Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 603/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_603/2008

Urteil vom 4. Februar 2009
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiber Ettlin.

Parteien
K.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Christoph Haffenmeyer,

gegen

IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom
6. Juni 2008.

Sachverhalt:

A.
Die IV-Stelle des Kantons Basel-Stadt sprach der 1970 geborenen K.________ mit
Verfügung vom 19. Juni 2002 rückwirkend ab 1. August 1996 eine halbe Rente der
Invalidenversicherung zu (Invaliditätsgrad von 60 %). Hiebei stützte sie sich
auf eine rheumatologische und psychiatrische Expertise. Im Rahmen des im April
2006 angehobenen Revisionsverfahrens veranlasste die IV-Stelle erneut eine
psychiatrische sowie rheumatologische Begutachtung. Gestützt auf die
diesbezüglichen Ergebnisse verfügte sie nach durchgeführtem
Vorbescheidverfahren am 14. Januar 2008 bei einem Invaliditätsgrad von 33 % die
Aufhebung der Invalidenrente auf Ende Februar 2008.

B.
Die von K.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess der Präsident des
Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt mit Entscheid vom 6. Juni 2008 insoweit
teilweise gut, als er der Versicherten vom 1. Januar 2004 bis 29. Februar 2008
eine Dreiviertelrente zusprach. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen.

C.
K.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, es sei in Aufhebung des angefochtenen Entscheids die Sache an
die IV-Stelle zur Durchführung einer rheumatologischen Begutachtung und
Neubeurteilung des Invaliditätsgrades zurückzuweisen; sodann sei ihr die
unentgeltliche Rechtspflege und Prozessführung zu bewilligen.

Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde und das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
2.1 Ändert sich der Invaliditätsgrad eines Rentenbezügers erheblich, so wird
gemäss Art. 17 ATSG die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die
Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben. Dies gilt auch für
andere formell rechtskräftig zugesprochene Dauerleistungen, deren
Sachverhaltsgrundlage sich nachträglich erheblich verändert hat. Die Frage der
wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen beurteilt sich durch
Vergleich des Sachverhalts, wie er im Zeitpunkt der ursprünglichen
Rentenverfügung bestanden hat, mit demjenigen zur Zeit der streitigen
Revisionsverfügung. Eine rechtskräftige Revisionsverfügung gilt - im Hinblick
auf eine weitere Revision - ihrerseits als (neue) Vergleichsbasis, wenn sie auf
einer materiellen Prüfung des Rentenanspruchs mit rechtskonformer
Sachverhaltsabklärung, Beweiswürdigung und Durchführung eines
Einkommensvergleichs (bei Anhaltspunkten für eine Änderung in den erwerblichen
Auswirkungen des Gesundheitszustands) beruht (BGE 133 V 108).

2.2 Die bloss unterschiedliche Beurteilung der Auswirkungen eines im
Wesentlichen unverändert gebliebenen Gesundheitszustandes auf die
Arbeitsfähigkeit stellt für sich allein genommen keinen Revisionsgrund im Sinne
von Art. 17 Abs. 1 ATSG dar (Urteil 9C_114/2008 vom 30. April 2008 E. 2.1;
Urteil I 574/02 vom 25. März 2003 in: SVR 2004 IV Nr. 5 S. 13 E. 2; AHI 2002 S.
65 E. 2; ZAK 1987 S. 37 E. 1a; Urteil I 543/04 vom 26. Januar 2004 E. 2.1; vgl.
auch BGE 112 V 371 E. 2b S. 372).

3.
Streitig und zu prüfen ist, ob im Zeitraum zwischen 19. Juni 2002 (Zusprechung
einer halben Invalidenrente ab 1. August 1996) und 14. Januar 2008
(revisionsweise Aufhebung der Rente) eine Änderung in den tatsächlichen
Verhältnissen eingetreten ist, welche die Rentenaufhebung rechtfertigt.
Hingegen ist die mit Blick auf die 4. IV-Revision erfolgte Anhebung der halben
auf eine Dreiviertelrente für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis 29. Februar 2008
nicht angefochten.

4.
4.1 Die vorinstanzliche Feststellung eines erheblich verbesserten
Gesundheitszustand betrifft eine Tatfrage, welche bloss unter dem
eingeschränkten Blickwinkel von Art. 97 Abs. 1 BGG zu prüfen ist (Urteil 9C_720
/2007 vom 28. April 2008 E. 3.2). Gleiches gilt für die ermittelte
Leistungsfähigkeit soweit sie sich auf medizinische Berichte stützt. Dagegen
ist die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln
nach Art. 61 lit. c ATSG Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.;
Urteil I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 4 mit Hinweisen).

4.2 Der angefochtene Entscheid hält mit Bezug auf die erstmalige
Rentenzusprechung verbindlich fest, gemäss rheumatologischem Gutachten vom 8.
Juni 1998 sei die Beschwerdeführerin in einer mittelschweren Tätigkeit zu 25 %
eingeschränkt gewesen und die psychiatrische Expertise vom 21. Oktober 1999
habe eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % ausgewiesen (Art. 105 Abs. 1 BGG). Im
Zeitpunkt der Revision - so die Vorinstanz weiter - habe die gesamthafte
Einschränkung der Arbeitsunfähigkeit 25 % betragen. Auf der Grundlage des im
Revisionsverfahren erstellten Gutachtens vom 30. Januar 2007 (Rheumatologie)
erkannte sie einen im Vergleich zur erstmaligen Untersuchung im Jahr 1998
somatisch unveränderten Befund sowie eine gleich gebliebene Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit von 25 %. Darin erblickt die Beschwerdeführerin eine
offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung, indem sie auf das Schreiben
des PD Dr. med. H.________ und Dr. med. B.________, Spital X.________, vom 10.
Januar 2002, verweist, und daraus eine von den genannten Ärzten ab Juni 1999
aus rheumatologischer Sicht attestierte Arbeitsunfähigkeit von 50 % herleitet.
Derzufolge sei die im Gutachten vom 30. Januar 2007 als unverändert
beschriebene Einschränkung der Arbeitsfähigkeit von 25 % widersprüchlich und
ein in Bezug zur erstmaligen Rentenfestsetzung (Invaliditätsgrad von 60 %)
veränderter gesundheitlicher Zustand bestehe nicht.
4.2.1 Das kantonale Gericht schloss aus dem erwähnten Schreiben vom 10. Januar
2002, die Ärzte des Spitals X.________ hätten darin die im rheumatologischen
und psychiatrischen Gutachten vom 8. Juni 1998 und 21. Oktober 1999
ausgewiesenen Leistungseinschränkungen von 25 % und 50 % verwechselt, und sie
seien fälschlicherweise von einer rheumatologisch begründeten Einbusse von 50 %
anstelle einer solchen von 25 % ausgegangen. Es sei deshalb anzunehmen, dass im
Jahr 2002 gleich wie 1998 eine aus organischen Gründen um 25 % reduzierte
Arbeitsfähigkeit bestanden habe. Die Feststellung der Verwechslung ist zwar
nach Massgabe von Art. 97 Abs. 1 BGG nicht zu beanstanden, hingegen wirft der
vorinstanzliche Entscheid insofern Fragen auf, als kein Bezug zu der im
Schreiben vom 10. Januar 2002 von den Dres. med. H.________ und B.________
zusätzlich ab Juni 1999 attestierten Arbeitsunfähigkeit von 50 % genommen wird
(zuvor 25 %), welche Verschlechterung die genannten Ärzte auf eine zunehmende
Haltungsinsuffizienz zurückgeführt haben. Wie es sich damit verhält, kann
jedoch offen bleiben: Denn auch nach Auffassung der Beschwerdeführerin hat sich
die rheumatologisch bedingte Arbeitsunfähigkeit seit 1999 nicht verändert
(bloss geht sie von 50 % anstatt von 25 % aus), liegt diesbezüglich mithin kein
Revisionsgrund gegenüber der Verfügung vom 19. Juni 2002 vor. Zudem vermag in
beweisrechtlicher Hinsicht die Begründung der erheblich höheren Einschränkung
den rechtsprechungsgemässen Anforderungen nicht zu genügen (BGE 125 V 351 E. 3a
S. 352). Vorab wird die Reduktion der Arbeitsfähigkeit um zusätzliche 25 % von
den Dres. med. H.________ und B.________ ohne Erwähnung einer Anamnese und der
übrigen Befunde ausschliesslich mit einer erhöhten Haltungsinsuffizienz
erklärt. Eine umfassend und nachvollziehbar begründete dauerhafte
Verschlechterung der Arbeitsfähigkeit enthält das Schreiben vom 10. Januar 2002
als rechtliche Voraussetzung einer daraus ableitbaren Zumutbarkeitseinschätzung
nicht. Demgegenüber beruhen die in den Expertisen vom 8. Juni 1998 und 30.
Januar 2007 erwähnten und hier zu vergleichenden Einschätzungen auf
beweisrechtlich allseits genügenden Grundlagen, weshalb das kantonale Gericht
diese als allein massgeblich erachten durfte.

Insgesamt ist die Schlüssigkeit der Expertise vom 30. Januar 2007 durch das
Schreiben vom 10. Januar 2002 nicht in Frage gestellt, und das kantonale
Gericht erkannte mit Blick auf die organischen Befunde in für das Bundesgericht
verbindlicher Weise - da nicht offensichtlich unrichtig - eine zur erstmaligen
Rentenfestsetzung unveränderte Leistungseinschränkung von 25 %. Rechtlich
unmassgeblich ist der Umstand, dass sich die Einschätzung im rheumatologischen
Gutachten vom 8. Juni 1998 auf mittelschwere Tätigkeiten bezogen hat, hingegen
die Expertise vom 30. Januar 2007 eine um 25 % reduzierte Leistungsfähigkeit in
einer leichten bis mittelschweren Beschäftigung ausweist; denn gemäss
angefochtenem Entscheid gaben die psychischen Verhältnisse den Ausschlag für
die Rentenrevision. Die Versicherte dringt mit der behaupteten
Arbeitsunfähigkeit von 50 % ab Juni 1999 aus somatischen Gründen und einem
seither gleich gebliebenen Befund mithin nicht durch.
4.2.2 Insoweit die Beschwerdeführerin letztinstanzlich vorbringt, im Gutachten
vom 30. Januar 2007 finde keine Auseinandersetzung mit der vom behandelnden
Arzt, Dr. med. E.________, Facharzt für Rheumatologie, angegebenen Einbusse von
50 % statt, verkennt sie die im Rahmen der Beweiswürdigung relevante
Verschiedenheit von Behandlungs-/Therapieauftrag einerseits und
Begutachtungsauftrag andererseits (vgl. BGE 124 I 170 E. 4 S. 175; Urteil
9C_801/2007 vom 7. Februar 2008 E. 3.2.2; Urteil 8C_286/2007 vom 3. Januar 2008
E. 4), weshalb es damit sein Bewenden hat. Nachdem der rechtserhebliche
Sachverhalt rechtsgenüglich abgeklärt worden ist, durfte die Vorinstanz ohne
Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes auf die Anordnung weiterer
Beweismassnahmen in antizipierter Beweiswürdigung verzichten (vgl. BGE 124 V 90
E. 4b S. 94; 122 V 157 E. 1d S. 162). Dem Antrag, es sei die Sache zur Vornahme
einer rheumatologischen Begutachtung zurückzuweisen, ist daher nicht
stattzugeben.

4.3 Die Vorinstanz stellte sodann nicht offensichtlich unrichtig einen
verbesserten psychischen Zustand mit einer im Vergleich zur erstmaligen
Leistungsprüfung um 25 % höheren Arbeitsfähigkeit in einer zumutbaren
Beschäftigung fest. Diese gründe auf der Entwicklung des 1999 noch
mittelgradigen depressiven Zustandes zu einer leichten depressiven Episode. Dem
und der Gesamtbeurteilung vom 20. November 2007 folgend traf das Gericht die
verbindliche Feststellung einer insgesamt (rheumatologisch und psychiatrisch)
eingeschränkten Arbeitsfähigkeit von 25 %, womit die Voraussetzungen für eine
Rentenrevision erfüllt sind.

5.
Hinsichtlich der Invaliditätsbemessung mit Einkommensvergleich und Gewährung
eines leidensbedingten Abzuges enthält die Beschwerde keine Einwände, weshalb
zu einer näheren Prüfung kein Anlass besteht; denn das Bundesgericht prüft
unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art.
42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die
rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1
S. 254 mit Hinweisen). Der angefochtene Entscheid verletzt Bundesrecht nicht.

6.
Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist stattzugeben, da der Prozess
nicht aussichtslos erscheint, die Partei bedürftig und die anwaltliche
Verbeiständung geboten ist (Art. 64 BGG; vgl. BGE 125 V 201 E. 4a S. 202 und
371 E. 5b S. 372). Es wird ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen,
wonach die Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie später dazu
in der Lage ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Advokat Christoph Haffenmeyer, Basel, wird als unentgeltlicher Anwalt der
Beschwerdeführerin bestellt, und es wird ihr für das bundesgerichtliche
Verfahren aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.-
ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt,
der Ausgleichskasse Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 4. Februar 2009

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Ettlin