Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 584/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_584/2008

Urteil vom 3. November 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiber Ettlin.

Parteien
V.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. André Largier,
Sonneggstrasse 55, 8006 Zürich,

gegen

Universa Krankenkasse, Verwaltung, Rue du Nord 5, 1920 Martigny,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Krankenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 26. Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
Die 1944 geborene V.________ ist bei der Universa Krankenkasse (nachfolgend
Universa) krankenversichert. Im Juni 2006 liess sie durch ihren behandelnden
Zahnarzt der Universa einen Kostenvoranschlag für diverse Eingriffe einreichen.
Die zahnärztliche Diagnose lautete zunächst auf extreme Atrophie des
Kieferknochens (Cawood VI). Mit Verfügung vom 30. Oktober 2006 lehnte die
Universa die Kostenübernahme im Rahmen der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung ab. Daran hielt sie auf erhobene Einsprache hin fest
(Entscheid vom 23. Januar 2007).

B.
Die von V.________ dagegen eingereichte Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 26. Mai 2008
ab.

C.
V.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, die Beschwerdegegnerin sei, unter Aufhebung des angefochtenen
Entscheids, zu verpflichten, die zahnärztliche Behandlung gemäss
Kostenvoranschlag vom 31. Mai 2006 zu übernehmen.

Die Universa schliesst auf Abweisung der Beschwerde und das Bundesamt für
Gesundheit, Kranken- und Unfallversicherung verzichtet auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht und
wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein
kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

2.
Die Vorinstanz hat korrekt die Bestimmung von Art. 31 Abs. 1 lit. a KVG
angeführt, aus welcher sich die Kostenübernahme für die Zahnbehandlung durch
die obligatorische Krankenpflegeversicherung ergibt, wenn diese durch eine
schwere, nicht vermeidbare Erkrankung des Kausystems bedingt ist. Der
angefochtene Entscheid gibt sodann die Bestimmung von Art. 17 Ingress sowie
lit. c Ziffer 3 KLV korrekt wieder, wonach die obligatorische
Krankenpflegeversicherung bei Erkrankungen des Kieferknochens und der
Weichteile durch Osteopathien der Kiefer die Kosten übernimmt, sofern das
Leiden Krankheitswert hat und dieses eine Behandlung notwendig macht. Darauf
kann verwiesen werden.

3.
3.1 Das kantonale Gericht stellte fest, die Beschwerdeführerin leide an einem
Kieferschwund im Seitenzahnbereich, welcher weder den ganzen Ober- noch
Unterkiefer umfasse. Der behandelnde Zahnarzt, Dr. med. dent. S.________,
bestreite diesen Befund im Schreiben vom 15. Februar 2007 nicht. Letztes wird
von der Beschwerdeführerin nicht als offensichtlich unrichtig gerügt, weshalb
das Bundesgericht daran gebunden ist (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 BGG).
Die Beschwerdeführerin macht indessen geltend, der angefochtene Entscheid
stelle zu Unrecht auf die Aktenbeurteilung des Dr. med. dent. D.________ ab.
Dessen Bericht vom 11. Januar 2007 beruhe mangels Untersuchung auf blossen
Annahmen, weswegen ihm die Beweistauglichkeit abgehe.

3.2 Dem angefochtenen Entscheid kann nicht entnommen werden, das kantonale
Gericht habe die Feststellung des Kieferschwundes im Seitenzahnbereich entgegen
der Beurteilung des Dr. med. dent. S.________ getroffen und seine
Stellungnahmen verworfen, hingegen jene der Dres. med. dent. D.________ und
C.________, Vertrauensärzte der Universa, als allein massgeblich erachtet. Für
das Bundesgericht verbindlich führte die Vorinstanz als von Dr. med. dent.
S.________ gestellte Diagnose eine extreme Kammatrophie im Seitenzahnbereich an
(im Kostenvoranschlag vom 29. Mai 2006 war die extreme Atrophie des
Kieferknochens [Cawood VI] ohne Erwähnung des Kieferkörpers festgehalten).
Daher ist jedenfalls von einer Anomalie auszugehen, die nicht den gesamten
Unterkiefer einschliesst und nur den Kamm (Alveolarkamm) beschlägt. Unter
diesen Umständen steht der bloss teilweise, jedoch nicht ganze Abbau des
Alveolarfortsatzes fest (Art. 105 Abs. 1 BGG).

3.3 Im Weiteren bezog sich das kantonale Gericht auf den Atlas der Erkrankungen
mit Auswirkungen auf das Kausystem der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft
(SSO; Februar 1996 mit Korrekturen Dezember 1999). Danach besteht unter anderem
eine schwere Erkrankung des Kieferknochens und der Weichteile im Sinne von Art.
17 lit. c KLV, falls dem Befund eine Osteoporose, eine Osteomalazie oder eine
Osteodystrophie zu Grunde liegt. Gemäss KVG-Leitfaden 1999 der Schweizerischen
Gesellschaft für Kiefer- und Gesichtschirurgie (SGKG) ist schliesslich beim
Nachweis einer extremen Atrophie per se und ohne weitere fachärztliche
Untersuchung eine Osteopathie des Kieferknochens mit Beteiligung des
Kieferkörpers anzunehmen (4/3 zu Art. 17 lit. c Ziffer 3 KLV). Dies ist der
Fall, wenn der ganze Alveolarfortsatz (zum Begriff des Alveolarknochens vgl.
SVR 2008 KV Nr. 3 S. 8 [9C_50/2007]) bis auf die Kieferbasis abgebaut ist
(Atlas der Erkrankungen mit Auswirkungen auf das Kausystem, a.a.O., zu Art. 17
c, S. 41). Da bei der Beschwerdeführerin rechtsverbindlich ein Kieferschwund
ohne vollständigen Alveolarfortsatzabbau im gesamten Unterkiefer besteht, liegt
keine extreme Atrophie des Kieferknochens vor, und die Leistungspflicht nach
Art. 17 lit. c Ziffer 3 KLV ist vom zusätzlichen Nachweis einer Osteoporose,
einer Osteomalazie oder einer Osteodystrophie abhängig.

3.4 Nicht offensichtlich unrichtig schloss das vorinstanzliche Gericht auf das
Fehlen einer der erwähnten Erkrankungen. In der Beschwerde wird nichts
vorgebracht, was diese Feststellung als rechtsfehlerhaft ausweist. Insbesondere
verneinte das Gericht eine Knochenerkrankung im Lichte der gesamten Akten,
folglich auch der Stellungnahmen des Dr. med. dent. S.________. Es seien im
Ober- und Unterkiefer Totalprothesen vorhanden, hingegen sei nicht von
weitergehenden Erkrankungen die Rede. Auf Dr. med. dent. D.________ nahm das
kantonale Gericht zusätzlich Bezug, weil dieser Arzt zur Konkretisierung von
Art. 17 lit. c Ziffer 3 KLV den Atlas der Erkrankungen mit Auswirkungen auf das
Kausystem (a.a.O.) anführte. Demzufolge vermag die Beschwerdeführerin aus dem
Umstand, dass sie von den Dres. med. dent. D.________ und C.________ nicht
untersucht worden ist, nichts Entscheidendes zu ihren Gunsten herzuleiten. Eine
Auseinandersetzung mit der von ihr aufgeworfenen Problematik des Beweiswertes
von Aktengutachten erübrigt sich somit. Ob die Vorinstanz der Ansicht des Dr.
med. dent. D.________ folgen durfte, wonach der Befund entweder durch eine
verfrühte Extraktion der Zähne oder das Tragen einer schlecht angepassten
Prothese entstanden sei, ist nicht von Belang, ergibt sich doch aus dem
angefochtenen Entscheid, dass Dr. med. dent. D.________ die alternativen
Ursächlichkeiten nur deshalb erwähnt hat, weil keine Osteoporose, Osteomalazie
oder Osteodystrophie diagnostiziert war. Dass eine Leistungspflicht gestützt
auf Art. 17 lit. c Ziffer 3 KLV nicht besteht, hat das kantonale Gericht mithin
rechtlich korrekt erkannt.

4.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 65 Abs. 4 lit. a, Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 3. November 2008

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Ettlin