Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 672/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_672/2008

Urteil vom 23. Oktober 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Kernen,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Parteien
H.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Kaspar Gehring,
Ulrichstrasse 14, 8032 Zürich,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 28. Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
Die IV-Stelle des Kantons Zürich sprach dem 1958 geborenen H.________ ab 2004
eine halbe Rente der Invalidenversicherung nebst Kinderrenten für seine beiden
Söhne zu. Vom 10. Oktober bis 26. Dezember 2005 wurde eine berufliche Abklärung
durchgeführt. Mit Verfügung vom 5. Dezember 2005 sprach die Verwaltung
H.________ dafür ein Taggeld von Fr. 187.20 (Grundentschädigung Fr. 151.20 und
Kindergeld Fr. 36.-) zu, was sie mit Einspracheentscheid vom 7. August 2005
bestätigte. Eine weitere berufliche Abklärung fand vom 7. August bis 6.
November 2006 statt, wofür die IV-Stelle mit Verfügungen vom 10. August und 2.
November 2006 ein Taggeld von Fr. 132.50 (Grundentschädigung Fr. 151.20 und
Kindergeld Fr. 36.-, insgesamt gekürzt um Fr. 54.70) zusprach. Dabei setzte sie
den effektiven Anspruch des H.________ unter Berücksichtigung der getrennt
auszuzahlenden Kindergelder auf Fr. 107.- fest.

B.
Die Beschwerden des H.________ hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich nach Vereinigung der Verfahren mit Entscheid vom 28. Mai 2008 insofern
teilweise gut, als es H.________ ein um Fr. 46.70 gekürztes Taggeld in der Höhe
von Fr. 163.30 zuzüglich Kindergeld für die beiden Söhne von je Fr. 14.-
zusprach (Dispositiv-Ziffer 1). Es auferlegte die Gerichtskosten von Fr.
1'000.- den Parteien je zur Hälfte (Dispositiv-Ziffer 2) und verpflichtete die
IV-Stelle des Kantons Zürich, H.________ eine reduzierte Prozessentschädigung
von Fr. 1'700.- (inklusiv Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen
(Dispositiv-Ziffer 3).

C.
H.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit den Rechtsbegehren, der Entscheid vom 28. Mai 2008 sei insoweit aufzuheben,
dass das auf Fr. 210.- berechnete Taggeld maximal um Fr. 30.40 (anstelle von
Fr. 46.70) gekürzt werde und es sei ihm ein Taggeld von mindestens Fr. 179.60
zuzusprechen; die Regelung der Kostenfolgen sei insoweit aufzuheben, als ihm
die Kosten zur Hälfte auferlegt und eine um die Hälfte reduzierte
Prozessentschädigung zugesprochen worden seien, für das vorinstanzliche
Verfahren sei ihm eine höhere Prozessentschädigung zuzusprechen resp. die
Kostenbeteiligung zu reduzieren; allenfalls sei das Verfahren zur Neuregelung
der Kosten- und Entschädigungsfolgen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die IV-Stelle schliesst sinngemäss auf Abweisung der Beschwerde. Das kantonale
Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Es prüft die Verletzung von
Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als
eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art.
106 Abs. 2 BGG).

2.
Nach Art. 47 Abs. 1 IVG können Renten während der Abklärungs- oder
Eingliederungsmassnahmen weiter gewährt werden, und zwar längstens bis zum Ende
des dritten vollen Kalendermonats, der dem Beginn der Massnahmen folgt.
Zusätzlich wird das Taggeld ausgerichtet. Dieses wird jedoch während der Dauer
des Doppelanspruchs um einen Dreissigstel des Rentenbetrages gekürzt.

Streitig und zu prüfen ist die Aufteilung der Kürzung zwischen dem Grundbetrag
des Versicherten und dem Kindergeld resp. der daraus resultierende Betrag des
dem Beschwerdeführer auszuzahlenden Taggeldes.

3.
Die Vorinstanz hat ein für die Taggeldbemessung massgebendes durchschnittliches
Tageseinkommen des Beschwerdeführers von Fr. 263.- festgestellt und die
entsprechende Grundentschädigung unter Berücksichtigung von Art. 23 Abs. 1 IVG
auf Fr. 210.- sowie die Kindergelder auf je Fr. 18.- festgesetzt. Unter Hinweis
auf die Verwaltungspraxis (Kreisschreiben über die Taggelder der
Invalidenversicherung [KSTI], gültig ab 1. Januar 2004, Rz. 3079 und 3087) hat
sie sodann den Kürzungsbetrag von Fr. 54.70 als dreissigsten Teil des gesamten
Rentenbetreffnisses (IV-Rente von Fr. 912.- sowie zwei Kinderrenten von je Fr.
365.-) eruiert und anschliessend das Kindergeld um 14,63 % gekürzt, was dessen
Verhältnis zum Gesamtanspruch entspricht. Daraus ergäben sich ein Taggeld für
den Versicherten von Fr. 163.30 sowie Kindergelder von je Fr. 14.-. Diese
Berechnungsart erscheine als zutreffend, zumal der Anteil der Kinderrenten am
gesamten Rentenbetreffnis grösser sei als jener des Kindergeldes am gesamten
Taggeldanspruch.

Nach Auffassung des Beschwerdeführers ist die Kürzung von Grundentschädigung
und Kindergeldern separat vorzunehmen. Das Taggeld des Beschwerdeführers sei
somit um Fr. 30.40 zu kürzen und betrage Fr. 179.-, den Kindern sei je ein
Taggeld von Fr. 5.85 auszurichten. Durch die Berechnungsart von Verwaltung und
Vorinstanz würden bei getrennter Auszahlung Versicherte mit mehreren Kindern
benachteiligt, da die Kürzung mit steigender Kinderzahl überproportional
wachse. Zudem würden die Kinder einer versicherten Person durch deren
Taggeldbezug sehr viel besser gestellt. Die Regelung von Art. 47 Abs. 1 IVG sei
klar und lasse keinen Interpretationsspielraum. Die Kürzungsberechnung beim
Kindergeld sei nicht anders vorzunehmen als beim Taggeld für den
Beschwerdeführer.

4.

4.1 Verwaltungsweisungen richten sich an die Durchführungsstellen und sind für
das Sozialversicherungsgericht nicht verbindlich. Dieses soll sie bei seiner
Entscheidung aber berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste
und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen
zulassen. Das Gericht weicht also nicht ohne triftigen Grund von
Verwaltungsweisungen ab, wenn diese eine überzeugende Konkretisierung der
rechtlichen Vorgaben darstellen. Insofern wird dem Bestreben der Verwaltung,
durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten,
Rechnung getragen (BGE 133 V 450 E. 2.2.4 S. 455, 132 V 121 E. 4.4 S. 125 mit
Hinweisen).

4.2 Sind die Anspruchsvoraussetzungen für ein Taggeld erfüllt, besteht
grundsätzlich kein Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung (Art. 43
Abs. 2 IVG). Die Kürzung des Taggeldes um einen Dreissigstel des Rentenbetrages
(Art. 47 Abs. 1 IVG) stellt daher eine innersystemische Koordination dar, damit
die diversen, von der Invalidenversicherung ausgerichteten Leistungen keine
Überentschädigung des Versicherten zur Folge haben (Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts C 26/03 vom 29. Oktober 2004 E. 2.3).
Im Verfahren nach Rz. 3079 und 3087 KSTI werden Grundentschädigung und
Kindergelder jeweils im Verhältnis des aus der Gesamtrente ermittelten
Kürzungsbetrages zum gesamten Taggeldanspruch gekürzt. Dadurch wird die
Koordination der Leistungen gewährleistet, und die Kürzung des Taggeldes trifft
die versicherte Person gleichermassen wie deren Kinder. Das vom
Beschwerdeführer verlangte Vorgehen weist keine entscheidenden Vorteile auf,
sondern erscheint gegenteils namentlich in jenen Fällen als problematisch, wo
der dreissigste Teil der Kinderrente höher ausfällt als das Kindergeld (welches
im Übrigen mit der 5. IV-Revision von 6 auf 2 Prozent des Höchstbetrages des
Taggeldes reduziert wurde; vgl. Art. 23bis IVG in der bis 31. Dezember 2007
resp. seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung): Entweder würde die
Überentschädigung nicht vollständig kompensiert, oder die versicherte Person
hätte entsprechend der jeweiligen Kinderrente - demnach abhängig von
Invaliditätsgrad (Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis 31. Dezember 2007 geltenden
Fassung), Rentenhöhe (Art. 37 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 34 AHVG) und
allfälligen weiteren Kürzungstatbeständen (vgl. Art. 38 Abs. 1 und Art. 38bis
Abs. 1 IVG) - einen umso grösseren Kürzungsanteil zu tragen, was nicht
sachgerecht ist.

4.3 Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz nicht Bundesrecht verletzt, indem sie
nach Rz. 3079 und 3087 KSTI vorgegangen ist und die Grundentschädigung des
Beschwerdeführers um Fr. 46.70 gekürzt hat.

5.

5.1 Der Beschwerdeführer beanstandet ferner, dass die Vorinstanz bei der
Verlegung der Gerichtskosten und der Zusprache einer Parteientschädigung von
einem hälftigen Obsiegen ausgegangen sei. Er sei zu mehr als drei Vierteln
durchgedrungen, weshalb sein Anteil an Gerichts- und Parteikosten höchstens ein
Viertel betrage.

Das kantonale Gericht hat "entsprechend dem Ausgang des Verfahrens" die
Gerichtskosten den Parteien je zur Hälfte auferlegt und dem Beschwerdeführer
eine um die Hälfte reduzierte Parteientschädigung zugesprochen.
5.2
5.2.1 Die gesetzliche Regelung des Rechtsgrundsatzes, wonach die Gerichtskosten
nach dem Erfolgsprinzip zu verteilen sind (vgl. Urteil 9C_911/2007 vom 23. Juni
2008, E. 2.4.1 mit Hinweisen), erfolgt für die erstinstanzlichen
sozialversicherungsrechtlichen Beschwerdeverfahren ausschliesslich im
kantonalen Recht. Das Bundesrecht enthält weder in Art. 61 ATSG noch in einer
anderen Bestimmung eine gesetzliche Normierung des Erfolgsprinzips (Urteil
8C_393/2008 vom 24. September 2008 E. 4.2). Das Bundesgericht darf daher die
Verlegung der Gerichtskosten nur daraufhin überprüfen, ob die Anwendung der
einschlägigen kantonalen Bestimmungen, sei es wegen deren Ausgestaltung oder
aufgrund des Ergebnisses im konkreten Fall, zu einer Verletzung von Bundesrecht
geführt hat (Art. 95 lit. a BGG; E. 1). Dabei fällt praktisch nur das
Willkürverbot (Art. 9 BV) in Betracht (Urteil 8C_393/2008 vom 24. September
2008 E. 4.3 mit Hinweisen).
5.2.2 Der Beschwerdeführer erhebt mit Bezug auf die Verlegung der
Gerichtskosten keinerlei Willkürrügen und macht auch sonst keinen zulässigen
Anfechtungsgrund geltend (E. 1). Weitere Ausführungen erübrigen sich daher.
5.3

5.3.1 Die obsiegende Beschwerde führende Person hat im kantonalen Verfahren
Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden vom Versicherungsgericht
festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der
Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen (Art. 61 lit. g
ATSG).

Ist das Quantitative einer Leistung streitig, rechtfertigt eine "Überklagung"
eine Reduktion der Parteientschädigung nur, wenn das ziffernmässig bestimmte
Rechtsbegehren den Prozessaufwand beeinflusst hat (BGE 117 V 401 E. 2c S. 407;
EVGE 1967 S. 215 E. 3a). Bildet ein invalidenversicherungsrechtlicher
Rentenanspruch Anfechtungs- und Streitgegenstand, führt demgemäss der Umstand
allein, dass im Beschwerdeverfahren abweichend von dem auf eine ganze oder
zumindest eine höhere Rente gerichteten Rechtsbegehren keine ganze oder aber
eine geringere Rente als beantragt zugesprochen wird, noch nicht zu einer
Reduktion der Parteientschädigung (Urteile 8C_93/2008 vom 7. Juli 2008 E. 7.3
und 8C_471/2007 vom 1. Februar 2008 E. 3.2 mit Hinweisen [Anwaltsrevue 2008 5
S. 244]). Gleiches gilt, wenn die Höhe des Taggeldanspruchs streitig ist und
dem Beschwerdeführer ein geringerer als der anbegehrte Betrag zugesprochen
wird.
5.3.2 Die im vorinstanzlichen Verfahren eingereichte Beschwerde befasste sich
mit dem Taggeldanspruch, ohne dass der notwendige Aufwand durch die beantragte
Höhe der Grundentschädigung und der darauf entfallenden Kürzung beeinflusst
worden wäre. Die Parteientschädigung hätte daher vom kantonalen Gericht nicht
allein wegen bloss teilweisen Obsiegens "um die Hälfte" reduziert werden
dürfen. Andere Gründe für ein Reduktion sind nicht ersichtlich und werden vom
kantonalen Gericht auch nicht genannt, weshalb der Beschwerdeführer Anspruch
auf den ungekürzten Betrag hat.

6.
Der Beschwerdeführer ist vor Bundesgericht im Hauptpunkt (Höhe des ihm
auszuzahlenden Taggeldes) und mit dem die Gerichtskosten betreffenden
Nebenbegehren nicht durchgedrungen, hat hingegen bezüglich der
Parteientschädigung für das kantonale Verfahren obsiegt. Dieses Resultat ist
als teilweises Obsiegen zu betrachten, weshalb dem Beschwerdeführer für das
Verfahren vor Bundesgericht eine (reduzierte) Parteientschädigung zusteht (Art.
68 Abs. 2 BGG) und die Gerichtskosten den Parteien anteilsmässig auferlegt
werden (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen, als Dispositiv-Ziffer
3 des Entscheids des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. Mai
2008 aufgehoben und die Beschwerdegegnerin verpflichtet wird, dem
Beschwerdeführer eine Parteientschädigung für das erstinstanzliche Verfahren
von Fr. 3'400.- (inklusiv Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen. Im
Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2.
Von den Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer Fr. 300.- und
der Beschwerdegegnerin Fr. 200.- auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'000.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Ausgleichskasse Zürcher Arbeitgeber und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 23. Oktober 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Dormann