Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 867/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_867/2008

Urteil vom 6. April 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiber Fessler.

Parteien
S.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Tim Walker,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 9. September 2008.

Sachverhalt:

A.
Nachdem ein erstes Leistungsgesuch am 31. Mai 2002 abgelehnt worden war,
meldete sich die 1948 geborene S.________ im Juli 2005 erneut bei der
Invalidenversicherung an und beantragte eine Rente. Nach Abklärungen und
Durchführung des Vorbescheidverfahrens sprach ihr die IV-Stelle des Kantons St.
Gallen mit Verfügung vom 22. November 2007 aufgrund eines Invaliditätsgrades
von 40 % ab 1. Februar 2005 eine Viertelsrente zu.

B.
Am 14. Januar 2008 erhob Rechtsanwalt Tim Walker namens und im Auftrag von
S.________ bei der IV-Stelle Einsprache und beantragte unter anderem, die
Verfügung vom 22. November 2007 sei aufzuheben und seiner Mandantin eine höhere
Invalidenrente zuzusprechen. Die Verwaltung überwies die Eingabe
zuständigkeitshalber an das kantonale Versicherungsgericht zur Behandlung als
Beschwerde.
Mit präsidialem Entscheid vom 9. September 2008 trat das Versicherungsgericht
des Kantons St. Gallen auf die Eingabe vom 14. Januar 2008 (Einsprache) nicht
ein.

C.
S.________ lässt durch Rechtsanwalt Tim Walker Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, es sei
der Entscheid vom 9. September 2008 aufzuheben, soweit das Rechtsmittel ganz
oder teilweise gutgeheissen werde, für das kantonale Verfahren eine angemessene
Parteientschädigung zuzusprechen sowie ein zweiter Schriftenwechsel nach
Zustellung der Vernehmlassungen der übrigen Verfahrensbeteiligten
durchzuführen.
Kantonales Gericht, IV-Stelle und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten
auf eine Vernehmlassung.

D.
Mit Verfügung vom 11. Februar 2009 ist das Gesuch von S.________ um
unentgeltliche Rechtspflege mangels Bedürftigkeit abgewiesen worden.

Erwägungen:

1.
Das Hauptbegehren in der Beschwerde lautet auf Aufhebung des vorinstanzlichen
Entscheids. In der Begründung dieses Antrags wird gerügt, das Nichteintreten
auf die am 14. Januar 2008 irrtümlich bei der IV-Stelle eingereichte und als
solche bezeichnete Einsprache gegen deren Verfügung vom 22. November 2007
(Zusprechung einer Viertelsrente ab 1. Februar 2005) sei überspitzt
formalistisch. Die Vorinstanz hätte die Eingabe als Beschwerde entgegennehmen
und materiell behandeln müssen. Somit liegt insgesamt ein hinreichend klares,
den Streitgegenstand eindeutig bestimmendes Begehren vor (Art. 42 Abs. 1 BGG;
BGE 125 V 414 und 116 V 265 E. 2a S. 266).

2.
Die Beschwerdeführerin beantragt die Durchführung eines zweiten
Schriftenwechsels. Ein solcher ist indessen nicht erforderlich (Art. 102 Abs. 3
BGG).

3.
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es
ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an
die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann unter Berücksichtigung der den
Parteien obliegenden Rügepflicht eine Beschwerde aus einem anderen als dem
angerufenen Grund gutheissen oder mit einer von der Argumentation der
Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 und 1.4.2
S. 254; Urteil 9C_562/2008 vom 3. November 2008 E. 1).

4.
Den angefochtenen Nichteintretensentscheid erliess der Präsident der Abteilung
II des kantonalen Versicherungsgerichts. Die Beschwerdeführerin bestreitet die
einzelrichterliche Zuständigkeit.

4.1 Die kraft Art. 1 Abs. 1 IVG auch bei Streitigkeiten betreffend eine Rente
der Invalidenversicherung anwendbaren Rechtspflegebestimmungen des
Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (Art. 56 ff. ATSG) enthalten keine Vorschriften über
die Zusammensetzung, insbesondere die (numerisch) richtige Besetzung der
kantonalen Versicherungsgerichte. Die Regelung dieser Frage obliegt somit den
Kantonen. Auslegung und Anwendung kantonalen Gesetzesrechts prüft das
Bundesgericht - vorbehältlich der in Art. 95 lit. c und d BGG genannten Fälle -
lediglich unter dem eingeschränkten Blickwinkel der Willkür (Art. 9 BV).
Dagegen beurteilt sich frei und ohne Bindung an allfällige Vorbringen der
Parteien, ob die - als vertretbar erkannte - Auslegung kantonaler Vorschriften
mit der in Art. 30 Abs. 1 BV gewährleisteten Garantie eines durch Gesetz
geschaffenen, zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Gerichts und mit dem
übrigen Bundesrecht vereinbar ist (vgl. BGE 129 V 335 E. 1.3.2 S. 338; SVR 2006
KV Nr. 31, K 139/04 E. 2.2 [in BGE 132 V 303 nicht publiziert]; BGE 9C_781/2008
vom 25. März 2009 E. 3.1).

Willkür in der Rechtsanwendung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid
offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das
Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die
Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist; dass eine andere Lösung
ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 132 I
175 E. 1.2 S. 177; 131 I 467 E. 3.1 S. 473 f., je mit Hinweisen; Urteil 9C_836/
2008 vom 30. Oktober 2008 E. 2.3).
4.2
4.2.1 Nach Art. 17 Abs. 2 des st. gallischen Gerichtsgesetzes vom 2. April 1987
(sGS 941.1) ist das Versicherungsgericht in Abteilungen gegliedert. Es spricht
Recht durch Kammern von drei oder fünf Mitgliedern. Für einfache Fälle können
Einzelrichterentscheide vorgesehen werden. Gemäss Art. 9 der Verordnung vom 11.
Januar 2005 über die Organisation des Versicherungsgerichtes (sGS 941.114)
können in einfachen Fällen die Abteilungspräsidentinnen und
Abteilungspräsidenten sowie die teilamtlichen Mitglieder als Einzelrichterinnen
und Einzelrichter entscheiden (Abs. 1). Als einfache Fälle gelten insbesondere
Streitsachen mit einem unbestrittenen oder eindeutigen Sachverhalt, die
aufgrund einer klaren Rechtslage oder einer feststehenden Gerichtspraxis
beurteilt werden können (Abs. 2). Mit dieser Umschreibung sind nicht nur
offensichtlich unzulässige oder offensichtlich unbegründete Beschwerden
erfasst, sondern allgemein Fälle, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht
einfach sind, d.h. keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen
und in Bezug auf Tatfragen liquid sind (Urteil 9C_836/2008 vom 30. Oktober 2008
E. 3.4; vgl. auch Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts I 578/03 vom 8. Juni
2004 E. 2.2 und I 622/01 vom 30. Oktober 2002 E. 2.3).
4.2.2 In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass die Verfügung vom 22. November
2007 (Zusprechung einer Viertelsrente ab 1. Februar 2005) eine
Rechtsmittelbelehrung enthielt. Danach konnte innert 30 Tagen beim kantonalen
Versicherungsgericht Beschwerde eingereicht werden. Der während laufender
Rechtsmittelfrist mandatierte Rechtsvertreter der Versicherten reichte am 14.
Januar 2008, dem unbestrittenermassen letzten Tag der Frist, bei der
verfügenden IV-Stelle Einsprache ein und beantragte die Zusprechung einer
höheren Invalidenrente. Die Verwaltung leitete die Eingabe zuständigkeitshalber
an das kantonale Versicherungsgericht zur Behandlung als Beschwerde weiter.
Dieses trat auf die Eingabe vom 14. Januar 2008 (Einsprache) nicht ein. Der
Sachverhalt ist insoweit klar. Ob (auch) in rechtlicher Hinsicht ein einfacher
Fall im Sinne des einschlägigen kantonalen Rechts vorliegt, ist zweifelhaft.
Die Frage des Nichteintretens oder Eintretens auf die von der IV-Stelle
überwiesene Eingabe vom 14. Januar 2008 ist unter verschiedenen rechtlichen
Gesichtspunkten zu prüfen, wie auch die vorinstanzlichen Erwägungen zeigen. Von
einer diesbezüglich klaren Rechtslage kann jedenfalls nicht gesprochen werden
(vgl. nachstehend E. 7). Wie es sich damit verhält, kann jedoch offenbleiben.
Die materiell streitige Frage, ob die Eingabe bei der IV-Stelle vom 14. Januar
2008 eine - rechtzeitig erhobene - Beschwerde darstellt und demzufolge vom
kantonalen Versicherungsgericht (in numerisch richtiger Besetzung) zu behandeln
ist (E. 1), kann abschliessend entschieden werden.

5.
5.1
5.1.1 Über Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die erheblich sind oder mit
denen die betroffene Person nicht einverstanden ist, hat der
Versicherungsträger schriftlich Verfügungen zu erlassen (Art. 49 Abs. 1 ATSG).
Die Verfügungen werden mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen (Art. 49 Abs. 3
Satz 1 ATSG). Gegen Verfügungen kann innerhalb von 30 Tagen bei der verfügenden
Stelle Einsprache erhoben werden; davon ausgenommen sind prozess- und
verfahrensleitende Verfügungen (Art. 52 Abs. 1 ATSG). Der Versicherungsträger
kann auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide
zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung
von erheblicher Bedeutung ist (Art. 53 Abs. 2 ATSG).

