Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.111/2009
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_111/2009

Urteil vom 8. Juni 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Kessler Coendet.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, Bahnhofplatz 3a, 4410 Liestal.

Gegenstand
Sicherheitshaft,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 7. April 2009
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft,
Abteilung Zivil- und Strafrecht.
Sachverhalt:

A.
X.________ wurde am 3. Mai 2006 verhaftet. Am 7. April 2009 verurteilte ihn das
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, wegen
gewerbsmässigem Betrug, mehrfacher Urkundenfälschung, Pfändungsbetrug,
mehrfacher grober Verletzung von Verkehrsregeln sowie einfacher Verletzung von
Verkehrsregeln zu einer Gesamt-Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun
Monaten. Dieses Strafurteil erging im Nachgang zum bundesgerichtlichen Urteil
6B_748/2008 vom 16. Februar 2009, mit dem das frühere Urteil des
Kantonsgerichts vom 29. April 2008 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung
an diese Instanz zurückgewiesen worden war. Ebenfalls am 7. April 2009 verfügte
die Präsidentin der Abteilung Zivil- und Strafrecht des Kantonsgerichts die
Verlängerung der Sicherheitshaft einstweilen bis zum 7. Oktober 2009. Dies
geschah unter dem Vorbehalt eines früheren Eintritts der Rechtskraft bezüglich
des Strafurteils.

B.
Mit Eingabe vom 7. Mai 2009 erhebt X.________ beim Bundesgericht "dringliche
Beschwerde" gegen die Haftverfügung vom 7. April 2009. Er beantragt im
Wesentlichen die sofortige Freilassung. Dies sei vom Bundesgericht mit einer
Zwischenverfügung oder eventualiter im Rahmen des Endentscheids über seine
Beschwerde anzuordnen. Ausserdem ersucht der Beschwerdeführer um unentgeltliche
Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren. Weiter sei ihm mit
Zwischenverfügung ein unentgeltlicher Rechtsbeistand, gegebenenfalls in der
Person seines Offizialverteidigers, beizugeben, damit dieser die Beschwerde
binnen der Beschwerdefrist ergänzen und das Verfahren weiter begleiten könne.
Das Kantonsgericht stellt den Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei. Die Staatsanwaltschaft hat sich nicht zur Angelegenheit
vernehmen lassen. In der Replik vom 3. Juni 2009 bekräftigt der
Beschwerdeführer seinen Standpunkt.

Erwägungen:

1.
Die Sachurteilsvoraussetzungen gemäss Art. 78 ff. BGG sind an sich erfüllt und
geben keinen Anlass zu Bemerkungen.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen von Fortsetzungsgefahr. Er
stellt die Stichhaltigkeit des psychiatrischen Gutachtens, auf welches sich die
Vorinstanz bei der Annahme von Fortsetzungsgefahr unter anderem gestützt hat,
in Abrede. Weiter beanstandet er es als Verletzung seines Gehörsanspruchs, dass
nicht ein neues, von seinem behandelnden Arzt zu erstellendes Gutachten
eingeholt worden ist und keine Ersatzmassnahmen geprüft worden sind.
Das Bundesgericht hat sich bereits wiederholt mit den Argumenten befasst, die
der Beschwerdeführer zu diesem Themenkomplex vorgebracht hat (vgl. Urteile
1B_61/2009 vom 30. März 2009 E. 2.1; 1B_289/2008 und 1B_299/2008 vom 17.
Dezember 2008 E. 2). Dieser tut nicht dar, inwiefern sich hinsichtlich
Fortsetzungsgefahr und Aussagekraft des umstrittenen psychiatrischen Gutachtens
etwas geändert haben soll. Ebenso wenig zeigt er auf, mit welchen
Ersatzmassnahmen die Fortsetzungsgefahr wirksam behoben werden könnte. Es ist
daher auch nicht zu beanstanden, dass im angefochtenen Entscheid insofern
hauptsächlich auf die früheren Haftverfügungen verwiesen worden und eine
erneute einlässliche Begründung unterblieben ist.

2.2 Eingehend befasst hat sich die Vorinstanz mit der Verhältnismässigkeit der
Haftdauer bzw. mit der Frage der Überhaft. Mit dem neuen Strafurteil des
Kantonsgerichts vom 7. April 2009 ist das Strafmass, das im früheren Urteil vom
29. April 2008 auf vier Jahre festgesetzt worden war, auf drei Jahre und neun
Monate reduziert worden. Unter Zugrundelegung dieser Strafreduktion wäre die
Freiheitsstrafe am 3. Februar 2010 verbüsst. Die Vorinstanz hat aber an der in
früheren Haftverfügungen geäusserten Beurteilung festgehalten, dass eine
bedingte Entlassung ausser Betracht falle. Weiter ging die Vorinstanz davon
aus, die Haftdauer sei noch nicht in unmittelbare Nähe der voraussichtlich zu
erwartenden Freiheitsstrafe gerückt.

2.3 Es erweist sich nicht als verfassungswidrig, dass der angefochtene
Entscheid im Hinblick auf die zu erwartende Strafe auf das vom Kantonsgericht
am selben Tag neu gefällte Strafurteil abstellt. Daran ändern die Ausführungen
des Beschwerdeführers zum tieferen Strafmass, das seiner Meinung nach hätte
festgesetzt werden müssen, nichts. Zudem erhebt der Beschwerdeführer keine
neuen Einwände gegen die Beurteilung der Vorinstanz, dass eine bedingte
Entlassung nicht wahrscheinlich sei. Insofern kann ebenfalls auf die ergangenen
bundesgerichtlichen Urteile (1B_61/2009 vom 30. März 2009 E. 2.2 mit Hinweis)
verwiesen werden. Im Übrigen lässt sich auch im heutigen Zeitpunkt noch nicht
sagen, dass die strafprozessuale Haft in grosse zeitliche Nähe des
Freiheitsentzugs gerückt ist, der dem Beschwerdeführer im Falle einer
rechtskräftigen Verurteilung droht. Sofern keine wesentlichen neuen
Gesichtspunkte hinzukommen, dürfte sich an dieser Beurteilung bis zum Ablauf
der im Streit liegenden Haftverlängerung nichts ändern.

2.4 Unter diesen Umständen besteht kein Anlass, dem Antrag des
Beschwerdeführers auf Haftentlassung Folge zu leisten. Ferner wurde der
Beschwerdeführer im Urteil 1B_92/2009 vom 21. April 2009 daran erinnert, dass
die Beschwerdewege zur Anfechtung von Strafurteil und Haftverfügung beim
Bundesgericht getrennt sind. Es sprengt das vorliegende Haftprüfungsverfahren,
wenn der Beschwerdeführer hier beantragt, dass der Beschwerde gegen das
Strafurteil die aufschiebende Wirkung gemäss Art. 103 Abs. 2 lit. b BGG zu
gewähren sei. Darauf ist nicht weiter einzugehen.

3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung
nach Art. 64 BGG. In Haftfällen nimmt das Bundesgericht nicht leichthin die
Aussichtslosigkeit der Beschwerde an. Auch im Lichte dieser Praxis muss die
vorliegende Beschwerde jedoch als aussichtslos bezeichnet werden. Die
Vorbringen des Beschwerdeführers sind offensichtlich ungeeignet, eine
Bundesrechtswidrigkeit darzutun. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung kann demzufolge nicht bewilligt werden. Auf eine Kostenauflage
ist indessen zu verzichten (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Basel-Landschaft und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und
Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. Juni 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Kessler Coendet