Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 701/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_701/2008

Urteil vom 20. April 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Kernen, Seiler,
Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Amstutz.

Parteien
santésuisse - Die Schweizer Krankenversicherer, Römerstrasse 20, 4500
Solothurn,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Gemperli,

gegen

Zentrum S.________AG in Gründung, Beschwerdegegnerin, vertreten durch
Rechtsanwältin Ruth Bommer.

Gegenstand
Krankenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
11. Juni 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Schreiben vom 6. August 2007 erkundigte sich Dr. med. A.________ im Namen
der zu gründenden Zentrum S.________ AG bei der santésuisse, welche Angaben und
Unterlagen benötigt würden, um dieser AG eine eigene
Zahlstellen-Register-Nummer (nachfolgend: ZSR-Nummer) zuteilen zu können. Am 8.
August 2007 teilte santésuisse Dr. med. A.________ mit, dass die Direktion
entschieden habe, rückwirkend ab 1. Januar 2006 keine neuen ZSR-Nummern mehr
für Gruppenpraxen unter der Rechtsform einer AG oder GmbH zu erteilen. Alle
Ärzte der Zentrum S.________ AG müssten über ihre eigene ZSR-Nummer und
EAN-Nummer abrechnen. Am 31. Oktober 2007 erhob die Zentrum S.________ AG in
Gründung beim Schiedsgericht nach Art. 89 KVG des Kantons Thurgau Klage mit dem
Antrag, die santésuisse sei anzuweisen, der Klägerin eine ZSR-Nummer
zuzuweisen. Das Schiedsgericht hiess die Klage mit Urteil vom 11. Juni 2008 gut
und wies santésuisse an, der Zentrum S.________ AG in Gründung, bestehend aus
10 namentlich aufgeführten Ärztinnen und Ärzten, nach Eintrag der AG im
Handelsregister eine ZSR-Nummer zuzuteilen.

B.
Santésuisse erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht und die Zentrum S.________ AG in Gründung beantragen
Abweisung der Beschwerde. Mit Verfügung vom 16. Oktober 2008 erteilte der
Instruktionsrichter des Bundesgerichts der Beschwerde die aufschiebende
Wirkung. Am 12. Dezember 2008 führte der Instruktionsrichter des Bundesgerichts
mit den Parteien und einer Vertretung des Bundesamtes für Gesundheit eine
Instruktionsverhandlung durch, anlässlich derer weitere Beweiseingaben
angeordnet wurden. Nach deren Eingang erhielten die Beteiligten die
Gelegenheit, sich dazu und abschliessend zum Verfahren zu äussern.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerdegegnerin beabsichtigt, in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft
eine Arztpraxis in X.________ zu führen, bei welcher sie als Arbeitgeberin die
Ärztinnen und Ärzte anstellt. Dabei sollen auch Assistenzärzte angestellt
werden, welche die gemäss Art. 36 KVG geforderte Weiterbildung noch nicht
erfüllt haben, aber vom Kanton eine Bewilligung zur Ausübung einer
unselbständigen ärztlichen Tätigkeit erhalten haben und unter der Aufsicht
eines selbständigen Arztes arbeiten, der die Voraussetzungen nach Art. 36 KVG
erfüllt. Streitig ist, ob die Beschwerdegegnerin Anspruch auf Zuteilung einer
ZSR-Nummer hat oder ob den einzelnen in der AG tätigen Ärzten je eine eigene
Nummer zugeteilt werden soll.

2.
Die ZSR-Nummer ist nicht gesetzlich vorgesehen oder geregelt. Das KVG schreibt
jedoch vor, dass nur Leistungserbringer, welche die entsprechenden
Voraussetzungen erfüllen, zu Lasten der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung abrechnen dürfen (Art. 35 Abs. 1 KVG). Die
Krankenversicherer sind deshalb verpflichtet zu überprüfen, ob die
Leistungserbringer in diesem Sinne zugelassen sind. Da das KVG jedoch kein
formelles Zulassungsverfahren für die einzelnen Leistungserbringer kennt, führt
santésuisse als Branchenverband der Krankenversicherer ein Zahlstellenregister
(ZSR-Register). Auf Gesuch hin erteilt sie einem Leistungserbringer gegen
einmalige Gebühr die sogenannte ZSR-Nummer, sofern er die nach Gesetz,
Verordnung, Gerichts- und Verwaltungspraxis (einschliesslich der Empfehlungen
und Weisungen der Aufsichtsbehörde) erforderlichen Voraussetzungen der
Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erfüllt. Der
Zweck der ZSR-Nummer liegt vor allem in der erleichterten Abrechnung zwischen
Leistungserbringer und Versicherer. So darf der einzelne Versicherer
grundsätzlich davon ausgehen, dass der über eine ZSR-Nummer verfügende
Rechnungssteller die Voraussetzungen der Zulassung als Leistungserbringer zu
Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erfüllt. Das System der
Zahlstellen-Registernummern entlastet damit den Versicherer von der aufwändigen
Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen im Einzelfall - sie wird in der Praxis
nur noch bei Anhaltspunkten für Fehlerhaftigkeiten durchgeführt - und
ermöglicht ihm aufgrund sofortiger Identifizierung des Leistungserbringers und
dessen Bankadresse eine effiziente Abwicklung des Zahlungsverkehrs (BGE 132 V
303 E. 4.3.2 S. 305 f.). Die Mitglieder des Kassenverbandes haben damit ihre
gesetzliche Verpflichtung zur Prüfung der Voraussetzungen der Zulassung eines
Leistungserbringers zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung aus praktischen Gründen weitestgehend an den Verband
delegiert. Dieser beurteilt materiell-rechtlich die gesetzlichen
Zulassungsvoraussetzungen, sodass mit der Nummernvergabe deren Erfüllung
zumindest vermutet werden kann und die Kasse nur noch bei ersichtlichen
Ungereimtheiten im Einzelfall eine eigene Zulassungsprüfung vornehmen muss.
Santésuisse nimmt damit - wenn auch mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage
(theoretisch) nicht abschliessend - eine den Versicherern kraft öffentlichen
Rechts obliegende Pflicht wahr bzw. übt in der Sache eine
öffentlich-rechtliche, spezifisch sozialversicherungsrechtliche Funktion aus
(BGE 132 V 303 E. 4.4.2 S. 307 f.).

3.
3.1 Die Vorinstanz hat den Anspruch der Beschwerdegegnerin auf eine eigene
Nummer hauptsächlich auf Art. 15 Abs. 4 des (am 1. Januar 2007 in Kraft
getretenen) Regionalen Anschlussvertrags (AV) zum nationalen Rahmenvertrag
TARMED (RV [vom 5. Juni 2002]) zwischen santésuisse und den Ärztegesellschaften
der Kantone St. Gallen, Thurgau, beider Appenzell, Schaffhausen und Glarus
gestützt, ferner auf den gleichlautenden Art. 9 Abs. 4 RV. Sodann seien gemäss
Art. 2 lit. b Satz 2 RV die Leistungserbringer im Sinne von Einrichtungen
gemäss Art. 36a KVG den selbständigen Ärzten gleichgestellt. Des weiteren habe
santésuisse am 20. März 2002 und 20. Mai 2003 gegenüber dem Zentrum S.________
bestätigt, dass Gruppenpraxen unter Geltung des RV unabhängig von der
Rechtsform unter einer ZSR-Nummer abrechnen könnten.

3.2 Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe den AV falsch ausgelegt.
Nach dem wirklichen Willen der vertragsschliessenden Parteien enthalte der
Vertrag nicht einen Anspruch auf Zuweisung einer ZSR-Nummer an eine
Gruppenpraxis.

