Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.132/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_132/2009

Urteil vom 18. Juni 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Reeb, Eusebio,
Gerichtsschreiber Steinmann.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Christian von
Wartburg,

gegen

Statthalteramt Liestal, Rheinstrasse 27, Postfach,
4410 Liestal.

Gegenstand
Untersuchungshaft,

Beschwerde gegen den Beschluss vom 29. April 2009 des Verfahrensgerichts in
Strafsachen des
Kantons Basel-Landschaft, Präsident.
Sachverhalt:

A.
Das Statthalteramt Liestal führt gegen X.________ seit August 2007 ein
Verfahren, vorerst wegen des Verdachts der Veruntreuung oder des Betrugs,
später wegen des Verdachts qualifizierter Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz und der banden- und gewerbsmässigen Geldwäscherei.
X.________ wurde im November/Dezember 2007 in Untersuchungshaft gehalten. Seit
dem 9. Juli 2008 befindet er sich erneut in Untersuchungshaft. Diese ist
mehrmals verlängert worden.

B.
Am 16. April 2009 beantragte das Statthalteramt Liestal eine weitere
Haftverlängerung um sechs Monate. Der Vizepräsident des Verfahrensgerichts in
Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft gab diesem Begehren am 29. April 2009
statt und verlängerte die Untersuchungshaft für die Dauer von sechs Monaten bis
zum 29. Oktober 2009. Er bejahte den hinreichenden Tatverdacht sowie das
Vorliegen von Kollusions- und Fortsetzungsgefahr und erachtete schliesslich die
Aufrechterhaltung der Haft als verhältnismässig.
Gegen diesen Entscheid hat X.________ am 2. Juni 2009 beim Bundesgericht
Beschwerde in Strafsachen erhoben. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen
Entscheides und die Entlassung aus der Haft, eventualiter die Entlassung unter
Anordnung von Ersatzmassnahmen. Überdies ersucht er um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege.

Das Bezirksstatthalteramt Liestal hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Von
Seiten des Verfahrensgerichts wird unter Hinweis auf den angefochtenen
Entscheid die Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer hat auf
eine Replik verzichtet.

Erwägungen:

1.
Die Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die
Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 BGG kann eingetreten werden.

2.
§ 77 der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Landschaft (StPO) sieht die
Möglichkeit von strafprozessualer Haft vor, wenn ein dringender Verdacht der
Begehung eines Verbrechens oder Vergehens besteht und soweit aufgrund konkreter
Indizien Flucht-, Kollusions- oder Fortsetzungsgefahr zu befürchten sind. Die
Haft ist nach § 78 StPO aufzuheben, wenn sie unverhältnismässig geworden ist;
dies kann zutreffen, wenn Ersatzmassnahmen im Sinne von § 79 StPO möglich und
ausreichend sind. Die Auslegung und Anwendung von solchen Bestimmungen des
massgeblichen kantonalen Strafprozessrechts prüft das Bundesgericht bei
Beschwerden, die sich auf Art. 10 Abs. 2 oder Art. 31 BV berufen, in Anbetracht
der Schwere des Grundrechtseingriffs mit freier Kognition. Soweit jedoch reine
Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind,
greift das Bundesgericht nach Art. 97 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2
BGG nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz
offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung beruhen (BGE 135
I 71 E. 2.5 S. 73).

3.
Der Beschwerdeführer anerkennt den hinreichenden Tatverdacht, bestreitet
indessen das Vorliegen von Kollusions- und Fortsetzungsgefahr und erachtet die
Aufrechterhaltung der Haft als unverhältnismässig, weil Ersatzmassnahmen
möglich und ausreichend seien.

4.
Das Verfahrensgericht hat die Fortsetzungsgefahr in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung des Bundesgerichts umschrieben (vgl. BGE 135 I 71 E. 2.2 und 2.3
S. 72) und darauf hingewiesen, dass aus der früheren deliktischen Tätigkeit und
aufgrund persönlicher Anlagen auf Fortsetzungsgefahr geschlossen werden könne.
Der Beschwerdeführer habe sich durch die Untersuchungshaft im November/Dezember
2007 von einer erneuten Deliktsbegehung nicht abhalten lassen und werde durch
ein psychiatrisches Gutachten in Anbetracht des langjährigen Drogenkonsums und
insbesondere im Falle eines erneuten Kokainkonsums als rückfallgefährdet
betrachtet.
Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, vermag die Annahme von
Fortsetzungsgefahr nicht als verfassungswidrig erscheinen zu lassen. Es ist
davon auszugehen, dass ihm gesamthaft grossangelegter Handel mit
Betäubungsmitteln, insbesondere mit Kokain sowie Geldwäscherei in Millionenhöhe
vorgeworfen wird. Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass er nach der
Untersuchungshaft von November/Dezember 2007 erneut straffällig geworden ist.
Es wird ihm indes nicht nur Konsum von Kokain vorgehalten, der für sich
genommen für Dritte keine ernsthafte Gefahr darstellen mag. Er wird vielmehr
verdächtigt, nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft seine deliktische
Tätigkeit unmittelbar fortgesetzt und weiterhin mit Betäubungsmitteln gehandelt
zu haben. Es besteht daher die konkrete Gefahr, dass der Beschwerdeführer
aufgrund des langjährigen Drogenkonsums und der Rückfallsanfälligkeit im Falle
der Entlassung aus der Haft den ihm vorgeworfenen Drogenhandel erneut und in
ebenfalls grösserem Umfang wieder aufnehmen könnte. Es bedarf keiner weitern
Ausführung, dass er diesfalls eine Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum von
Dritten im Sinne von § 77 Abs. 1 lit. c StPO begründen könnte. Bei dieser
Sachlage erweist sich die Rüge, die Annahme von Fortsetzungsgefahr halte vor
der Verfassung nicht stand, als unbegründet.
In Anbetracht des Umstandes, dass ein einziger spezieller Haftgrund ausreicht,
braucht nicht geprüft zu werden, ob auch Kollusionsgefahr gegeben sei.
Schliesslich fallen bei der Annahme von Fortsetzungsgefahr Ersatzmassnahmen
nach § 79 StPO ausser Betracht. Die vom Beschwerdeführer erwähnte ärztliche
Betreuung oder regelmässige Meldung bei einer Amtsstelle ist nicht geeignet,
ihn von der Begehung weiterer Delikte abzuhalten; Kontaktsperren zum
Personenkreis des Strafverfahrens vermögen die Wiederaufnahme von Drogenhandel
nicht zu verhindern. Damit erweist sich die Beschwerde auch in diesem Punkte
als unbegründet.

5.
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen. Der Beschwerdeführer ersucht um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Diesem Ersuchen kann stattgegeben
werden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

2.1 Es werden keine Kosten erhoben.

2.2 Advokat Dr. Christian von Wartburg wird als amtlicher Rechtsvertreter
bezeichnet und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse
mit Fr. 1'000.-- entschädigt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Statthalteramt Liestal und dem
Verfahrensgericht in Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft, Präsident,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Juni 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Steinmann