Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 81/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_81/2008

Urteil vom 19. Juni 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Parteien
C.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Dieter Kehl, Poststrasse 22, 9410 Heiden,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau,
St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid der
AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau
vom 4. Dezember 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 7. Mai 2007 wies die IV-Stelle des Kantons Thurgau das von
C.________ (geb. 1983) gestellte Gesuch um Zusprechung einer Invalidenrente ab.

B.
Die von C.________ hiegegen erhobene Beschwerde mit dem Antrag, die
angefochtene Verfügung sei aufzuheben und es sei die IV-Stelle zu verpflichten,
ihr medizinische sowie berufliche Massnahmen und eine Invalidenrente
zuzusprechen, wies die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau (ab 1.
Januar 2008: Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau) mit Entscheid vom 4.
Dezember 2007 ab, soweit sie darauf eintrat.

C.
C.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und das Rechtsbegehren stellen, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die
IV-Stelle sei zu verpflichten, ihr eine ganze Rente, evtl. Wartezeittaggeld,
auszurichten, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.
Im Nachgang zur Beschwerde liess C.________ eine Verfügung der IV-Stelle vom
15. April 2008 einreichen, gemäss welcher die Invalidenversicherung die
Umschulung zur Bürofachfrau vom 1. April 2008 bis 30. November 2009 übernimmt
und in welcher für das Taggeld eine separate Verfügung in Aussicht gestellt
wird.

Erwägungen:

1.
Das Nichteintreten des kantonalen Gerichts auf den Antrag betreffend berufliche
Eingliederungsmassnahmen gibt zu keiner Beanstandung Anlass. Denn Gegenstand
der Verwaltungsverfügung vom 7. Mai 2007 bildete lediglich der Anspruch auf
eine Invalidenrente. Dementsprechend war auf die Ausführungen in der Beschwerde
nur insoweit einzugehen, als sich diese mit dem Gegenstand der Verfügung und
des vorinstanzlichen Entscheides bildenden Rentenanspruch (und nicht etwa mit
beruflichen Massnahmen, über welchen Anspruch die Verwaltung zwischenzeitlich
befunden hat, oder mit dem Taggeld, über welchen Anspruch die Verwaltung noch
entscheiden wird; vgl. Verfügung der IV-Stelle vom 15. April 2008) befassten.
Nicht anders verhält es sich im letztinstanzlichen Verfahren.

2.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf eine Invalidenrente.

2.1 Im angefochtenen Entscheid werden die hierfür massgebenden Bestimmungen und
Grundsätze zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

2.2 Gestützt auf das interdisziplinäre Gutachten des Regionalen Ärztlichen
Dienstes (RAD) vom 6. März 2007 ging die Vorinstanz davon aus, dass die
Beschwerdeführerin aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen
rheumatologischer und psychischer Natur zwar in der angestammten Tätigkeit als
Pflegehelferin ab April 2005 vollständig arbeitsunfähig ist, in einer
leidensangepassten Tätigkeit (körperliche Tätigkeit mit Wechselbelastung, ohne
Stress oder Zeitdruck, ohne erhöhtes Konfliktpotential, ohne Notwendigkeit zur
engen Zusammenarbeit im Team, keine Schichtarbeit) indessen eine
Arbeitsfähigkeit von 80 % besteht. Dass diese Sachverhaltsfeststellung
offensichtlich unrichtig sei oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruhe, was sie allein richterlicher Korrektur zugänglich machen würde
(Art. 105 Abs. 2 BGG), wird von der Beschwerdeführerin zu Recht nicht
vorgebracht.

2.3 Hinsichtlich des Einkommensvergleichs macht die Beschwerdeführerin ein
Valideneinkommen von mindestens Fr. 54'753.09 geltend, ohne diesen Wert
indessen zu begründen. Praxisgemäss ist für die Ermittlung des
Valideneinkommens entscheidend, was die versicherte Person im Zeitpunkt des
frühstmöglichen Rentenbeginns nach dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit als gesunde Person tatsächlich verdient hätte. Dabei wird in
der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen
Einkommensentwicklung angepassten Verdienst angeknüpft, da es der Erfahrung
entspricht, dass die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt
worden wäre. Ausnahmen müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt
sein (BGE 129 V 222 E. 4.3.1 S. 224; RKUV 2000 Nr. U 400 S. 381 E. 2a, U 297/
99). Diese Grundsätze hat die Vorinstanz befolgt, wenn sie - in Übereinstimmung
mit der IV-Stelle - von dem von der Beschwerdeführerin zuletzt im Pflegeheim
X.________ bei einem Vollzeitpensum erzielten Einkommen von Fr. 42'717.- im
Jahr 2004 ausging, dieses um die bis 2006 eingetretene Nominallohnentwicklung
aufwertete und damit zu einem Einkommen von Fr. 43'834.- gelangte.

2.4 Für die Bestimmung des Invalideneinkommens ist primär von der
beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die versicherte Person
konkret steht. Übt sie nach Eintritt der Invalidität eine Erwerbstätigkeit aus,
bei der - kumulativ - besonders stabile Arbeitsverhältnisse gegeben sind und
anzunehmen ist, dass sie die ihr verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer
Weise voll ausschöpft, sowie das Einkommen aus der Arbeitsleistung als
angemessen und nicht als Soziallohn erscheint, gilt grundsätzlich der von ihr
tatsächlich erzielte Verdienst als Invalidenlohn. Ist kein solches effektives
Erwerbseinkommen gegeben, namentlich weil die versicherte Person nach Eintritt
des Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue
Erwerbstätigkeit aufgenommen hat, so können nach der Rechtsprechung
statistische Werte (Tabellenlöhne) beigezogen werden (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S.
475, 126 V 75 E. 3b S. 76 f. mit Hinweisen).
Die Versicherte gibt an, seit 1. Juli 2006 als Nachtwache Fr. 1'200.- pro Monat
zu verdienen, und hält dementsprechend ein Invalideneinkommen von Fr. 14'400.-
pro Jahr für angemessen. Aus dem der Beschwerde beiliegenden Arbeitsvertrag mit
dem Verein Y.________ vom 22. Dezember 2006 ergibt sich indessen, dass der von
ihr angegebene Wert einem Arbeitspensum von 3 Nächten pro Woche à je 4,5
Arbeitsstunden (von 20.15 bis 23.15 Uhr und von 5 bis 6.30 Uhr mit
Schlafmöglichkeit dazwischen) entspricht, womit erstellt ist, dass die
Beschwerdeführerin die ihr verbliebene Arbeitsfähigkeit von 80 % (vgl. E. 2.2
hiervor) nicht ausschöpft. Dass die Vorinstanz und die IV-Stelle bei dieser
Sachlage auf Tabellenlöhne abgestellt haben, aus welchen unter Zugrundelegung
des leicht höheren, massgebenden Tabellenlohnes von Fr. 3'893.- (statt Fr.
3'658.-) ein zumutbarerweise realisierbares Einkommen von Fr. 39'884.- (12 x
Fr. 3'893.-: 40 x 41,6 x 1.02616 x 0.8 [statt 12 x Fr. 3'658.- : 40 x 41,6 x
1.02616 x 0.8 = Fr. 36'521.-]) resultierte, lässt sich für die Zeit bis
Verfügungserlass (7. Mai 2007) nicht beanstanden. Aus der Gegenüberstellung der
beiden Vergleichseinkommen ergibt sich somit kein rentenbegründender
Invaliditätsgrad von wenigstens 40 % (Art. 28 Abs. 1 IVG).

3.
Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach
Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt. Mit Blick auf diesen Ausgang des Prozesses
sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau,
der Ausgleichskasse des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 19. Juni 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Keel Baumann