Gelangt die Partei rechtzeitig an einen unzuständigen Versicherungsträger, so
gilt die Frist als gewahrt (Art. 39 Abs. 2 ATSG).
5.1.2 Gegen Einspracheentscheide oder Verfügungen, gegen welche eine Einsprache
ausgeschlossen ist, kann Beschwerde erhoben werden (Art. 56 Abs. 1 ATSG). Jeder
Kanton bestellt ein Versicherungsgericht als einzige Instanz zur Beurteilung
von Beschwerden aus dem Bereich der Sozialversicherung (Art. 57 ATSG). Die
Beschwerde ist innerhalb von 30 Tagen nach der Eröffnung des
Einspracheentscheides oder der Verfügung, gegen welche eine Einsprache
ausgeschlossen ist, einzureichen. Die Artikel 38-41 sind sinngemäss anwendbar
(Art. 60 Abs. 1 und 2 ATSG). Die Beschwerde muss eine gedrängte Darstellung des
Sachverhaltes, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten. Genügt
sie diesen Anforderungen nicht, so setzt das Versicherungsgericht der
Beschwerde führenden Person eine angemessene Frist zur Verbesserung und
verbindet damit die Androhung, dass sonst auf die Beschwerde nicht eingetreten
wird (Art. 61 lit. b ATSG).

5.2 Diese Ordnung galt nach Art. 1 Abs. 1 IVG in der Zeit vom 1. Januar 2003
bis 30. Juni 2006 ohne Ausnahme auch im Leistungsbereich der
Invalidenversicherung. Gegen rentenablehnende Verfügungen war somit Einsprache
bei der verfügenden IV-Stelle zu erheben. Seit 1. Juli 2006 gilt indessen
wieder dieselbe Regelung wie vor Inkrafttreten des Allgemeinen Teils des
Sozialversicherungsrechts am 1. Januar 2003. Danach geht der Verfügung ein
Vorbescheidverfahren voraus (Art. 57a Abs. 1 IVG sowie Art. 73bis und 73ter
IVV). Die Verfügungen der IV-Stellen sind beim kantonalen Versicherungsgericht
am Ort der IV-Stelle oder beim Bundesverwaltungsgericht anzufechten (Art. 69
Abs. 1 IVG; AS 2003 2006 f).

6.
Die Beschwerdeführerin rügt, das Nichteintreten der Vorinstanz auf die mit
«Einsprache betreffend Invalidenrente» überschriebene Eingabe bei der
verfügenden IV-Stelle verletze Art. 9 BV (Grundsatz von Treu und Glauben), Art.
29 BV (Anspruch auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör), Art. 6 Ziff. 1
EMRK sowie Art. 96 Abs. 1 des kantonalen Gerichtsgesetzes (Berichtigung
offenkundiger Versehen von Entscheiden, wie Schreibfehler und irrige
Bezeichnungen der Beteiligten), sei insgesamt überspitzt formalistisch. Sie
bringt im Wesentlichen vor, aus der Eingabe vom 14. Januar 2008 gehe ganz
eindeutig der Wille hervor, die Verfügung vom 22. November 2007 vorbehaltlos
anzufechten. Es gehe einzig und allein um eine irrtümlich falsche Bezeichnung
einer Eingabe («Einsprache» statt «Beschwerde»). Dieser blosse Formfehler hätte
von der Vorinstanz ohne weiteres und ohne Änderung von Antrag und Begründung
korrigiert werden können und müssen, indem sie die Worte «Einsprache» durch
«Beschwerde» und «Einsprecherin» durch «Beschwerdeführerin» ersetzt hätte.

7.
Überspitzter Formalismus als eine besondere Form der Rechtsverweigerung liegt
vor, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne
dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, oder wenn die Behörde formelle
Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt (BGE 120 V 413 E. 4b S. 417).
Prozessuale Formen sind jedoch unerlässlich, um die ordnungsgemässe Abwicklung
des Verfahrens sowie die Durchsetzung des materiellen Rechts zu gewährleisten
(BGE 118 V 311 E. 4 S. 315; 114 Ia 34 E. 3 S. 40). Überspitzter Formalismus ist
daher nur gegeben, wenn die strikte Anwendung der Formvorschriften durch keine
schutzwürdigen Interessen gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird und
die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder
verhindert (BGE 134 II 244 E. 2.4.3 S. 248; 130 V 177 E. 5.4.1 S. 183; 125 I
166 E. 3a S. 170).

7.1 Die Vorinstanz hat erwogen, die Versicherte resp. ihr Rechtsvertreter habe
trotz klarer, korrekter Rechtsmittelbelehrung das falsche, nämlich nicht mehr
existierende Rechtsmittel der Einsprache nach Art. 52 Abs. 1 ATSG ergriffen und
gerade keine Beschwerde im Sinne von Art. 56 Abs. 1 ATSG erhoben. In der
Einsprache sei zwar gegenüber der IV-Stelle schriftlich der Wille kundgetan
worden, die Verfügung nicht gelten zu lassen, und es sei eine Änderung der
Rechtslage verlangt worden. Dabei handle es sich indessen nicht um einen in
prozessual gehöriger Form klar bekundeten Anfechtungswillen im Sinne von Art.
61 lit. b ATSG. Seit der Abschaffung des Einspracheverfahrens im Bereich der
Invalidenversicherung verlange eine gültige Beschwerde in Abgrenzung zu einem
Wiedererwägungsgesuch, welches den Fristenlauf nicht unterbreche, zusätzlich
eine klare Willenskundgabe, die Sache vor den Richter tragen zu wollen. Da die
Versicherte nicht ein taugliches Rechtsmittel, nämlich eine Beschwerde an das
Versicherungsgericht, versehentlich am unzuständigen Ort, nämlich bei der
IV-Stelle, habe einreichen lassen, gelange Art. 39 Abs. 2 ATSG in Verbindung
mit Art. 60 Abs. 2 ATSG nicht zur Anwendung.
7.2
7.2.1 Nach der klaren gesetzlichen Regelung war die Verfügung vom 22. November
2007 direkt beim Versicherungsgericht am Ort der IV-Stelle anzufechten (Art. 69
Abs. 1 lit. a IVG; E. 5.1 und 5.2). In diesem Sinne lautete auch die
Rechtsmittelbelehrung in der Verfügung, was unbestritten ist. Damit war für den
Rechtsvertreter der Versicherten bei Erstellen der mit «Einsprache betreffend
Invalidenrente» überschriebenen und bei der IV-Stelle eingereichten Eingabe vom
14. Januar 2008 die objektive Rechtslage klar ersichtlich. Nach seiner
Darlegung in der Beschwerde verwendete er «auf der Basis einer früheren Eingabe
nach der bis am 30. Juni 2006 gültigen verfahrensrechtlichen Regelung» die
Bezeichnung Einsprache statt Beschwerde. Mit der Vorinstanz kann somit nicht
von einer bloss irrtümlich falschen Bezeichnung (Einsprache) des Rechtsmittels
(Beschwerde) gesprochen werden.
7.2.2 Anderseits kann nicht gesagt werden, die Versicherte resp. ihr
Rechtsvertreter habe bewusst gegen die Verfügung vom 22. November 2007
Einsprache bei der verfügenden IV-Stelle und nicht - gesetzlich einzig zulässig
- Beschwerde beim kantonalen Versicherungsgericht erhoben. Unbestrittenermassen
sollte die lediglich eine Viertelsrente zusprechende Verfügung einer erneuten
rechtlichen Beurteilung zugeführt werden. Bei zumutbarer Kenntnis von Gesetz
und Rechtsmittelbelehrung hätte der Rechtsvertreter der Versicherten
unzweifelhaft Beschwerde beim kantonalen Versicherungsgericht erhoben und nicht
etwa ein Wiedererwägungsgesuch gestellt, was die Vorinstanz nicht
auszuschliessen scheint. Die Eingabe bei der IV-Stelle vom 14. Januar 2008
genügt denn auch den (minimalen) Anforderungen an Antrag und Begründung einer
Beschwerde (Art. 61 lit. b ATSG). Insbesondere ergibt sich daraus klar der
Wille zur Anfechtung der Verfügung vom 22. November 2007 (BGE 134 V 162 E. 2 S.
163). Unter diesen Umständen muss es als überspitzt formalistisch bezeichnet
werden, dass das kantonale Gericht die von der IV-Stelle gestützt auf Art. 30
ATSG weitergeleitete Eingabe vom 14. Januar 2008 (Einsprache) nicht als
formgültige Beschwerde betrachtet und die darin beantragte Zusprechung
mindestens einer halben Rente nicht materiell behandelt hat. Dies wird die
Vorinstanz nachzuholen haben. Die Beschwerde ist begründet.

8.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Kanton St. Gallen kraft
Verursacherprinzip die Gerichtskosten zu tragen und der Beschwerdeführerin eine
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 66 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 3 und
Art. 68 Abs. 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Versicherungsgerichts
des Kantons St. Gallen vom 9. September aufgehoben. Die Sache wird an die
Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie die Eingabe vom 14. Januar 2008 als
Beschwerde materiell behandle.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Kanton St. Gallen auferlegt.

3.
Der Kanton St. Gallen hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2000.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen, der Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 6. April 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Fessler