Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.197/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_197/2009

Urteil vom 7. August 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Fonjallaz, Eusebio,
Gerichtsschreiber Forster.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft See/Oberland, Weiherallee 15, Postfach, 8610 Uster,

Gegenstand
Untersuchungshaft,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 1. Juli 2009
des Bezirksgerichts Uster, Einzelrichterin in Haftsachen.
Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft See/Oberland führt eine Strafuntersuchung gegen
X.________. Er wird verdächtigt, zulasten mehrerer geschädigter Personen
Vermögensdelikte und weitere Straftaten verübt zu haben. Mit Verfügung vom 1.
Juli 2009 ordnete die Einzelrichterin in Haftsachen des Bezirksgerichtes Uster
Untersuchungshaft gegen den Angeschuldigten an.

B.
Gegen den Haftanordnungsentscheid des Bezirksgerichtes gelangte X.________ mit
Beschwerde vom 11. Juli 2009 an das Bundesgericht. Er beantragt zur Hauptsache
die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und seine Haftentlassung,
eventualiter unter "Auflagen". Er reichte diverse Beschwerdeergänzungen ein.
Das Bezirksgericht hat auf eine Stellungnahme ausdrücklich verzichtet, während
sich die Staatsanwaltschaft mit Eingabe vom 28. Juli 2009 vernehmen liess. Der
Beschwerdeführer erhielt Gelegenheit zur Replik. Er machte davon mit Eingabe
vom 4. August 2009 Gebrauch.

Erwägungen:

1.
Im angefochtenen (letztinstanzlichen kantonalen) Entscheid wird
Untersuchungshaft gegen den Beschwerdeführer angeordnet. Die
Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG geben zu keinen Bemerkungen
Anlass. Die Haftakten wurden von der Vorinstanz beigezogen; zusätzliche
Beweisvorkehren sind nicht notwendig (Art. 55 Abs. 2 BGG).

2.
Untersuchungshaft darf nach Zürcher Strafprozessrecht nur angeordnet werden,
wenn der Angeschuldigte eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt
wird und ausserdem ein besonderer Haftgrund vorliegt, namentlich
Kollusionsgefahr. Letztere ist gegeben, wenn aufgrund bestimmter Anhaltspunkte
ernsthaft befürchtet werden muss, der Angeschuldigte werde Spuren oder
Beweismittel beseitigen, Dritte zu falschen Aussagen zu verleiten suchen oder
die Abklärung des Sachverhaltes auf andere Weise gefährden (§ 58 Abs. 1 Ziff. 2
StPO/ZH).

3.
Der Beschwerdeführer bestreitet zunächst den allgemeinen Haftgrund des
dringenden Tatverdachtes und rügt eine Verletzung der persönlichen Freiheit.

3.1 Im Gegensatz zum erkennenden Sachrichter hat das Bundesgericht bei der
Überprüfung des allgemeinen Haftgrundes des dringenden Tatverdachtes keine
erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender Beweisergebnisse
vorzunehmen. Macht ein Inhaftierter geltend, er befinde sich ohne ausreichenden
Tatverdacht in strafprozessualer Haft, ist vielmehr zu prüfen, ob aufgrund der
bisherigen Untersuchungsergebnisse genügend konkrete Anhaltspunkte für eine
Straftat und eine Beteiligung des Beschwerdeführers an dieser Tat vorliegen,
die Justizbehörden somit das Bestehen eines dringenden Tatverdachts mit
vertretbaren Gründen bejahen durften. Im Haftprüfungsverfahren genügt dabei der
Nachweis von konkreten Verdachtsmomenten, wonach das inkriminierte Verhalten
mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die fraglichen Tatbestandsmerkmale erfüllen
könnte (vgl. BGE 116 Ia 143 E. 3c S. 146). Das Beschleunigungsgebot in
Haftsachen lässt hier nur wenig Raum für ausgedehnte Beweismassnahmen. Zur
Frage des dringenden Tatverdachtes bzw. zur Schuldfrage hat der Haftrichter
weder ein eigentliches Beweisverfahren durchzuführen, noch dem erkennenden
Strafrichter vorzugreifen. Vorbehalten bleibt allenfalls die Abnahme eines
liquiden Alibibeweises (vgl. BGE 124 I 208 E. 3 S. 210 mit Hinweisen).

3.2 Bei Beschwerden, die gestützt auf das Recht der persönlichen Freiheit (Art.
10 Abs. 2, Art. 31 BV) wegen einer Haftanordnung erhoben werden, prüft das
Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des Eingriffes die Auslegung und
Anwendung des kantonalen Prozessrechtes frei. Soweit jedoch reine
Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind,
greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen der
Vorinstanz offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im
Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE
135 I 71 E. 2.5 S. 73 f.).

