Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 878/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_878/2008

Urteil vom 18. November 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber Traub.

Parteien
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54,
9016 St. Gallen, Beschwerdeführerin,

gegen

B.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch lic. iur. Andrea Kaiser, c/o Advokaturbüro
Adrian Fiechter, Poststrasse 6, 9443 Widnau.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 1. September 2008.

Sachverhalt:
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hielt auf Beschwerde des
B.________ gegen einen Einspracheentscheid der kantonalen IV-Stelle vom 24.
Oktober 2006 hin fest, das von der Verwaltung eingeholte interdisziplinäre
Gutachten erlaube keine abschliessende Beurteilung des Gesundheitszustandes des
Versicherten, und wies die Sache dementsprechend "zur psychiatrischen
Oberbegutachtung und zur neuen Verfügung im Sinne der Erwägungen" an die
Verwaltung zurück (Entscheid vom 1. September 2008).
Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben.

Erwägungen:

1.
1.1 Beim angefochtenen Rückweisungsentscheid handelt es sich um einen
Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG, da das Verfahren damit nicht
abgeschlossen wird und die Rückweisung auch nicht einzig der Umsetzung des
oberinstanzlich Angeordneten dient (BGE 133 V 477 E. 4.2 S. 481 mit Hinweisen;
SVR 2008 IV Nr. 39 S. 131 E. 1.1 [9C_684/2007]). Die Zulässigkeit der
Beschwerde setzt somit (alternativ) voraus, dass der anzufechtende Entscheid
einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a
BGG) oder dass die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid
herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein
weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Abs. 1 lit. b).
1.2
1.2.1 Nach der Rechtsprechung ist ein irreversibler Nachteil im Sinne von Art.
93 Abs. 1 lit. a BGG gegeben, wenn Verwaltung und Versicherungsträger sich
durch den Rückweisungsentscheid gezwungen sehen, eine ihres Erachtens
rechtswidrige Verfügung zu erlassen. Diesfalls kann die Verwaltung bereits
diesen Entscheid anfechten (BGE 133 V 477 E. 5.2 S. 483; vgl. Art. 93 Abs. 3
BGG).

Im vorliegenden Fall enthält der vorinstanzliche Rückweisungsentscheid keine
materiellen Vorgaben, die dem Rechtsstandpunkt der IV-Stelle widersprechen und
an welche diese im Rahmen der anschliessenden Beurteilung und neuen Verfügung
gebunden wäre (vgl. BGE 129 I 313 E. 3.2 S. 317). Die Verwaltung wendet sich
denn auch einzig gegen die vom kantonalen Gericht angeordnete Einholung eines
psychiatrischen Obergutachtens.
1.2.2 Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit.
a BGG liegt vor, wenn der Nachteil auch mit einem für die beschwerdeführende
Partei günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behebbar wäre. Die
Verpflichtung zur weiteren Abklärung und neuen Entscheidung stellt selbst für
den Fall, dass die vorinstanzliche Feststellung, der rechtserhebliche
Sachverhalt sei ungenügend abgeklärt, offensichtlich unrichtig wäre oder auf
einer qualifiziert unrichtigen oder sogar willkürlichen Beweiswürdigung beruhte
(vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG), keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im
genannten Sinn dar. Denn einerseits verliehe auch eine allfällige
Rechtsverletzung nach Art. 97 Abs. 1 BGG dem Nachteil an sich unnötiger
Abklärungen ohnehin nicht rechtlichen Charakter (erwähntes Urteil 9C_301/2007
E. 2.2). Anderseits entspricht eine blosse Verlängerung oder Verteuerung des
Verfahrens durch weitere Abklärungen nach mehrfach bestätiger Rechtsprechung
nicht dem Kriterium von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (BGE 133 V 477 E. 5.2.1 und
5.2.2 S. 483; SVR 2008 IV Nr. 31 S. 100 E. 1.2 [I 126/07]; Urteil 8C_587/2008
vom 1. September 2008 E. 3.2.1).

1.3 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Gutheissung ihrer Beschwerde
führte unmittelbar zu einem Endentscheid, womit im Sinne von Art. 93 Abs. 1
lit. b BGG unnötiger Verfahrensaufwand vermieden würde. Die Schlussfolgerung
der Vorinstanz, der rechtserhebliche Sachverhalt sei nicht genügend abgeklärt,
entspricht einer Tatfrage, welche das Bundesgericht nur eingeschränkt
überprüfen kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Da eine derartige
vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung in der Regel nicht offensichtlich
unrichtig sein dürfte, womit die Beschwerde ebenso regelmässig abzuweisen wäre
und der damit bezweckte Nutzen (Vermeidung von Verfahrensaufwand) doch nicht
einträte, verfolgt das Gericht eine generell zurückhaltende Eintretenspraxis.
Deshalb wird auf Beschwerden gegen vorinstanzliche Rückweisungsentscheide, mit
denen einzig eine ergänzende Sachverhaltsabklärung angeordnet wird und die
nicht auf einer falschen Rechtsanwendung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen, in
invalidenversicherungsrechtlichen Streitigkeiten auch nicht nach Massgabe von
Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG eingetreten (Urteil 9C_234/2007 vom 3. Oktober 2007
und 9C_301/2007 vom 28. September 2007 E. 2.2 in fine), es sei denn, die
Beschwerde lege im Einzelfall dar, dass durch den sofortigen Endentscheid ein
bedeutender Aufwand eingespart werden könnte, was hier jedoch nicht zutrifft.

2.
Nach dem Gesagten sind die alternativen Sachurteilsvoraussetzungen des Art. 93
Abs. 1 BGG offensichtlich nicht gegeben, weshalb auf die Beschwerde im
vereinfachten Verfahren ohne Durchführung eines Schriftenwechsels nicht
eingetreten wird (Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG per analogiam). Inskünftig werden
Beschwerden, welche mit der hier zu behandelnden Eingabe vergleichbar sind, als
offensichtlich unzulässige Rechtsmittel durch einzelrichterlichen Entscheid
nach Art. 108 Abs. 1 lit. a BGG erledigt.

3.
Die Gerichtskosten sind - entsprechend dem Prozessausgang - der unterliegenden
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der IV-Stelle des Kantons St. Gallen
auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. November 2008
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Traub