
Verteidigung der uneingeschränkte und ohne Auflagen mögliche Zugang zu den
Akten zu gewährleisten.

G.
Mit Schreiben vom 4. August 2009 teilte das URA der I. Beschwerdekammer mit,
dass ihm am 3. August 2009 unter Auflagen Einsicht in die zur Diskussion
stehenden Akten gewährt worden sei. Der Bundesrat habe trotz Siegelung des
Tresors weiterhin Zugriff auf die Akten. Bei der Akteneinsicht habe sich
herausgestellt, dass neben den Unterlagen zur Herstellung von Atomwaffen
weitere Akten dem Zugriff der Justiz entzogen seien. Es handle sich um den
gesamten Beilageordner Nr. 10 zum polizeilichen Schlussbericht vom 30. Mai
2006, der u.a. beweisrelevante Unterlagen zur Zusammenarbeit der Familie Tinner
mit den amerikanischen Diensten enthalte.
Das URA präzisierte daher sein Entsiegelungsbegehren dahingehend, dass dieses
sich auf die den Platzhaltern zugrunde liegenden Dokumente und den gesamten
Beilageordner Nr. 10 beziehe. Bezüglich der übrigen Akten beantragte es neu,
dass der Zugang zu den mit Platzhaltern versehenen Akten ohne Auflagen zu
gewähren sei und diese zu den übrigen Verfahrensakten zu nehmen seien.

H.
Mit Entscheid vom 24. August 2009 schrieb die I. Beschwerdekammer das
Entsiegelungsbegehren als gegenstandslos geworden ab, soweit dem URA die Akten
bereits für eine Durchsuchung zugänglich gemacht worden seien. Im Übrigen (d.h.
hinsichtlich der den Platzhaltern zugrunde liegenden Originaldokumente und dem
Beilagenordner Nr. 10 zum polizeilichen Schlussbericht vom 30. Mai 2006) hiess
es das Gesuch im Sinne der Erwägungen gut und ermächtigte das URA, die
verbleibenden Akten zu entsiegeln und zu durchsuchen, "soweit sie ihm vom
Bundesrat zugänglich gemacht werden".

I.
Gegen diesen Entscheid erhob die Bundesanwaltschaft am 18. September 2009
Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Sie beantragt, die Ziffern 1
und 2 des angefochtenen Entscheids seien aufzuheben und das Entsiegelungsgesuch
des URA sei ohne Einschränkungen gutzuheissen. Die I. Beschwerdekammer sei
anzuweisen, einen Entscheid zu treffen, welche Unterlagen genau zu entsiegeln
und zu durchsuchen seien, und welche Unterlagen den Strafverfolgungsbehörden
zur weiteren prozessualen Verwendung konkret überlassen werden können.

J.
Das URA unterstützt die Anträge der Bundesanwaltschaft. Das Bundesstrafgericht
und Urs Tinner haben auf eine Stellungnahme verzichtet. Die übrigen
Verfahrensbeteiligten haben sich nicht vernehmen lassen.
Erwägungen:

1.
Angefochten ist ein Entscheid der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts über
die Zulässigkeit einer Zwangsmassnahme. Dagegen steht grundsätzlich die
Beschwerde ans Bundesgericht offen (Art. 79 BGG).

1.1 Entsiegelungsentscheide werden in der Regel als Zwischenentscheide
betrachtet, da damit das Strafverfahren gegen Angeschuldigte nicht
abgeschlossen wird (Urteil 1B_206/2007 vom 7. Januar 2008 E. 3.2).
Zwischenentscheide sind nur ausnahmsweise anfechtbar, namentlich wenn sie einen
nicht wieder gutzumachender Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a
BGG). Diese Voraussetzung ist bei Entscheiden über die Entsiegelung und
Durchsuchung von Dokumenten zu Ermittlungs- und Beweiszwecken regelmässig
erfüllt (Urteil 1B_208/2007 vom 23. Januar 2008 E. 1.3, in: Praxis 2008 Nr. 61
S. 409). Art. 93 BGG steht vorliegend einem Eintreten nicht entgegen.

1.2 Die Bundesanwaltschaft ist zur Zwangsmassnahmenbeschwerde berechtigt (Art.
81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 3 sowie Abs. 2 BGG). Da auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf die Beschwerde einzutreten.

2.
Die Bundesanwaltschaft rügt die Verletzung von Art. 69 Abs. 3 BStP und macht
eine Rechtsverweigerung geltend. Die Beschwerdekammer habe das für die
Entsiegelung und Durchsuchung beschlagnahmter Unterlagen nach BStP vorgesehene
mehrstufige Verfahren nicht angewendet. Sie habe weder eine Triage der
beschlagnahmten Unterlagen vorgenommen, noch habe sie entschieden, welche
Unterlagen dem Untersuchungsrichter herauszugeben seien. Zwar habe die
Beschwerdekammer das Entsiegelungsgesuch gutgeheissen, allerdings nur soweit
Unterlagen vom Bundesrat "zugänglich gemacht werden". Damit überlasse die
Beschwerdekammer es dem Bundesrat, die Triage vorzunehmen. Dieses Vorgehen
verletze Art. 69 Abs. 3 BStP.
Hinsichtlich der Unterlagen, welche das URA am 3. August 2009 unter strengen
Auflagen habe einsehen können, sei das Begehren zu Unrecht als gegenstandslos
geworden abgeschrieben worden: Das URA habe beantragt, der Zugang zu gewissen
Dokumenten sei ohne Auflagen zu gewähren und die Unterlagen seien zu den
Verfahrensakten zu nehmen. Diese Anträge seien durch die Einsichtgewährung vom
3. August 2009 nicht erledigt worden.
Die Rechtsauffassung der Beschwerdekammer, wonach sie die inhaltliche
Richtigkeit der Entscheidung des Bundesrates nicht überprüfen könne, führe
dazu, dass das URA seinen gesetzlichen Aufgaben gemäss Art. 113 BStP nicht
nachkommen könne. Die Bundesanwaltschaft verweist auf den Bericht der
Geschäftsprüfungsdelegation vom 19. Januar 2009 "Fall Tinner: Rechtmässigkeit
der Beschlüsse des Bundesrates und Zweckmässigkeit seiner Führung" (BBl 2009
5007 ff., Ziff. 6.4 S. 5046), wonach das Einwirken der Exekutive auf ein
Strafverfahren die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz infrage
stellen könne. Nach Auffassung der Bundesanwaltschaft hätte die
Beschwerdekammer zumindest die Verhältnismässigkeit des bundesrätlichen
Entscheids prüfen müssen. Unter den Dokumenten befänden sich auch technische
Zeichnungen zum Bau von Urananreicherungsanlagen, deren Besitz auch
Privatpersonen ohne Weiteres erlaubt sei. Es sei daher nicht ersichtlich, warum
diese Unterlagen den Strafverfolgungsbehörden und den Gerichten nicht
ungehindert zur Verfügung stehen.

3.
3.1 Art. 69 BStP befindet sich im Abschnitt IX "Beschlagnahme, Durchsuchung,
Einziehung und Überwachung". Es handelt sich dabei um Zwangsmassnahmen der
Strafverfolgungsbehörden zur Sicherung von Beweismitteln. Art. 69 BStP bezweckt
den Schutz von Privat- und Berufsgeheimnissen und sieht hierfür ein
mehrstufiges Verfahren vor. Dieses soll dem Inhaber der beschlagnahmten
Gegenstände Gelegenheit geben, seine Geheimhaltungsinteressen geltend zu machen
und schon vor der Hauptverhandlung einen gerichtlichen Entscheid über die
Zulässigkeit der Beschlagnahme und der Durchsuchung zu erreichen. Nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss das Zwangsmassnahmengericht den
wirksamen Schutz der geschützten Geheimhaltungsinteressen gewährleisten und
hierfür insbesondere die Triage und die allfällige Aussonderung von
geheimnisgeschützten Daten selbstverantwortlich wahrnehmen (Urteil 1B_274/2008
vom 27. Januar 2009 E. 6 und 7 mit Hinweisen).

3.2 Im Verhältnis zwischen Behörden des Bundes, der Kantone und der Gemeinden
sieht das BStP jedoch eine andere Vorgehensweise vor: Gemäss Art. 27 Abs. 1
BStP sind die Behörden des Bundes, der Kantone und der Gemeinden verpflichtet,
den mit der Verfolgung und Beurteilung von Bundesstrafsachen betrauten Behörden
in der Erfüllung ihrer Aufgabe Rechtshilfe zu leisten und ihnen insbesondere
die benötigten Auskünfte zu erteilen und Einsicht in amtliche Akten zu
gewähren, die für die Strafverfolgung von Bedeutung sein können (Abs. 1). Die
Rechtshilfe kann verweigert, eingeschränkt oder mit Auflagen versehen werden,
wenn wesentliche öffentliche Interessen oder offensichtlich schutzwürdige
Interessen einer betroffenen Person es verlangen (Abs. 2 lit. a) oder
Berufsgeheimnisse entgegenstehen (Abs. 2 lit. b). Bei Meinungsverschiedenheiten
zwischen dem Bund und den Kantonen über die Gewährung der Rechtshilfe
entscheidet die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (Art. 27 Abs. 5 BStP);
bei Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Bundesverwaltung entscheidet das
übergeordnete Departement oder der Bundesrat (Art. 27 Abs. 5 BStP).
Zu den Rechtshilfemassnahmen i.S.v. Art. 27 Abs. 1 BStP zählen neben der
Erteilung von Auskünften und der Edition oder Einsichtgewährung in amtliche
Akten auch die Ermächtigung eines Behördenmitglieds oder Beamten zur
Zeugenaussage oder zur Herausgabe von Amtsakten (BGE 123 IV 157 E. 3b S. 162
und E. 4c S. 163; 129 IV 141 E. 2.1 S. 144). Art. 78 BStP sieht vor, dass ein
Beamter nur mit Zustimmung seiner vorgesetzten Behörde über ein Amtsgeheimnis
als Zeuge einvernommen oder zur Herausgabe von Amtsakten angehalten werden
darf. Eine Durchsuchung und Beschlagnahme amtlicher Akten ohne Zustimmung oder
gegen den Willen der vorgesetzten Behörde sieht das Gesetz nicht vor.

3.3 Der vorliegende Fall ist allerdings kein typischer Anwendungsfall von Art.
27 BStP: Die Unterlagen wurden ursprünglich von der Bundesanwaltschaft bei den
Angeschuldigten beschlagnahmt und bildeten Teil der Strafverfahrensakten. Die
jetzt streitigen Aktenkopien wurden von der Bundesanwaltschaft für die Zwecke
des Strafverfahrens erstellt. Die Unterlagen befanden sich also nicht von
vornherein beim Bundesrat. Vielmehr zog dieser die Aktenherrschaft an sich, um
eine Aktentriage durchzuführen, und gewisse Unterlagen (Atombombenpläne; Ordner
10 betr. geheimdienstliche Tätigkeiten) im Hinblick auf ihre Vernichtung dem
Strafverfahren vorzuenthalten und die Konsultation anderer Unterlagen (betr.
Urananreicherung) nur unter strikten Auflagen zu gestatten.
Dies ändert jedoch nichts daran, dass den Strafverfolgungsbehörden für die
Rückerlangung der Akten nur der Weg über die Rechtshilfe zur Verfügung stand.

4.
Fraglich könnte allenfalls sein, ob der Beschluss des Bundesrates vom 24. Juni
2009, der sich auf Art. 184 und 185 BV stützt, mit einem Rechtsmittel in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten hätte angefochten werden können.
Zwar können Akte des Bundesrates gemäss Art. 189 Abs. 4 BV nur angefochten
werden, wenn es das Gesetz vorsieht. Weder das VGG noch das BGG sehen die
Anfechtbarkeit von Bundesratsbeschlüssen der vorliegenden Art vor. Überdies
schliessen die Art. 32 Abs. 1 lit. a VGG und Art. 83 Abs. 1 lit. a BGG die
Beschwerde gegen Verfügungen auf dem Gebiet der inneren und äusseren Sicherheit
des Landes und der übrigen auswärtigen Angelegenheiten ausdrücklich aus.
Ausnahmsweise kann es jedoch das Völkerrecht gebieten, gerichtlichen
Rechtsschutz einzuräumen. So trat das Bundesgericht auf eine Beschwerde gegen
einen bundesrätlichen Einziehungsentscheid ein, weil die Einziehung von
Propagandamaterial aus Gründen der äusseren und inneren Sicherheit
zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK
berührte und deshalb gerichtlicher Rechtsschutz geboten war (BGE 125 II 417 E.
1 4c-e S. 424 ff.). In BGE 129 II 193 erwog das Bundesgericht, auf die
Beschwerde gegen ein Einreiseverbot des Bundesrates gestützt auf Art. 13 EMRK
einzutreten.
Nähere Ausführungen zu dieser Frage erübrigen sich jedoch im vorliegenden Fall:
Der bundesrätliche Beschluss vom 24. Juni 2009 wurde in Form einer
Medienmitteilung publiziert und war den Beteiligten damit zumindest in den
Grundzügen bekannt. Er wurde jedoch von den Angeschuldigten nicht angefochten.
Auch der Untersuchungsrichter und die Bundesanwaltschaft haben keine Beschwerde
gegen diesen Beschluss erhoben; sie wären hierzu wohl auch nicht legitimiert
gewesen.

5.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde unbegründet und somit
abzuweisen ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu
erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesstrafgericht, I.
Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. Januar 2010
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Féraud Gerber