Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 663/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_663/2008

Urteil vom 19. Dezember 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
A.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Alfred Dätwyler, Bielstrasse 3, 4500 Solothurn,

gegen

Winterthur-Columna Stiftung für die berufliche Vorsorge Winterthur, Paulstrasse
9, 8400 Winterthur,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 17. Juni 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1952 geborene A.________ war seit März 1999 als Vorarbeiter bei der
Z.________ AG angestellt und für die berufliche Vorsorge bei der
Winterthur-Columna Stiftung für die berufliche Vorsorge (im Folgenden:
Winterthur-Columna) versichert. Nachdem er seit 11. Dezember 2000 der Arbeit
krankheitshalber ferngeblieben war, wurde er auf den 30. April 2001 von der
Arbeitgeberfirma entlassen. Weil eine Krankentaggeldversicherung
arbeitsvertraglich vereinbart gewesen war, die Z.________ AG aber die Prämien
für die Kollektivversicherung nicht bezahlt hatte, erklärte sich diese bereit,
A.________ gegen Vorlage eines Arztzeugnisses jeden Monat 80 % seines Lohnes
auszubezahlen. Diese Zahlungen wurden auf den 10. März 2003 eingestellt, wobei
die Z.________ AG mit Schreiben vom 3. Februar 2003 mitteilte, dass das
Arbeitsverhältnis nunmehr beendet sei.
Die IV-Stelle des Kantons Solothurn, bei der sich A.________ am 24. Januar 2001
zum Leistungsbezug angemeldet hatte, lehnte gemäss Verfügung vom 26. September
2003 einen Rentenanspruch ab, weil der Invaliditätsgrad nur 27 % betrage. Die
Winterthur-Columna richtete dem Versicherten in der Folge ab 11. Dezember 2002
eine Invalidenrente auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 27 % aus. In
Nachachtung eines Entscheides des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 27. Oktober 2004, bestätigt mit Urteil des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts vom 4. April 2005, erliess die IV-Stelle nach ergänzenden
Abklärungen am 29. November 2006 eine neue Verfügung, mit der sie dem
Versicherten rückwirkend ab 1. April 2003 gestützt auf einen Invaliditätsgrad
von 100 % eine ganze Invalidenrente zusprach und gleichzeitig feststellte, der
Invaliditätsgrad habe ab 11. Dezember 2001 bloss 22 % betragen. Mit Schreiben
vom 8. März 2007 teilte die Winterthur-Columna A.________ mit, dass sie die
Rentenzahlungen einstelle, auf eine Rückforderung der vom 11. Dezember 2002 bis
30. September 2006 zu Unrecht ausgerichteten Leistungen jedoch verzichte.
Hingegen forderte sie die vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2006 ausbezahlten
Renten im Betrag von Fr. 1008.- zurück.

B.
Am 24. April 2007 liess A.________ beim Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn Klage einreichen mit den Anträgen, die Winterthur-Columna sei zu
verpflichten, ihm ab 1. April 2003 eine ganze Erwerbsunfähigkeitsrente nebst
Kinderrenten sowie Zins zu 5 % ab einem gerichtlich zu bestimmenden Zeitpunkt
zu bezahlen; eventuell sei die Winterthur-Columna zu verpflichten, ihm ab 1.
Oktober 2006 eine Erwerbsunfähigkeitsrente von 27 % nebst entsprechenden
Kinderrenten sowie Zins zu 5 % auszurichten. Mit Entscheid vom 17. Juni 2008
wies das Versicherungsgericht die Klage ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ den
vorinstanzlich gestellten Hauptantrag erneuern; eventuell sei die
Winterthur-Columna zu verpflichten, ihm ab 1. April 2003 eine
Erwerbsunfähigkeitsrente von 27 %, nebst entsprechenden Kinderrenten und Zins
zu 5 %, auszurichten.
Während die Winterthur-Columna auf Abweisung der Beschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
2.1 Weil die Beschwerdegegnerin einen anderen Invaliditätsbegriff verwendet als
das BVG und reglementarisch bereits ab einem Invaliditätsgrad von 25 %
Invalidenrenten ausrichtet, war die Vorinstanz bei der Prüfung der Frage, zu
welchem Zeitpunkt die Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt
hat, eingetreten ist, wovon die Versicherteneigenschaft und der
Leistungsanspruch gegenüber der Vorsorgeeinrichtung abhängen (Art. 23 BVG in
der vorliegend anwendbaren, bis 31. Dezember 2004 gültig gewesenen Fassung),
nicht an den von der Invalidenversicherung ermittelten Invaliditätsgrad
gebunden.

2.2 Das Versicherungsgericht ging davon aus, dass das Arbeitsverhältnis
zwischen dem Beschwerdeführer und der Z.________ AG auf Ende April 2001
aufgelöst worden sei. Anschliessend sei die gesetzliche Nachdeckungsfrist (Art.
10 Abs. 3 BVG) bis 31. Mai 2001 gelaufen. Die Zahlungen, welche die
Arbeitgeberin nach April 2001 an den Beschwerdeführer leistete, vermöchten
nichts zu ändern. Denn dabei habe es sich nicht um einen Lohn aus
Arbeitsvertrag gehandelt. Vielmehr sei die Z.________ AG gehalten gewesen, den
Versicherten so zu stellen, als ob eine Taggeldversicherung vorhanden sei, habe
sie es doch entgegen ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung unterlassen, für
eine durchgehende Deckung durch eine Taggeldversicherung besorgt zu sein. Somit
sei es um die Leistung von Schadenersatz als Ausgleich für die dem
Beschwerdeführer entgangenen Taggelder der Kollektivversicherung gegangen,
welche ohne Einfluss auf das Versicherungsverhältnis mit der Winterthur-Columna
blieb. Der vollen Arbeitsunfähigkeit, welche zur Zusprechung einer ganzen
Invalidenrente ab 1. April 2003 führte, liege laut Gutachten der
Psychiatrischen Dienste vom 31. Januar 2006 eine schwere Depression zugrunde;
diese habe sich erst nach Ende Mai 2001 entwickelt; die Haftung der
Beschwerdegegnerin falle daher ausser Betracht.

2.3 Der Beschwerdeführer pflichtet der Vorinstanz bei, dass die hier relevante
Erkrankung, verbunden mit einer Arbeitsunfähigkeit, erst für den Monat April
2003 erstellt sei. Hingegen macht er im Hauptpunkt geltend, bei den
Lohnzahlungen von April 2001 bis 10. März 2003 habe es sich entgegen der
Auffassung der Vorinstanz um eine Lohnfortzahlung im Sinne von Art. 324a OR und
nicht um Schadenersatzleistungen gehandelt. Dies gehe u.a. daraus hervor, dass
von den Zahlungen die üblichen Sozialversicherungsabzüge vorgenommen wurden. In
der beruflichen Vorsorge dauere das Versicherungsverhältnis an, solange die
versicherte Person im Genuss von Lohnfortzahlungsansprüchen nach Art. 324a OR
steht. Somit habe der Beschwerdeführer bis am 10. März 2003, dem Ende der
Lohnfortzahlung, in einem Vorsorgeverhältnis mit der Winterthur-Columna
gestanden. Die Nachdeckungsfrist gemäss Art. 10 Abs. 3 BVG habe bis 10. April
2003 gedauert. Zu jenem Zeitpunkt sei die volle Arbeitsunfähigkeit laut Attest
des Dr. med. G.________ vom 7. April 2003 bereits eingetreten gewesen.
Zusätzlich ergebe sich aus der Mitteilung der Beschwerdegegnerin vom 4.
November 2004, dass er erst am 31. Dezember 2003 aus der Vorsorgeeinrichtung
ausgeschieden sei.

3.
3.1 Im Urteil B 90/06 vom 25. Mai 2007 hat das Bundesgericht erkannt, dass bei
einer krankheitsbedingten Verlängerung der laufenden Kündigungsfrist eines
gekündigten Arbeitsverhältnisses mit vorzeitiger Pensionierung der
Versicherungsfall Alter mit Ablauf der erstreckten Kündigungsfrist eintritt,
unabhängig davon, ob zu diesem Zeitpunkt noch Taggeld- oder Lohnfortzahlungen
erbracht werden. Das Gericht stellte weiter fest, dass sich das
Arbeitsverhältnis angesichts der langen Dauer gestützt auf Art. 336c Abs. 1
lit. b und Abs. 2 OR um 180 Tage erstreckte. Dass über das Ende dieser Frist
hinaus Salärfortzahlungen erfolgten, erachtete es als unerheblich. Insbesondere
liess sich aus diesem Umstand nicht folgern, das Arbeitsverhältnis habe bis zum
Ablauf der Lohnzahlungen angedauert. Das Bundesgericht rief weiter in
Erinnerung, dass die Kündigung des Arbeitsvertrages ein einseitiges
Gestaltungsrecht und grundsätzlich bedingungsfeindlich sowie unwiderruflich
sei; das gekündigte Arbeitsverhältnis endet unter Vorbehalt von Art. 336c OR
mit dem Ablauf der Kündigungsfrist. Weder eine Lohnfortzahlungspflicht im
Krankheitsfall noch die mit einer Lohnausfallversicherung abgegoltene
Lohnfortzahlungspflicht verlängern das Arbeitsverhältnis.

3.2 Diese Grundsätze zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses sind auch im
vorliegenden Fall zu beachten. Nachdem der Arbeitsvertrag des seit März 1999
bei der Z.________ AG angestellten Beschwerdeführers auf Ende Januar 2001
gekündigt worden war, blieb dieser ab 11. Dezember 2000 krankheitshalber der
Arbeit fern. Infolge der Erkrankung verlängerte sich das Arbeitsverhältnis
gemäss Art. 336c Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Abs. 2 OR um 90 Tage bis zum
30. April 2001. Mit diesem Datum gingen die arbeitsvertraglichen Beziehungen
zwischen den Parteien zu Ende. Ob die Weiterausrichtung von 80 % des Lohnes
über diesen Zeitpunkt hinaus bis 10. März 2003 anstelle der Taggelder einer von
der Arbeitgeberfirma offenbar nicht abgeschlossenen Salärausfallversicherung
erfolgte oder ob die Entrichtung des Lohnes den Charakter von Schadenersatz für
die dem Versicherten entgangenen Taggelder aufweist, ist unerheblich, nachdem
das Arbeitsverhältnis entsprechend den Erwägungen der Vorinstanz am 30. April
2001 endete. Demnach ging die Versicherungspflicht in der beruflichen Vorsorge
nach BVG nach Ablauf der einmonatigen Nachdeckungsfrist (Art. 10 Abs. 2 lit. b
und Abs. 3 BVG) am 31. Mai 2001 zu Ende. Da bis zu diesem Datum keine
erhebliche Arbeitsunfähigkeit ausgewiesen ist, entfällt der Anspruch auf
Invalidenleistungen nach BVG.

3.3 Nicht anders verhält es sich mit Bezug auf den Leistungsanspruch gestützt
auf das ab 1. Januar 1997 gültige Reglement der Personalvorsorgestiftung. Nach
dessen Ziff. 6.1 endet das Vorsorgeverhältnis ebenfalls mit der Auflösung des
Arbeitsverhältnisses, im vorliegenden Fall somit am 30. April 2001. Der
Umstand, dass die Vorsorgeeinrichtung den Beschwerdeführer gemäss
Austrittsabrechnung vom 4. November 2004 erst per 1. Januar 2004 aus der
Personalvorsorge entlassen hat, ist rein administrativer Natur und ändert
nichts daran, dass das Vorsorgeverhältnis rechtlich bereits Ende April 2001
endete. Die Abrechnung erlaubt nicht den Schluss, dass er bis 31. Dezember 2003
versichert war, wie in der Beschwerde vorgebracht wird.

4.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 19. Dezember 2008
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer