Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 6/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_6/2008

Urteil vom 6. Juni 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Parteien
K.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Zollinger, Rämistrasse 5, 8001 Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 20. November 2007.

Sachverhalt:

A.
Der 1956 geborene K.________ arbeitete seit 1986 als Strassenreiniger
(Chauffeur Kategorie B). Am 26. August 2002 fiel er beim Schneiden eines Baumes
von der Leiter und zog sich dabei eine Fussfraktur rechts zu, die am 3.
September 2002 operativ versorgt wurde. Für die Folgen dieses Ereignisses
richtet ihm der Unfallversicherer seit 1. August 2003 gestützt auf einen
Invaliditätsgrad von 29 % eine Invalidenrente aus.
Im Januar 2004 meldete sich K.________ bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich klärte die medizinischen
und erwerblichen Verhältnisse ab, wozu sie auch die Akten des Unfallversicherer
beizog, und lehnte mit Verfügung vom 9. November 2004 das Gesuch um Ausrichtung
einer Invalidenrente ab. Daran hielt sie auf Einsprache des Versicherten hin
fest, wobei sie gleichzeitig auch den Anspruch auf berufliche Massnahmen
verneinte (Entscheid vom 3. Januar 2007).

B.
Beschwerdeweise liess K.________ beantragen, der Einspracheentscheid sei
aufzuheben und es sei ihm eine ganze Rente zuzusprechen. Eventualiter sei er
von Amtes wegen beruflich wieder einzugliedern und es sei der Fall zur üblichen
IV-Abklärung zurückzuweisen. Subeventualiter sei die Sache zur medizinischen
und beruflichen Abklärung und zur Einholung eines Gutachtens an die IV-Stelle
zurückzuweisen. Mit Entscheid vom 20. November 2007 wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab.

C.
K.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben
mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und es sei ihm
eine "behinderungsangepasste Rente" zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache
zur weiteren Abklärung zurückzuweisen. Das in der Beschwerde gestellte Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung, Verbeiständung) zog er im
Verlaufe des Verfahrens zurück (Schreiben vom 28. Januar 2008).

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann nach Art. 95
lit. a BGG die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden. Die Feststellung des
Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung
des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs.
1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Streitig und zu prüfen sind der Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Rente
der Invalidenversicherung und auf berufliche Massnahmen.

3.
Da der Einspracheentscheid vom 3. Januar 2007 datiert, sind die am 1. Januar
2008 in Kraft getretenen Änderungen des IVG vom 6. Oktober 2006 und der IVV vom
28. September 2007 (5. IV-Revision) nicht anwendbar (BGE 129 V 354 E. 1 S.
356).
Im Einspracheentscheid werden die Bestimmungen über die Invalidität (Art. 8
Abs. 1 ATSG, Art. 4 IVG), die Invaliditätsbemessung bei erwerbstätigen
Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG; vgl. BGE 130 V
343 E. 3.4 S. 348 f.) sowie die Voraussetzungen und der Umfang des
Rentenanspruchs (vgl. Art. 28 Abs. 1 IVG) zutreffend dargelegt. Die Vorinstanz
hat die Einheitlichkeit des Invaliditätsbegriffs (BGE 131 V 120 E. 3.3.3 S. 123
f.), die Ermittlung des ohne Invalidität erzielbaren Einkommens
(Valideneinkommen; vgl. auch BGE 129 V 222 E. 4.3.1 S. 224 mit Hinweis) sowie
die Bestimmung des trotz Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch erzielbaren
Einkommens (Invalideneinkommen) nach den vom Bundesamt für Statistik in der
Lohnstrukturerhebung (LSE) ermittelten Tabellenlöhnen (vgl. BGE 129 V 472 E.
4.2.1 S. 475 und E. 4.2.3 S. 481) richtig dargestellt. Gleiches gilt für die
Ausführungen zur subjektiven und objektiven Eingliederungsfähigkeit als
Anspruchsvoraussetzung für berufliche Massnahmen (AHI 1997 S. 79 E. 2b/aa; ZAK
1991 S. 178 E. 3). Darauf wird verwiesen.

4.
4.1 In tatsächlicher Hinsicht hat die Vorinstanz - für das Bundesgericht unter
Vorbehalt von Art. 105 Abs. 2 BGG verbindlich - festgestellt, gemäss den
übereinstimmenden medizinischen Beurteilungen sei der Beschwerdeführer einzig
aufgrund der erlittenen Fussfraktur, mithin allein aufgrund von Unfallfolgen,
in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt; es fehlten Anhaltspunkte für weitere
gesundheitliche Beeinträchtigungen, namentlich solche psychischer Natur. In
einer mehrheitlich sitzenden, den rechten Fuss nicht belastenden Tätigkeit,
welche nicht die Einnahme einer Zwangshaltung erfordere, sei der
Beschwerdeführer im Umfang von 100 % arbeitsfähig.
Unter Zugrundelegung dieser Prämisse ermittelte die Vorinstanz das trotz
Gesundheitsschaden hypothetisch erzielbare Einkommen (Invalideneinkommen) auf
der Basis der LSE 2002 unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen
wöchentlichen Arbeitszeit im Jahr 2003 und der Nominallohnentwicklung von 1,4 %
für das Jahr 2003 mit Fr. 57'806.- ([Fr. 4'557 x 41.7/40 x 12] x 1.014),
welchen Betrag sie in Würdigung der konkreten Umstände um einen
leidensbedingten Abzug von 10 % auf Fr. 52'025.- kürzte. Für das
Valideneinkommen ging sie von den Angaben des Arbeitgebers aus, wonach der
Beschwerdeführer im Jahr 2003 einen Jahreslohn von Fr. 71'982.- (exklusive
Zulagen) erzielt hätte, und trug den Zulagen mit einer Erhöhung um Fr. 1'514.-
Rechnung, womit sie zu einem Einkommen von Fr. 73'496.- gelangte.
Unberücksichtigt liess sie dabei die Treueprämie mit der Begründung, diese sei
nicht jährlich ausgerichtet worden.
Nach einer Gegenüberstellung der beiden hypothetischen Vergleichseinkommen
ermittelte die Vorinstanz einen rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von
(gerundet) 29 %.

4.2 Der Beschwerdeführer behauptet zu Unrecht, er leide nicht nur an
Unfallfolgen, sondern an zusätzlichen Leiden, welche sich aus dem
vertrauensärztlichen Gutachten der Dr. med. L.________, Spezialärztin FMH für
Innere Medizin, vom 11. Juni 2003 und dem vor Bundesgericht neu aufgelegten
Bericht der Dres. med. M.________ und G.________, Facharzt für Allgemeinmedizin
FMH, vom 16. August 2007 ergäben. Denn die Vorinstanz hat nach umfassender,
sorgfältiger, objektiver und inhaltsbezogener Würdigung der medizinischen
Aktenlage (BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400) mit überzeugender Begründung dargelegt,
dass keine Anhaltspunkte für zusätzliche gesundheitliche Beeinträchtigungen mit
Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit bestehen. Wenn es auch zutrifft, dass Dr.
med. L.________ weitere Diagnosen ("Adipositas" und "Nikotinabusus") aufführte,
verneinte sie doch einen Einfluss derselben auf die Arbeitsfähigkeit des
Versicherten, wie sich aus dem Abschnitt "Beurteilung" ihres Gutachtens vom 11.
Juni 2003 ergibt. Ebenso wenig in Frage gestellt wird die vorinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung durch den Bericht der Dres. med. M.________ und
G.________ vom 16. August 2007 (wobei die Zulässigkeit dieses Beweismittels
offen gelassen werden kann [Art. 99 Abs. 1 BGG]), weil dieser mehr als ein
halbes Jahr nach dem Einspracheentscheid - welcher in zeitlicher Hinsicht die
Grenze der richterlichen Beurteilung bildet (BGE 129 V 167 E. 1 S. 169 mit
Hinweis) - erstellt worden ist und eine aktuelle Diagnosestellung beinhaltet,
aus welcher sich für die massgebenden Verhältnisse bis zum Einspracheentscheid
nichts ableiten lässt.