3.3 Art. 15 AV lautet, praktisch gleichlautend wie Art. 9 RV, wie folgt:
"Art. 15 Anstellung von Aerzten und Zusammenarbeit in der Rechtsform einer
juristischen Person oder einer Kommandit-/Kollektivgesellschaft (Art. 9 RV)

1 Die Anstellung von Aerzten unter der Verantwortung und Aufsicht eines
anstellenden Arztes ist zulässig.
2 Die anzustellenden Aerzte müssen santésuisse, der FMH und der zuständigen
KAeG vor Antritt der Stelle gemeldet werden. Im Zeitpunkt der Anstellung müssen
für den anzustellenden Arzt die Voraussetzungen gemäss Art. 36 KVG und Art. 38
KVV erfüllt sein.
3 Eine Zusammenarbeit in der Rechtsform einer juristischen Person (AG, GmbH,
Genossenschaft, Verein etc.), Kommanditgesellschaft und Kollektivgesellschaft
ist möglich.
4 Sind mehrere Aerzte unter einer einzigen Reg.-Nr. tätig, haften sie im Rahmen
dieses Vertrages gegenüber den Krankenversicherern bei vertragswidrigem
Verhalten solidarisch.
5 Die erbrachten Leistungen müssen den einzelnen Aerzten mittels EAN-Nummer so
zugeordnet werden können, dass aus der Rechnung der Arzt ersichtlich ist, der
die Leistungen hauptverantwortlich erbringt.
6 Die Anstellung von Aerzten bzw. die Zusammenarbeit in der Rechtsform einer
juristischen Person oder einer Kommandit-/Kollektivgesellschaft richtet sich im
übrigen nach der kantonalen Gesetzgebung und den Vereinbarungen zwischen Ärzten
und Versicherern auf überkantonaler, kantonaler oder regionaler Ebene."

3.4 Art. 15 Abs. 4 AV setzt offensichtlich voraus, dass gemeinsame Nummern für
mehrere Ärzte grundsätzlich möglich sind, doch ergibt sich jedenfalls aus
seinem Wortlaut nicht, dass in jedem Fall oder unter bestimmten Umständen ein
Anspruch auf eine solche gemeinsame Nummer besteht. Da santésuisse mit der
Zuteilung von ZSR-Nummern eine öffentlich-rechtliche Aufgabe wahrnimmt (vorne
E. 2), kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass es in ihrer
Privatautonomie stünde, nach Belieben mehreren Ärzten eine gemeinsame Nummer
zuzuteilen oder nicht.

3.5 Nach Wortlaut und Systematik von Art. 15 AV werden in diesem Artikel
verschiedene Arten von nicht in Einzelpraxen tätigen Ärzten (nebst den in Art.
14 AV bzw. Art. 8 RV erwähnten Praxisassistenten und Stellvertretern) genannt:
Erstens diejenigen Ärzte, die als Arbeitnehmer eines selbständig erwerbenden
Arztes angestellt sind (Abs. 1 und 2), zweitens diejenigen, die in der
Rechtsform einer juristischen Person zusammenarbeiten und alsdann rechtlich
nicht selbständig erwerbend, sondern Arbeitnehmer dieser juristischen Person
sind, und drittens diejenigen, die in der Rechtsform einer Kommandit- oder
Kollektivgesellschaft zusammenarbeiten (Abs. 3). Abs. 4, der eine solidarische
Haftung vorsieht, ist in diesem Zusammenhang wenig klar: Im Falle eines
angestellten Arztes (sei es eines anderen Arztes, sei es einer juristischen
Person) haftet der Arbeitgeber, nicht der angestellte Arzt; ob durch den AV,
der nicht durch die einzelnen Ärzte, sondern durch die Ärzteverbände
abgeschlossen ist, daran etwas geändert werden könnte, erscheint fraglich. Sind
mehrere Ärzte in der Form einer Kollektivgesellschaft tätig, so haften sie im
Rahmen von Art. 568 OR ohnehin solidarisch, auch ohne dass dies im AV geregelt
wäre. Es ist somit zweifelhaft, ob Abs. 4 ohne weiteres auf alle der drei
Kategorien gemäss Abs. 1-3 anwendbar ist. Denkbar wäre schliesslich auch, dass
Abs. 4 zusätzlich zu den in Abs. 1-3 Genannten eine weitere Gruppe anvisiert,
nämlich diejenigen Ärzte, die eine Praxisgemeinschaft unter gemeinsamer Nummer
bilden, ohne im Gesellschafter- oder Angestelltenverhältnis zu stehen.

3.6 Insgesamt sind Wortlaut und Systematik des Vertrags unklar. Der effektive
Wille der Vertragsparteien, der für die Auslegung in erster Linie massgebend
ist (Art. 18 Abs. 1 OR), ist unter den Parteien umstritten. Mangels eines
übereinstimmenden tatsächlichen Willens müssten allfällige Unklarheiten und
Lücken nach dem Vertrauensprinzip ausgelegt oder gefüllt werden, das heisst so,
wie die Parteien dies vernünftigerweise geregelt hätten, wenn sie die
Unklarheit oder Lücke erkannt hätten (Art. 2 Abs. 2 OR; BGE 133 III 675 E. 3.3
S. 681). Diese Grundsätze der Vertragsauslegung gelten auch, wenn man
angesichts der öffentlichen Funktion der ZSR-Nummer (vorne E. 2) den AV als
öffentlich-rechtlichen Vertrag betrachtet, wobei hier zusätzlich in
Zweifelsfällen zu vermuten ist, dass die Behörden und Privaten, welche
öffentliche Funktionen wahrnehmen keine Vereinbarung treffen wollten, die mit
den von ihnen zu wahrenden öffentlichen Interessen im Widerspruch steht, und
dass auch der Vertragspartner sich hierüber Rechenschaft gibt (BGE 122 I 328 E.
4e S. 335; ZBl 90/1989 S. 83, A.188/1987 E. 3a; Häfelin/Müller/Uhlmann,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2006, S. 233 Rz. 1103). So oder anders
darf der Vertrag nicht dem Gesetz widersprechen und ist er daher im
Zweifelsfalle gesetzeskonform auszulegen. Im Hinblick auf die im Folgenden
darzulegende gesetzeskonforme Auslegung erübrigen sich weitere Abklärungen zum
effektiven Willen der Vertragsparteien.

4.
4.1 Wie dargelegt (E. 2), bezweckt die ZSR-Nummer die Vereinfachung der
Abrechnung zwischen Leistungserbringern und Versicherern, indem santésuisse in
Vertretung der Versicherer die Zulassungsvoraussetzungen überprüft. Die
gesetzlichen Bestimmungen knüpfen sowohl für die Zulassungsvoraussetzungen
(Art. 35 ff. KVG) als auch für die Rechnungstellung und Tarifierung (Art. 42
ff. KVG) sowie die Wirtschaftlichkeitskontrolle und Qualitätssicherung (Art. 56
ff. KVG) an den Begriff des Leistungserbringers an. Um die ihr zugedachte
Funktion wahrnehmen zu können, muss daher auch die ZSR-Nummer dem
Leistungserbringer als solchem zugeteilt werden.

