Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 798/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_798/2008

Urteil vom 31. Dezember 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Parteien
S.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Simon Schnetzler, Haymann & Baldi, Zeltweg 44,
8032 Zürich,

gegen

SWICA Krankenversicherung AG, SWICA Gesundheitsorganisaion, Rechtsdienst,
Römerstrasse 38, 8401 Winterthur,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Krankenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 30. Juli 2008.

Sachverhalt:

A.
N.________ war zwischen 1. Oktober 2001 und 31. Dezember 2004 bei der SWICA
Gesundheitsorganisation, Winterthur (im Folgenden: Swica), obligatorisch
krankenpflegeversichert. Wegen ausstehender Prämien mahnte die Swica N.________
verschiedentlich und leitete mehrere Betreibungsverfahren ein, die sämtliche
mit einem Verlustschein endeten. Am 19. September 2005 informierte die Swica
S.________, die vom 6. Juli 2001 bis 26. April 2005 mit N.________ verheiratet
gewesen war, über die (erfolglosen) Betreibungen gegen N.________ und forderte
sie zur Begleichung von Zahlungsausständen in Höhe von Fr. 3'163.95 (bzw. Fr.
4'600.10 gemäss Schreiben vom 30. November 2005) auf. In der Folge betrieb die
Swica auch S.________ (Betreibungsbegehren vom 5. April 2006, Zahlungsbefehl
vom 11. April 2006). Mit Verfügung vom 22. Mai 2006 beseitigte die Swica den
Rechtsvorschlag der S.________ und hielt daran mit Einspracheentscheid vom 15.
Dezember 2006 fest.

B.
Hiegegen liess S.________ Beschwerde erheben, welche das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 30. Juli 2008
teilweise guthiess und feststellte, dass S.________ der Swica für ausstehende
Prämien (der Monate November und Dezember 2002 sowie Januar, Februar und Mai
bis Dezember 2003 und Januar bis Juni 2004) den Betrag von Fr. 3'678.- nebst
Inkassogebühren in Höhe von Fr. 95.- schulde. In diesem Umfang hob es den
Rechtsvorschlag in der Betreibung X.________ auf. Im Übrigen wies es die
Beschwerde ab.

C.
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und die Aufhebung des angefochtenen Entscheides (Ziff. 1 Dispositiv)
beantragen, soweit darin die vorinstanzliche Beschwerde abgewiesen werde.
Überdies sei festzustellen, dass sie die Beträge von Fr. 3'678.- (für
ausstehende Prämien des N.________) und Fr. 95.- (Inkassogebühren) nicht
schulde und der Rechtsvorschlag "in vollem Umfang bestehen bleibt".

Die Swica schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Vorinstanz und Bundesamt für
Gesundheit verzichten auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG).

2.
Die Vorinstanz stellte letztinstanzlich verbindlich fest, dass die ausstehenden
Prämien die Zeit vor der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes im September 2004
betreffen und die Beschwerdegegnerin ihre Forderung gegenüber der
Beschwerdeführerin innerhalb der Verjährungsfrist von Art. 24 Abs. 1 ATSG
geltend machte (wobei sie erst in diesem Zusammenhang am 11. Dezember 2005 von
der am 26. April 2005 rechtskräftig gewordenen Ehescheidung erfuhr). Sie erwog
in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Regelung (Art. 166 Abs. 1 und 3 ZGB;
vgl. BGE 129 V 90), die Beschwerdeführerin hafte für die während der Dauer des
ehelichen Zusammenlebens entstandenen Prämienbeiträge solidarisch; eine
rechtsmissbräuchliche Geltendmachung der Prämienforderung durch die
Beschwerdegegnerin liege nicht vor. Schliesslich könne die in der
Scheidungsvereinbarung enthaltene Erklärung, wonach die güter- und
eherechtliche Auseinandersetzung vollständig erfolgt sei, keine direkte
Drittwirkung entfalten.

Demgegenüber bringt die Beschwerdeführerin vor, die Beschwerdegegnerin habe mit
der Geltendmachung ihrer Forderung übermässig lange zugewartet, indem sie seit
dem 27. Mai 2004 keine Zweifel an der vollständigen Zahlungsunfähigkeit des
N.________ mehr habe hegen können, einen Anspruch gegenüber ihrer Person aber
erst am 19. September 2005 geltend gemacht habe. Aus diesem Grund habe sie zum
Zeitpunkt der Vereinbarung der später in das Scheidungsurteil aufgenommenen
Saldoklausel noch keine Kenntnis von den ausstehenden Prämien ihres damaligen
Ehepartners gehabt, da ihr die Betreibungsurkunden wegen des vereinbarten
ehelichen Güterstandes der Gütertrennung nicht zugestellt worden seien. Es
bestehe somit weder eine Forderung der Beschwerdegegnerin für ausstehende
Prämien noch schulde sie Inkassogebühren.

3.
3.1 Nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz ist blosses Zuwarten mit
der Rechtsausübung innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfristen grundsätzlich
noch nicht rechtsmissbräuchlich. Zum blossen Zeitablauf müssen besondere
Umstände hinzutreten, welche die Rechtsausübung mit der früheren Untätigkeit
des Berechtigten in einem unvereinbaren Widerspruch erscheinen lassen. Solche
können darin bestehen, dass dem Verpflichteten aus der verzögerten
Geltendmachung in erkennbarer Weise Nachteile erwachsen sind und dem
Berechtigten die Rechtsausübung zumutbar gewesen wäre, oder darin, dass der
Berechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs zuwartet, um sich einen
ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen. Erkennbare Nachteile für den
Verpflichteten können namentlich darin bestehen, dass sich die Forderung nicht
mehr überprüfen lässt (BGE 131 III 439 E. 5.1 S. 443 f.).

3.2 Die Vorinstanz hat mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen wird,
eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung der Solidarhaftung durch die
Beschwerdegegnerin verneint. Ein Rechtsmissbrauch liegt nicht schon darin, dass
die Beschwerdegegnerin nach Erhalt von Verlustscheinen gegen N.________ oder
nach Ablehnung der Kostenübernahme durch das Sozialamt im Dezember 2004 nicht
unverzüglich an die Beschwerdeführerin gelangte. Korrekt ist auch die Erwägung,
wonach die Saldoklausel in der gerichtlich genehmigten Scheidungskonvention vom
28. Oktober 2004 bzw. 26. Januar 2005 an der solidarischen Haftung für die
während der Dauer des gemeinsamen Haushaltes entstandenen Prämienschulden
nichts ändert. Die Beschwerdegegnerin hatte der Saldovereinbarung nicht
zugestimmt und konnte bereits deshalb ihrer Rechte gegen die Beschwerdeführerin
nicht verlustig gehen (vgl. auch Marion Jakob, Die Scheidungskonvention, Diss.
Zürich/St. Gallen 2008, S. 272). Die Beschwerdeführerin macht selber nicht
geltend, die Beschwerdegegnerin sei über die Tatsache der Ehescheidung und die
darin vorgesehene Saldoklausel vorgängig informiert gewesen. Die der
Beschwerdeführerin drohenden bzw. entstehenden Nachteile waren somit für die
Beschwerdegegnerin nicht erkennbar, weshalb diese nicht gehalten war, vorzeitig
den Anspruch geltend zu machen. Schliesslich kann die Beschwerdegegnerin nicht
dafür einstehen, dass es die Beschwerdeführerin vor Vereinbarung der
Saldoklausel unterlassen hat, sich umfassend über die finanzielle Situation
ihres damaligen Ehepartners zu informieren.

4.
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 700.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 31. Dezember 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Bollinger Hammerle