4.3 Hinsichtlich des Einkommensvergleichs rügt der Beschwerdeführer vergeblich,
die Vorinstanz habe im Rahmen des Valideneinkommens zu Unrecht die Treueprämie
nicht berücksichtigt. Denn im angefochtenen Entscheid wird zutreffend davon
ausgegangen, dass der Beschwerdeführer mit der Treueprämie, da diese
unregelmässig ausgerichtet wurde (im Jahr 2001 erhielt er eine solche in der
Höhe von Fr. 5'632.-, im folgenden Jahr keine und im Jahr 2003 eine Teil-Prämie
von Fr. 1'200.-), nicht rechnen konnte. Dass der Beschwerdeführer geltend
macht, nur wegen seines unfallbedingten Arbeitsausfalles sei ihm die
Treueprämie im Jahr 2002 nicht und im Jahr 2003 gekürzt ausgerichtet worden,
überzeugt nicht, denn diese Behauptung steht nicht im Einklang mit der
Tatsache, dass sich die Folgen des am 26. August 2002 erlittenen Unfalles erst
im letzten Trimester 2002 auswirkten und der Beschwerdeführer im Jahr 2003
seine Tätigkeit überhaupt nicht mehr aufgenommen hat. Zudem würde auch die
Berücksichtigung der Prämie am Ergebnis nichts ändern.
In Bezug auf das (mittels Tabellenlöhnen ermittelte) Invalideneinkommen ist -
entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nicht zu beanstanden, dass die
Vorinstanz den in Tabelle TA1 angegebenen, einer 40-Stunden-Woche
entsprechenden Wert (Fr. 4'557.-) auf die durchschnittliche wöchentliche
Arbeitszeit im Jahr 2003 von 41,7 Stunden hochgerechnet hat. Denn die der LSE
zugrunde liegenden Werte basieren (um den Vergleich zwischen Vollzeit- und
Teilzeitbeschäftigung zu ermöglichen) auf standardisierten Monatslöhnen, d.h.
auf einer einheitlichen Arbeitszeit von 4 1/3 Wochen zu 40 Stunden (LSE 2002,
S. 11 Ziff. 1.3), welcher Schritt im Rahmen der Ermittlung des
Vergleichseinkommens durch Aufrechnung von 40 auf die durchschnittliche Anzahl
von 41,7 Wochenstunden rückgängig zu machen ist, um zum massgebenden
Durchschnittslohn zu gelangen (vgl. auch BGE 126 V 75 E. 3b/bb S. 77).
Der Versicherte beanstandet zwar die Höhe des leidensbedingten Abzuges, macht
jedoch zu Recht nicht geltend, die Vorinstanz habe diesen in Überschreitung,
Unterschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens festgesetzt, was allein
letztinstanzlicher Korrektur zugänglich wäre (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399).
Indem die Vorinstanz einen Abzug von 10 % gewährt hat, um dem Umstand Rechnung
zu tragen, dass der Beschwerdeführer den rechten Fuss nur bedingt belasten, nur
geringe Gehstrecken zurücklegen und geringe Gewichte tragen oder heben kann,
hat sie ihr Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt.

5.
Den vom Versicherten erneut geltend gemachten Anspruch auf berufliche
Massnahmen (namentlich Arbeitsvermittlung im Sinne von Art. 18 Abs. 1 IVG)
haben die Vorinstanz und die IV-Stelle für den massgebenden Zeitraum zu Recht
mangels subjektiver Eingliederungsbereitschaft (vgl. dazu auch AHI 2002 S. 108
E. 3b; SVR 2005 IV Nr. 30 S. 113 E. 3.3, I 605/04) verneint. Es bleibt darauf
hinzuweisen, dass es dem Beschwerdeführer offen steht, bei anspruchserheblicher
Veränderung der Verhältnisse bei der IV-Stelle ein neues Gesuch um die von ihm
anbegehrte Arbeitsvermittlung einzureichen.

6.
Die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) sind ausgangsgemäss vom Beschwerdeführer zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 6. Juni 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Keel Baumann