Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 733/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_733/2008

Urteil vom 15. Januar 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Ettlin.

Parteien
N.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Leo R. Gehrer, Pestalozzistrasse 2, 9000 St.
Gallen,

gegen

IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
vom 2. Juli 2008.

Sachverhalt:

A.
Die 1953 geborene N.________ meldete sich am 16. Februar 2006 bei der IV-Stelle
des Kantons Thurgau zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an.
Gestützt auf die medizinischen Abklärungen, insbesondere das Gutachten der
Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) vom 16. Februar 2007, sowie den
Abklärungsbericht Haushalt vom 19. September 2007 verfügte die IV-Stelle nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren am 12. November 2007 die Abweisung des
Leistungsgesuchs (Invaliditätsgrad von 35 %).

B.
Die dagegen angehobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Thurgau mit Entscheid vom 2. Juli 2008 ab.

C.
N.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben
und beantragen, es sei ihr, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids,
eine Dreiviertelsrente, eventuell eine halbe Rente der Invalidenversicherung ab
1. Januar 2007 - oder ab 1. März 2007 - zuzusprechen. Allenfalls sei die Sache
an die Verwaltung oder Vorinstanz zu erneuter Beurteilung zurückzuweisen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde, währenddem das Bundesamt
für Sozialversicherungen (BSV) auf eine Stellungnahme verzichtet.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG).
Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Artikel 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es
kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen
oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

2.
Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen über die Begriffe der
Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG) und Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) sowie den
Umfang des Rentenanspruches (Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis zum 31. Dezember
2007 gültigen Fassung) und die Bemessung des Invaliditätsgrades bei
erwerbstätigen Versicherten nach der allgemeinen Methode des
Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG) sowie
die Invaliditätsbemessung bei Teilerwerbstätigen, welche sich überdies im
Aufgabenbereich betätigen, nach der sogenannten gemischten Methode (Art. 28
Abs. 2ter IVG in der von 1. Januar 2004 bis Ende 2007 in Kraft gestandenen
Fassung; BGE 134 V 9; 133 V 504; 131 V 51; 130 V 97; 130 V 393) zutreffend
dargelegt. Richtig erwähnt der angefochtene Entscheid zudem die Anforderungen
an den Beweiswert von Arztberichten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352; 122 V 157 E.
1c S. 160). Darauf wird verwiesen.

3.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf eine Invalidenrente. Die Anwendung
der gemischten Bemessungsmethode und die Aufteilung der Pensen von Beruf in 80
% und Haushalt in 20 % werden nicht mehr beanstandet. Ebenso liegt die Höhe des
Validenlohnes nicht im Streit.

4.
4.1 Die gesetzlichen und rechtsprechungsgemässen Regeln über die Durchführung
des Einkommensvergleichs charakterisieren sich als Rechtsfragen (BGE 132 V 393
E. 3.3 S. 399). Somit ist die Rüge, das Invalideneinkommen sei im Rahmen der
gemischten Bemessungsmethode proportional zum Anteil der Erwerbstätigkeit von
80 % und folglich gekürzt um die Differenz zwischen Voll- und hypothetischem
Teilzeitpensum (hier: 100 % - 80 % = 20 %), festzusetzen, ohne Einschränkung
der Kognition zu prüfen.

4.2 Die Vorinstanz hat den Validenlohn anhand der Lohnstrukturerhebungen des
Bundesamtes für Statistik (LSE 2006, Tabelle TA1, Total, Frauen,
Anforderungsniveau 4, S. 25) ermittelt und für das hier massgebliche
Erwerbspensum von 80 % ein jährliches Einkommen von Fr. 40'222.15 festgestellt.
Auf derselben Grundlage und unter Verwendung der gleichen Tabelle setzte sie
den Invalidenlohn auf Fr. 22'624.95 (nach Leidensabzug von 10 %) fest, wobei
sie ein von ärztlicher Seite für zumutbar erachtetes Pensum von 50 %
berücksichtigte, welche prozentuale Einschränkung sich auf eine vollzeitliche
Tätigkeit bezieht. Mit diesem Vorgehen hat das kantonale Gericht - entgegen der
Ansicht der Beschwerdeführerin - Bundesrecht nicht verletzt und die gemischte
Methode korrekt zur Anwendung gebracht. Zunächst bestimmt sich der für den
erwerblichen Bereich relevante Validenlohn nach dem zeitlichen Rahmen des ohne
Gesundheitsschaden voraussichtlich ausgeübten Teilzeitpensums (BGE 131 V 51 E.
5.1.1 S. 52 f.; Urteil I 156/04 vom 13. Dezember 2005 E. 5.1.1). Im Weiteren
verweist Art. 28 Abs. 2ter IVG auf Art. 16 ATSG. Danach gilt als Invalidenlohn
dasjenige Einkommen, welches die versicherte Person in einer ihr zumutbaren
Beschäftigung bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte. Folglich hat
ein Einkommensvergleich Platz zu greifen, bei dem sich die für den
Invalidenlohn relevante zeitliche Obergrenze des Arbeitseinsatzes - wie beim
Valideneinkommen - nach der Höhe des hypothetischen Pensums richtet, welchem
die Versicherte als Gesunde im erwerblichen Teil nachginge (BGE 131 V 51 E.
5.1.1 S. 52 f.); hingegen besteht kein Raum für eine Reduktion des
Invalidenlohnes um die prozentuale Differenz zwischen Voll- und Teilzeitpensum,
bliebe doch so bei der Bemessung der Invalidität zumutbarerweise zu erzielendes
Einkommen ausser Acht. In der Beschwerde wird verkannt, dass die versicherte
Person im Gesundheitsfall das erwerbliche Pensum aus freien Stücken festlegen
kann; beansprucht sie als Invalide eine Rente, ist sie demgegenüber kraft
Schadenminderungspflicht gehalten, die Restarbeitsfähigkeit so gut als möglich
zu verwerten, weshalb ein hälftiges Leistungsvermögen vollständig erwerblich zu
verwerten ist, und nicht nur zu vier Fünfteln.

4.3 Die Beschwerdeführerin bemängelt sodann den vom vorinstanzlichen Gericht
mit 10 % bemessenen Leidensabzug als zu niedrig. Die Höhe des
behinderungsbedingten Abzuges (vgl. dazu BGE 126 V 75) ist indessen eine
typische Ermessensfrage, deren Beantwortung letztinstanzlicher Korrektur nur
mehr dort zugänglich ist, wo das kantonale Gericht das Ermessen
rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder
-unterschreitung vorliegt (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399). Die Ermessensausübung
durch das kantonale Gericht ist nicht zu beanstanden. Namentlich fällt ins
Gewicht, dass sich das Alter bei Beschäftigungen mit niedrigem
Anforderungsprofil lohnmässig weit weniger stark auswirkt als bei der Gruppe
der anspruchsvollen und schwierigen Arbeiten (AHI 1999 S. 237 E. 4c). Keinen
Ermessensfehler stellt im Weiteren die Nichtberücksichtigung der langen
Abwesenheit der Beschwerdeführerin vom Arbeitsmarkt dar, kommt doch der
Berufserfahrung bei der hier relevanten einfachen und keine Ausbildung
erfordernden Verweistätigkeit lohnmässig keine ausschlaggebende Bedeutung zu.
Offenbleiben kann daher, ob die Dauer des Berufsunterbruchs mit Blick auf die
von der Rechtsprechung anerkannten Abzugskriterien überhaupt in Anschlag
gebracht werden könnte (BGE 126 V 75 E. 5b/bb S. 80). Schliesslich hat die
Vorinstanz die Zumutbarkeit einer bloss mehr leichten Tätigkeit sachgerecht in
das Ermessen einbezogen. Die Beschwerdeführerin bringt keine Gründe vor, die
den gewährten Abzug von 10 % unter den genannten Aspekten als rechtsfehlerhaft
erscheinen liesse. Die mit Bezug auf den Anteil der Erwerbstätigkeit
vorgenommene Invaliditätsschätzung von 35 % verletzt Bundesrecht nicht.

5.
5.1 Für die Invaliditätsbemessung im Haushalt stellt der eingeholte
Abklärungsbericht eine geeignete und im Regelfall genügende Grundlage dar.
Rechtsprechungsgemäss bedarf es des Beizugs einer ärztlichen Fachperson, die
sich zu den einzelnen Positionen der Haushaltführung unter dem Gesichtswinkel
der Zumutbarkeit zu äussern hat, nur in Ausnahmefällen, namentlich bei
unglaubwürdigen Angaben der versicherten Person, die im Widerspruch zu den
ärztlichen Befunden stehen (Urteil I 246/05 vom 30. Oktober 2007 E. 5.2.1 nicht
publ. in: BGE 134 V 9 aber in: SVR 2008 IV Nr. 34 S. 113; Urteile I 249/04 vom
6. September 2004 E. 5.1.1, in: SVR 2005 IV Nr. 21 S. 81, I 311/03 vom 22.
Dezember 2003 E. 5.3, in: AHI 2004 S. 137, und I 99/00 vom 26. Oktober 2000 E.
3c, in: AHI 2001 S. 155; zum Ganzen: Urteil I 693/06 vom 20. Dezember 2006 E.
6.2 mit Hinweisen) und bei psychischen Leiden (Urteil 8C_671/2007 vom 13. Juni
2008 E. 3.2.1 mit Hinweisen).

5.2 Erstmals vertritt die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht den Standpunkt,
die Invalidenversicherung habe im Abklärungsbericht Haushalt die
Einschränkungen in den verschiedenen Tätigkeitsfeldern unrichtig ermittelt, und
sie stellt den von der Verwaltung unter ihrer Mitwirkung erhobenen prozentualen
Einschränkungen davon abweichende Werte gegenüber. Damit behauptet sie nach
Art. 99 Abs. 1 BGG unzulässige neue Tatsachen, zumal bereits die Verwaltung auf
den Abklärungsbericht abgestellt hat und folglich nicht erst der angefochtene
Entscheid Anlass zur Rüge gab. Vielmehr hätte die Versicherte dieselbe schon im
vorinstanzlichen Verfahren vortragen können und auch müssen (Urteil 4A_36/2008
vom 18. Februar 2008 E. 4.1; ULRICH MEYER, Basler-Kommentar,
Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 40 zu Art. 99 BGG).

5.3 Wie es sich mit der von der Beschwerdeführerin beanstandeten Abweichung
zwischen der im Abklärungsbericht Haushalt vom 19. September 2007
festgehaltenen Leistungsminderung von 11 % einerseits und der ärztlichen
Einschätzung einer Einbusse im Haushalt von 20 % anderseits verhält, kann offen
bleiben, erreicht doch die Gesamtinvalidität selbst bei einer Einschränkung von
20 % keine rentenbegründende Höhe. Diesfalls beträgt der gewichtete
Invaliditätsgrad 4 %, was mit der Invalidität im erwerblichen Teil von 35 % (E.
4.3 hievor) die gesamthafte Einbusse von 39 % ergäbe.

6.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 65 Abs. 4 lit. a, Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. Januar 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Ettlin