Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 560/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_560/2008

Urteil vom 12. Dezember 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Parteien
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

D.________, Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Fürsprecher Marco Büchel, Freudenbergstrasse 24, 9240 Uzwil.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 13. Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
Die 1945 geborene D.________, gelernte Schneiderin, arbeitete bis gegen Ende
1994 als Krankenpflegerin in einem Pflegeheim, seither als selbstständige
Wirtin. Am 30. Dezember 2005 beantragte sie bei der IV-Stelle des Kantons St.
Gallen eine Rente. Die IV-Stelle ermittelte eine 100-prozentige
Arbeitsunfähigkeit in der bisherigen Tätigkeit, hingegen eine 50-prozentige
Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit, ein Invalideneinkommen von Fr.
21'357.- und aufgrund der im Auszug aus den individuellen Konten (IK)
ausgewiesenen Einkommen der Jahre 2000-2003 ein Valideneinkommen von Fr.
22'700.-, was einen Invaliditätsgrad von 6 % ergab. Dementsprechend wies sie
das Rentengesuch mit Verfügung vom 13. Juni 2006 ab; sie bestätigte dies mit
Einspracheentscheid vom 25. Oktober 2006, wobei sie unter Berücksichtigung
eines Valideneinkommens von Fr. 24'700.- und eines Invalideneinkommens von Fr.
22'473.- einen Invaliditätsgrad von 9 % bestimmte.

B.
Mit Entscheid vom 13. Mai 2008 sprach das Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen D.________ eine halbe Rente zu.

C.
Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen erhebt Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der angefochtene
Entscheid sei aufzuheben und der Einspracheentscheid zu bestätigen.
D.________ beantragt Abweisung der Beschwerde und Ausrichtung einer ganzen
Rente ab 1. Januar 2005. Das Bundesamt für Sozialversicherungen schliesst auf
Gutheissung.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Vorinstanz hat der Beschwerdegegnerin eine halbe Rente zugesprochen und
die Sache zur Festsetzung des Anspruchsbeginns und der Höhe der Rente an die
IV-Stelle zurückgewiesen. Die Beschwerde der IV-Stelle ist zulässig, ungeachtet
ob der vorinstanzliche Entscheid trotz der teilweisen Rückweisung als
Endentscheid (Art. 90 BGG; vgl. Urteil 9C_213/2008 vom 14. August 2008, E. 1)
oder als Zwischenentscheid mit einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil für
die Verwaltung (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 133 V 477 E. 5.2.4 S. 484 f.)
betrachtet wird.

1.2 Das Beschwerdeverfahren gemäss Art. 90 ff. BGG sieht die
Anschlussbeschwerde nicht vor (Meyer, in: Basler Kommentar zum BGG, Basel 2008,
N. 4 zu Art. 102). Auf den in der Beschwerdeantwort gestellten Antrag auf
Zusprechung einer ganzen Rente ist schon deshalb nicht einzutreten, zumal das
Bundesgericht an die Begehren der Parteien gebunden ist (Art. 107 Abs. 1 BGG),
worunter der für die Festlegung der Spruchzuständigkeit massgebende
Beschwerdeantrag zu verstehen ist (MEYER, a.a.O., N. 2 zu Art. 107).

2.
Nach der nicht offensichtlich unrichtigen und für das Bundesgericht daher
verbindlichen (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG) Sachverhaltsfeststellung der
Vorinstanz ist die Beschwerdegegnerin in angepasster Tätigkeit (unter
Vermeidung schwerer Arbeit und des Tragens von Lasten) zu 50 % arbeitsfähig und
könnte dabei - berechnet nach Tabellenlöhnen - ein Invalideneinkommen von Fr.
24'560.- erzielen, allenfalls reduziert um einen Abzug von maximal 10 %, was
ein Invalideneinkommen von Fr. 22'104.- ergäbe.

3.
Umstritten ist die Höhe des massgebenden Valideneinkommens.

3.1 Das Valideneinkommen ist dasjenige Einkommen, das die versicherte Person
erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Art. 16 ATSG, Art. 28a
Abs. 1 IVG). Für die Ermittlung des Valideneinkommens ist rechtsprechungsgemäss
entscheidend, was die versicherte Person im Zeitpunkt des frühestmöglichen
Rentenbeginns nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als
Gesunde tatsächlich verdienen würde, und nicht, was sie bestenfalls verdienen
könnte (BGE 131 V 51 E. 5.1.2 S. 53; Urteil 9C_488/2008 vom 5. September 2008,
E. 6.4). Dabei wird in der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der
Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Verdienst angeknüpft,
da erfahrungsgemäss die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt
worden wäre. Ausnahmen von diesem Erfahrungssatz müssen mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit erstellt sein. Bezog eine versicherte Person aus
invaliditätsfremden Gründen (z.B. geringe Schulbildung, fehlende berufliche
Ausbildung, mangelnde Deutschkenntnisse, beschränkte Anstellungsmöglichkeiten
wegen Saisonnierstatus) ein deutlich unterdurchschnittliches Einkommen, ist
diesem Umstand bei der Invaliditätsbemessung nach Art. 16 ATSG Rechnung zu
tragen, sofern keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie sich aus freien
Stücken mit einem bescheideneren Einkommensniveau begnügen wollte. Nur dadurch
ist der Grundsatz gewahrt, dass die auf invaliditätsfremde Gesichtspunkte
zurückzuführenden Lohneinbussen entweder überhaupt nicht oder aber bei beiden
Vergleichseinkommen gleichmässig zu berücksichtigen sind. Diese
Parallelisierung der Einkommen kann praxisgemäss entweder auf Seiten des
Valideneinkommens durch eine entsprechende Heraufsetzung des effektiv erzielten
Einkommens oder aber auf Seiten des Invalideneinkommens durch eine
entsprechende Herabsetzung des statistischen Wertes erfolgen (BGE 134 V 322 E.
4.1 S. 325 f., mit Hinweisen).

3.2 Die IV-Stelle hat im Einspracheentscheid ausgeführt, die Versicherte habe
bis 1994 als Krankenpflegerin gearbeitet und ein Einkommen von deutlich über
Fr. 50'000.- erzielt. Sie sei aber danach freiwillig selbstständig erwerbende
Wirtin geworden und habe sich aus freien Stücken mit einem deutlich
unterdurchschnittlichen Einkommen begnügt. Die IV-Stelle ging dementsprechend
von einem Valideneinkommen von Fr. 24'700.- aus, berechnet nach dem
Durchschnitt der letzten vier Jahre vor Eintritt des Gesundheitsschadens am 5.
Oktober 2004. Die Versicherte hat in der Beschwerde an das kantonale Gericht
geltend gemacht, sie habe ihre letzte Stelle als Arbeitnehmerin aus
gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Die IV-Stelle hat dies unter Hinweis auf
einen neu eingeholten Bericht des Hausarztes Dr. med. G.________, Facharzt FMH
für Innere Medizin, vom 5. Januar 2007, wonach die Notwendigkeit eines
Berufswechsels aus medizinischen Gründen nicht nachgewiesen sei, bestritten.

3.3 Die Vorinstanz hat erwogen, anhand der Angaben des Dr. med. G.________ vom
5. Januar 2007 sei zwar nicht hinreichend klar, ob die zuletzt ausgeübte Arbeit
im Pflegeheim oder eine frühere Tätigkeit die Versicherte medizinisch gesehen
überfordert habe; doch lasse sich daraus schliessen, dass sie aus medizinischen
Gründen in der Wahl ihrer Erwerbsmöglichkeiten nicht mehr gänzlich
uneingeschränkt gewesen sei. Es sei nicht anzunehmen, dass sie sich völlig
unabhängig von ihrer gesundheitlichen Situation entschlossen hätte, die
Anstellung mit einem Einkommen von rund Fr. 55'000.- aufzugeben und in eine
selbstständige Erwerbstätigkeit mit nicht existenzsicherndem Einkommen zu
wechseln. Jedenfalls könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Versicherte
als voll leistungsfähige Person aus freien Stücken in dieser Tätigkeit
geblieben wäre. Es könne daher nicht auf das in der Tätigkeit als Wirtin
erzielte Einkommen abgestellt werden, sondern es sei von einem Einkommen
auszugehen, wie es mit vollem Leistungsvermögen im Angestelltenverhältnis oder
in einer durchschnittlich einträglichen Arbeit als selbstständig Erwerbende
hätte erreicht werden können. Die Beschwerdeführerin rügt diese
Sachverhaltsfeststellung als offensichtlich unrichtig.
3.3.1 Aus dem Bericht des Hausarztes Dr. med. G.________ vom 5. Januar 2007
geht hervor, dass dieser der Versicherten bei eher belanglosen Befunden, aber
komplexer psychosozialer Situation empfohlen hatte, die damalige Tätigkeit
aufzugeben, weil dabei eine Überforderungssituation bestanden habe. Die Annahme
der Vorinstanz, die Versicherte habe die damalige Stelle nicht unabhängig von
der gesundheitlichen Situation aufgegeben, ist jedenfalls nicht offensichtlich
unrichtig.
3.3.2 Hingegen geht aus dem erwähnten Bericht nicht hervor, dass auch für
andere Berufe gesundheitliche Einschränkungen bestanden hätten. Im Gegenteil
antwortete der Arzt auf die Fragen, was für andere Tätigkeiten zumutbar gewesen
wären und ob darin eine verminderte Leistungsfähigkeit bestanden hätte,
ausdrücklich, er könne dazu keine Stellung nehmen. Die Vorinstanz hat also ihre
Annahme, die Beschwerdegegnerin habe aus gesundheitlichen Gründen nur die wenig
einträgliche Tätigkeit als Wirtin ergreifen können und sei aus gesundheitlichen
Gründen darin verblieben, nicht auf diesen Bericht stützen können. Sie beruft
sich auch nicht auf andere Aktenstücke, welche diese Aussage belegen sollen.
Die Annahme kann sich höchstens auf die allgemeine Lebenserfahrung stützen, was
als Rechtsfrage vom Bundesgericht frei überprüfbar ist (BGE 132 V 393 E. 3.2 S.
398 f.).
Wenn die Beschwerdegegnerin die Tätigkeit als Krankenpflegerin wegen
Überforderung aufgeben musste, bedeutet dies nach allgemeiner Lebenserfahrung
noch nicht, dass sie auch in anderen Tätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen
in ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkt gewesen wäre. Sie hat sich denn auch
erst im Dezember 2005 bei der Invalidenversicherung angemeldet und angegeben,
die Behinderung bestehe seit Juni 2004. Aus den Akten sind von 1995 bis ins
Jahr 2004 nur temporäre Spitalaufenthalte wegen Struma und Rippenfraktur
ersichtlich und jedenfalls keine Arbeitsunfähigkeit wegen der Herzkrankheit,
die schliesslich zur teilweisen Arbeitsunfähigkeit geführt hat. In ihrer
Einsprache hat die Beschwerdegegnerin ausgeführt, sie habe bisher im Umfang von
20 % administrative Arbeiten ausgeführt, im Umfang von 80 % körperlich stark
belastende Arbeit, die ihr jetzt nicht mehr zumutbar sei. Wenn sie somit als
Wirtin ein Pensum von 100 %, grösstenteils mit körperlich stark belastender
Arbeit ausüben konnte, dann ist nicht einzusehen, weshalb sie nicht auch in
einem anderen Beruf eine 100-prozentige Tätigkeit hätte ausüben können, zum
Beispiel im erlernten Beruf als Schneiderin, in einem verwandten Beruf oder
auch in einer administrativen Tätigkeit, die ihr heute noch zu 50 % zumutbar
wäre. Wenn sie stattdessen die wenig einträgliche Tätigkeit als Wirtin gewählt
hat, so ist dies offensichtlich aus persönlichen oder wirtschaftlichen Gründen
erfolgt, aber nicht infolge gesundheitlicher Einschränkungen, die ihr nur
gerade diese Tätigkeit noch ermöglicht hätten. Es kann somit nicht davon
ausgegangen werden, das tiefe Einkommen als Wirtin sei bereits auf eine
Gesundheitsbeeinträchtigung zurückzuführen.

3.4 In einer alternativen Begründung hat die Vorinstanz erwogen, das
bescheidene Einkommen der Versicherten als Wirtin sei nicht darauf
zurückzuführen, dass sie ihr Arbeitspensum aus freien Stücken reduziert habe,
sondern darauf, dass die Erwerbstätigkeit wirtschaftlich nicht einträglich
gewesen sei. Dies sei ein invaliditätsfremder Grund, dem aufgrund der
dargelegten Rechtsprechung (E. 3.1) durch eine Einkommensparallelisierung
Rechnung zu tragen sei. Dies rechtfertige sich, weil nur die
gesundheitsbedingte Einschränkung in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
die Invalidität ausmache. Invalidität sei die Einschränkung des einem Gesunden
zuzuordnenden mutmasslichen Potenzials als Wirtschaftssubjekt auf dem
Arbeitsmarkt. Die Entwicklungen im sozialen und wirtschaftlichen Umfeld dürften
die Grösse der Invalidität nicht beeinflussen. Werde der Versicherten als
invalider Person ein Berufswechsel in eine unselbstständig erwerbende Tätigkeit
mit Einkommensbemessung anhand der Tabellenlöhne zugemutet, so dürfe ihr die
Möglichkeit eines solchen Wechsels auch im hypothetischen Verlauf ohne
Gesundheitsschaden nicht vorenthalten werden. Auch ein freiwilliges
Nichtausnützen der vollen Arbeitskraft bilde einen invaliditätsfremden Umstand
und dürfe nicht invaliditätswirksam sein, da die Invalidität nur von der
Einbusse des funktionellen Leistungsvermögens in den Verweisungsberufen
abhänge. Würde sich das nicht existenzsichernde oder
branchenunterdurchschnittliche Valideneinkommen invaliditätssenkend auswirken,
so sei dies mit dem verfassungsmässigen Gleichbehandlungsgebot nicht vereinbar
und diskriminierend. Für das Valideneinkommen seien grundsätzlich diejenigen
Einnahmen heranzuziehen, die dem gesunden Versicherten zumutbar seien. Vor dem
Eintritt des Gesundheitsschadens erzielte unüblich tiefe Löhne seien deshalb
grundsätzlich auf ein durchschnittliches Lohnniveau in der entsprechenden
beruflichen Situation aufzuwerten. Es sei daher vorliegend auch für das
Valideneinkommen auf die Tabellenlöhne abzustellen, was im Ergebnis einen
Prozentvergleich erlaube und zu einem Invaliditätsgrad von 50-55 % führe.
Beschwerdeführerin und Bundesamt für Sozialversicherungen beanstanden dieses
Vorgehen als bundesrechtswidrig.
3.4.1 Die Rente der Invalidenversicherung ist grundsätzlich eine
Erwerbsausfall-Versicherungsleistung. Versichert ist nicht der
Gesundheitsschaden an sich, sondern der durch den Gesundheitsschaden
verursachte Verlust der Erwerbsmöglichkeit (Art. 1a lit. b IVG; Art. 7 Abs. 1,
Art. 8 Abs. 1 ATSG). Umgekehrt deckt die Invalidenversicherung nur diejenigen
Erwerbsverluste ab, die durch Gesundheitsbeeinträchtigungen verursacht sind,
nicht Einbussen, die auf andere Gründe (z.B. wirtschaftliche, persönliche usw.)
zurückzuführen sind. Der Invaliditätsgrad wird deshalb bei Erwerbstätigen so
bestimmt, dass das Einkommen, welches der Versicherte ohne
Gesundheitsbeeinträchtigung erzielen könnte, demjenigen Einkommen
gegenübergestellt wird, das er nach Eintritt des Gesundheitsschadens erzielt
bzw. bei zumutbarer Tätigkeit erzielen könnte (Art. 16 ATSG; Art. 28a Abs. 1
IVG). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz hängt somit die Erwerbsinvalidität
nicht von der Einbusse des mutmasslichen Potenzials bzw. des funktionellen
Leistungsvermögens als solchem ab, sondern von der effektiven, gesundheitlich
bedingten Einbusse im Erwerbseinkommen. Nützte der Versicherte im
Gesundheitsfall sein wirtschaftliches Potenzial nicht voll aus, so ist dieser
nicht verwertete Teil der Erwerbsfähigkeit nicht versichert (BGE 131 V 51 E.
5.1.2 S. 53, 125 V 146 E. 5b/bb S. 157). Denn wenn jemand vor Eintritt des
Gesundheitsschadens aus gesundheitsfremden Gründen nur ein sehr geringes, nicht
existenzsicherndes Einkommen erzielt hat und nach Eintritt des
Gesundheitsschadens immer noch ein Einkommen in unveränderter Höhe erzielen
könnte, so ist nicht der Gesundheitsschaden ursächlich für eine allfällige
tatsächliche Einkommenseinbusse (Urteil I 335/04 vom 23. Dezember 2004, E. 3);
kausal sind vielmehr die (nicht bei der Invalidenversicherung versicherten)
wirtschaftlichen oder persönlichen Umstände, die bereits beim Gesunden die
Erzielung eines höheren Einkommens verhindert haben.
3.4.2 Indem das kantonale Gericht das zumutbare Invalideneinkommen einem
Einkommen gegenübergestellt hat, das die versicherte Person auch im
Gesundheitsfall gar nicht erzielt hätte, hat es für die Invaliditätsbemessung
einen invaliditätsfremden Faktor berücksichtigt. Dieses Vorgehen kann dazu
führen, dass eine Person als invalid gilt, obwohl sie nach Eintritt der
Gesundheitsbeeinträchtigung mehr verdient als sie vorher verdient hat und im
Gesundheitsfall weiterhin verdienen würde. Damit wird das im Gesundheitsfall
von der versicherten Person zu tragende Risiko einer wirtschaftlich nicht
einträglichen Tätigkeit im Falle einer Gesundheitsbeeinträchtigung auf die
Invalidenversicherung überwälzt. Dies verstösst gegen die dargelegte
gesetzliche Regelung, wonach für die Bestimmung des Invaliditätsgrades nur die
durch einen Gesundheitsschaden erlittene Erwerbseinbusse massgeblich ist.
3.4.3 Zu Unrecht hat sich die Vorinstanz auf die Rechtsprechung berufen, wonach
invaliditätsfremde Umstände, welche zu einem erheblich unterdurchschnittlichen
Valideneinkommen geführt haben, zu einer Einkommensparallelisierung führen
(vorne E. 3.1). Denn diese Rechtsprechung will nur sicherstellen, dass die
beiden Vergleichseinkommen auf gleichen Grundlagen ermittelt werden; sie ist
aber nicht so zu verstehen, dass allen invaliditätsfremden (namentlich auch
wirtschaftlichen) Aspekten, die zu einem unterdurchschnittlichen
Valideneinkommen geführt haben, ohne weiteres durch Aufrechnung auf ein
durchschnittliches Einkommen Rechnung zu tragen wäre. Solches stünde in klarem
Widerspruch zu der gesetzlichen Regelung, wonach nur Erwerbseinbussen
berücksichtigt werden können, die auf eine Gesundheitsbeeinträchtigung
zurückzuführen sind.
Die Grundüberlegung, auf welcher die genannte Rechtsprechung beruht, ist die
folgende: Wenn eine versicherte Person in derjenigen Tätigkeit, die sie als
Gesunde ausgeführt hat, einen deutlich unterdurchschnittlichen Lohn erzielt,
weil ihre persönlichen Eigenschaften (namentlich fehlende Ausbildung oder
Sprachkenntnisse, ausländerrechtlicher Status) die Erzielung eines
Durchschnittslohnes verunmöglichen, dann ist nicht anzunehmen, dass sie mit
einer gesundheitlichen Beeinträchtigung behaftet einen (anteilmässig)
durchschnittlichen Lohn erzielen könnte. Stellt man auf ein Valideneinkommen
ab, das aus den genannten Gründen deutlich unter den branchenüblichen Ansätzen
lag, dann dürfen deshalb diese invaliditätsfremden Faktoren auch bei der
Festlegung des zumutbaren Invalidenlohnes nicht ausser Acht gelassen werden
(ZAK 1989 S. 456 E. 3b). Die Parallelisierung der Einkommen trägt somit dem
Umstand Rechnung, dass die versicherte Person als Invalide realistischerweise
nicht den Tabellenlohn erzielen kann, weshalb ein entsprechend tieferes
Invalideneinkommen anzunehmen ist (Urteil 9C_488/2008 vom 5. September 2008, E.
6.4, zusammengefasst wiedergegeben in SZS 2008 S. 570; Urteil I 428/04 vom 7.
Juni 2006, E. 7.2.2; Urteil I 630/02 vom 5. Dezember 2003, E. 2.2.2). Nun führt
es mathematisch zum gleichen Ergebnis, wenn das Invalideneinkommen reduziert,
wie wenn das Valideneinkommen entsprechend erhöht wird. Deshalb ist es
methodisch auch zulässig, das Valideneinkommen aufzurechnen, anstatt das
Invalideneinkommen zu reduzieren (Urteil 9C_488/2008 vom 5. September 2008, E.
6.1). Das ändert aber nichts daran, dass es in Wirklichkeit darum geht, dem
Umstand Rechnung zu tragen, dass realistischerweise im Invaliditätsfall nur ein
unterdurchschnittliches Invalideneinkommen erzielt werden kann. Die Abwertung
des Invalideneinkommens ist entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung
(HARDY LANDOLT, Invaliditätsbemessung bei Schlechtverdienenden - Ein Methoden-
oder auch ein Gerechtigkeitsproblem?, in: Sozialversicherungsrechtstagung 2006,
St. Gallen 2006, S. 31 ff., 70 f.) nicht ein Umweg, sondern im Gegenteil der
Sinn und Zweck dieser Rechtsprechung. Kann tatsächlich oder zumutbarerweise ein
durchschnittliches Invalideneinkommen erzielt werden, dann besteht kein Grund,
ein aus wirtschaftlichen Gründen unterdurchschnittliches Valideneinkommen auf
ein durchschnittliches hochzurechnen. Denn mit einer solchen Vorgehensweise
würden in gesetzwidriger Weise Einkommenseinbussen berücksichtigt, die nicht
gesundheitlich bedingt sind. Entsprechend der gesetzlichen Regelung und
entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist somit das (zumutbare)
Invalideneinkommen nicht demjenigen Einkommen gegenüberzustellen, das ohne
Gesundheitsbeeinträchtigung bei vollständiger Ausschöpfung des wirtschaftlichen
Potenzials zumutbarerweise hätte erzielt werden können, sondern demjenigen, das
konkret erzielt worden wäre.
3.4.4 Was an diesem Vorgehen verfassungswidrig oder diskriminierend sein soll,
wie die Vorinstanz unter Berufung auf eine Lehrauffassung (HARDY LANDOLT,
a.a.O., S. 56, 74 ff.) meint, ist nicht ersichtlich. Sachlich ungerechtfertigt
wäre nur, ein deutlich unterdurchschnittliches Valideneinkommen einem
durchschnittlichen Invalideneinkommen gegenüberzustellen, von dem
realistischerweise nicht angenommen werden kann, dass es erzielt werden könnte
(vorne E. 3.4.3; vgl. BGE 134 V 322 E. 6.2 S. 329, wo es um eine Versicherte
ging, die infolge geringer Kenntnisse und Ausbildung ein sehr tiefes
Valideneinkommen erzielt hatte, weshalb das zumutbare Invalideneinkommen
entsprechend zu kürzen war, vgl. ebenda E. 4.3). Ist hingegen ein
durchschnittliches Invalideneinkommen realistischerweise erzielbar bzw.
zumutbar und wird dieses einem tiefen Valideneinkommen gegenübergestellt, das
ohne Gesundheitsbeeinträchtigung erzielt worden wäre, so liegt darin keine
methodische Ungleichbehandlung der Schlechtverdienenden. Eine sachlich
ungerechtfertigte Ungleichbehandlung läge im Gegenteil vor, wenn bei
Schlechterverdienenden anders als bei allen anderen Personen nicht das konkret
im Gesundheitsfall erzielte, sondern ein höheres Valideneinkommen zugrunde
gelegt würde; denn dadurch würde - wie dargelegt - ein nicht aus
gesundheitlichen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen tiefes Einkommen
ausgeglichen, was nicht Aufgabe der Invalidenversicherung ist.
3.4.5 An der dargelegten Regelung ändert auch der Umstand nichts, dass bei
Versicherten, die im Aufgabenbereich tätig sind, für die Bemessung der
Invalidität ein Betätigungsvergleich vorgenommen wird (Art. 28a Abs. 2 IVG).
Dass bei nicht erwerbstätigen Versicherten nicht auf einen Vergleich des
Erwerbseinkommens abgestellt werden kann, liegt in der Natur der Sache, kann
aber nicht dazu führen, dass entgegen dem Gesetz auch dort nicht auf einen
Einkommensvergleich abzustellen wäre, wo ein solcher möglich ist. Solches
ergibt sich auch nicht daraus, dass eine invaliditätssenkende Wirkung eines
tiefen Valideneinkommens dann ausgeschaltet werde, wenn die ausserordentliche
Bemessungsmethode am Platz sei, wie die Vorinstanz geltend gemacht hat; denn
auch bei der ausserordentlichen Methode werden nicht einfach die Einbussen im
funktionellen Leistungsvermögen berücksichtigt, sondern die dadurch
verursachten erwerblichen Auswirkungen (BGE 128 V 29 E. 1 S. 30) mit der
Konsequenz, dass ebenfalls kein Invaliditätsgrad resultiert, wenn trotz der
Gesundheitsbeeinträchtigung das gleiche Einkommen erzielt werden kann wie
vorher.
3.4.6 Die bundesgerichtliche Rechtsprechung schliesst nicht aus, dass auch bei
Erwerbstätigen unter Umständen nicht auf das zuletzt erzielte Einkommen
abgestellt wird. Das trifft bei selbstständig Erwerbenden dann zu, wenn
aufgrund der Umstände mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass
der Versicherte im Gesundheitsfall seine nicht einträgliche selbstständige
Tätigkeit aufgegeben und eine besser entlöhnte andere Tätigkeit angenommen
hätte (vgl. etwa Urteil I 696/01 vom 4. April 2002, E. 4b/bb, in Plädoyer 2002/
3 S. 73 und AJP 2002 S. 1487; Urteil I 608/02 vom 23. April 2003, E. 3.2), oder
dann, wenn die vor der Gesundheitsbeeinträchtigung ausgeübte selbstständige
Tätigkeit wegen ihrer kurzen Dauer keine genügende Grundlage für die Bestimmung
des Valideneinkommens darstellt, zumal in den ersten Jahren nach Aufnahme der
selbstständigen Erwerbstätigkeit üblicherweise aus verschiedenen Gründen (hohe
Abschreibungsquote auf Neuinvestitionen etc.) die Betriebsgewinne gering sind
(Urteil I 761/02 vom 5. März 2003, E. 3.2; so auch in dem von der Vorinstanz
zitierten Urteil I 42/01 vom 16. Mai 2001). Wenn sich hingegen der Versicherte,
auch als seine Arbeitsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war, über mehrere
Jahre hinweg mit einem bescheidenen Einkommen aus selbstständiger
Erwerbstätigkeit begnügt hat, ist dieses für die Festlegung des
Valideneinkommens massgebend, selbst wenn besser entlöhnte Erwerbsmöglichkeiten
bestanden hätten (BGE 125 V 146 E. 5c/bb S. 157; Urteil I 428/04 vom 7. Juni
2006, E. 6.2; Urteil I 1/01 vom 31. Juli 2001, E. 4; Urteil I 335/04 vom 23.
Dezember 2004, E. 3; Urteil I 232/02 vom 17. Dezember 2002, E. 2.3; Urteil I
696/01 vom 4. April 2002 E. 4a; MEYER-BLASER, Rechtsprechung des Bundesgerichts
zum IVG, Zürich 1997, S. 208). Das gilt auch dann, wenn beim Invalideneinkommen
dem Versicherten aufgrund der Schadenminderungspflicht zugemutet wird, in eine
einträglichere unselbstständige Tätigkeit zu wechseln (vgl. etwa Urteile I 38/
06 vom 7. Juni 2006 und I 116/03 vom 10. November 2003).
3.4.7 Vorliegend hat die Beschwerdegegnerin rund zehn Jahre lang eine
selbstständige Tätigkeit ausgeübt. Darin liegt keine kurze Dauer im Sinne der
genannten Rechtsprechung. Es bestehen auch sonst keinerlei Anzeichen oder
Anhaltspunkte, dass sie ohne die gesundheitliche Beeinträchtigung ihre
Tätigkeit als Wirtin zugunsten einer besser entlöhnten Tätigkeit aufgegeben
hätte. Nach allgemeiner Lebenserfahrung wäre sie im Gesundheitsfall mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit in der bisherigen Tätigkeit verblieben. Es
besteht deshalb kein Grund, das aus wirtschaftlichen Gründen
unterdurchschnittliche Valideneinkommen auf einen durchschnittlichen
Tabellenlohn aufzurechnen.

4.
Nach den verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz hat die
Beschwerdegegnerin als selbstständige Wirtin in den Jahren 1995-2003 ein
jährliches Einkommen erzielt, das zwischen Fr. 7'623.- bis maximal Fr. 29'200.-
(im Jahre 2000) variierte. Angesichts des Invalideneinkommens von Fr. 22'104.-
(vorne E. 2) ergibt sich damit kein rentenbegründender Invaliditätsgrad, selbst
wenn auf das höchste der erzielten Jahreseinkommen abgestellt würde. Die
Beschwerde ist begründet.

5.
Die unterliegende Beschwerdegegnerin trägt die Kosten des Verfahrens (Art. 66
Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 13. Mai 2008 wird aufgehoben.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen, der Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 12. Dezember 2008
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Schmutz