4.2 Die einzelnen Kategorien von Leistungserbringern werden in Art. 35 Abs. 2
KVG abschliessend genannt (BGE 133 V 613 E. 6.2 S. 621; 126 V 330 E. 1c S. 333;
Eugster, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht
[SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Aufl. 2007, S. 631 Rz. 711) und in den folgenden
Artikeln näher geregelt. Leistungserbringer sind u.a. "Ärzte und Ärztinnen"
(Art. 35 Abs. 2 lit. a und Art. 36 KVG) sowie "Einrichtungen, die der
ambulanten Krankenpflege durch Ärzte und Ärztinnen dienen" (Art. 35 Abs. 2 lit.
n und Art. 36a KVG). Diese letztere Kategorie wurde durch Gesetzesänderung vom
24. März 2000, in Kraft seit 1. Januar 2001 (AS 2000 2305), eingeführt. Der
Grund dieser Gesetzesrevision bestand darin, dass vorher eine
Rechtsunsicherheit geherrscht hatte darüber, ob Ärzte in der Form einer
juristischen Person praktizieren dürfen. Traditionell arbeiteten die Ärzte als
Einzelunternehmer, obwohl keine gesetzliche Vorschrift die Freiheit der
Rechtsformenwahl (Art. 27 BV; Urteil 2P.142/2004 vom 12. Januar 2005, E. 4.2)
einschränkte. Gemeinschaftspraxen waren meistens in der Form der einfachen
Gesellschaft organisiert (Eduard Eicher, Die Gruppenpraxis in der Schweiz,
Schweizerische Ärztezeitung 73/1992 S. 375 ff., 377; Heinrich Honsell [Hrsg.],
Handbuch des Arztrechts, 1994, S. 229 f.). Seit den 1990er Jahren entstanden
HMO-Praxen, die teilweise als Aktiengesellschaften organisiert waren (Carolina
Meli, Horizontale und vertikale Konzentrationsprozesse bei den
Leistungserbringern in Gesundheitssystemen, Lizentiatsarbeit Bern 2001, S. 79
ff.; «http://www.iop.unibe.ch/lehre/praemierteLiz.asp» [besucht am 15. April
2009]). Dabei bestand Unsicherheit, ob die Ärzte in einer HMO-Klinik eine
gemeinsame Sammelnummer oder ob jeder einzelne Arzt eine einzelne Nummer
zugeteilt erhalten solle (Kuhn/Rusca/Stettler, Rechtsfragen der Arztpraxis, in:
Kuhn/Poledna [Hrsg.], Arztrecht in der Praxis, 2. Aufl. 2007, S. 265 ff., 275).
Die Gesetzesänderung sollte aufgrund der Entwicklungen im Bereich der
besonderen Versicherungsformen und der entsprechend vielfältigen Institutionen
zwecks Vermeidung von Rechtsunsicherheiten eine explizite Grundlage schaffen,
so dass bei Ärzten, die aufgrund eines vertraglichen Angestelltenverhältnisses
in einer HMO oder in einem Zentrum der ambulanten Versorgung tätig sind, die
Selbständigkeit nicht zwingend vorausgesetzt wird (Botschaft vom 21. September
1998 betreffend den Bundesbeschluss über die Bundesbeiträge in der
Krankenversicherung und die Teilrevision des Bundesgesetzes über die
Krankenversicherung, BBl 1999 I 793 ff., 839; Kuhn/Rusca/Stettler, a.a.O., S.
275 f.; BGE 133 V 613 E. 5.2.1 S. 617 f.). Seither bilden die Einrichtungen im
Sinne von Art. 35 Abs. 2 lit. n bzw. Art. 36a KVG, welche angestellte Ärzte
beschäftigen, eine eigene Kategorie von Leistungserbringern neben den
selbständig erwerbenden Ärzten im Sinne von Art. 35 Abs. 2 lit. a bzw. Art. 36
KVG (BGE 133 V 613 E. 6.2 S. 621 f.).

4.3 Auslöser für die neue Regelung waren offenbar hauptsächlich HMO-Praxen. Der
klare Wortlaut des Gesetzes ist indessen nicht auf solche Praxen beschränkt. Es
sind auch keine Gründe ersichtlich, welche eine Abweichung vom diesem Wortlaut
nahe legen würden. Art. 36a KVG gilt daher auch für juristische Personen,
welche Ärzte anstellen, ohne dem HMO-Modell zu folgen (ebenso Berger/Poledna,
Öffentliches Gesundheitsrecht, 2002, S. 260 f.).

