Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 637/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_637/2008

Urteil vom 6. Oktober 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Fessler.

Parteien
S.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Altermatt, Neuarlesheimerstrasse 15, 4143
Dornach,

gegen

IV-Stelle Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, 4102 Binningen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft
vom 16. April 2008.

Sachverhalt:

A.
Die 1957 geborene S.________ arbeitete seit Oktober 1979 im Rahmen eines 50
%-Arbeitspensums im Reinigungsdienst der Firma X.________. Im Dezember 2003 und
April 2006 verletzte sie sich bei Stürzen an der rechten Schulter und am
rechten oberen Sprunggelenk. Im Februar 2007 meldete sich S.________ bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen (u.a. Beizug der
UV-Akten) und nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte die
IV-Stelle Basel-Landschaft mit Verfügungen vom 3. Juli 2007 den Anspruch auf
eine Invalidenrente sowie auf Arbeitsvermittlung oder sonstige berufliche
Massnahmen.

B.
Die von S.________ hiegegen erhobene Beschwerden wies das Kantonsgericht
Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, mit Entscheid vom 16.
April 2008 ab.

C.
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und die Aufhebung des Entscheids vom 16. April 2008 beantragen.
Kantonales Gericht, IV-Stelle und Bundsamt für Sozialversicherungen verzichten
auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Der vorinstanzliche Entscheid ist nicht angefochten, soweit er den Anspruch auf
Eingliederungsmassnahmen beruflicher Art, insbesondere Arbeitsvermittlung,
ablehnt. Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die Vorinstanz zu Recht den
Anspruch auf eine Rente verneint hat.

2.
Das kantonale Gericht hat in Anwendung der gemischten Bemessungsmethode (vgl.
dazu Art. 28 Abs. 2ter IVG sowie BGE 125 V 146 E. 2a-c S. 148 ff. und SVR 2006
IV Nr. 42 S. 151 [I 156/04] in Verbindung mit BGE 130 V 393) einen
Invaliditätsgrad von 8 % (0,5 x 0 % + 0,5 x 16,05 %; zum Runden BGE 130 V 121)
ermittelt, was keinen Rentenanspruch ergibt (Art. 28 Abs. 1 IVG, jeweils in der
hier noch massgebenden, bis 31. Dezember 2007 in Kraft gewesenen Fassung). Der
Status als Teilerwerbstätige und im Haushalt Beschäftigte (Art. 5 Abs. 1 IVG in
Verbindung mit Art. 8 Abs. 3 ATSG und Art. 27 IVV), der Anteil der
Erwerbstätigkeit (0,5) sowie die Behinderung im Aufgabenbereich (16,05 %) sind
unbestritten. Es besteht kein Anlass zu einer näheren Prüfung dieser
Bemessungsfaktoren. Die einzig streitige gesundheitlich bedingte Einschränkung
im erwerblichen Bereich hat die Vorinstanz durch Einkommensvergleich ermittelt
(Art. 28 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG; BGE 128 V 29 E. 1 S. 30).
Dabei ist sie von einer Arbeitsfähigkeit von 100 % in einer angepassten
leichten Tätigkeit (keine Arbeiten über der Horizontalen und keine
stereotyp-repetitiven Bewegungen mit dem rechten Arm) gemäss Gutachten der
Rehaklinik Y.________ vom 9. August 2006 ausgegangen. Als Valideneinkommen und
Invalideneinkommen hat sie denselben, als Mitarbeiterin im Reinigungsdienst der
Firma X.________ 2005 erzielten Verdienst von Fr. 28'839.- genommen. Aus dem
Vergleich der Einkommen ohne und mit Behinderung resultierte daher keine
Erwerbseinbusse und somit ein Invaliditätsgrad von 0 %.

3.
Die Beschwerdeführerin rügt, die vorinstanzliche Annahme einer Arbeitsfähigkeit
von mindestens 50 % in einer leidensangepassten Tätigkeit stehe in klarem
Widerspruch zu den medizinischen Akten und müsse als willkürlich bezeichnet
werden. Weder das Gutachten der Rehaklinik Y.________ vom 9. August 2006 noch
die Berichte der Orthopädischen Klinik des Spitals Z.________ vom 25. Januar
und 13. Juni 2007 bildeten eine zuverlässige Grundlage für die Einschätzung der
gesundheitlich bedingten Verminderung der funktionellen Leistungsfähigkeit.

3.1 Das Bundesgericht berichtigt oder ergänzt die Sachverhaltsfeststellung der
Vorinstanz auf Rüge hin oder von Amtes wegen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht, und wenn
die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG sowie Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).
Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig,
wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig
unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine
offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in
Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (vgl. BGE 129 I
8 E. 2.1 S. 9). Eine Sachverhaltsfeststellung ist etwa dann offensichtlich
unrichtig, wenn das kantonale Gericht den Sinn und die Tragweite eines
Beweismittels offensichtlich falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein
wichtiges und für den Ausgang des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht
beachtet oder aus den abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat
(BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteile 9C_320/2008 vom 26. August 2008 E. 3.2 und
9C_882/2007 vom 11. April 2008 E. 5.1).
Einem ärztlichen Bericht kommt (voller) Beweiswert zu, wenn er für die
streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch
die geklagten Beschwerden berücksichtigt und in Kenntnis der Vorakten
(Anamnese) abgegeben worden ist, wenn die Beschreibung der medizinischen
Situation und Zusammenhänge einleuchtet und die Schlussfolgerungen des Arztes
begründet sind (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352; Urteil 9C_55/2008 vom 26. Mai 2008
E. 4.2).
3.2
3.2.1 Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass das Gutachten der
Rehaklinik Y.________ vom 9. August 2006 in Bezug auf das Schulterleiden rechts
sowie dessen Auswirkungen auf das funktionelle Leistungsvermögen den
beweisrechtlichen Anforderungen genügt. Ob dies auch hinsichtlich der am 25.
April 2006 erlittenen Fraktur des oberen Sprunggelenks rechts zutrifft, ist
zumindest fraglich. Die Beschwerdeführerin hatte sich diese in der Expertise
zwar erwähnte Verletzung erst drei Monate vor der Untersuchung am 31. Juli 2006
in der Rehaklinik Y.________ zugezogen. Dieser Punkt kann jedoch offen bleiben,
da er für den Ausgang des Verfahrens nicht von entscheidender Bedeutung ist
(Art. 97 Abs. 1 BGG), und diesbezügliche Abklärungen erübrigen sich.
3.2.2 Die Berichte der Orthopädischen Klinik des Spitals Z.________ vom 25.
Januar und 13. Juni 2007 berücksichtigten sämtliche (Schulter- und
Sprunggelenk-)Beschwerden, was unbestritten ist. Im ersten Bericht attestierten
die behandelnden Ärzte eine Arbeitsfähigkeit von 50 % in leidensangepassten
Tätigkeiten. Im zweiten Bericht lautete die Beurteilung insofern anders, als
die Beschwerdeführerin im Rahmen eines 50 %-Arbeitspensums als vermindert
leistungsfähig betrachtet wurde. Eine erfahrungsgemäss drei Stunden in Anspruch
nehmende Arbeit könne von der Versicherten in 4 1/2 Stunden erledigt werden.
Die Einschätzungen der Arbeitsfähigkeit vom 25. Januar und 13. Juni 2007 wichen
zwar voneinander ab, was aber auf die zwischenzeitlich erfolgte
Arbeitsplatzabklärung zurückzuführen war. Darin kann entgegen den Vorbringen in
der Beschwerde jedenfalls nicht ein unlösbarer Widerspruch erblickt werden. In
diesem Zusammenhang wird nicht geltend gemacht, eine Arbeitsleistung von
täglich drei Stunden im Rahmen eines 50 %-Pensums in der auch nach den beiden
Unfällen vom 19. Dezember 2003 und 25. April 2006 weiterhin ausgeübten
Tätigkeit im Reinigungsdienst der Firma X.________ sei unzumutbar oder die
Bedingungen in Bezug auf den zeitlichen Umfang oder die Art der zu
verrichtenden Arbeiten hätten bis zum Erlass der Verfügung vom 3. Juli 2007
geändert.

4.
Die Beschwerdeführerin rügt weiter, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt,
indem sie als Invalideneinkommen den tatsächlich erzielten Verdienst eingesetzt
habe.

4.1 Übt die versicherte Person nach Eintritt der gesundheitlichen
Beeinträchtigung die im Wesentlichen selbe Tätigkeit in zeitlich reduziertem
Umfang aus wie vorher, gilt der damit erzielte Verdienst als Invalidenlohn,
wenn kumulativ ein besonders stabiles Arbeitsverhältnis gegeben ist, die
verbliebene Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausgeschöpft wird und das
Einkommen der Arbeitsleistung entspricht, also keine Soziallohnkomponente
enthält (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475 mit Hinweisen).

4.2 Unbestrittenermassen sind die ersten beiden Voraussetzungen dafür, dass der
tatsächlich erzielte Verdienst als Invalideneinkommen gelten kann, gegeben
(vgl. E. 3.2.2 in fine). Sodann steht fest, dass die Beschwerdeführerin trotz
der unfallbedingt reduzierten Leistung denselben Lohn erhielt, den sie auch
ohne gesundheitliche Beeinträchtigung bei einem Arbeitspensum von 50 % erhalten
hätte. Die Vorinstanz hat dazu festgestellt, dass die von der
Beschwerdeführerin geleistete Arbeit der von Dr. med. H.________ attestierten
Arbeitsfähigkeit entspricht, dass somit kein Soziallohn vorliegt. Der von der
Beschwerdeführerin angerufene Arbeitgeberbericht vom 20. Oktober 2005, worin
der Charakter des bezogenen Salärs als Leistungslohn bestätigt wird, lässt die
vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung nicht als offensichtlich unrichtig
erscheinen. Selbst wenn aber der tatsächlich erzielte Verdienst zum Teil
Soziallohn ist und daher nicht ohne weiteres als Invalideneinkommen genommen
werden kann, bedeutete dies entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin
nicht, dass für die Ermittlung des trotz des Gesundheitsschadens
zumutbarerweise erzielbaren Einkommens statistische Durchschnittslöhne
heranzuziehen wären. In der Weise ist erst allenfalls vorzugehen, wenn sich der
der tatsächlichen Leistung an sich angemessene Lohn nicht hinreichend genau
bestimmen lässt. Diesbezügliche Abklärungen erübrigen sich vorliegend: Für den
Anspruch auf eine Viertelsrente wäre nach der vorinstanzlichen
Invaliditätsbemessung ein erwerblicher Invaliditätsgrad von 63 % erforderlich
(0,5 x 63 % + 0,5 x 16,05 % = 39,5 %; E. 2). Bei einem Valideneinkommen von Fr.
28'893.- dürfte somit das Invalideneinkommen nicht mehr als Fr. 10'690.-
betragen. Die Beschwerdeführerin ist in der Lage, eine bei voller Gesundheit
drei Stunden in Anspruch nehmende Arbeit in viereinhalb Stunden zu bewältigen
(E. 3.2.2 in fine). Dies entspricht einer um einen Drittel (33 1/3 %)
verminderten Leistungsfähigkeit. Eine entsprechende Lohnreduktion ergäbe Fr.
19'262.-. Unter diesen Umständen kann ohne weiteres davon ausgegangen werden,
dass bei angemessener Entlöhnung der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung der
Verdienst bedeutend mehr als Fr. 10'690.- betrüge.
Der vorinstanzliche Entscheid verletzt somit im Ergebnis Bundesrecht nicht.

5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, der Ausgleichskasse Basel-Landschaft und dem
Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 6. Oktober 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

i.V. Seiler Fessler