Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.153/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_153/2009

Urteil vom 10. September 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Reeb, Raselli,
Gerichtsschreiber Härri.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Bezirksgericht Zürich, Einzelrichter in Strafsachen, Postfach, 8026 Zürich,
Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat,
Stauffacherstrasse 55, Postfach, 8026 Zürich.

Gegenstand
Strafverfahren; Rechtsvertretung,

Beschwerde gegen den Beschluss vom 24. April 2009 des Obergerichts des Kantons
Zürich, III. Strafkammer.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat erhob am 4. März 2009 Anklage gegen
A.________ beim Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich wegen grober
Verletzung der Verkehrsregeln.
Mit Eingabe vom 27. März 2009 an den Einzelrichter erklärte X.________, er sei
Vertreter von A.________ und verlangte Akteneinsicht.
Mit Verfügung vom 30. März 2009 liess der Einzelrichter X.________ als
Rechtsvertreter nicht zu.
Den von X.________ dagegen erhobenen Rekurs wies das Obergericht des Kantons
Zürich (III. Strafkammer) am 24. April 2009 ab. Es erstattete beim
Statthalteramt des Bezirks Zürich Anzeige gegen X.________ wegen Verletzung des
Anwaltsmonopols. Das Obergericht befand, X.________ trete als berufsmässiger
Vertreter auf. Die berufsmässige Vertretung sei gemäss § 11 Abs. 1 des
Anwaltsgesetzes vom 17. November 2003 des Kantons Zürich (Anwaltsgesetz; LS
215.1) im Strafprozess vor den zürcherischen Gerichten Anwälten vorbehalten.
X.________ sei nicht Anwalt.

B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, der Beschluss des
Obergerichts "sei vollumfänglich abzuweisen, sofern darauf eingetreten werden
kann"; X.________ sei die rechtliche Vertretung von A.________ zu bewilligen;
eventuell sei die Angelegenheit zur Neuentscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

C.
Das Obergericht und der Einzelrichter haben auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat beantragt unter Hinweis auf den Beschluss
des Obergerichts die Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.
1.1 Der angefochtene Entscheid betrifft die Rechtsvertretung in einem
Strafverfahren. Dagegen ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in
Strafsachen gegeben (vgl. BGE 133 IV 335 E. 2).

1.2 Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist
somit nach Art. 80 BGG zulässig.

1.3 Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen. Er
beruft sich insbesondere auf die Wirtschaftsfreiheit nach Art. 27 BV und hat
ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen
Entscheids (vgl. BGE 133 IV 335 E. 5 S. 340; 105 Ia 67 E. 1b S. 70; Urteil
2P.490/1993 vom 22. August 1994 E. 1c, nicht publ. in: BGE 120 Ia 247; Urteil
P.1162/1987 vom 5. Februar 1988 E. 1b, nicht publ. in: BGE 114 Ia 34). Er ist
daher gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt.

1.4 Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren nicht ab. Der
Beschwerdeführer wird damit jedoch endgültig daran gehindert, am Strafverfahren
teilzunehmen. Der angefochtene Entscheid schliesst für ihn das Verfahren ab.
Man kann sich deshalb fragen, ob der angefochtene Entscheid in Bezug auf den
Beschwerdeführer nicht als Teilentscheid gemäss Art. 91 lit. b BGG zu
betrachten sei (vgl. Urteil 1B_206/2007 vom 7. Januar 2008 E. 3.3). Das
Bundesgericht hat in einem vergleichbaren Fall, in dem ein Offizialverteidiger
seines Amtes enthoben worden war, jedoch einen Zwischenentscheid angenommen,
der dem Rechtsvertreter einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken kann (BGE 133 IV 335 E. 5 S. 339; vgl.
ebenso BGE 1B_7/2009 vom 16. März 2009 E. 1.4).

Ob hier von einem Teilentscheid nach Art. 91 lit. b BGG oder einem
Zwischenentscheid nach Art. 93 BGG auszugehen ist, braucht nicht vertieft zu
werden, da im Lichte der dargelegten Rechtsprechung ein nicht wieder
gutzumachender Nachteil ebenso zu bejahen wäre und auf die Beschwerde daher in
jedem Fall grundsätzlich einzutreten ist.

2.
Der Beschwerdeführer rügt, der angefochtene Beschluss verletze die
Wirtschaftsfreiheit nach Art. 27 BV.

Nach der Rechtsprechung dürfen die Kantone die berufsmässige Vertretung der
Parteien vor Gericht Anwälten vorbehalten. Dies stellt einen zulässigen
Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit dar (BGE 100 Ia 163 E. 3a S. 167; vgl.
ebenso BGE 125 I 161 E. 3e S. 165; 114 Ia 34 E. 2b ff.; 105 Ia 67). Darauf
zurückzukommen besteht kein Anlass.