4.4 Üben die einzelnen Ärzte ihre Tätigkeit als Arbeitnehmer der juristischen
Person aus, so sind Leistungserbringer im Sinne des KVG nicht die Ärzte,
sondern die juristische Person, welche eine Einrichtung im Sinne von Art. 35
Abs. 2 lit. n bzw. Art. 36a KVG ist. Da die ZSR-Nummer an den Begriff des
Leistungserbringers anknüpft (vorne E. 4.1), muss daher nach der Systematik des
Gesetzes diese Nummer der Einrichtung als solcher zugeteilt werden (ebenso Kuhn
/Rusca/Stettler, a.a.O., S. 280). Denkbar ist zwar auch eine
Praxisorganisation, wonach die juristische Person nur die Infrastruktur oder
gewisse andere Dienstleistungen für mehrere Ärzte zur Verfügung stellt, diese
aber ihre Tätigkeit als Einzelunternehmer ausüben und bloss die
Dienstleistungen von der Gesellschaft beziehen. In einem solchen Fall wären
weiterhin die einzelnen Ärzte als Leistungserbringer zu betrachten. Es ist
Sache der beteiligten Ärzte, ihre Praxisorganisation und deren Rechtsform
festzulegen. Stellt - wie vorliegend die Beschwerdegegnerin - eine
Aktiengesellschaft das Gesuch um eine eigene gemeinsame ZSR-Nummer, so ist
davon auszugehen, dass sie selber als Leistungserbringerin auftreten will. Sie
hat demnach Anspruch auf Zuteilung einer gemeinsamen Nummer.

4.5 Die Beschwerdeführerin wendet ein, dass mit einer gemeinsamen Nummer die
Kontrolle der Verrechnungsberechtigung nicht mehr möglich wäre.
4.5.1 Einrichtungen, die der ambulanten Krankenpflege dienen, sind gemäss Art.
36a KVG nur zugelassen, wenn die dort tätigen Ärzte und Ärztinnen die
Voraussetzungen nach Art. 36 KVG erfüllen. Es ist selbstverständlich, dass die
Einhaltung dieser Voraussetzung überprüft werden und überprüfbar sein muss.

4.5.2 Art. 15 Abs. 2 AV sieht ausdrücklich vor, dass die anzustellenden Ärzte
u.a. an santésuisse vor Antritt der Stelle gemeldet werden müssen, und dass im
Zeitpunkt der Anstellung für den anzustellenden Arzt die Voraussetzungen gemäss
Art. 36 KVG und Art. 38 KVV erfüllt sein müssen. Es versteht sich, dass diese
Meldepflicht nicht nur dann gilt, wenn ein Arzt als Einzelunternehmer einen
anderen Arzt anstellt, sondern auch dann, wenn die Anstellung durch eine
juristische Person wie z.B. die Beschwerdegegnerin erfolgt. Damit wird die
Beschwerdeführerin in die Lage versetzt, die Einhaltung der Voraussetzungen zu
überprüfen. Zwar kann damit theoretisch nicht ausgeschlossen werden, dass in
der juristischen Person trotzdem ein Arzt beschäftigt wird, der die
Voraussetzungen nach Art. 36 KVG nicht erfüllt. Dies kann aber so oder anders
auch bei selbständig tätigen Ärzten nicht ausgeschlossen werden und ist daher
kein ausschlaggebender Grund, um die ZSR-Nummer nicht an die juristische Person
zuzuteilen.

4.6 Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, dass die Zuteilung einer
gemeinsamen ZSR-Nummer an die juristische Person die Durchführung der
Wirtschaftlichkeitskontrolle vereitle.
4.6.1 Die zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung abgerechneten
Leistungen müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein (Art. 32 Abs. 1
KVG). Die Leistungserbringer haben sich in ihren Leistungen auf das Mass zu
beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den
Behandlungszweck erforderlich ist (Art. 56 Abs. 1 KVG). Zur Überprüfung der
Wirtschaftlichkeit kann rechtsprechungsgemäss sowohl die statistische Methode
(Durchschnittskostenvergleich) als auch die analytische Methode
(Einzelfallprüfung) - oder eine Kombination beider Methoden - zur Anwendung
gelangen (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts K 6/06 vom 9. Oktober 2006, E.
4.1, nicht publ. in: BGE 133 V 37). Die statistische Methode beruht auf
Statistiken, welche die Versicherer aufgrund der in Rechnung gestellten
Vergütungen erstellen (Art. 76 lit. b KVV). Dabei werden die
Durchschnittskosten für die einzelnen medizinischen Fachgebiete gesondert
erhoben (Eugster, a.a.O., S. 662). Zur Erstellung dieser Statistik dient bisher
die ZSR-Nummer: Die einzelnen in Rechnung gestellten Leistungen werden dem
Inhaber der auf der betreffenden Abrechnung vermerkten ZSR-Nummer zugerechnet.
Liegen bei einem Leistungserbringer die Durchschnittskosten pro Patient bzw.
Behandlungsfall deutlich über dem Durchschnitt seiner Fachgebietsgruppe, ohne
dass sich dies mit Praxisbesonderheiten begründen lässt, so können die
Versicherer die zu Unrecht bezahlten Vergütungen zurückfordern (Art. 56 Abs. 2
KVG; BGE 119 V 448 E. 4b S. 453 f.).
4.6.2 Sollte sich die Wirtschaftlichkeitskontrolle mit der vermehrten Zuteilung
von Sammel-ZSR-Nummern an Gruppenpraxen nicht mehr effektiv bewerkstelligen
lassen, ist es nach den Erwägungen der Vorinstanz Sache der heutigen
Beschwerdeführerin, ein entsprechendes Kontrollsystem einzuführen; diese habe
eingeräumt, dass die Wirtschaftlichkeitskontrolle auch anders als mit den
ZSR-Nummern möglich sei. Die Beschwerdeführerin rügt letztere Feststellung als
offensichtlich unrichtig; sie habe nur zugestanden, dass theoretisch eine neue
Codierung ins Abrechnungssystem eingeführt werden könnte; dies würde aber einen
enormen Aufwand bedingen. Zudem sei die Benützung der ZSR-Nummer für die
Abrechnung im Tarmed-Rahmenvertrag festgelegt, und das Zustandekommen einer
Vertragsänderung wäre ungewiss.
4.6.3 Die Gründung einer juristischen Person darf nicht dazu führen, dass die
gesetzlich vorgeschriebene Wirtschaftlichkeitskontrolle unter-laufen wird. Auch
kann entgegen der Behauptung der Beschwerdegegnerin nicht gesagt werden, die
ZSR-Nummer sei für die Durchführung dieser Kontrolle ohnehin ungeeignet.
Vielmehr stellt die Rechtsprechung auf die auf dieser Grundlage erhobenen
Durchschnittskostenvergleiche ab.
4.6.4 Hat die juristische Person als solche eine einheitliche ZSR-Nummer und
rechnet sie alle Leistungen über diese ab, können die Leistungen in der
Statistik nicht mehr den einzelnen Ärzten zugerechnet werden, wenn auf die
ZSR-Abrechnungen abgestellt wird. Eine individuelle Zurechnung ist in diesem
Fall aber auch nicht erforderlich: Ist die Einrichtung im Sinne von Art. 36a
KVG, bzw. die juristische Person, welche eine solche Einrichtung betreibt, als
Leistungserbringerin zu betrachten (vorne E. 4.4), so ist konsequenterweise
auch die juristische Person und nicht der einzelne darin tätige Arzt allenfalls
nach Art. 56 Abs. 2 KVG rückerstattungspflichtig. Zu diesem Zweck genügt es,
dass die Abrechnung und die Datenerfassung für die juristische Person
gesamthaft erfolgt. Da die massgebenden Durchschnittskosten nicht pro Arzt,
sondern pro Patient (bzw. pro Behandlungsfall) massgebend sind, kann
grundsätzlich auch bei einer Gruppenpraxis mit mehreren Ärzten ein solcher
Kostenvergleich durchgeführt werden, indem die Kosten der gesamten
Gruppenpraxis in Relation zu der Gesamtzahl der darin behandelten Patienten
gesetzt wird. Analoges gilt für die Leistungen der angestellten
Praxisassistenten, die nach Art. 14 Abs. 5 AV unter der Verantwortung des
ZSR-Nummern-Inhabers handeln. Fliessen diese Leistungen bisher in die
Durchschnittskosten des anstellenden Arztes ein, so fliessen bei der
Beschwerdegegnerin die Leistungen sämtlicher von ihr angestellten
Praxisassistenten in die Durchschnittskosten der juristischen Person ein.
Erschwert wird der Kostenvergleich freilich dann, wenn in der Gruppenpraxis
Ärzte verschiedener Fachrichtungen tätig sind. Auch dann bleibt jedoch die
juristische Person als solche Leistungserbringerin und ist sie für die
Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots verantwortlich. Für die Berechnung der
Durchschnittskosten scheint es durchaus möglich, einen gewichteten Durchschnitt
entsprechend der Anzahl der in der Gruppenpraxis tätigen Vertreter der
einzelnen Fachrichtungen zu errechnen. Voraussetzung für ein derartiges
Abrechnungsmodell ist selbstverständlich, dass die Beschwerdegegnerin eine
einheitliche und transparente Abrechnungspraxis verfolgt. Hat sie sich
entschieden, als juristische Person unter einer gemeinsamen ZSR-Nummer tätig zu
sein (vorne E. 4.4), so muss sie dies konsequent so handhaben und kann nicht
nach Belieben einzelne Leistungen über allfällige individuelle Nummern der
einzelnen Ärzte abrechnen, weil so eine zuverlässige
Wirtschaftlichkeitskontrolle verunmöglicht würde.
4.6.5 Es ist im vorliegenden Verfahren nicht nötig, die Methode der
Wirtschaftlichkeitskontrolle bei Einrichtungen im Sinne von Art. 36a KVG
abschliessend festzulegen. Die auf der ZSR-Statistik beruhende Methode ist zwar
von der Rechtsprechung anerkannt, aber nicht gesetzlich vorgeschrieben. Auch
andere geeignete Erfassungsmethoden können rechtskonform sein. Sollte die
Beschwerdeführerin zum Schluss kommen, dass die vorne in E. 4.6.4 skizzierte
Vorgehensweise nicht gangbar ist, steht es ihr frei, andere Methoden zu
entwickeln oder mit der Beschwerdegegnerin zu vereinbaren. Denkbar sind auch
unterschiedliche Abrechnungsmodelle für verschiedene Kategorien von
Versicherten, wie die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Praxis in
anderen Einrichtungen ausführt. Sie macht freilich geltend, nach den
massgebenden Verträgen (RV/AV) müssten die Leistungserbringer nebst den
ZSR-Nummern nur die EAN-Nummer mitteilen, welche für die
Wirtschaftlichkeitskontrolle nicht tauglich sei. Auch wenn die geltenden
Verträge (RV und AV) in Bezug auf Arztpraxen in der Form der juristischen
Personen lückenhaft oder unklar sein mögen (vorne E. 3.6), kann dies aber kein
Hindernis sein für die sich aus dem gesetzlichen System ergebende Zuteilung
einer gesamthaften ZSR-Nummer an Einrichtungen im Sinne von Art. 36a KVG: Nach
Art. 56 Abs. 5 KVG sehen die Leistungserbringer und Versicherer in den
Tarifverträgen Massnahmen zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der
Leistungen vor. Die in den Verträgen geregelte Pflicht, die Leistungen über die
ZSR-Nummer abzurechnen, ist eine solche Massnahme. Sollte sich erweisen, dass
in Bezug auf die Einrichtungen nach Art. 36a KVG diese Daten tatsächlich für
eine Wirtschaftlichkeitskontrolle nicht genügen, sind gegebenenfalls die
Verträge in Bezug auf die Abrechnungsmodalitäten dieser
Leistungserbringer-Kategorie zu ergänzen; die Leistungserbringer sind aufgrund
von Art. 56 Abs. 5 KVG verpflichtet, zu solchen Regelungen Hand zu bieten.

4.7 Die Beschwerde ist damit unbegründet. Für die von der Beschwerdegegnerin
beantragten weiteren Beweismassnahmen besteht bei diesem Ausgang kein Anlass.

5.
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt keine Verfahrenskosten (Art. 66 Abs.
4 BGG), hat jedoch der obsiegenden Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung
zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 4'000.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 20. April 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Amstutz