Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 591/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_591/2008

Urteil vom 8. September 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
B.________, Beschwerdeführer,

gegen

1. Winterthur-Columna Stiftung für die berufliche Vorsorge, c/o Winterthur
Leben, General Guisan-Strasse 40, 8401 Winterthur,
2. Sammelstiftung BVG der Zürich Lebensver-sicherungs-Gesellschaft, c/o Zürich,
Lebensver-sicherungs-Gesellschaft, Austrasse 46, 8045 Zürich,
3. Stiftung Auffangeinrichtung BVG, Zweigstelle Deutschschweiz, Binzstrasse 15,
8045 Zürich, vertreten durch Advokat Dr. Hans-Ulrich Stauffer, Rümelinsplatz
14, 4001 Basel,
4. Schweizerische National Sammelstiftung BVG, Wuhrmattstrasse 19, 4103
Bottmingen,
Beschwerdegegnerinnen.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 29. Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
Der 1955 geborene B.________ war bis 1996 selbstständigerwerbend in der
Personalvermittlung tätig. Von August bis Dezember 1996 arbeitete er bei der
Personalberatung der O.________ AG, wobei er im Oktober im Zusammenhang mit
einer Strafuntersuchung wegen Vermögensdelikten für 1 1/2 Monate in
Untersuchungshaft gesetzt wurde. Vom 1. Januar 1997 bis 31. Januar 1998 war er
bei der P.________ AG tätig. Von Februar bis August 1998 bezog er Taggelder der
Arbeitslosenversicherung. Ab 1. September 1998 war er bei der Q.________ AG
angestellt. Für die berufliche Vorsorge versichert war B.________ von August
bis Dezember 1996 bei der Winterthur-Columna Stiftung für berufliche Vorsorge
(im Folgenden: Winterthur), vom 1. Januar 1997 bis 31. Januar 1998 bei der
Sammelstiftung BVG der "Zürich" Lebensversicherungs-Gesellschaft (Zürich), von
Februar bis August 1998 bei der Stiftung Auffangeinrichtung BVG
(Risikoversicherung für arbeitslose Personen, nachstehend Auffangeinrichtung)
und ab 1. September 1998 bei der Schweizerischen National Sammelstiftung BVG
(nachfolgend: National).
Mit Verfügung vom 27. Februar 2002 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich
B.________ rückwirkend ab 1. Oktober 1999 bei einem Invaliditätsgrad von 100 %
eine ganze Rente der Invalidenversicherung zu. Diese Rentenzusprechung wurde
auf Beschwerde hin vom Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich namentlich
auch mit Bezug auf den Anspruchsbeginn mit Entscheid vom 27. Mai 2003
bestätigt.
Am 16. Dezember 2003 liess B.________ beim Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich gegen die vier Vorsorgeeinrichtungen Klage einreichen und zur
Hauptsache beantragen, die Winterthur sei zu verpflichten, ihm eine
Invalidenrente aus der beruflichen Vorsorge auszurichten; eventuell sei die
Zürich, die Auffangeinrichtung oder die National zu verpflichten, ihm eine
Invalidenrente der beruflichen Vorsorge auszuzahlen.
Das Sozialversicherungsgericht gelangte aufgrund der medizinischen Unterlagen
zur Auffassung, dass die Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität mit
Zusprechung einer ganzen Rente der Invalidenversicherung ab 1. Oktober 1999
führte, erst ab 24. September 1998 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
ausgewiesen sei. Demzufolge verpflichtete es die Schweizerische National
Sammelstiftung BVG in Gutheissung der gegen diese gerichteten Klage, B.________
ab 1. September 1999 eine Invalidenrente der beruflichen Vorsorge auf der
Grundlage eines Invaliditätsgrades von 100 %, zuzüglich Zins zu 5 % für die bis
17. Dezember 2003 geschuldeten Rentenbetreffnisse, für die restlichen ab
jeweiligem Fälligkeitsdatum, auszurichten. Die Klagen gegen die drei anderen
Vorsorgeeinrichtungen wies es ab (Entscheid vom 31. Januar 2005).
Die von der National hiegegen eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiess
das Eidgenössische Versicherungsgericht mit Urteil vom 21. März 2006 (B 38/05)
in dem Sinne gut, dass es den angefochtenen Entscheid vom 31. Januar 2005
aufhob und die Sache an das kantonale Gericht zurückwies, damit es, nach
erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Klagen von B.________ neu
entscheide. In der Folge beauftragte das Sozialversicherungsgericht den
Psychiater Dr. med. K.________, Leiter des Forensisch-Psychiatrischen Dienstes
der Psychiatrischen Klinik A.________, mit der Begutachtung des Versicherten.
Gestützt auf die Expertise vom 23. Mai 2007 stellte das kantonale Gericht fest,
dass B.________ weder arbeitsunfähig noch invalid sei. Dementsprechend wies es
die Klagen ab (Entscheid vom 29. Mai 2008).

B.
B.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Sache an das
Sozialversicherungsgericht zurückzuweisen, damit es zusätzliche Abklärungen zum
Beginn der Arbeitsunfähigkeit treffe und danach über den Anspruch auf eine
Invalidenrente der beruflichen Vorsorge neu entscheide. Ferner ersucht er um
die Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu
Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
Streitig ist, ob dem Beschwerdeführer gegenüber einer der eingeklagten
Vorsorgeeinrichtungen ein Anspruch auf Invalidenleistungen aus der beruflichen
Vorsorge zusteht. Dabei ist zunächst die Tragweite des Rückweisungsurteils des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 21. März 2006 zu prüfen.

2.1 Verweist das Dispositiv eines Rückweisungsentscheides ausdrücklich auf die
Erwägungen, werden diese zu dessen Bestandteil und haben, soweit sie zum
Streitgegenstand gehören, an der formellen Rechtskraft teil. Dementsprechend
sind die Motive, auf die das Dispositiv verweist, für die Behörde, an die die
Sache zurückgewiesen wird, bei Nichtanfechtung verbindlich (BGE 113 V 159 E. 1c
mit Hinweisen; AHI 1998 S. 169 E. 1b; Urteil des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts I 614/02 vom 24. Januar 2003).

2.2 Das Dispositiv des Rückweisungsurteils des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts vom 21. März 2006 (B 38/05) verweist auf die Erwägungen.
Diese haben daher nach der zitierten Rechtsprechung an der formellen
Rechtskraft teil und waren für das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich verbindlich. In den Erwägungen legte das Eidgenössische
Versicherungsgericht dar, auf Grund der Berichte der behandelnden Ärzte sei
erstellt, dass der Versicherte während der Untersuchungshaft im Oktober 1996
ein schweres psychisches Trauma erlitten habe; dessen Folgen schränkten seine
Arbeitsfähigkeit massiv ein. Hingegen ergebe sich mit Bezug auf den Beginn der
Arbeitsunfähigkeit aus den Arztberichten kein klares Bild. Angesichts der
divergierenden, teilweise verwirrlichen und widersprüchlichen Angaben der
beteiligten Mediziner sei nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit
erstellt, seit wann der Versicherte aufgrund des psychischen Leidens, das zur
Invalidität führte, in erheblichem Ausmass arbeitsunfähig sei. Es lasse sich
deshalb nicht beurteilen, welche der vor Vorinstanz eingeklagten
Vorsorgeeinrichtungen Invalidenleistungen zu erbringen hat. Zur Klärung dieser
Frage werde das kantonale Gericht zusätzliche Abklärungen in psychiatrischer
Hinsicht treffen. Dazu werde es zweckmässigerweise ein psychiatrisches
Gutachten veranlassen. Der Experte werde sich zu Entstehung und Entwicklung der
psychischen Krankheit sowie namentlich zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit, zu
deren Grad und Dauer zu äussern haben. Gestützt auf die Erkenntnisse des
Gutachters werde die Vorinstanz über die Klage neu entscheiden.

2.3 Wie sich aus den zitierten Erwägungen ergibt, ging das Eidgenössische
Versicherungsgericht davon aus, dass der Beschwerdeführer in Folge eines
schweren psychischen Traumas massiv in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt
sei. Dass daraus eine Invalidität und allenfalls ein Anspruch auf
Invalidenleistungen aus der beruflichen Vorsorge resultierten, hat es indessen
nicht festgestellt. Des Weiteren diente die Rückweisung der Sache an die
Vorinstanz gerade auch dazu, mittels der anzuordnenden fachärztlichen
Begutachtung Aufschluss über Entstehung und Entwicklung der psychischen
Krankheit, demnach auch Erkenntnisse über das Vorliegen eines invalidisierenden
psychischen Gesundheitsschadens, zu erhalten. Angesichts der insgesamt offen
formulierten Vorgaben im Rückweisungsurteil und des Fehlens verbindlicher
Anordnungen bezüglich Festsetzung und Zusprechung von Invalidenleistungen war
das kantonale Gericht nicht gehalten, eine bestehende Invalidität anzunehmen,
sodass es lediglich noch darum gegangen wäre, den Eintritt der
Arbeitsunfähigkeit abzuklären und damit die leistungspflichtige
Vorsorgeeinrichtung zu bestimmen. Schon gar nicht kann schliesslich gesagt
werden, dass die Rückweisung bloss der Umsetzung einer letztinstanzlichen
Anordnung diente und der Vorinstanz deshalb kein Entscheidungsspielraum blieb,
wie der Beschwerdeführer offenbar annimmt. Im Gegenteil: Der Ausgang des
Verfahrens war nach dem Rückweisungsurteil nicht verbindlich vorgegeben,
sondern nach allen Seiten offen, indem es mit oder ohne Zusprechung von
Invalidenleistungen aus der beruflichen Vorsorge enden konnte.

3.
3.1 Waren demnach die Fragen nach dem Bestehen von Arbeitsunfähigkeit und
Invalidität mit dem Rückweisungsurteil des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts vom 21. März 2006 nicht präjudiziert, stand der Anordnung
eines umfassenden psychiatrischen Gutachtens zu Gesundheitszustand und
Arbeitsunfähigkeit des Versicherten durch die Vorinstanz nichts entgegen.
Gestützt auf die Ergebnisse der Gerichtsexpertise des Dr. med. K.________ vom
23. Mai 2007 stellte die Vorinstanz verbindlich fest, dass der Beschwerdeführer
nicht arbeitsunfähig ist. In der Beschwerde wird nichts vorgebracht, was auf
eine offensichtlich unrichtige oder auf einer Bundesrechtsverletzung im Sinne
von Art. 95 lit. a BGG beruhende Sachverhaltsfeststellung des kantonalen
Gerichts nach Art. 97 Abs. 1 BGG schliessen liesse. Vielmehr erschöpfen sich
die Ausführungen des Versicherten im Wesentlichen in einer im Rahmen der
geltenden Überprüfungsbefugnis (E. 1 hievor) unzulässigen appellatorischen
Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung.
Da aufgrund des Gerichtsgutachtens, welchem volle Beweiskraft zukommt, keine
Arbeitsunfähigkeit ausgewiesen ist, liegt auch keine Invalidität vor (vgl. zu
den Begriffen Arbeitsunfähigkeit und Invalidität BGE 130 V 343 E. 3 S. 345 ff).
Das Sozialversicherungsgericht hat den Anspruch des Versicherten auf
Invalidenleistungen aus der beruflichen Vorsorge somit zu Recht verneint.

4.
Dem Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen
Prozessführung ist stattzugeben, da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt
sind (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer wird jedoch ausdrücklich auf
Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht. Danach hat er der Gerichtskasse Ersatz
zu leisten, wenn er später dazu in der Lage ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Prozessführung gewährt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 8. September 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer