Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 742/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_742/2008

Urteil vom 9. Februar 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Parteien
Firma X.________ AG,
Beschwerdeführerin,

gegen

Amt für AHV und IV des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
13. August 2008.

Sachverhalt:

A.
G.________, geboren 1979, wurde am 21. Januar 2007 wegen dringenden Verdachts
auf illegalen Aufenthalt in der Schweiz durch die Kantonspolizei Zürich
festgenommen und polizeilich befragt. Dabei erklärte er unter anderem, in den
Jahren 2001 bis 2007 bei der Firma X.________ AG angestellt gewesen sein.
Nachdem die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich diese Angaben dem Amt
für AHV und IV des Kantons Thurgau übermittelt hatte (Schreiben vom 8. März
2007), stellte dieses fest, dass von der Firma X.________ AG, welche der
Ausgleichskasse des Kantons Thurgau als Arbeitgeberin angeschlossen ist, keine
an G.________ entrichteten Entgelte abgerechnet worden waren. Mit fünf
Nachzahlungsverfügungen vom 8. Mai 2007 verpflichtete das Amt die Firma
X.________ AG daraufhin zur Nachzahlung der ausstehenden
Sozialversicherungsbeiträge der Jahre 2002 bis 2006 von insgesamt Fr. 27'676.90
(einschliesslich Verwaltungskosten), zuzüglich Verzugszinsen. Diese Verfügung
bestätigte es mit Einspracheentscheid vom 8. Januar 2008.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde der Firma X.________ AG wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau (als Versicherungsgericht) mit Entscheid
vom 13. August 2008 ab.

C.
Die Firma X.________ AG führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten und beantragt - mit verbesserter Eingabe vom 16. September 2008
- "dass die Gültigkeit der Einvernahme (fehlende Unterschrift) geprüft" werde.

Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Vorinstanz und
Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:

1.
1.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter
anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).

1.2 Bei der Beurteilung, ob ein genügender Antrag (Art. 42 Abs. 1 BGG)
vorliegt, stellt das Gericht nicht nur auf die förmlich gestellten Anträge ab;
das Begehren kann sich auch aus der Begründung ergeben (vgl. Urteil des
Bundesgerichtes 8C_253/2007 vom 23. Januar 2008 E. 1).

2.
2.1 Die Vorinstanz erwog, auf die Angaben des G.________ in der polizeilichen
Befragung vom 21. Januar 2007 sei abzustellen, zumal entgegen den Vorbringen
der Beschwerdeführerin nichts darauf hindeute, dass dieser gegenüber der
Polizei falsche Angaben gemacht habe oder die Aussagen nicht von ihm, sondern
von einem Kollegen stammten. Gestützt auf die Angaben des G.________ könne mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass er seit dem
Jahre 2001 bei der Beschwerdeführerin gearbeitet und für seine Tätigkeit
regelmässige Lohnzahlungen von durchschnittlich Fr. 3'000.- pro Monat erhalten
habe.

Demgegenüber bringt die Beschwerdeführerin vor, die von der Beschwerdegegnerin
angenommenen Lohnsummen seien "völlig aus der Luft gegriffen". Die Gültigkeit
der (polizeilichen) Einvernahme sei näher zu prüfen, da auf dieser die
Unterschrift des G.________ fehle. In der verbesserten Eingabe vom 16.
September 2008 bestreitet die Beschwerdeführerin zudem, Lohnzahlungen an
G.________ ausgerichtet zu haben.

2.2 Ob die Eintretensvoraussetzung des rechtsgenüglichen Antrags erfüllt ist
(E. 1.2 hievor; vgl. auch BGE 133 III 489 E. 3.1 und Urteil 8C_508/2007 vom 16.
Mai 2008 E. 2), kann offen bleiben. Wenn die Vorinstanz der polizeilichen
Befragung vom 21. Januar 2007 vollen Beweiswert zugemessen hat, ist diese
Beweiswürdigung weder willkürlich noch verstösst sie sonstwie gegen
Bundesrecht. Zunächst ist der Einwand der behaupteten fehlenden Unterzeichnung
des Befragungsprotokolls angesichts der sich auf jeder Seite dieses Dokuments
befindlichen Unterschrift des G.________ nicht stichhaltig. Eine von der
Beschwerdeführerin letztinstanzlich angekündigte "wahrheitsgetreue Bestätigung"
des G.________ betreffend fehlender Lohnzahlungen wurde nicht eingereicht und
wäre ohnehin unbeachtlich (Art. 99 Abs. 1 BGG), abgesehen davon, dass nach den
zutreffenden Erwägungen des kantonalen Gerichtes auch die Gewährung einer
Unterkunft beitragspflichtiger Lohnbestandteil ist (Art. 5 Abs. 2 AHVG in
Verbindung mit Art. 7 lit. f AHVV). Zu Recht hat die Vorinstanz berücksichtigt,
dass die Angaben des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin sehr
widersprüchlich waren (nachdem dieser zunächst gegenüber der Kantonspolizei
Zürich erklärt hatte, keinen G.________ zu kennen, führt er in seiner
Einsprache aus, keinen Angestellten namens G.________ beschäftigt zu haben, um
in der Folge zu "ergänzen", der Name G.________ sei ihm "privat" bekannt,
dieser habe ihm an zwei Sonntagen monatlich geholfen, als Gegenleistung sei ihm
ein Zimmer zur Verfügung gestellt worden). Schliesslich wird im angefochtenen
Entscheid zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin für die
Mitarbeit einer Hilfskraft im Umfang von wenigen Stunden an zwei (Sonn-)Tagen
monatlich kaum ein Zimmer zur Verfügung gestellt hätte. Die Feststellung,
wonach G.________ seit dem Jahre 2001 bei der Beschwerdeführerin angestellt
gewesen war und monatliche Löhne in Höhe zwischen Fr. 1'500.- (zu Beginn der
faktischen Anstellung) und Fr. 3'000.- in bar ausbezahlt erhielt, wobei das
kantonale Gericht nach erfolgloser Aufforderung der Beschwerdeführerin zur
genaueren Bezifferung der ausbezahlten Gehälter einen monatlichen
Durchschnittslohn von Fr. 3'000.- unterstellte, ist somit letztinstanzlich
verbindlich (vgl. BGE 117 V 261 E. 3b S. 264). Selbst wenn angenommen würde,
aus der Beschwerdebegründung gehe der sinngemässe Antrag auf Aufhebung der
Nachzahlungsverfügungen hervor, wäre die Beschwerde demzufolge abzuweisen.

3.
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG; vgl. auch Hansjörg Seiler, in: Seiler/von Werdt/
Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, N 20 zu Art. 66).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1900.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 9. Februar 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Bollinger Hammerle