Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.193/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_193/2009

Urteil vom 1. Oktober 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Eusebio,
Gerichtsschreiber Härri.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Ruadi Thöni,

gegen

Y.________, Beschwerdegegnerin,
Amtsstatthalteramt Hochdorf, Hohenrainstrasse 8, Postfach 45, 6281 Hochdorf,
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern.

Gegenstand
Strafverfahren; Konfrontation des Angeschuldigten mit dem Opfer bei dessen
Befragung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 19. Mai 2009
des Obergerichts des Kantons Luzern,
Kriminal- und Anklagekommission.

Sachverhalt:

A.
Am 25. März 2008 reichte Y.________ gegen X.________ Strafanzeige ein wegen
Betrugs, Urkundenfälschung, Ausnützung der Notlage, Geldfälschung und in
Umlaufsetzens von Falschgeld.

Sie gab an, sie sei in Geldnot gewesen und habe deshalb auf einer Internetseite
ein Inserat veröffentlicht, wonach sie gegen Bezahlung Liebesdienste anbiete.
Sie habe telefonisch mit einem angeblichen Z.________, der sich später als
X.________ herausstellte, ein Treffen abgemacht. Vor Ort habe dieser ihr einen
Vertrag für ein Darlehen von Fr. 12'000.-- unterbreitet. Als Gegenleistung habe
sie ihm ihre Liebesdienste in Form von 40 erotischen Treffen angeboten. In der
Folge habe er ihr das Geld übergeben. Es sei dann entgegen den Abmachungen zu
Fesselungen und zum ungeschützten Geschlechtsverkehr gekommen. Danach habe es
X.________ plötzlich eilig gehabt und sich verabschiedet. Als er weg gewesen
sei, habe sie festgestellt, dass er mit Falschgeld bezahlt und den Vertrag mit
falschen Angaben versehen habe.

Im Laufe der Ermittlungen wurden bei X.________ pornographische Dateien
sichergestellt. Darauf wurde eine separate Untersuchung wegen Pornographie
eröffnet.

B.
Mit Strafverfügung vom 9. Juli 2008 erkannte das Amtsstatthalteramt Hochdorf
X.________ schuldig des Betrugs, der Urkundenfälschung, der Ausnützung einer
Notlage sowie der Pornographie und auferlegte ihm eine bedingte Geldstrafe 90
Tagessätzen zu je Fr. 210.-- sowie eine Busse von Fr. 2'000.--. Das
Strafverfahren wegen Geldfälschung und in Umlaufsetzens falschen Geldes wurde
eingestellt.

Am 28. Juli 2008 erhob X.________ gegen die Strafverfügung Einsprache.

Am 27. Januar 2009 wurde Y.________ zu einer untersuchungsrichterlichen
Zeugeneinvernahme vorgeladen. Nachdem X.________ nicht bereit war, den Wunsch
von Y.________, die Einvernahme ohne persönliche Konfrontation mit ihm
durchzuführen, zu respektieren, teilte der Amtsstatthalter X.________ am 27.
Februar 2009 mit, die Strafuntersuchung werde mit einer Video-Einvernahme von
Y.________ fortgesetzt. Am 20. März 2009 lud der Amtsstatthalter Y.________ auf
den 27. März 2009 zur Einvernahme im Zimmer Videobefragung der Kantonspolizei
in Luzern vor.

Am 24. März 2009 reichte X.________ gegen diese Vorladung bei der Kriminal- und
Anklagekommission des Obergerichts des Kantons Luzern Rekurs ein wegen
Einschränkung der Parteirechte.

Mit Verfügung vom 25. März 2009 ordnete der Präsident der Kriminal- und
Anklagekommission die Verschiebung der Befragung von Y.________ an, bis über
den Rekurs entschieden sei.

Am 19. Mai 2009 wies die Kriminal- und Anklagekommission den Rekurs ab, soweit
sie darauf eintrat.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, der Entscheid der
Kriminal- und Anklagekommission sowie die Vorladung von Y.________ bzw. die
entsprechende Verfügung des Amtsstatthalters vom 20. März 2009 seien aufzuheben
und es sei unter Rück- und Anweisung an die Vorinstanzen bzw.
Strafverfolgungsbehörden festzustellen, dass der Beschwerdeführer einen
Anspruch auf unmittelbare Teilnahme an der Befragung von Y.________ mit dem
Recht habe, dieser persönliche Ergänzungsfragen zu stellen oder stellen zu
lassen.

In prozessualer Hinsicht beantragt X.________, der Beschwerde sei aufschiebende
Wirkung zu erteilen und die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern bzw. das
Amtsstatthalteramt entsprechend anzuweisen, vorerst bis zum Entscheid über die
vorliegende Beschwerde von einer Befragung von Y.________ abzusehen.

D.
Das Amtsstatthalteramt und die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern haben sich
vernehmen lassen je mit dem Antrag, die Beschwerde und das Gesuch um
aufschiebende Wirkung seien abzuweisen.

Die Kriminal- und Anklagekommission hat Gegenbemerkungen eingereicht mit dem
Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Y.________ hat sich nicht vernehmen lassen.

E.
X.________ hat eine Replik eingereicht.
Erwägungen:

1.
Gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG ist hier die Beschwerde in Strafsachen gegeben.

Gegen den angefochtenen Entscheid steht kein kantonales Rechtsmittel zur
Verfügung. Die Beschwerde ist daher nach Art. 80 BGG zulässig.

Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 BGG
zur Beschwerde befugt.

Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen Zwischenentscheid nach
Art. 93 BGG. Der Beschwerdeführer macht (Beschwerde S. 3 Ziff. 3) geltend,
dieser könne ihm einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art.
93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken, weshalb die Beschwerde zulässig sei. Wie es sich
damit verhält, braucht nicht vertieft zu werden, da sich die Beschwerde aus den
folgenden Erwägungen ohnehin als offensichtlich unbegründet erweist. Das
Bundesgericht kann sich deshalb gemäss Art. 109 Abs. 2 lit. a i.V.m. Abs. 3 BGG
auf eine summarische Begründung beschränken.

2.
Der Beschwerdeführer bringt (S. 9 Ziff. 7) vor, es sei nicht erstellt, dass
sich die Beschwerdegegnerin einer Gegenüberstellung mit ihm widersetze.

Wie die Vorinstanz (angefochtener Entscheid S. 6 E. 4.2.3 am Schluss) darlegt,
hat die Beschwerdegegnerin den Ausschluss einer Begegnung mit dem
Beschwerdeführer ausdrücklich verlangt. Der Beschwerdeführer behauptet insoweit
nur das Gegenteil. Damit legt er nicht hinreichend dar, dass die
vorinstanzliche Feststellung im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG offensichtlich
unrichtig sei (zu den Begründungsanforderungen insoweit BGE 133 II 249 E. 1.4.3
S. 254 f.). Auf die Beschwerde kann im vorliegenden Punkt daher von vornherein
nicht eingetreten werden und es erübrigen sich die vom Beschwerdeführer (Replik
S. 3 Ziff. 5) verlangten Weiterungen.

3.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Beschwerdegegnerin sei nur noch
förmlich, aber nicht mehr in der Sache Opfer im Sinne von § 48ter des Gesetzes
vom 3. Juni 1957 des Kantons Luzern über die Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO; SRL Nr. 305) bzw. von Art. 1 und Art. 35 des
Bundesgesetzes vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten
(Opferhilfegesetz, OHG; SR 312.5); denn das Verfahren wegen Verdachts auf
Ausnützung einer Notlage wie im Übrigen auch auf Betrug sei einzig aus
zeitlichen Gründen bzw. wegen Untätigkeit des Amtsstatthalteramtes noch nicht
eingestellt worden (Ziff. 9 und 10).

Aus dem angefochtenen Entscheid ergibt sich, dass das Amtsstatthalteramt am 3.
Oktober 2008 zwar zunächst die Absicht bekundet hatte, das Verfahren in Bezug
auf die erwähnten beiden Straftatbestände einzustellen, dass es aber
hinsichtlich der - vom Beschwerdeführer beantragten - Vorladung der
Beschwerdegegnerin erklärte, die Tatbestände der Ausnützung einer Notlage und
des Betrugs bildeten ebenfalls (noch) Gegenstand der Untersuchung (E. 4.2.1
f.). Ist demnach davon auszugehen, dass das Verfahren auch in diesen Punkten
nach wie vor geführt wird, kann keine Rede davon sein, die Beschwerdegegnerin
sei nur noch förmlich Opfer im Sinne der genannten Gesetze.

4.
Soweit der Beschwerdeführer sinngemäss geltend macht, weder die subjektiven
noch die objektiven Merkmale des Tatbestandes der Ausnützung einer Notlage
gemäss Art. 193 StGB seien gegeben (Ziff. 8), kann auf die Beschwerde nicht
eingetreten werden, da dies nicht - auch nicht vorfrageweise - Gegenstand des
angefochtenen Entscheids ist. Die in Frage stehende Einvernahme der
Beschwerdegegnerin dient gerade der Erhellung der umstrittenen
Straftatbestände.

5.
Der Beschwerdeführer wendet ein, es bestehe kein schutzwürdiges oder
überwiegendes Interesse der Beschwerdegegnerin an einer Vermeidung der
Konfrontation (S. 11 Ziff. 10) bzw. die umstrittene Einschränkung der
Verteidigungsrechte sei missbräuchlich und unverhältnismässig (Ziff. 11), sei
doch das Verfahren in Bezug auf die Tatbestände der Ausnützung der Notlage und
des Betrugs nur aus zeitlichen Gründen noch nicht eingestellt worden.
Es wurde (E. 3) bereits gesagt, dass Letzteres nicht angenommen werden kann.
Die Beschwerdegegnerin ist somit entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers
nicht nur förmlich Opfer im Sinne der Strafprozessordnung und des
Opferhilfegesetzes. Weshalb es unter diesen Umständen Bundesrecht verletzen
soll, wenn das Amtsstatthalteramt die beanstandete Videobefragung angeordnet
hat, legt der Beschwerdeführer nicht hinreichend dar und ist auch nicht
ersichtlich.

6.
Die Beschwerde ist danach abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art.
66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Der Beschwerdegegnerin steht schon deshalb keine Parteientschädigung zu, weil
sie sich nicht hat vernehmen lassen und im bundesgerichtlichen Verfahren somit
keinen Aufwand hatte.

Mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache braucht über das Gesuch um
aufschiebende Wirkung nicht mehr befunden zu werden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Amtsstatthalteramt Hochdorf, der
Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Luzern, Kriminal- und
Anklagekommission, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Oktober 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Härri