3.3 Im angefochtenen Entscheid wird Folgendes dargelegt: Gemäss den Aussagen
einer mutmasslich geschädigten Person habe der Beschwerdeführer (im Sommer
2008) von ihr einen Geldbetrag von ca. Fr. 15'000.-- empfangen. Anstatt damit
gemäss ihrem Auftrag ein Konto bei der Raiffeisenbank zu eröffnen, habe er das
Geld für sich selber verbraucht. Den ihm von derselben Anzeigerin (ca. Mitte
Dezember 2008) zum Gebrauch überlassenen Personenwagen VW Golf habe er trotz
mehrmaligen Aufforderungen nicht an sie zurückgegeben. Vielmehr habe er (bis zu
seiner ersten Verhaftung durch die Kantonspolizei Basel-Landschaft im Mai 2009)
wie ein Eigentümer über das Fahrzeug verfügt. Ohne Wissen der Anzeigerin habe
er sodann (im März 2009) verschiedene Kreditkarten auf ihren Namen beantragt
und Bestellungen und Bezüge zu ihren Lasten vorgenommen. Eine weitere
Geschädigte habe er (nach den Ermittlungen der Kantonspolizei Basel-Landschaft)
durch unrechtmässige Konto- und Kreditkartenbezüge ebenfalls am Vermögen
geschädigt. Am 16. Mai 2009 sei über eine IP-Adresse, die auf den Namen dieser
zweiten Geschädigten registriert sei, auf das E-Banking einer
Aktiengesellschaft zugegriffen und versucht worden, EUR 32'000.-- auf ein Konto
in Deutschland zu transferieren. Am 28. Mai 2009 sei der Beschwerdeführer (in
Muttenz/BL) beim Entleeren des Postfachs der betroffenen Gesellschaft ertappt
worden. Er weise in Deutschland zahlreiche Vorstrafen auf. Die
Staatsanwaltschaft in Potsdam habe einen Haftbefehl gegen ihn erlassen wegen
ähnlichen Vermögensdelikten zulasten einer dritten Geschädigten.

3.4 Der Beschwerdeführer bestreitet zwar sämtliche Tatvorwürfe. Er legt jedoch
nicht dar, inwiefern die von der Haftrichterin dargelegten vorläufigen
Verdachtsgründe sachlich unhaltbar wären. Seine pauschale Kritik an der
Untersuchungsführung, wonach die Staatsanwaltschaft zögerlich ermittle und
bisher noch keine Entlastungsbeweise erhoben bzw. keine Akteneinsicht gewährt
habe, lässt den Tatverdacht nicht dahinfallen. Dies umso weniger, als der
Beschwerdeführer nicht darlegt, welche entlastenden Beweise zu Unrecht nicht zu
den Akten genommen worden wären. Dass er einer Strafanzeigerin seinerseits
strafbares Vorhalten vorwirft, räumt die gegen ihn bestehenden Verdachtsmomente
nicht aus. Analoges gilt für sein Vorbringen, es komme eine Übernahme der
Strafverfolgung durch die deutschen Behörden in Frage. Entgegen seiner Ansicht
handelt es sich bei den untersuchten Vermögensdelikten und weiteren Straftaten
auch nicht um "geringste Übertretungen", sondern um mutmassliche Vergehen,
eventuell Verbrechen (im Sinne von § 58 Abs. 1 StPO/ZH i.V.m. Art. 10 StGB).

4.
Der Beschwerdeführer bestreitet sodann das Vorliegen von besonderen
Haftgründen. Solchen könne nötigenfalls auch mit Ersatzmassnahmen ausreichend
begegnet werden. Insofern sei seine Inhaftierung unverhältnismässig und
verletze die persönliche Freiheit.

4.1 Kollusion bedeutet nach der bundesgerichtlichen Praxis insbesondere, dass
sich der Angeschuldigte mit Zeugen, Auskunftspersonen, Sachverständigen oder
Mitangeschuldigten ins Einvernehmen setzt oder sie zu wahrheitswidrigen
Aussagen veranlasst, oder dass er Spuren und Beweismittel beseitigt. Die
strafprozessuale Haft wegen Kollusionsgefahr soll verhindern, dass der
Angeschuldigte die Freiheit oder einen Urlaub dazu missbrauchen würde, die
wahrheitsgetreue Abklärung des Sachverhaltes zu vereiteln oder zu gefährden.
Die theoretische Möglichkeit, dass der Angeschuldigte in Freiheit kolludieren
könnte, genügt indessen nicht, um die Fortsetzung der Haft oder die
Nichtgewährung von Urlauben unter diesem Titel zu rechtfertigen. Es müssen
vielmehr konkrete Indizien für die Annahme von Verdunkelungsgefahr sprechen.
Das Vorliegen des Haftgrundes ist nach Massgabe der Umstände des jeweiligen
Einzelfalles zu prüfen (BGE 132 I 21 E. 3.2 S. 23 mit Hinweisen).
Konkrete Anhaltspunkte für Kollusionsgefahr können sich nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtes namentlich ergeben aus dem bisherigen Verhalten des
Angeschuldigten im Strafprozess, aus seinen persönlichen Merkmalen, aus seiner
Stellung und seinen Tatbeiträgen im Rahmen des untersuchten Sachverhaltes sowie
aus den persönlichen Beziehungen zwischen ihm und den ihn belastenden Personen.
Bei der Frage, ob im konkreten Fall eine massgebliche Beeinträchtigung des
Strafverfahrens wegen Verdunkelung droht, ist auch der Art und Bedeutung der
von Beeinflussung bedrohten Aussagen bzw. Beweismittel, der Schwere der
untersuchten Straftaten sowie dem Stand des Verfahrens Rechnung zu tragen (BGE
132 I 21 E. 3.2.1 S. 23 f. mit Hinweisen). Je weiter das Strafverfahren
vorangeschritten ist und je präziser der Sachverhalt bereits abgeklärt werden
konnte, desto höhere Anforderungen sind an den Nachweis von Verdunkelungsgefahr
zu stellen (BGE 132 I 21 E. 3.2.2 S. 24 mit Hinweisen). Der Haftrichter hat
auch zu prüfen, ob einem gewissen Kollusionsrisiko schon mit geeigneten
Ersatzmassnahmen für Haft ausreichend begegnet werden könnte (vgl. BGE 133 I 27
E. 3.2 S. 30, 270 E. 3.3.1 S. 279 f.).

4.2 Im angefochtenen Entscheid wird erwogen, dass der Beschwerdeführer die ihm
zur Last gelegten Straftaten vollumfänglich bestreite und seine Aussagen von
denjenigen der Anzeigerinnen, zu denen er (nach eigenen Angaben) enge
persönliche Kontakte gepflegt habe, erheblich abweichen würden. Was den
E-Banking-Fall betrifft, komme zudem Kollusion (durch Absprachen) mit einem
mutmasslichen Teilnehmer der untersuchten Straftaten in Betracht. Auch könnten
nach Ansicht der Haftrichterin Beweismittel beseitigt werden. Zu Beginn der
Strafuntersuchung sei die diesbezügliche Gefahr von Einflussnahmen regelmässig
am grössten. Das vorliegende Verfahren stehe noch im Anfangsstadium; es müssten
diverse Beweise erhoben und weitere Einvernahmen durchgeführt werden.

4.3 Die Einwendungen des Beschwerdeführers lassen die Annahme von
Kollusionsgefahr durch die Vorinstanz im jetzigen frühen Verfahrensstadium
nicht als verfassungswidrig erscheinen. Dies gilt namentlich für seine
Vorbringen, er habe auch nach Eröffnung der Strafuntersuchung "durchaus
vernünftigen Kontakt" zu einer Anzeigeerstatterin (einer früheren
Lebensgefährtin) gepflegt, diese jedoch nicht unzulässig beeinflusst. Einer
weiteren mutmasslich Geschädigten gegenüber (mit der er bis zu seiner
Verhaftung in eheähnlicher Gemeinschaft zusammengelebt habe) habe er zwar seine
Vorstrafen verschwiegen, sonst aber keinen Einfluss ausgeübt.

4.4 Es kann offen bleiben, ob neben Verdunkelungsgefahr noch weitere besondere
Haftgründe (etwa Flucht- oder Fortsetzungsgefahr) erfüllt wären. Als
verfassungskonform erweist sich auch die Ansicht der Haftrichterin, mit blossen
Ersatzmassnahmen für Untersuchungshaft lasse sich der dargelegten
Kollusionsgefahr im aktuellen Verfahrensstadium nicht ausreichend begegnen.
Eine Überhaft im Sinne der bundesgerichtlichen Praxis liegt hier ebenfalls
nicht vor (vgl. BGE 133 I 168 E. 4.1 S. 170 f., 270 E. 3.4.2 S. 281; 132 I 21
E. 4.1 S. 27 f., je mit Hinweisen).

5.
Prozessual unzulässig sind die Beanstandungen gegen die Briefpostkontrolle im
Untersuchungshaftvollzug, welche gar nicht Gegenstand des angefochtenen
Haftprüfungsentscheides bildet (Art. 80 Abs. 1 BGG). Nach eigenen Angaben hat
der Beschwerdeführer diesbezüglich bei den kantonalen Behörden separate
Verfahren eingeleitet. Die restlichen Vorbringen des Beschwerdeführers
begründen keine zulässigen ausreichend substanziierten Rügen. Insofern kann auf
seine Eingaben nicht eingetreten werden (Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 95, Art. 98
und Art. 106 BGG).

6.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Der Beschwerdeführer ist im Strafuntersuchungsverfahren amtlich verbeiständet.
Innert Beschwerdefrist ist keine Eingabe (bzw. zusätzliche
Beschwerdebegründung) des Offizialverteidigers beim Bundesgericht eingegangen.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtsverbeiständung im
Verfahren vor Bundesgericht ist damit gegenstandslos. Die Parteiinstruktion
zwischen ihm und seinem amtlichen Verteidiger ist grundsätzlich nicht Aufgabe
des Bundesgerichtes. Eine Parteientschädigung ist gemäss dem Ausgang des
Verfahrens nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG). Im vorliegenden Fall kann
ausnahmsweise auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet werden (Art. 66
Abs. 1 Satz 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben und keine Parteientschädigung
zugesprochen.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft See/ Oberland
und dem Bezirksgericht Uster, Einzelrichterin in Haftsachen, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 7. August 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Forster