Die Beschwerde ist im vorliegenden Punkt demnach unbehelflich.

3.
Der Beschwerdeführer macht geltend, der angefochtene Entscheid sei willkürlich.

3.1 Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen
Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Willkürlich ist ein Entscheid nicht
schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar
vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen
unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 134 I 140 E. 5.4 S. 148; 133 I 149 E.
3.1 S. 153; 132 I 13 E. 5.1, mit Hinweisen).

3.2 Die Vorinstanz nimmt an, eine berufsmässige Vertretung nach § 11 Abs. 1 des
Anwaltsgesetzes liege vor bei einem tatsächlichen oder beabsichtigten Handeln
für andere in einer unbestimmten oder unbegrenzten Zahl von Fällen; die Frage
des Entgelts sei dabei von untergeordneter Bedeutung (angefochtener Beschluss
S. 3 E. 1 mit Hinweis auf ZR 61/1962 Nr. 1 S. 1 ff.). Diese Auffassung hat das
Bundesgericht als nicht willkürlich beurteilt (ZR, a.a.O, S. 4 E. 7). Dagegen
bringt der Beschwerdeführer substantiiert nichts vor.

3.3 Die Vorinstanz legt dar, der Beschwerdeführer bezeichne sich im Briefkopf
des Rekurses als "Rechtskonsulent". Er trete gerichtsnotorisch relativ häufig
als Rechtsvertreter vor den Zürcher Gerichten auf. Die Vorinstanz kommt sodann
in Würdigung der Umstände zum Schluss, jedes Mandat des Beschwerdeführers habe
einen wirtschaftlichen Hintergrund. Die Berufsmässigkeit sei damit zu bejahen,
weshalb der Beschwerdeführer als Laie nicht zur Rechtsvertretung zugelassen
werden könne.
Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, beschränkt sich im Wesentlichen auf
appellatorische Kritik. Er bringt jedenfalls nichts vor, was die Annahme, er
handle berufsmässig, als offensichtlich unhaltbar und damit geradezu
willkürlich erscheinen lassen könnte. Im Gegenteil stützen seine Vorbringen den
angefochtenen Beschluss, wenn er darlegt, er habe in den letzten zehn Jahren
eine Vielzahl an rechtlichen Vertretungen ausgeübt (Beschwerde S. 5); er habe
in dieser Zeitspanne mehr Freisprüche für seine Mandanten erzielt als mancher
Anwalt; in den vielen Jahren, während denen er rechtliche Vertretungen an den
hiesigen Gerichten geführt habe, habe er unzählige Male gegen Staatsanwälte und
anwaltliche Rechtsvertreter Erfolg gehabt (Beschwerde S. 7).

3.4 Die Beschwerde ist somit auch im vorliegenden Punkt jedenfalls unbegründet.

4.
Der Beschwerdeführer wendet ein, die Vorinstanz habe ihn in einem anderen Fall
als Rechtsvertreter zugelassen. Der angefochtene Entscheid enthalte daher eine
"rechtsungleiche divergierende rechtliche Würdigung". Er verweist auf den
Beschluss der Vorinstanz vom 22. Januar 2009 in einer Sache, welche eine Frau
betraf.
Das Vorbringen ist von vornherein unbehelflich. Die Vorinstanz vertritt im
Beschluss vom 22. Januar 2009 (vorinstanzliche Akten act. 5) die gleiche
Auffassung wie hier. Sie kommt aber zum Schluss, der Beschwerdeführer sei der
Lebenspartner und Freund der Frau. Damit sei davon auszugehen, dass der Fall
der Frau für den Beschwerdeführer unüblich sei. Folgerichtig liege in diesem
Fall keine berufsmässige Vertretung durch den Beschwerdeführer vor.
Diese Besonderheiten, die zum vorinstanzlichen Beschluss vom 22. Januar 2009
geführt haben, übergeht der Beschwerdeführer. Da jener Fall anders lag als
hier, kann der Beschwerdeführer daraus nichts herleiten.

5.
Die Beschwerde ist danach abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

Da sie aussichtslos war, kann das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nach
Art. 64 BGG nicht bewilligt werden. Der Beschwerdeführer trägt deshalb die
Kosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bezirksgericht Zürich,
Einzelrichter in Strafsachen, der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat und dem
Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. September 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Härri