Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 819/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_819/2008

Urteil vom 11. November 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
U.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Advokat Dr. Nicolas Roulet,
Rebgasse 1, 4058 Basel,

gegen

IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom
21. August 2008.

Sachverhalt:

A.
Die 1956 geborene U.________ ist verheiratet und Mutter dreier Kinder. Seit
1978 war sie erwerbstätig. Ab Januar 1992 arbeitete sie in einem Teilzeitpensum
von 60 % im Reinigungsdienst des Spitals B.________. Nachdem die IV-Stelle
Basel-Stadt einen Rentenanspruch von U.________ am 28. Februar 2001 abgelehnt
und die damalige kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen und
IV-Stellen Basel-Stadt die Sache in teilweiser Gutheissung der von der
Versicherten eingereichten Beschwerde zu weiteren Abklärungen an die Verwaltung
zurückgewiesen hatte, holte diese eine Auskunft des Spitals B.________ vom 4.
Februar 2002 (Datum des Posteingangs) ein und veranlasste eine
hauswirtschaftliche Abklärung (vom 17. Oktober 2002). Des Weiteren zog die
IV-Stelle ein Gutachten des Psychiaters Dr. med. G.________ vom 9. November
2004 bei und liess nochmals die Verhältnisse an Ort und Stelle prüfen
(Abklärungsbericht Haushalt vom 25. Januar 2005). Gestützt auf diese
Unterlagen, zusätzliche Abklärungen, eine rheumatologische Expertise des Dr.
med. J.________ vom 13. Februar 2006 sowie ein weiteres psychiatrisches
Gutachtens des Dr. med. G.________ vom 13. Mai 2007) lehnte die IV-Stelle das
Rentengesuch nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren am 3. Oktober 2007
verfügungsweise ab.

B.
Die von U.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom 21. August 2008 ab.

C.
Die Versicherte lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei ihr
rückwirkend ab 1. Dezember 1999 eine halbe Invalidenrente zuzusprechen;
eventuell sei die Sache zu neuer Entscheidung an das kantonale Gericht
zurückzuweisen. Ferner ersucht sie um die Bewilligung der unentgeltlichen
Prozessführung und Verbeiständung.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu
Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über den Umfang des
Invalidenrentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG), die Bemessung des
Invaliditätsgrades bei Erwerbstätigen nach der Einkommensvergleichsmethode
(Art. 28 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG), bei Teilerwerbstätigen
nach der gemischten Methode (siehe für die Zeit ab 1. Januar 2004 bis 31.
Dezember 2007: Art. 28 Abs. 2ter IVG) sowie die Rechtsprechung zur Frage, in
welchem Ausmass eine versicherte Person ohne Invalidität erwerbstätig wäre (BGE
125 V 146 E. 2c S. 150), zutreffend wiedergegeben. Darauf kann verwiesen
werden.

3.

3.1 Das Sozialversicherungsgericht ging mit der IV-Stelle davon aus, dass die
Beschwerdeführerin ohne Gesundheitsschaden zu 80 % ausser Haus arbeiten und
daneben den Haushalt besorgen würde. Gestützt auf die psychiatrischen und das
rheumatologische Gutachten resultiere auf Grund eines Einkommensvergleichs im
erwerblichen Bereich eine gewichtete Einschränkung von 34 %, während die
Behinderung bei den Hausarbeiten - ebenfalls gewichtet - 4-5 % betrage.
Gesamthaft ergebe sich damit ein Invaliditätsgrad von höchstens 39 %, wehalb
die Versicherte keine Rente beanspruchen könne.

3.2 Die Beschwerdeführerin kritisiert insbesondere die vorinstanzliche
Invaliditätsbemessung wie auch die prozentuale Gewichtung der Aufgabenbereiche
Haushalt und Erwerbstätigkeit. Ebenso rügt sie, dass die Vorinstanz bei der
Berechnung des hypothetischen Invalideneinkommens keinen leidensbedingten Abzug
vorgenommen habe. Ein solcher wäre indessen angebracht, weil sie seit fast 10
Jahren aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei. Sie könne nur noch unter
erschwerten Bedingungen eine Teilzeitstelle finden. Zufolge lang dauernder
Arbeitsabstinenz werde sie nur noch zu einem tieferen als dem
durchschnittlichen Lohn als Raumpflegerin tätig sein können.

4.

4.1 Soweit die Beschwerdeführerin die Aufteilung der Aufgabenbereiche im
Verhältnis von 80 % Erwerbstätigkeit und 20 % Haushalt in Frage stellt, ist ihr
entgegenzuhalten, dass es sich dabei um eine verbindliche
Sachverhaltsfeststellung handelt (Urteile des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts I 708/06 vom 23. November 2006 und I 693/06 vom 20.
Dezember 2006). In der Beschwerde wird nichts vorgebracht, was auf eine
offensichtlich unrichtige oder in Verletzung von Bundesrecht ergangene
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts durch die Vorinstanz im Sinne
von Art. 97 Abs. 1 BGG schliessen liesse. Die Kritik an der vom
Sozialversicherungsgericht gestützt auf die Gutachten der Dres. med. J.________
(vom 13. Februar 2006) und G.________ (vom 13. Mai 2007) angenommene
Arbeitsunfähigkeit von höchstens 50 % im erwerblichen Bereich ist unbegründet;
eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung wird in der Beschwerde
nicht dargelegt. Weshalb die vorinstanzliche Feststellung, die Arbeitsfähigkeit
im Haushalt sei nur zu 20-25 % eingeschränkt, willkürlich sein soll, vermag
angesichts der Angaben im Gutachten des Psychiaters Dr. G.________
(Beeinträchtigung von 20 %) sowie der Abklärung an Ort und Stelle vom 7.
Dezember 2004, welche eine Behinderung von 25 % ergab, nicht einzuleuchten. Im
Weiteren beanstandet die Versicherte die gemischte Methode der
Invaliditätsbemessung, wie sie die Vorinstanz nach Massgabe der geltenden
Rechtsprechung (BGE 130 V 393) angewendet hat, ohne aber vorzubringen,
inwiefern der angefochtene Entscheid Bundesrecht verletzen soll.

4.2 Was schliesslich die Frage betrifft, ob die Vorinstanz, soweit die
Invalidität anhand eines Einkommensvergleichs zu bemessen ist, einen
sogenannten Leidensabzug vom Invalideneinkommen hätte vornehmen müssen, handelt
es sich um eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage (BGE 132 V 393
E. 3.3 S. 399). Ob und in welchem Ausmass Tabellenlöhne herabzusetzen sind,
hängt nach der Rechtsprechung von sämtlichen persönlichen und beruflichen
Umständen des konkreten Einzelfalles ab (leidensbedingte Einschränkung, Alter,
Dienstjahre, Nationalität/Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad), welche
nach pflichtgemässen Ermessen gesamthaft zu schätzen sind. Dabei erlaubt ein
Abzug vom statistischen Lohn von insgesamt höchstens 25 %, den verschiedenen
Merkmalen, die das Erwerbseinkommen zu beeinflussen vermögen, Rechnung zu
tragen (BGE 126 V 75 E. 5a S. 78 f.). Das kantonale Gericht hat das Vorliegen
derartiger, das Erwerbseinkommen beeinflussender Merkmale verneint. Da die
Verminderung der Arbeitsfähigkeit aus fachärztlicher Sicht höchstens 50 %
beträgt, gereiche die Reduktion des Tabellenlohnes um 50 % der
Beschwerdeführerin zum Vorteil. Ferner sei die aus statistischer Sicht
lohnerhöhende Wirkung der (hypothetischen) Teilzeitbeschäftigung zu beachten;
diese übersteige den Nachteil, der aus der Aufenthaltsbewilligung der Kategorie
C resultiert. Die Bedeutung der fehlenden Dienstjahre nehme zudem ab, je
niedriger das Anforderungsprofil ist.
Dieser Beurteilung ist beizupflichten. Der Umstand, dass die Versicherte seit
Jahren nicht mehr im Erwerbsleben steht, ist nicht geeignet, ein wesentlich
tieferes Einkommen als von der Vorinstanz angenommen zu begründen. Ebenso wenig
vermag das Alter der 1956 geborenen Beschwerdeführerin ein tieferes
Invalideneinkommen zu rechtfertigen, ist doch nicht einzusehen, weshalb eine
52-jährige Frau aus Altersgründen nur mit Mühe eine Teilzeitstelle als
Raumpflegerin finden soll, zumal eine derartige Tätigkeit keine lange
Einarbeitungszeit erfordert, was einen potenziellen Arbeitgeber allenfalls
davon abhalten könnte, eine Person in fortgeschrittenem Alter anzustellen.
Schliesslich ist auch eine schlechte Prognose der beiden Sachverständigen
hinsichtlich der Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Versicherte
kein Grund, einen Abzug vom Invalideneinkommen als angezeigt erscheinen zu
lassen.

5.
Dem Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege ist
stattzugeben, da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, ihr Antrag nicht als
aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung durch einen Anwalt geboten war
(Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Die Beschwerdeführerin wird jedoch auf Art. 64 Abs.
4 BGG hingewiesen, wonach sie der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie
später dazu in der Lage ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Advokat Dr. Nicolas Roulet, Basel, wird aus der Gerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'500.- ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt,
der Coop AHV-Ausgleichskasse und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 11. November 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer