Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 80/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_80/2008

Urteil vom 2. Juni 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Parteien
Pensionskasse X._________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Fürsprecher Daniel Staffelbach, Seefeldstrasse 123, 8008
Zürich,

gegen

T.________, Beschwerdegegner,
vertreten durch Advokat Heiner Schärrer, Aeschenvorstadt 67, 4010 Basel.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt
vom 7. November 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1958 geborene T.________ reiste am 27. August 2000 von Spanien in die
Schweiz ein und arbeitete ab 29. August 2000 als Maurer bei der Y.________ AG.
In dieser Eigenschaft war er bei der Pensionskasse X.________
vorsorgeversichert. Mit Wirkung ab 29. November 2000 attestierten ihm die Ärzte
eine vollständige Arbeitsunfähigkeit.
Unter Hinweis auf Schmerzen im Hüftbereich, im rechten Bein und rechten Arm, im
Bereich des Leistenbandes und an der Halswirbelsäule sowie auf eine Depression
meldete er sich im November 2001 bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Basel-Stadt sprach T.________ mit Wirkung ab
1. November 2001 eine ganze Rente der Invalidenversicherung zu (Verfügung vom
6. März 2003).
Die Pensionskasse X.________ verneinte demgegenüber mit Schreiben vom 14. April
2003 eine Leistungspflicht mit der Begründung, die Arbeitsunfähigkeit, welche
einen Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung verleihe, sei bereits
zu einem Zeitpunkt eingetreten, als T.________ noch nicht bei ihr
vorsorgeversichert gewesen sei. Daran hielt sie in der folgenden Korrespondenz
mit dem Versicherten fest.

B.
Die von T.________ gegen die Pensionskasse X.________ erhobene Klage auf
Ausrichtung einer Invalidenrente hiess das Sozialversicherungsgericht
Basel-Stadt mit Entscheid vom 7. November 2007 gut und verpflichtete die
Pensionskasse X.________, die reglementarischen Leistungen zu erbringen und dem
Versicherten eine Parteientschädigung auszurichten.

C.
Die Pensionskasse X.________ erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, die Sache sei zur Durchführung eines
Beweisverfahrens an das kantonale Gericht zurückzuweisen, unter Kostenfolgen
zugunsten der Pensionskasse X.________.

T.________ beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter
sei sie abzuweisen. Des Weitern ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine
Vernehmlassung. Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt schliesst auf
Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners ist die Beschwerde rechtzeitig,
da der Fristenstillstand nicht bis zum 1. Januar, sondern bis zum 2. Januar
dauert (Art. 46 Abs. 1 lit. c BGG).

2.
2.1 Gemäss Art. 23 BVG, in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2004, haben
Anspruch auf Invalidenleistungen Personen, die im Sinne der IV zu mindestens 50
Prozent invalid sind und bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur
Invalidität geführt hat, versichert waren. Nach dem am 1. Januar 2005 in Kraft
getretenen Art. 23 lit. a BVG besteht bereits bei einer Invalidität von
mindestens 40 Prozent Anspruch auf Invalidenleistungen. Das Gesetz knüpft
mithin den Anspruch auf die Ausrichtung einer Invalidenleistung an das Bestehen
eines Versicherungsverhältnisses im Zeitpunkt des Eintritts der
Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat.
Der Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur
Invalidität geführt hat (Art. 23 BVG), ist eine Tatfrage. Diesbezügliche
Feststellungen der Vorinstanz, soweit sie auf der Würdigung konkreter Umstände
beruhen, sind daher vom Bundesgericht lediglich unter eingeschränktem
Blickwinkel überprüfbar (Art. 97 Abs. 1 BGG sowie Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG;
Urteil 9C_339/2007 vom 5. März 2008, E. 5.2 mit Hinweis; 9C_182/2007 vom 7.
Dezember 2007, E. 4.1.1).

2.2 Der Anspruch auf Invalidenleistungen der (obligatorischen) beruflichen
Vorsorge setzt einen engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der
während der Dauer des Vorsorgeverhältnisses eingetretenen Arbeitsunfähigkeit
und der allenfalls erst später bestehenden Invalidität voraus. Der sachliche
Konnex ist zu bejahen, wenn der Gesundheitsschaden, der zur Arbeitsunfähigkeit
geführt hat, von der Art her im Wesentlichen derselbe ist, welcher der
Erwerbsunfähigkeit zu Grunde liegt (BGE 134 V 20 E. 3.2 S. 22). Der zeitliche
Zusammenhang setzt voraus, dass die versicherte Person nach Eintritt der
Arbeitsunfähigkeit nicht während längerer Zeit wieder arbeitsfähig geworden ist
(BGE 134 V 20 E. 3.2.1 S. 22). Massgebend ist die Arbeitsfähigkeit in einer der
gesundheitlichen Beeinträchtigung angepassten zumutbaren Tätigkeit; diese muss
bezogen auf die angestammte Tätigkeit die Erzielung eines
rentenausschliessenden Einkommens erlauben (BGE 134 V 20 E. 5.3 S. 27).

3.
Zu Recht wird im angefochtenen Entscheid festgehalten, dass hinsichtlich der
Frage, zu welchem Zeitpunkt die Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, schon
deshalb keine Bindung an die Feststellungen der Invalidenversicherung besteht,
weil die Beschwerdeführerin nicht in das invalidenversicherungsrechtliche
Verfahren einbezogen worden ist (BGE 132 V 1 E. 3.3.2 S. 5, 130 V 270 E. 3.1 S.
273 f.).

4.
Das kantonale Gericht erwog, nach Lage der Akten beständen keine Hinweise
dafür, dass die zur Berentung durch die Invalidenversicherung führenden
psychischen und physischen Beschwerden beim Versicherten nachweislich bereits
vor dem 29. November 2000 zu einer Arbeitsunfähigkeit geführt hätten. Damit sei
die Arbeitsunfähigkeit zu einem Zeitpunkt eingetreten, in welchem der
Beschwerdegegner bei der Beschwerdeführerin versichert gewesen sei. Im Übrigen
fehlte es angesichts des Umstandes, dass in der Zeit vom 29. August bis 28.
November 2000 keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bestand, auf jeden Fall
an der zeitlichen Konnexität zwischen einem allfälligen, bereits vor der
Einreise in die Schweiz aufgetretenen Gesundheitsschaden und dem schliesslich
zu einer Invalidität im Sinne der Invalidenversicherung führenden Leiden.

5.
In der Beschwerde wird gerügt, die Vorinstanz sei auf rechtserhebliche
Beweisanträge nicht eingegangen, habe wesentliche Argumente der
Beschwerdeführerin nicht gewürdigt und den Sachverhalt offensichtlich unrichtig
oder unvollständig festgestellt.

5.1 Die Beschwerdeführerin hatte im vorinstanzlichen Verfahren beantragt, der
Beschwerdegegner sei zu befragen, weshalb er im Jahre 1992 nach Spanien
zurückgekehrt sei, wie er dort seinen Lebensunterhalt finanziert habe
(namentlich ob [und allenfalls in welchem Umfang] er einer Arbeit nachgegangen
sei), ob bei der Wiedereinreise in die Schweiz im Jahre 2000 eine
Arbeitsunfähigkeit bestanden habe, ob die Tätigkeit als Maurer ab August 2000
seinem Leiden angepasst gewesen sei, und weshalb er in der IV-Anmeldung
angegeben habe, seit 1983 an den geltend gemachten gesundheitlichen
Beeinträchtigungen zu leiden.
Soweit diese Fragen für die Beurteilung des Zeitpunkts des Eintritts der
Arbeitsunfähigkeit bzw. des Vorliegens eines sachlichen und zeitlichen
Zusammenhanges zwischen einem allfälligen vor Eintritt des Beschwerdegegners in
die Pensionskasse X.________ bestehenden, zu einer Arbeitsunfähigkeit führenden
Gesundheitsschaden und der nachfolgenden Invalidität überhaupt relevant waren,
hat die Vorinstanz sie nach eingehender Würdigung der Akten überzeugend (vgl.
dazu E. 5.4 hiernach) beantwortet. Wenn sie bei dieser Beweislage die
beantragte Parteibefragung sinngemäss abgelehnt hat, bietet diese antizipierte
Beweiswürdigung keinen Grund zur Kritik.

