Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.125/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_125/2009

Urteil vom 07. Oktober 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger und Reeb
Gerichtsschreiberin Schoder.

Parteien
1. A X.________,
2. B X.________,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Gerd H. Jelenik,

gegen

Untersuchungsamt Altstätten.

Gegenstand
Beschlagnahme,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 31. März 2009 der Anklagekammer des Kantons
St. Gallen.

Sachverhalt:

A.
Anlässlich einer Geschwindigkeitskontrolle am 1. Februar 2009 wurde das
Fahrzeug von A X.________ mit dem amtlichen Kennzeichen SG ... und einem blauen
Lernfahrschild am Heck auf der Strasse von Buchs nach Sevelen mit einer
Geschwindigkeit von 139 km/h vom Kontrollradar erfasst und auf Video
aufgezeichnet. Die erlaubte Höchstgeschwindigkeit beträgt auf der genannten
Strecke 80 km/h. Die Polizeibeamten verfolgten das Fahrzeug und fanden es an
der Adresse der Familie X.________ auf. B X.________ gab sich als Lenker aus,
jedoch lässt die Videoaufzeichnung vermuten, dass nicht er, sondern sein Bruder
C X.________ das Fahrzeug mit massiv übersetzter Geschwindigkeit nach Hause
gelenkt hatte. C X.________ besitzt lediglich einen Lernfahrausweis. Er war
bereits zweimal zur erneuten Prüfung nicht zugelassen worden.

Mit Verfügung vom 4. Februar 2009 wurde das Fahrzeug von der zuständigen
Untersuchungsrichterin beschlagnahmt.

Mit Entscheid vom 31. März 2009 trat die Anklagekammer des Kantons St. Gallen
auf die von A X.________ und B X.________ gegen die Beschlagnahmung erhobene
Beschwerde mangels Erfüllung der Anforderungen an die Beschwerdebegründung
nicht ein. In einer Alternativbegründung führte die Anklagekammer die Gründe
an, weshalb die Beschwerde abzuweisen wäre, wenn darauf eingetreten werden
könnte.

B.
A X.________ und B X.________ haben gegen den Entscheid der Anklagekammer
Beschwerde in Strafsachen erhoben. Neben dessen Aufhebung verlangen sie die
unverzügliche Herausgabe des Fahrzeugs mit dem Kennzeichen SG ..., alles unter
Kosten- und Entschädigungsfolgen im vorinstanzlichen Verfahren und im Verfahren
vor Bundesgericht.

C.
Die Anklagekammer verzichtet auf Stellungnahme. Die zuständige Staatsanwältin
des Untersuchungsamtes Altstätten schliesst auf Abweisung der Beschwerde,
soweit darauf eingetreten werden könne. Die Beschwerdeführer liessen sich
nochmals vernehmen.

Erwägungen:

1.
Der angefochtene Entscheid der Anklagekammer ist im Rahmen einer
Strafuntersuchung ergangen und unterliegt insofern grundsätzlich der Beschwerde
in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG. Er schliesst das Strafverfahren nicht
ab, sondern stellt einen selbständig eröffneten Zwischenentscheid nach Art. 93
Abs. 1 BGG dar. Solche Zwischenentscheide sind gemäss lit. a anfechtbar, wenn
sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können. Ein nicht
wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG muss nach
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung rechtlicher Natur sein, was voraussetzt,
dass er durch einen späteren günstigen Entscheid nicht oder nicht mehr
vollständig behoben werden kann (BGE 133 IV 139 E. 4 S. 141 mit Hinweisen).

Dieses Erfordernis ist mit der Beschlagnahme des Fahrzeugs gegeben, da die
Beschwerdeführer durch die Massnahme daran gehindert werden, über dieses frei
zu verfügen (Urteil des Bundesgerichts 6B_218/2007 vom 23. August 2007 E. 2.4).
Damit haben sie auch ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des
angefochtenen Entscheides im Sinne von Art. 81 Abs. 1 BGG und sind zur
Beschwerde legitimiert.

2.
2.1 Die Beschwerdeführer bestreiten, die Anforderungen des Rügeprinzips gemäss
kantonalem Strafprozessrecht nicht erfüllt zu haben. Ihrer Ansicht nach hätte
auf ihre Beschwerde eingetreten werden müssen.

2.2 Mit Beschwerde kann die Verletzung kantonalen Rechts nur unter dem
Blickwinkel des Willkürverbots geprüft werden (vgl. Art. 95 BGG). Nach der
ständigen Praxis des Bundesgerichts liegt Willkür in der Rechtsanwendung dann
vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen
unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid
jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis
unhaltbar ist; dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar
zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 134 II 124 E. 4.1 S. 133 mit
Hinweisen).

2.3 Gemäss dem angefochtenen Entscheid gilt im Beschwerdeverfahren vor der
Anklagekammer das Rügeprinzip. Art. 232 Abs. 2 des Strafprozessgesetzes des
Kantons St. Gallen vom 1. Juli 1999 verlange, dass die Beschwerdeschrift einen
Antrag und eine kurze Begründung enthalte. Dies entbinde den
Rechtsunterworfenen aber nicht, sich mit den Erwägungen des angefochtenen
Entscheids auseinanderzusetzen und zumindest im Wesentlichen darzulegen, aus
welchen Gründen die angefochtene Verfügung aufzuheben sei. Diesen minimalen
Begründungsanforderungen vermöge im vorliegenden Fall die Beschwerde nicht zu
genügen. Die anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer hätten lediglich gerügt,
die Beschlagnahmeverfügung sei nicht begründet. Sodann hätten sie pauschal
behauptet, die Massnahme sei völlig überzogen, ungerechtfertigt,
unverhältnismässig und entbehre jeglicher rechtlicher Grundlage. Damit sei die
strafprozessuale Begründungspflicht nicht erfüllt, weshalb auf die Beschwerde
nicht einzutreten sei.

Die Beschwerdeführer bringen vor Bundesgericht vor, in der
Beschlagnahmeverfügung sei lediglich auf die anwendbaren gesetzlichen
Vorschriften verwiesen worden, ohne dass dargelegt worden wäre, weshalb die
Beschlagnahme rechtens sei. Da der angefochtene Entscheid keine Begründung
enthalten habe, sei es den Beschwerdeführern gar nicht möglich gewesen, sich
mit einer solchen auseinanderzusetzen. Im Übrigen wiederholen die
Beschwerdeführer ihre im kantonalen Verfahren vorgetragene Beanstandung, dass
die Massnahme unverhältnismässig und ungerecht sei und einer rechtlichen
Grundlage entbehre.

2.4 Angesichts dieser Vorbringen verfiel die Vorinstanz nicht in Willkür, wenn
sie das Rügeprinzip als nicht erfüllt betrachtet. Eine Auseinandersetzung mit
der angefochtenen Beschlagnahmeverfügung wäre den Beschwerdeführern sehr wohl
möglich gewesen, bringen sie doch selbst vor, in der Verfügung sei das
inkriminierte Verhalten genannt und auf die einschlägigen gesetzlichen
Vorschriften hingewiesen worden. Jedenfalls hat die Vorinstanz das kantonale
Verfahrensrecht in vertretbarer Art gehandhabt, wenn sie pauschale
Beanstandungen als ungenüglich qualifiziert. Daran ändert nichts, dass die
angefochtene Beschlagnahmeverfügung nicht eingehend begründet, sondern hierzu
ein vorgedrucktes Formular verwendet wurde.

Somit erweist sich die Beschwerde bezüglich der Hauptbegründung des
angefochtenen Entscheids als unbegründet. Eine Prüfung der Alternativbegründung
der Anklagekammer erübrigt sich.

3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Ausgangsgemäss haben die
Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die
Zusprechung einer Parteientschädigung fällt ausser Betracht (Art. 68 Abs. 3
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Untersuchungsamt Altstätten und
der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Oktober 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Féraud Schoder