Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.120/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_120/2009

Urteil vom 5. Juni 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Eusebio,
Gerichtsschreiber Forster.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Zahradnik,

gegen

Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich,
Betäubungsmitteldelikte und Organisierte Kriminalität, Selnaustrasse 28,
Postfach, 8039 Zürich.

Gegenstand
Sicherheitshaft,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 7. Mai 2009
des Bezirksgerichts Zürich, Haftrichter.
Sachverhalt:

A.
Am 11. Dezember 2008 wurde X.________ in Untersuchungshaft versetzt. Die
Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich erhob gegen ihn am 28. April 2009
Anklage wegen mehrfachen qualifizierten Drogendelikten und weiteren Straftaten.
Gleichentags stellte der Angeklagte ein Gesuch um Haftentlassung. Der
Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich entschied darüber mit Verfügung vom 7.
Mai 2009, indem er (gestützt auf § 67 i.V.m. § 58 StPO/ZH) von Amtes wegen die
Fortdauer der Sicherheitshaft anordnete und das Gesuch um Entlassung aus der
Untersuchungshaft als gegenstandslos geworden bezeichnete.

B.
Gegen die haftrichterliche Verfügung vom 7. Mai 2009 gelangte X.________ mit
Beschwerde vom 13. (Posteingang: 18.) Mai 2009 an das Bundesgericht. Er
beantragt zur Hauptsache seine sofortige Haftentlassung. Die Staatsanwaltschaft
und der kantonale Haftrichter haben auf Vernehmlassungen je ausdrücklich
verzichtet.

Erwägungen:

1.
Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG geben zu keinen Bemerkungen
Anlass.

2.
Strafprozessuale Haft in Form von Sicherheitshaft kann nach Zürcher
Strafverfahrensrecht nur angeordnet bzw. fortgesetzt werden, wenn der
Angeklagte eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und
ausserdem konkrete Anhaltspunkte für einen besonderen Haftgrund, namentlich
Fluchtgefahr, vorliegen (§ 58 Abs. 1 Ziff. 1 i.V.m. § 67 Abs. 2 StPO/ZH).

3.
Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht eines Verbrechens
oder Vergehens nicht. Er wendet sich jedoch gegen die Annahme von Fluchtgefahr
und rügt eine Verletzung der persönlichen Freiheit. Er lebe seit mehr als 14
Jahren in der Schweiz, verfüge über eine Niederlassungsbewilligung C und einen
festen Wohnsitz, und er sei in der Lage, seinen Lebensunterhalt durch eine
IV-Rente sowie Zahlungen der SUVA zu bestreiten. Ein Bruder lebe ebenfalls in
der Schweiz. Ausserdem pflege er, der Beschwerdeführer, noch Beziehungen zu
seiner hier wohnhaften geschiedenen Ehefrau.

3.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts braucht es für die Annahme von
Fluchtgefahr eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich der Angeklagte, wenn er
in Freiheit wäre, der Strafverfolgung und dem Vollzug der Strafe durch Flucht
entziehen würde. Die Schwere der drohenden Strafe darf als ein Indiz für
Fluchtgefahr gewertet werden. Sie genügt jedoch für sich allein nicht, um den
Haftgrund zu bejahen. Vielmehr müssen die konkreten Umstände des betreffenden
Falles, insbesondere die gesamten Lebensverhältnisse des Angeklagten, in
Betracht gezogen werden (BGE 125 I 60 E. 3a S. 62; 117 Ia 69 E. 4a S. 70, je
mit Hinweisen). So ist es zulässig, die familiären und sozialen Bindungen des
Häftlings, dessen berufliche Situation und Schulden sowie Kontakte ins Ausland
und Ähnliches mitzuberücksichtigen. Auch bei einer befürchteten Ausreise in ein
Land, das den Angeklagten grundsätzlich an die Schweiz ausliefern bzw.
stellvertretend verfolgen könnte, ist die Annahme von Fluchtgefahr nicht
ausgeschlossen (BGE 123 I 31 E. 3d S. 36 f.). Wie bei den übrigen
strafprozessualen Haftarten gilt auch bei der Sicherheitshaft, dass sie nur als
"ultima ratio" angeordnet oder aufrechterhalten werden darf. Wo sie durch
mildere Massnahmen ersetzt werden kann, muss von der Anordnung oder Fortdauer
der Haft abgesehen und an ihrer Stelle eine solche Ersatzmassnahme angeordnet
werden (BGE 135 I 71 E. 2.3 S. 73, E. 2.16 S. 78 f.; 133 I 270 E. 3.3.1 S. 279,
je mit Hinweisen).

3.2 Bei Haftbeschwerden prüft das Bundesgericht (im Hinblick auf die Schwere
des Eingriffes in das Grundrecht der persönlichen Freiheit) die Auslegung und
Anwendung des kantonalen Prozessrechtes frei. Soweit jedoch reine
Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind,
greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen der
Vorinstanz offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im
Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE
135 I 71 E. 2.5 S. 73 f. mit Hinweis).

3.3 Dem Beschwerdeführer werden in der Anklageschrift vom 28. April 2009
mehrfache qualifizierte Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz
(Kokainhandel) sowie weitere Delikte vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft
beantragt die Ausfällung einer Freiheitsstrafe von vier Jahren (unter
Anrechnung der erstandenen strafprozessualen Haft) sowie eine Geldstrafe.

Die Vorinstanz durfte die dem (bereits vorbestraften) Beschwerdeführer drohende
empfindliche Freiheitsstrafe als erhebliches Fluchtindiz berücksichtigen.
Sodann bestreitet er nicht, dass er albanischer Staatsangehöriger ist und in
seinem Heimatland geboren wurde, wo (von einem in der Schweiz wohnhaften Bruder
abgesehen) auch seine Familienangehörigen hauptsächlich leben.
Unbestrittenermassen geht er in der Schweiz keinem Arbeitserwerb nach und ist
seit etwa fünf Jahren geschieden. Den eigenen Angaben zufolge bestreitet er
seinen Lebensunterhalt (über die ihm zur Last gelegten Einkünfte aus
Drogenhandel hinaus) ausschliesslich aus einer IV-Rente und Zahlungen der SUVA.
Über Vermögen verfüge er in der Schweiz nicht.

3.4 Aus dem Gesagten ergeben sich ausreichend konkrete Anhaltspunkte für das
Vorliegen von Fluchtgefahr.

3.5 Als verfassungskonform erweist sich auch die Einschätzung der Vorinstanz,
der dargelegten Fluchtneigung lasse sich mit blossen Ersatzmassnahmen für
Sicherheitshaft nicht ausreichend begegnen (vgl. BGE 135 I 71 E. 2.16 S. 78 f.;
133 I 270 E. 3.3.1 S. 279). Dabei durfte sie (sinngemäss) mitberücksichtigen,
dass eine Pass- und Schriftensperre den Beschwerdeführer an einer Flucht kaum
wirksam zu hindern vermöchte und eine Kautionsleistung (angesichts seiner von
ihm dargelegten prekären finanziellen Situation) nicht in Betracht fiele.

3.6 Es kann offen bleiben, ob neben Fluchtgefahr zusätzlich noch der
(alternative) besondere Haftgrund der Wiederholungsgefahr erfüllt wäre.

4.
Schliesslich rügt der Beschwerdeführer die bisherige Haftdauer als
unverhältnismässig. Die Staatsanwältin habe ihm (unter gewissen Umständen) die
Beantragung einer bedingten Freiheitsstrafe in Aussicht gestellt. In jenen
Anklagepunkten, die er bestreite, sei eine Verurteilung noch völlig offen. Auch
könne nicht ohne Weiteres von einer drohenden vierjährigen unbedingten
Freiheitsstrafe ausgegangen werden.

4.1 Gemäss Art. 31 Abs. 3 BV hat eine in strafprozessualer Haft gehaltene
Person Anspruch darauf, innerhalb einer angemessenen Frist richterlich
abgeurteilt oder während des Strafverfahrens aus der Haft entlassen zu werden.
Eine übermässige Haftdauer stellt eine unverhältnismässige Beschränkung dieses
Grundrechts dar. Sie liegt dann vor, wenn die Haftfrist die mutmassliche Dauer
der zu erwartenden freiheitsentziehenden Sanktion übersteigt. Bei der Prüfung
der Verhältnismässigkeit der Haftdauer ist namentlich der Schwere der
untersuchten Straftaten Rechnung zu tragen. Der Richter darf die Haft nur so
lange erstrecken, als sie nicht in grosse zeitliche Nähe der (im Falle einer
rechtskräftigen Verurteilung) konkret zu erwartenden Dauer der
freiheitsentziehenden Sanktion rückt (BGE 133 I 168 E. 4.1 S. 170, 270 E. 3.4.2
S. 281, je mit Hinweisen). Im Weiteren kann eine Haft die zulässige Dauer auch
dann überschreiten, wenn das Strafverfahren nicht genügend vorangetrieben wird.
Die Frage, ob eine Haftdauer als übermässig bezeichnet werden muss, ist
aufgrund der konkreten Verhältnisse des einzelnen Falles zu beurteilen (BGE 133
I 168 E. 4.1 S. 170 f., 270 E. 3.4.2 S. 281; 132 I 21 E. 4.1 S. 27 f., je mit
Hinweisen).

4.2 Wie bereits dargelegt (oben, E. 3.3), hat der vorbestrafte Beschwerdeführer
im Falle einer Verurteilung mit einer mehrjährigen Freiheitsstrafe zu rechnen.
Damit ist die bisherige strafprozessuale Haft von knapp sechs Monaten Dauer
offensichtlich noch nicht in grosse Nähe des drohenden Freiheitsentzuges
gerückt. Daran ändert auch das Vorbringen nichts, der Beschwerdeführer könnte
erneut (wie schon mit Urteil vom 1. Februar 2005) zu einer bedingten
Freiheitsstrafe verurteilt werden. Selbst wenn eine Neuverurteilung zu einer
voll- oder teilbedingten Freiheitsstrafe nicht ausgeschlossen erschiene,
bestünde in der vorliegenden Konstellation keine strafprozessuale Überhaft
(vgl. BGE 133 I 270 E. 3.4.2 S. 281 f.; 125 I 60 E. 3d S. 64; 124 I 208 E. 6 S.
215, je mit Hinweisen; Urteile 1B_12/2007 vom 26. Februar 2007 E. 3.4; 1B_6/
2007 vom 20. Februar 2007 E. 2.5).

5.
Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen.

Der Beschwerdeführer stellt zwar ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung
und Rechtsverbeiständung. Die Beschwerde erweist sich jedoch als zum Vornherein
aussichtslos, weshalb das Gesuch nicht zu bewilligen ist (Art. 64 Abs. 1 BGG).
Auf die Erhebung von Gerichtskosten kann im vorliegenden Fall ausnahmsweise
verzichtet werden (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 62 Abs. 1 Satz 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft II des Kantons
Zürich und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Juni 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Forster