5.2 Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Vorinstanz von der Befragung des
Dr. med. D.________, Spezialarzt FMH für Chirurgie, abgesehen hat, weil sie den
zwischen dem Arztbericht vom 7. März 2002 (Arbeitsunfähigkeit ab Oktober 1983
"bis bleibend") und demjenigen vom 28. November 2000 (Arbeitsunfähigkeit ab 29.
November 2000) bestehenden Widerspruch unter Berücksichtigung der übrigen
medizinischen Berichte und des Behandlungszeitraumes bei Dr. med. D.________
ohne weiteres aufzulösen vermochte. Des Weitern war es auch zulässig, dass die
Vorinstanz - entgegen dem von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag - weder
Dr. med. D.________ noch die Rheumatologische Klinik A.________ zur Edition der
Krankengeschichte aufgefordert hat, weil die durch die behandelnden Ärzte
(namentlich Dr. med. D.________) erstellten, in den Akten befindlichen Berichte
bereits ein deutliches Bild zeichneten und von den beantragten Weiterungen
keine neuen Erkenntnisse zu erwarten waren.

5.3 Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung, wonach die
Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat (Art. 23 BVG),
(erst) am 29. November 2000 eingetreten ist, als der Beschwerdegegner bei der
Pensionskasse X.________ versichert war, ist weder offensichtlich unrichtig
noch unvollständig. Der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte
Zusammenhang mit dem 1983 erlittenen Arbeitsunfall fällt bereits mangels
zeitlicher Konnexität ausser Betracht, ist doch aufgrund der Akten erstellt,
dass der Versicherte selbst nach dem im Sommer 1989 erlittenen Rückfall voll
arbeitsfähig war (Zeugnisse des Dr. med. D.________ vom 14. September 1989, 2.
Februar und 16. Juli 1990 sowie 24. April 1991). Hinzu kommt, dass für die Zeit
der erneuten Arbeitstätigkeit in der Schweiz vom 29. August bis 28. November
2000 beim Beschwerdegegner nach den Akten überhaupt keine Einbusse an
Leistungsvermögen zu verzeichnen war (wie beispielsweise durch einen Abfall der
Leistungen mit entsprechender Feststellung oder gar Ermahnung des Arbeitgebers
oder durch gehäufte, aus dem Rahmen fallende gesundheitlich bedingte
Arbeitsausfälle: SVR 2008 IV Nr. 11 S. 32 E. 5.1, I 687/06; Urteil 9C_182/2007
vom 7. Dezember 2007, E. 4.1.3). Soweit die Beschwerdeführerin aus ärztlichen
Berichten zitiert, um zu belegen, dass der Versicherte seit 1983 ununterbrochen
unter Schmerzen litt, und geltend macht, dass der Beschwerdegegner in der
IV-Anmeldung selber angegeben habe, seit 1983 an den gesundheitlichen
Beeinträchtigungen zu leiden, ist darauf hinzuweisen, dass Schmerzen und
gesundheitliche Beeinträchtigungen im vorliegenden Zusammenhang nur relevant
wären, wenn sich diese im massgebenden Zeitraum auf die Arbeitsfähigkeit
ausgewirkt hätten, wofür in den Akten Hinweise fehlen. Von einer überwiegenden
Wahrscheinlichkeit des von der Beschwerdeführerin angenommenen
Geschehensablaufs kann damit nicht ausgegangen werden.

6.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin als unterliegende
Partei die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und dem
Beschwerdegegner eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2
BGG), womit dessen Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2500.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 2. Juni 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Keel Baumann