Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 780/2008
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_780/2008

Urteil vom 22. Dezember 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
W.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Nicolai Fullin,
Spalenberg 20, 4001 Basel,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
12. August 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1950 geborene W.________ ist diplomierter Ingenieur FH Versorgungstechnik
von Beruf. Seit November 2001 arbeitete er bei der Firma X.________ AG. Am 12.
Juli 2004 reduzierte er das Arbeitspensum aus gesundheitlichen Gründen auf 50
%. Am 10. November 2005 meldete sich W.________ unter Hinweis auf eine
psychische Erschöpfung und verschiedene somatische Leiden bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Gestützt auf die getroffenen
Abklärungen sprach ihm die IV-Stelle des Kantons Aargau nach durchgeführtem
Vorbescheidverfahren mit Verfügung vom 7. März 2007 rückwirkend ab 1. Februar
2006 eine halbe Invalidenrente zu. Auf den 30. April 2007 kündigte die Firma
X.________ AG das Anstellungsverhältnis.

B.
Die von W.________ mit dem Rechtsbegehren um Zusprechung einer ganzen an Stelle
der halben Invalidenrente eingereichte Beschwerde wies das Versicherungsgericht
des Kantons Aargau ab (Entscheid vom 12. August 2008).

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt der Versicherte
beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der
angefochtenen Verfügung sei ihm an Stelle der halben mindestens eine
Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung zuzusprechen.
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu
Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Umfang des
Invalidenrentenanspruchs (Art. 28 IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades
bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16
ATSG) sowie die Beweiswürdigung (BGE 125 V 351 E. 3 S. 352) zutreffend
dargelegt. Darauf kann verwiesen werden.

3.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer an Stelle der ihm mit
Wirkung ab 1. Februar 2006 zugesprochenen halben eine Dreiviertels- oder eine
ganze Rente der Invalidenversicherung beanspruchen kann.

3.1 In medizinischer Hinsicht stellte das Versicherungsgericht gestützt auf die
Berichte des Rheumatologen Dr. med. J.________ vom 15. August 2006 und des
Psychiaters Dr. med. L.________, Ambulatorium Klinik Y.________ vom 2. Oktober
2006 fest, dass der Beschwerdeführer in der bisherigen Tätigkeit als
Projektleiter noch hälftig arbeitsfähig sei; dabei bestehe jedoch eine
Leistungseinschränkung bei der Bewältigung komplexer Aufgaben. Bei einer
angepassten anderen Tätigkeit (z.B. im Bürobereich) bestehe ebenfalls eine
Arbeitsfähigkeit von 50 %, dies indessen ohne zusätzliche Verminderung der
Leistungsfähigkeit. Zumutbar wären nach Angaben der Berufsberatung eine
Tätigkeit im Verkauf von Heizsystemen oder Wärmepumpen oder eine Stelle in
einer Fachberatung für Behörden in Energie- und Umweltfragen. Von diesen im
Rahmen von Art. 97 Abs. 1 sowie Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG verbindlichen
Feststellungen ist auszugehen.

3.2 Die Vorinstanz setzte das hypothetische Einkommen ohne Invalidität
(Valideneinkommen) nach Anpassung des 2005 ausgewiesenen Einkommens an den
Nominallohnindex für das Jahr 2006 auf Fr. 94'897.- fest. Für die Ermittlung
des Invalideneinkommens ging das kantonale Gericht gestützt auf die
Schweizerische Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik 2006 (LSE)
vom Durchschnittslohn eines gelernten Sachbearbeiters im Bereich Energie- und
Wasserversorgung (Anforderungsniveau 3) in der Höhe von Fr. 3'333.- (50 % des
monatlichen Bruttolohnes von Fr. 6'666.-) aus. Nach Aufrechnung auf die
durchschnittliche betriebsübliche Arbeitszeit von 41,7 Stunden in der Woche
resultierte ein hypothetisches Invalideneinkommen von Fr. 3'474.65 im Monat
(Fr. 41'696.- im Jahr). Verglichen mit dem Valideneinkommen von Fr. 94'897.-
ergab sich ein Invaliditätsgrad von 56 %.

3.3 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe das Invalideneinkommen
anhand der falschen Tabellenwerte festgelegt. Sodann habe das kantonale Gericht
es zu Unrecht unterlassen, einen leidensbedingten Abzug zu berücksichtigen.
3.4
3.4.1 Soweit der Versicherte vorbringt, die von der Vorinstanz als massgebend
erachtete Tabelle TA1, Ziffern 40 und 41, Ernergie- und Wasserversorgung, sei
nicht anwendbar, kann ihm nicht beigepflichtet werden. Nachdem aus ärztlicher
und berufsberaterischer Sicht eben gerade Arbeiten im Bereich Energie als
zumutbar erachtet werden und der Beschwerdeführer dazu auch auf Grund seines
Berufs als diplomierter Ingenieur FH Versorgungstechnik in der Lage ist,
besteht kein Grund, den Durchschnittslohn im gesamten privaten Sektor
heranzuziehen. Dass die Vorinstanz den Durchschnittslohn gemäss
Anforderungsniveau 3 (Berufs- und Fachkenntnisse vorausgesetzt) als
Invalideneinkommen berücksichtigt hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Das
vom Beschwerdeführer als einschlägig erachtete Anforderungsniveau 4 betrifft
den Durchschnittslohn für einfache und repetitive Arbeiten, die keine
Berufausbildung voraussetzen. Weshalb dem Versicherten, der über einen
Fachhochschulabschluss als Ingenieur verfügt, nur noch derartige Hilfsarbeiten
mit geringen intellektuellen Anforderungen zumutbar sein sollen, vermag nicht
einzuleuchten.
3.4.2 Der seitens des Beschwerdeführers geltend gemachte Leidensabzug im Sinne
von BGE 126 V 75 E. 5a S. 78 soll rechtsprechungsgemäss dann erfolgen, wenn im
Einzelfall Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Versicherte wegen eines oder
mehrerer der massgebenden Merkmale seine Restarbeitsfähigkeit auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg
verwerten kann (BGE 126 V 75 E. 5b/aa S. 79). Wie die Vorinstanz richtig
erkannt hat, sind im vorliegenden Fall keine stichhaltigen Argumente erkennbar,
welche für eine unter dem Durchschnitt liegende Verwertbarkeit der verbliebenen
Arbeitsfähigkeit sprechen würden. Namentlich trägt ein Teilzeitpensum von 50 %,
wie es aus ärztlicher Sicht als zumutbar erachtet wird, den gesundheitlichen
Einschränkungen, die sich insbesondere auch in Stressanfälligkeit und
eingeschränkter Belastbarkeit manifestieren, hinreichend Rechnung, wenn eine
Erwerbsarbeit ohne übermässig belastende Faktoren ausgeübt wird. Dass der
Versicherte im massgebenden Jahr 2006 56-jährig war, rechtfertigt so wenig wie
das Teilzeitpensum einen Abzug vom Tabellenlohn. Anders als Hilfsarbeiter, die
aus gesundheitlichen Gründen keine körperliche Schwerarbeit mehr verrichten
können und deswegen Minderverdienste in Kauf nehmen müssen, steht dem
Beschwerdeführer auf Grund seiner Ausbildung und seiner langjährigen
Berufserfahrung eine breite Palette an Beschäftigungsmöglichkeiten in der
Energiebranche offen. Mit einer derartigen Tätigkeit vermöchte er im Rahmen
eines Pensums von 50 % Erwerbseinkünfte in der Höhe von über 40 % des
Valideneinkommens von Fr. 94'896.-, entsprechend mehr als Fr. 37'958.- im Jahr,
zu erzielen. Der angefochtene Entscheid, mit welchem der Anspruch des
Versicherten auf eine halbe Invalidenrente gemäss Verfügung der IV-Stelle vom
7. März 2007 bestätigt wurde, ist nach den vorstehenden Erwägungen
rechtskonform, woran die weiteren Einwendungen in der Beschwerde nichts ändern.

4.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 22. Dezember 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer