Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 734/2008
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_734/2008

Urteil vom 24. November 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
M.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Guy Reich, Münchhaldenstrasse 24, 8008 Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 2. Juli 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1974 geborene M.________, verheiratet und Vater von vier Kindern, arbeitete
seit 1995 als Bodenleger bei der C.________ AG. Am 5. Mai 2001 erlitt er einen
Unfall. Am 20. Dezember 2001 meldete er sich unter Hinweis auf Knieschmerzen
links bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom
12. September 2002 sprach ihm die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt
(SUVA), bei welcher M.________ obligatorisch gegen Unfälle versichert war, für
die wirtschaftlichen Folgen des Unfalls ab 1. Juli 2002 eine Invalidenrente auf
der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 10 % zu. Auf Ende März 2003 wurde
der Versicherte von der Arbeitgeberfirma entlassen. In der Folge traf die
IV-Stelle des Kantons Aargau Abklärungen in medizinischer und erwerblicher
Hinsicht, worauf sie am 16. Januar 2008 einen Anspruch auf berufliche
Massnahmen ablehnte. Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren sprach sie
M.________ mit Verfügung vom 17. März 2008 rückwirkend ab 1. Mai 2002 bei einem
Invaliditätsgrad von 50 % eine bis 30. Juni 2002 befristete halbe
Invalidenrente zu.

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher M.________ die Aufhebung der
Verfügung und die Zusprechung der gesetzlichen Leistungen beantragen liess,
wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 2. Juli 2008
ab.

C.
M.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei
ihm eine Invalidenrente zuzusprechen und die Sache sei zur Ergänzung der
medizinischen Akten und zu neuer Beurteilung zurückzuweisen.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
2.1 Bei der rückwirkenden Zusprechung einer abgestuften oder befristeten Rente
sind die Revisionsbestimmungen (Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 88a Abs. 1 IVV)
analog anwendbar, weil noch vor Erlass der ersten Rentenverfügung eine
anspruchsbeeinflussende Änderung eingetreten ist mit der Folge, dass dann
gleichzeitig die Änderung mitberücksichtigt wird (vgl. BGE 109 V 125 E. 4a S.
126; ZAK 1984 S. 133; Urteil I 79/07 vom 17. Januar 2008 und Urteil des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 486/04 vom 14. Dezember 2004; siehe
auch BGE 131 V 164 E. 2.2 S. 165). Nach Art. 88a Abs. 1 IVV ist bei einer
Verbesserung der Erwerbsfähigkeit die anspruchsbeeinflussende Änderung für die
Herabsetzung oder Aufhebung der Leistung von dem Zeitpunkt an zu
berücksichtigen, in dem angenommen werden kann, dass sie voraussichtlich
längere Zeit dauern wird; sie ist in jedem Fall zu berücksichtigen, nachdem sie
ohne wesentliche Unterbrechung drei Monate angedauert hat und voraussichtlich
weiterhin andauern wird.

2.2 Mit Verfügung vom 17. März 2008 sprach die IV-Stelle dem Beschwerdeführer
rückwirkend ab 1. Mai 2002 eine bis 30. Juni 2002 befristete halbe
Invalidenrente zu. Die Vorinstanz wies die hiegegen erhobene Beschwerde ab,
wobei sie zum Schluss gelangte, dass eine Arbeitsunfähigkeit von lediglich 10 %
vorliege. Damit erübrige sich die Prüfung der erwerblichen Auswirkungen dieser
Einschränkung in der Leistungsfähigkeit.
Nach Massgabe des analog anwendbaren Art. 88a Abs. 1 IVV ist dieses Vorgehen
unzulässig. Vielmehr konnte die ab 1. Mai 2002 gewährte halbe Rente frühestens
mit Wirkung ab 1. Oktober 2002 aufgehoben werden, falls die den Rentenanspruch
ausschliessende Verbesserung der Erwerbsfähigkeit bis zu jenem Zeitpunkt
angehalten hatte und anzunehmen ist, dass sie darüber hinaus angedauert hat.

2.3 In Anlehnung an entsprechende Vorgaben der SUVA haben IV-Stelle und
Vorinstanz nach Ablauf der einjährigen Wartezeit seit dem Unfallereignis vom 5.
Mai 2001 ab 1. Mai bis 30. Juni 2002 einen Invaliditätsgrad von 50 %
angenommen, diesen ab 1. Juli 2002 jedoch auf weniger als 40 % festgesetzt. In
einlässlicher Würdigung der medizinischen Unterlagen stellte das
Versicherungsgericht fest, dass der Beschwerdeführer, welcher an einer
invalidenversicherungsrechtlich nicht relevanten, keine Arbeitsunfähigkeit
bewirkenden somatoformen Schmerzstörung leidet, gesamthaft nur zu 10 %
arbeitsunfähig sei. In der Beschwerde wird nichts vorgebracht, was die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen medizinischen Sachverhalts
als offensichtlich unrichtig oder auf einer Bundesrechtsverletzung beruhend
erscheinen lassen könnte, weshalb das Bundesgericht von der festgestellten
Arbeitsunfähigkeit von 10 % auszugehen hat (E. 1 hievor; BGE 132 V 393 E. 3.2
S. 397). Die Vorbringen in der Beschwerde erschöpfen sich im Wesentlichen in
einer im letztinstanzlichen Verfahren unzulässigen, appellatorischen Kritik an
der Beweiswürdigung der Vorinstanz. Wenn diese auf das Gutachten der Klinik
X.________ vom 22. Januar 2007 und nicht auf die vom Versicherten neu
aufgelegten Arztberichte abgestellt und gleichzeitig in antizipierter
Beweiswürdigung auf zusätzliche Abklärungen verzichtet hat, ist sie nicht in
Willkür verfallen. Ebenso wenig ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu
erkennen. Die Tatsache, dass das Gutachten der Klinik X.________ vom 22. Januar
2007 rund 14 Monate vor der Verfügung (vom 17. März 2008) erstattet wurde,
mindert dessen Beweiswert nicht, zumal die Klagen des Versicherten sich nicht
änderten und bis Verfügungserlass keine objektivierbaren
Gesundheitsschädigungen vorhanden waren, wie die Vorinstanz unter Hinweis auf
die als Beschwerdebeilagen eingereichten Arztberichte darlegt. Im Übrigen ist
der zeitliche Abstand zwischen Gutachten und Verfügung auch deswegen nicht
entscheidend, weil nach hier massgebender revisionsrechtlicher
Betrachtungsweise in erster Linie zu prüfen ist, ob die gesundheitliche
Situation des Beschwerdeführers die Aufhebung der halben Invalidenrente auf den
1. Oktober 2002 zu begründen vermag. Diese Frage ist, wie bereits dargelegt,
gestützt auf die verbindlichen Feststellungen des kantonalen Gerichts zu
bejahen.

3.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten den Parteien
anteilsmässig aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die IV-Stelle hat dem
Beschwerdeführer eine reduzierte Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs.
1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 2. Juli 2008 und die Verfügung der
IV-Stelle des Kantons Aargau vom 17. März 2008 werden dahin abgeändert, dass
der Beschwerdeführer Anspruch auf eine halbe Invalidenrente bis 30. September
2002 hat. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2.
Von den Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer Fr. 300.- und
der Beschwerdegegnerin Fr. 200.- auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 500.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Gerichtskosten und der Parteientschädigung
des vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau
zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau,
der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 24. November 2008
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer