Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 597/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

9C_597/2008 {T 0/2}

Urteil vom 3. Dezember 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Fessler.

Parteien
D.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Heiner Schärrer, Aeschenvorstadt
67, 4051 Basel,

gegen

Vorsorgestiftung X.________,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Advokat
Dr. Hans-Ulrich Stauffer, Rümelinsplatz 14, 4001 Basel.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, vom 14. März 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1967 geborene D.________ war vom 9. März 1993 bis 31. Dezember 2001
Angestellter der Firma F._______. In dieser Eigenschaft war er bei der
Vorsorgestiftung X.________ berufsvorsorgeversichert. Am 24. November 1998
hatte sich D.________ bei der Arbeit eine Schulterluxation links zugezogen. Im
Zeitraum Januar 1999 bis Dezember 2000 wurden drei Schulterarthroskopien und
vom 22. August bis 5. September 2001 eine stationäre Schmerztherapie
durchgeführt. Am 10. September 2001 wurde er psychiatrisch abgeklärt. Die
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) richtete ihm für die ab 27.
November 1998 attestierte Arbeitsunfähigkeit Taggelder und ab 1. Februar 2002
nebst einer Integritätsentschädigung von 10 % eine Invalidenrente auf Grund
einer Erwerbsunfähigkeit von 25 % aus. Mit Verfügung vom 5. November 2004
sprach die IV-Stelle Basel-Stadt D.________ für die Zeit vom 1. November 1999
bis 31. Januar 2002 eine ganze Rente, vom 1. Februar 2003 bis 30. April 2003
eine Viertelsrente sowie ab 1. Mai 2003 wieder eine ganze Rente der
Invalidenversicherung samt Zusatzrente für die Ehefrau und zwei Kinderrenten
zu. Die Verfügung wurde auch der Vorsorgestiftung X.________ eröffnet.

Mit Schreiben vom 18. Juni 2007 bejahte die Vorsorgestiftung X.________
grundsätzlich eine Leistungspflicht für die Zeit vom 1. November 1999 bis 31.
Januar 2002, nicht hingegen für die Zeit danach, da die nachfolgende
Invalidität auf ein späteres nicht mit dem Unfall vom 24. November 1998 in
Zusammenhang stehendes Leiden zurückzuführen sei.

B.
Am 31. August 2007 liess D.________ beim Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, Klage gegen die Vorsorgestiftung X.________
einreichen mit den Rechtsbegehren, die Beklagte sei zu verpflichten, folgende
Leistungen auszurichten: Vom 1. Februar 2002 bis 31. Januar 2003 eine Rente
aufgrund eines Invaliditätsgrades von 25 %, sofern die reglementarischen
Bestimmungen die Zusprechung einer Rente auch unter einem Invaliditätsgrad von
40 % vorsehen, vom 1. Februar 2003 bis 30. April 2003 eine Rente aufgrund eines
Invaliditätsgrades von 43 % und ab 1. Mai 2003 eine Rente aufgrund eines
Invaliditätsgrades von 100 %; ferner darüber Auskunft zu erteilen, wohin die
Freizügigkeitsleistung überwiesen worden sei.

Die Vorsorgestiftung X.________ beantragte in ihrer Antwort die Abweisung des
Rechtsmittels.

Mit Entscheid vom 14. März 2008 wies das kantonale Gericht die Klage ab, soweit
darauf eingetreten werden konnte.

C.
D.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 14. März 2008 sei aufzuheben und die
Vorsorgestiftung X.________ zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 1. Februar
2002 (recte: 2003) bis 30. April 2003 eine Rente auf Grund eines
Invaliditätsgrades von 43 % und ab 1. Mai 2003 eine Rente auf Grund eines
Invaliditätsgrades von 100 % auszurichten.

Die Vorsorgestiftung X.________ beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Kantonales Gericht und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Vorinstanz hat den Anspruch des Beschwerdeführers auf Invalidenleistungen
der am Recht stehenden Vorsorgeeinrichtung ab 1. Februar 2003 mangels eines
hinreichend engen sachlichen Zusammenhangs zwischen der während der Dauer des
Vorsorgeverhältnisses (einschliesslich der Nachdeckungsfrist nach Art. 10 Abs.
3 BVG) bestandenen somatisch bedingten Arbeitsunfähigkeit und der später
eingetretenen psychisch bedingten Invalidität verneint (vgl. BGE 134 V 20 E.
3.2 S. 22).

2.
Die Vorbringen in der Beschwerde betreffen die vorinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung.

2.1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz auf Rüge hin oder von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht, und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2
BGG und Art. 97 Abs. 1 BGG).
2.1.1 Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich
unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und
augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine
offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in
Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (vgl. BGE 129 I
8 E. 2.1 S. 9). Eine Sachverhaltsfeststellung ist etwa dann offensichtlich
unrichtig, wenn das kantonale Gericht den Sinn und die Tragweite eines
Beweismittels offensichtlich falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein
wichtiges und für den Ausgang des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht
beachtet oder aus den abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat
(BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteil 9C_637/2008 vom 6. Oktober 2008 E. 3.1 mit
Hinweisen).

Will eine Partei eine rechtsfehlerhafte Sachverhaltsfeststellung durch die
Vorinstanz rügen, kann sie sich grundsätzlich nicht darauf beschränken, den
nach ihrer Auffassung richtigen Sachverhalt darzulegen oder ihre eigene
Beweiswürdigung zu erläutern. Vielmehr muss sie hinreichend genau angeben,
inwiefern die vorinstanzlichen Feststellungen rechtswidrig oder mit einem
klaren Mangel behaftet sind. Eine diesen Anforderungen nicht genügende
(appellatorische) Kritik ist unzulässig (Urteil 9C_469/2007 vom 18. August 2008
E. 2.2 mit Hinweis).
2.1.2 Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein
einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet (Art. 8
ZGB). Diese Bestimmung verteilt die Beweislast für alle
Forderungsstreitigkeiten gestützt auf Bundesrecht und legt fest, welche Partei
die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen hat (BGE 127 III 519 E. 2a S. 521).
Überdies leitet sich daraus das Recht auf Beweis und Gegenbeweis von noch nicht
erstellten rechtserheblichen Tatsachen ab (BGE 126 III 315 E. 4a S. 317; Urteil
4C.39/2002 vom 30. Mai 2002 E. 2a). Art. 8 ZGB regelt aber nicht die
Beweiswürdigung und schliesst insbesondere eine antizipierende Beweiswürdigung
nicht aus (BGE 127 III 519 E. 2a S. 522, 126 III 315 E. 4a S. 317; Urteil
9C_649/2007 vom 23. Mai 2008 E. 3). Zu ergänzen ist, dass auch im
Berufsvorsorgeprozess der Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen ist
(Untersuchungsgrundsatz; Art. 73 Abs. 3 BVG); die materielle Beweislast
beinhaltet daher keine Beweisführungslast (BGE 117 V 261 E. 3 S. 264; Urteil
9C_381/2007 vom 23. September 2008 E. 2.1).
2.2
2.2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, der Beweis dafür, dass überwiegend
wahrscheinlich kein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der
heutigen Erwerbsunfähigkeit und dem Unfall vom 24. November 1998 resp. der
dadurch bedingten Arbeitsunfähigkeit bestehe, obliege der Beschwerdegegnerin
und nicht ihm. Diese Auffassung widerspricht Gesetz (Art. 8 ZGB) und
Rechtsprechung (Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts B 111/02 vom 14. Juni
2004 E. 2.2.3, B 95/01 vom 28. April 2003 E. 2, B 26/01 vom 29. November 2002
[in BGE 129 V 73 nicht publ.] und B 35/00 vom 22. Februar 2002 E. 5b). Weshalb
der Umstand, dass der Beschwerdeführer seit dem 24. November 1998 nie mehr voll
erwerbsfähig geworden war, zu einer Umverteilung der Beweislast führen soll,
ist nicht einsehbar und wird auch nicht weiter begründet. Kann nach Auffassung
des Beschwerdeführers der Beweis für den sachlichen und zeitlichen Zusammenhang
mit keinem einzigen medizinischen Bericht geführt werden, hat er die Folgen
dieser Beweislosigkeit zu tragen.
2.2.2 Im Weitern bringt der Beschwerdeführer vor, bei der streitigen
Zusammenhangsfrage gehe es nur darum, ob die heutige schwere Depression mit
psychotischen Symptomen schon vor dem 31. Januar 2002 resp. vor Ablauf der
Nachdeckungsfrist Ende Februar 2002 ihren Anfang genommen habe oder mindestens
durch die vorher vorhandenen somatischen Beschwerden ausgelöst worden sei.
Dieser Sichtweise liegt die Annahme zugrunde, der hinreichend enge sachliche
Konnex zwischen der während des Vorsorgeverhältnisses bestandenen somatisch
bedingten Arbeitsunfähigkeit und der später eingetretenen im Wesentlichen
psychisch bedingten Invalidität im berufsvorsorgerechtlichen Sinne sei gegeben,
wenn die Erwerbsunfähigkeit natürlich kausale Folge der am 24. November 1998
erlittenen Schulterluxation links im unfallversicherungsrechtlichen Sinne (vgl.
dazu BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit Hinweisen) sei. Diese Rechtsauffassung ist
schon deshalb unbegründet, weil sie dem Grundsatz widerspricht, dass es für die
Belange der beruflichen Vorsorge nicht darauf ankommen kann, ob die
Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, nach Art. 23
lit. a BVG krankheits- oder unfallbedingt ist (SVR 2001 BVG Nr. 18 S. 69, B 64/
99, E. 5b). Notwendige Bedingung für die Bejahung eines hinreichend engen
sachlichen Zusammenhangs zwischen der somatisch bedingten Arbeitsunfähigkeit
während des Vorsorgeverhältnisses und der später eingetretenen, vorwiegend
psychisch bedingten Invalidität ist auch bei Unfallbeteiligung, dass das
psychische Leiden sich bei noch bestehender Versicherungsdeckung manifestiert
und das Krankheitsgeschehen erkennbar mitgeprägt hatte (Urteil 9C_772/2007 vom
26. Februar 2008 E. 3.2; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 37/06 vom 22.
September 2006 E. 3.3). Den Urteilen B 64/99 vom 6. Juni 2001 E. 6, B 62/01 vom
24. Juni 2002 E. 4b und B 111/02 vom 14. Juni 2004 E. 2.2.2 lässt sich nichts
anderes entnehmen.

Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, dass bereits während des
Vorsorgeverhältnisses eine Symptomausweitung stattfand, welche mit dem Unfall
vom 24. November 1998 und der später aufgetretenen invalidisierenden
psychischen Erkrankung in einem zumindest teilursächlichem Zusammenhang steht.
Im Zeitraum Januar 1999 bis Dezember 2000 wurden drei Schulterarthroskopien
durchgeführt. Danach dauerte das Vorsorgeverhältnis noch über ein Jahr bis Ende
Februar 2002. In dieser Zeit unterzog sich der Beschwerdeführer im August und
September 2001 einer zweiwöchigen stationären Schmerztherapie. Dieser mögliche
oder sogar überwiegend wahrscheinliche Konnex genügt indessen nicht für die
Bejahung des hinreichend engen sachlichen Zusammenhangs zwischen der somatisch
bedingten Arbeitsunfähigkeit in der damals ausgeübten Tätigkeit als Schaler und
der späteren, vorwiegend psychisch bedingten Invalidität. Entscheidend ist, ob
die Symptomausweitung bereits damals das Krankheitsgeschehen erkennbar
mitprägte, was das kantonale Gericht in Würdigung der medizinischen Unterlagen
verneint hat. Die dagegen erhobenen Einwände in der Beschwerde stellen entweder
unzulässige appellatorische Kritik am vorinstanzlichen Entscheid dar (E. 2.1.1)
oder beruhen auf einer unzutreffenden Rechtsauffassung in Bezug auf den hier
massgeblichen Begriff des engen sachlichen Zusammenhangs sowie die
Beweislastverteilung.
2.2.3 Der Beschwerdeführer macht schliesslich geltend, in der Zeit vom 1.
Februar 2002 bis 31. Januar 2003 bestehe eine berufsvorsorgerechtliche
Deckungslücke, welche nicht von ihm verschuldet worden sei. Er sei damals von
den Ärzten zu 100 % arbeitsunfähig geschrieben worden. Es sei daher sein gutes
Recht gewesen, sich nicht nach einem neuen Arbeitsplatz umzusehen und damit in
ein neues Vorsorgeverhältnis einzutreten. Diese den zeitlichen Zusammenhang
betreffenden Vorbringen sind nicht stichhaltig. Der Beschwerdeführer hatte nach
Auflösung des Arbeitsverhältnisses die Möglichkeit, sich bei der
Arbeitslosenversicherung zu melden, um weiterhin für die Risiken Tod und
Invalidität obligatorisch berufsvorsorgeversichert zu sein (Art. 2 Abs. 3 BVG
und Art. 10 Abs. 1 lit. d BVG). Dies tat er denn auch. Die Öffentliche
Arbeitslosenkasse Basel-Stadt teilte der SUVA am 27. Mai 2002 mit, der
Versicherte sei angemeldet und habe eine Rahmenfrist für den Bezug von
Arbeitslosentaggeldern vom 1. Februar 2002 bis 31. Januar 2004. Die
Vermittelbarkeit betrage 100 %. Eine allfällige Leistungspflicht der
Auffangeinrichtung (Art. 60 Abs. 2 lit. e BVG) steht hier jedoch nicht zur
Diskussion. Im Übrigen trifft nicht zu, dass alle Ärzte den Beschwerdeführer
als arbeitsunfähig betrachteten. Die Unfallversicherungsärzte aus somatischer
Sicht und Dr. med. N.________ aus psychiatrischer Sicht bejahten eine
Arbeitsfähigkeit in den funktionellen Einschränkungen Rechnung tragenden
Tätigkeiten.

Der angefochtene Entscheid verletzt Bundesrecht nicht.

3.
Dem Verfahrensausgang entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten
zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 3. Dezember 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Fessler